Zurückweisung eines nicht zulässigen Vorlageantrages
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des A.Z., Adresse, vertreten durch RA.X, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Zurückweisung eines Vorlageantrages (§ 276 BAO) entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt erließ gegenüber dem Bescheidempfänger A.Z. den Grunderwerbsteuerbescheid vom .
Gegen diesen Grunderwerbsteuerbescheid erhob dessen (laut Angabe im Abgabeninformationssystem AIS) steuerlicher Vertreter ohne Hinweis auf eine Bevollmächtigung Berufung. Mit dem gegenüber A.Z. erlassenen und an ihn als Empfänger adressierten Grunderwerbsteuerbescheid vom , Berufungsvorentscheidung gemäß § 276 BAO, wurde diese Berufung abgewiesen.
Laut Aktenlage begehrte am zur Geltendmachung abgabenrechtlicher Interessen der Mitarbeiter eines mit Vollmacht ausgewiesenen Rechtsanwaltes Akteneinsicht. Dabei folgte das Finanzamt diesem Mitarbeiter Ablichtungen des Bescheides, der Berufung und der Berufungsvorentscheidung aus.
Mit Schriftsatz vom , beim Finanzamt im Postweg eingelangt am , brachte der Rechtsanwalt in Vertretung von A.Z. einen Antrag auf Entscheidung über diese Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ein. Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit dieses Vorlageantrages wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
"Offenbar fand ein Zustellversuch an die Partei direkt statt, was zum einen unzulässig ist und zum anderen jedoch auch erfolglos blieb, weil die Partei die Berufungsvorentscheidung nicht erhielt. Der nunmehrige Vertreter der Partei, RA.X., ließ durch seinen Mitarbeiter am im Akt beim Finanzamt Innsbruck Einschau halten, dort langte er Erkenntnis von der Berufungsvorentscheidung vom . Mit dem Zugang dieser Berufungsvorentscheidung an RA.X. beginnt somit die Frist von einem Monat zur Antragstellung zu laufen."
Mit Bescheid vom ergangen gegenüber A.Z., adressiert an den zustellungsbevollmächtigten Rechtsanwalt, wurde der Vorlageantrag vom (richtig ) "gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom " gemäß § 276 Abs. 1 BAO zurückgewiesen mit der Begründung, der vom Steuerberater erhobenen Berufung fehle der Hinweis auf eine erteilte Bevollmächtigung. Die Zustellung der Berufungsvorentscheidung vom (= Bescheiddatum, gemeint wohl ) an die Partei sei daher rechtens. Die Kenntnisnahme der Berufungsvorentscheidung durch den nunmehrigen Vertreter im Zuge der Akteneinsicht sei nicht als Zustellung bzw. tatsächliches Zustandekommen iSd § 7 ZustellG anzusehen. Der Vorlageantrag sei daher zurückzuweisen, da er nicht fristgerecht eingebracht worden sei.
Gegen diesen Zurückweisungsbescheid vom wurde in Vertretung von A.Z. (im Folgenden: Bw) durch den Rechtsanwalt am Berufung erhoben unter anderem mit der Begründung, wie bereits im Vorlageantrag angeführt sei der Bescheid vom (Berufungsvorentscheidung) der Partei A.Z. gar nie zugekommen, weil dieser Bescheid offenkundig auf dem Postweg verloren worden sei.
Mit "Bescheid" vom wurde vom Finanzamt die Berufung gegen den Bescheid vom (Zurückweisung des Vorlageantrages vom ) abgewiesen. Darin wird zum einen ausgeführt, dass richtigerweise in diesem Zurückweisungsbescheid nicht der Grunderwerbsteuerbescheid vom , sondern die Berufungsvorentscheidung vom als jener Bescheid benannt hätte werden müssen, hinsichtlich dessen der Vorlageantrag vom eingebracht wurde. Zum anderen habe die vom Steuerberater eingebrachte Berufung keine Bevollmächtigung (und damit auch keine Zustellungsvollmacht) angeführt, weshalb die Zustellung an A.Z. rechtens gewesen sei.
Nach dem normativen Gehalt (Spruch) dieses Bescheides kann kein Zweifel darüber bestehen, dass damit vom Finanzamt inhaltlich über die Berufung vom (eingelangt am ) abgesprochen wurde. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Hinweis darauf, dass es sich bei diesem Bescheid um eine Berufungsvorentscheidung gemäß § 276 BAO handelt, fehlt. Rechtlich ist dieser "Bescheid" als Berufungsvorentscheidung zu werten, stellt doch der Begriff "Berufungsvorentscheidung" bloß eine im § 276 Abs. 1 BAO gesetzlich vorgesehene besondere Bezeichnung eines "Bescheides" dar.
Veranlasst durch die Bezeichnung "Bescheid" hat der Bw. mit Schriftsatz vom dagegen "Berufung" erhoben, die konsequenterweise als Vorlageantrag zu beurteilen ist. Darin wird im Wesentlichen nochmals eingewendet, die Berufungsvorentscheidung sei niemals wirksam an die Partei A.Z. zugestellt worden. Der Parteienvertreter habe erst anlässlich der Akteneinsicht am festgestellt, dass eine Berufungsvorentscheidung am ergangen sei. Die Vorlagefrist habe daher frühestens am zu laufen begonnen. Der am bei der Post aufgegebene Vorlageantrag sei daher jedenfalls zeitgerecht und keineswegs verfristet.
Über die Berufung wurde erwogen:
Ist die Berufung weder zurückzuweisen (§ 273) noch als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 274) zu erklären, so kann die Abgabenbehörde erster Instanz gemäß § 276 Abs. 1 BAO idF AbgVRefG, BGBl I Nr. 2009/20 die Berufung nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen durch Berufungsvorentscheidung erledigen und hiebei den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen.
Gegen einen solchen Bescheid, der wie eine Entscheidung über die Berufung wirkt, kann innerhalb eines Monats der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt werden (Vorlageantrag).
Gemäß § 276 Abs. 4 BAO ist § 273 Abs. 1 BAO sinngemäß anzuwenden.
Nach § 273 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Im vorliegenden Berufungsfall besteht allein Streit darüber, ob das Finanzamt zu Recht mit Bescheid vom den Vorlageantrag vom gemäß § 276 Abs. 1 BAO zurückgewiesen hat. Entscheidende Bedeutung kommt dabei der Sachverhaltsfrage zu, zu welchen Zeitpunkt der Grunderwerbsteuerbescheid vom , Berufungsvorentscheidung, dem A.Z. rechtswirksam zugestellt wurde. Diesbezüglich wendet die Berufung streitrelevant ein, zum einen sei auf Grund des offenkundig bestehenden Vollmachtsverhältnisses eine Zustellung direkt an die Partei selbst und nicht an den Steuerberater "unzulässig", und zum anderen sei dieser an A.Z. adressierte Bescheid (Berufungsvorentscheidung) dem Bw. gar nie zugegangen, "weil er offenkundig auf dem Postweg verloren wurde". Demzufolge habe die Vorlagefrist erst im Zeitpunkt der Akteneinsicht (Aushändigung der Ablichtung der Berufungsvorentscheidung), somit am , zu laufen begonnen. Damit sei der am bei der Post aufgegebene Vorlageantrag jedenfalls zeitgerecht eingereicht worden.
Laut AIS- Abfrage wurde A.Z. seit von jenem Steuerberater vertreten, der den Berufungsschriftsatz vom gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom einbrachte. Die von diesem Steuerberater selbst ins Abgabeninformationssystem (AIS) eingegebene Vertretungsvollmacht umfasst allerdings nicht die Zustellvollmacht (Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, § 83 Tz 17). Zu Recht wurde daher in der Zustellverfügung des Grunderwerbsteuerbescheides vom , Berufungsvorentscheidung, A.Z. als (formeller) Empfänger bezeichnet, in dessen Verfügungsgewalt der zuzustellende Bescheid gelangen soll. Dem Finanzamt ist somit darin beizupflichten, dass die vorgenommene Zustelladressierung an diesen rechtens ist.
Das weitere Berufungsvorbringen, "der Bescheid vom ging jedoch der Partei gar nie zu, weil er offenkundig auf dem Postweg verloren wurde" indiziert für die Entscheidung des Berufungsfalles folgende Rechtslage.
Gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Fällen die öffentliche Bekanntgabe oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.
Aus dem Spruch ergibt sich, gegen welche Person sich der Bescheid richtet, also die Person, für die der Bescheid nach dem Willen des Finanzamtes bestimmt ist. Demnach ist der Bescheid (von (Zustell-)Bevollmächtigungen abgesehen) dieser Person bekannt zu geben, also zuzustellen. Die Behörde hat somit die Zustellverfügung zu treffen, also zu bestimmen, wem zuzustellen ist, und demgemäß die Zustellung an diese Person zu veranlassen. Die Wirksamkeit von Erledigungen (somit deren rechtliche Existenz) setzt als letzten Akt des Bescheiderzeugungsvorganges dessen Bekanntgabe an den im Spruch genannte Empfänger, also im Allgemeinen die Zustellung an diesen voraus. Der Bescheid gehört somit erst mit seiner Erlassung (wirksamen Zustellung) dem Rechtsbestand an ().
Wie eingangs bereits erwähnt, ist nach § 276 Abs. 4 BAO die Bestimmung des § 273 Abs.1 auf Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden. Demzufolge hat somit die Abgabenbehörde einen Vorlageantrag durch Bescheid zurückzuweisen, wenn der Vorlageantrag nicht zulässig oder nicht fristgerecht eingebracht wurde. Ein Vorlageantrag gegen eine mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordene Berufungsvorentscheidung ist folglich zurückzuweisen (vgl. sinngemäß , ).
Im Gegenstandsfall wird eingewendet, dass die Berufungsvorentscheidung vom dem im Spruch ausgewiesenen Empfänger im Postweg gar nicht "zugegangen" ist. Dieses Vorbringen bestreitet die erfolgte tatsächliche Zustellung und damit letztlich die Wirksamkeit der Berufungsvorentscheidung. In diesem Zusammenhang bleibt im Übrigen noch festzuhalten, dass Ablichtungen von (mittels automatisationsunterstützter Datenverarbeitung erstellten) Bescheiden die Bescheidqualität fehlt, wenn sie weder Unterschrift noch Beglaubigung aufweisen (Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, § 96 Tz 8; ). Wenn daher das Finanzamt anlässlich der Akteneinsicht () dem einschreitenden Mitarbeiter des mit Vollmacht ausgewiesenen Rechtsanwaltes bloße Ablichtungen der Berufungsvorentscheidung vom aushändigte, dann liegt darin keine rechtswirksame Zustellung dieses Bescheides. Entgegen der diesbezüglichen Berufungsargumentation konnte somit bei Zutreffen der (behaupteten) Nichtzustellung die Vorlageantragsfrist nicht "erst am " (Tag der Akteneinsicht mit Aushändigung der abgelichteten Berufungsvorentscheidung) "frühestens zu laufen beginnen". Da gegen eine nicht existierende Berufungsvorentscheidung kein Vorlageantrag zulässig eingebracht werden kann, entscheidet somit denn vorliegenden Berufungsfall die zu lösende Sachverhaltfrage, ob die Berufungsvorentscheidung dem Bw. zugestellt wurde oder nicht.
Wurde (wie im gegenständlichen Fall vorliegend) die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird gemäß § 26 Abs. 1 ZustellG das Dokument zugestellt, indem es in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird. Nach § 26 Abs. 2 ZustellG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen.
Die Vermutung, wonach Zustellungen am dritten Werktag nach der Übergabe an die Post als bewirkt gelten, ist widerlegbar. Gegenteilige Behauptungen des Empfängers dürften reichen, es sei denn, die Behörde kann die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung beweisen; die Beweislast trifft somit die Behörde (, , , -0316 und Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, § 26 ZustellG, Tz. 3).
Auf die Behauptung, dem Bw. sei die Berufungsvorentscheidung vom nicht zugekommen, ist das Finanzamt nicht eingegangen, sodass dieses Sachverhaltsvorbringen völlig unwidersprochen blieb. Vermochte aber das Finanzamt im Rahmen seiner Beweislast keinerlei Tatumstände anzuführen die dafür sprechen bzw. aufzeigen, dass diese Behauptung offenkundig falsch ist, besteht für den Unabhängigen Finanzsenat keine konkrete Veranlassung, die Richtigkeit dieses Berufungsvorbringens in Zweifel zu ziehen. An Sachverhalt ist daher unbedenklich davon auszugehen, dass diese Berufungsvorentscheidung dem Bw. nicht zugestellt worden ist. Damit ist das Schicksal des gegenständlichen Berufungsfalles bereits entschieden. Gemäß § 276 Abs. 1 und Abs. 4 BAO ist nämlich in sinngemäßer Anwendung des § 273 Abs. 1 BAO ein Vorlageantrag als unzulässig (lit. a) zurückzuweisen, wenn dieser bezogen auf eine mangels Zustellung rechtlich nicht existent (wirksam) gewordene Berufungsvorentscheidung (Bescheid) gestellt wurde. Im Ergebnis zu Recht wurde daher mit Bescheid vom der Vorlageantrag vom spruchgemäß zurückgewiesen. An dessen Rechtmäßigkeit ändert auch der Umstand nichts, dass das Finanzamt die Zurückweisung damit begründet hat, der Vorlageantrag sei nicht fristgerecht (lit. b) eingebracht worden. Gemäß § 289 Abs. 2 BAO ist nämlich die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen. Diese Änderungsbefugnis umfasst unzweifelhaft den Austausch des Zurückweisungsgrundes (lit. a statt lit. b), denn "Sache" ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz (hier: Zurückweisung des Vorlageantrages) gebildet hat (, , 0516, ). Überdies wurde der Tatumstand der bislang unterbliebenen Zustellung in der Berufung erstmals eingewendet und darauf war gemäß § 280 BAO anlässlich der Entscheidung Bedacht zu nehmen.
Über die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Obiter dictum wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung über die Berufung gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom bislang noch aussteht, wurde doch die darüber absprechende Berufungsvorentscheidung vom mangels Zustellung rechtlich nicht wirksam. Im weiteren Verfahren wird demzufolge über die (offene) Berufung gegen den Grunderwerbsteuerbescheid noch zu entscheiden sein.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 273 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 273 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 276 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 276 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Wirksamkeit Zustellung |
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