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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 08.02.2012, RV/0313-L/11

Kein Beihilfenanspruch bei Unterhaltspflicht des Ehegatten

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom zu SV-Nr. 0000, mit dem ein Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für das Kind Mag. J S (geborene H) für den Zeitraum ab September 2010 abgewiesen wurde, entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber teilte dem Finanzamt mit Eingabe vom , eingelangt am , mit, dass seine Tochter J am geheiratet habe und nun Mag. J S heiße. Zum vorgelegten Diplomprüfungszeugnis der Universität Wien vom (über die erfolgreiche Ablegung der zweiten Diplomprüfung im Studium Psychologie) weise er darauf hin, dass seine Tochter weiterstudiere, weil sie mit dem Abschluss des Studiums noch kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt habe. Da sie - laut ärztlichem Sachverständigengutachten vom - noch als schwer behindert und 50 % erwerbsgemindert gelte, habe er zugesagt, ihre weitere Ausbildung zur Klinischen Psychologin finanziell zu übernehmen. Er ersuche daher um den weiteren Bezug der Familienbeihilfe für die nächsten acht bis zwölf Monate, längstens jedoch bis .

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom für den Zeitraum ab September 2010 ab, da gemäß § 5 Abs. 2 FLAG kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder bestehe, deren Unterhalt von ihrem Ehegatten zu leisten sei.

Nachdem mit Eingaben vom und um Verlängerung der Berufungsfrist ersucht worden war, wurde mit Schriftsatz vom Berufung gegen den Abweisungsbescheid vom erhoben. Der Berufungswerber führte darin aus, dass seine Tochter aufgrund ihrer schweren Erkrankung an der Anorexie im Jahr 1991 stark erwerbsgemindert sei. Im Dezember 2010 sei der Grad der Behinderung bzw. der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 60 % festgestellt worden. Es sei insofern eine Verschlimmerung der Situation eingetreten, weil 2007 eine 50 %ige Erwerbsminderung angenommen worden sei. Der Grund für die erhöhte Erwerbsminderung sei, dass seine Tochter wegen der früheren Erkrankung an der Magersucht eine schwere Verletzung des Magen- und Darmtraktes erlitten habe und sie einen permanenten Button (PEG Sonde) in den Darm eingesetzt bekommen habe, um ständig mit Sondernahrung versorgt zu werden. Das bedeute, dass seine Tochter trotz ihrer Eheschließung am nicht selbsterhaltungsfähig sei, da das Einkommen ihres Gatten Dr. M S nicht ausreiche, um die hohen Kosten für die Sondernahrung bzw. Additive und sonstigen Arzneimittel sowie Hilfsmittel finanzieren zu können. Dazu komme, dass seine Tochter mit Abschluss des Studiums der Psychologie erkannt habe, noch keine entsprechenden Chancen am Arbeitsmarkt zu haben. Deshalb mache sie eine Ausbildung zur Klinischen Psychologin, die sie - in Verbindung mit ihren persönlichen Erfahrungen und ihrer früheren Krankheit - zur Klinischen Psychologin mit eigenem Erfahrungshintergrund bestens befähigen werde. Im Rahmen dieser Ausbildung müsse seine Tochter fünf Monate lang 40 Wochenstunden arbeiten und erhalte dafür kein Gehalt. Der Ehegatte seiner Tochter beziehe ein Nettoeinkommen von 1.800 €. Mit diesem Einkommen sei es seinem Schwiegersohn nicht zumutbar, die Ausbildung seiner Tochter (dessen Frau) allein zu finanzieren. Dies umso mehr, als seine Tochter als Folge ihrer Krankheit nach wie vor erhöhte Lebenserhaltungskosten für Therapien, Selbstbehalte, Spezialnahrung usw. aufzuwenden habe. Er habe seiner Tochter zugesagt, sie während der Ausbildung zur Klinischen Psychologin finanziell weiter mit monatlich 1.100 € zu unterstützen. Dies erscheine ihm umso gebotener, als ein eigener Beruf für die weitere Entwicklung seiner Tochter die Basis für ein eigenständiges Leben darstelle, auf das er sie bisher durch die langen Jahre ihrer Erkrankung begleitet und unterstützt habe. Mit der Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe - längstens bis - werde für seine Tochter nicht nur eine notwendige Zusatzausbildung ermöglicht, sondern würden vor allem die Chancen erhöht, dass sie auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig unterkommen könne und sich ihre Erwerbsminderung entsprechend reduzieren könne.

Dieser Berufung waren eine Ablichtung des Behindertenpasses (mit einer ausgewiesenen Erwerbsminderung in Höhe von 60 %), eines Begleitschreibens des Bundessozialamtes zur Übermittlung desselben an die Tochter des Berufungswerbers, sowie eine Ablichtung des Sachverständigengutachtens vom angeschlossen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt diese Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte das Finanzamt aus:

Gemäß § 5 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, denen Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist. Die Tochter des Berufungswerbers hat sich unbestritten am verehelicht. Die Verehelichung eines Kindes soll nur dann mit dem Verlust der Familienbeihilfe verbunden sein, wenn Unterhalt für das verheiratete Kind von seinem Ehegatten zu leisten ist. Für Kinder, die verheiratet oder geschieden sind, besteht nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn die Eltern noch zur Unterhaltsleistung verpflichtet sind, weil der (frühere) Ehegatte des Kindes nach seinen Lebensumständen hiezu nicht verpflichtet ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der (frühere) Ehegatte selbst noch in Berufsausbildung befindet. Auf die Tatsache, dass Eltern freiwillig Unterhaltsleistungen für ein verheiratetes oder geschiedenes Kind erbringen, ohne hiezu verpflichtet zu sein, kann ein Anspruch auf Familienbeihilfe nicht gestützt werden. Art und Umfang des Unterhaltsanspruches eines Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten ergeben sich aus dem Zivilrecht, insbesondere aus § 94 ABGB:

"(1) Die Ehegatten haben nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen.

(2) Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, leistet dadurch seinen Beitrag im Sinn des Abs. 1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Missbrauch des Rechtes wäre. Ein Unterhaltsanspruch steht einem Ehegatten auch zu, soweit er seinen Beitrag nach Abs. 1 nicht zu leisten vermag.

(3) Auf Verlangen des unterhaltsberechtigten Ehegatten ist der Unterhalt auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten, soweit nicht ein solches Verlangen, insbesondere im Hinblick auf die zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel, unbillig wäre. Auf den Unterhaltsanspruch an sich kann im vorhinein nicht verzichtet werden."

Eine Eheschließung bewirkt nicht den völligen Verlust des Unterhaltsanspruches gegen die Eltern, sondern nur dessen Subsidiarität; vgl zB :

"Den Ausführungen des Rekursgerichtes ist zuzustimmen: Dieses ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Unterhaltsverpflichtung der Eltern für ein verheiratetes Kind gegenüber der Ehegattenunterhaltspflicht nur subsidiär ist, also nur dann und insoweit zum Tragen kommt, als der in erster Linie unterhaltspflichtige Ehepartner nicht in der Lage ist, seiner Unterhaltsverpflichtung nachzukommen (vgl Pichler in Rummel ABGB² Rz 12 zu § 140; Schwimann Rz 110 zu § 140)."

Im gegebenen Fall steht fest, dass der Ehegatte der Tochter des Berufungswerbers unbestritten voll erwerbstätig war. (Laut Einkommensteuererklärung 2009 hatte er 26.370,64 € steuerpflichtiges Einkommen und It. Angaben des Berufungswerbers bezog er im Jahr 2010 monatlich ca. 1.800 € netto). Zu prüfen ist demnach, ob die Einkünfte des Ehegatten höchstens zur Bestreitung der eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse ausreichen, was die subsidiär gegebenen Unterhaltspflichten ... des Berufungswerbers fortbestehen lassen würde oder ob die Einkünfte des Ehegatten über die eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse hinausgehen, was seine Unterhaltspflicht begründen würde und somit den Anspruch auf Familienbeihilfe für die Tochter des Berufungswerbers ausschließen würde.

Es ist sachgerecht, sich bei der Höhe der "bescheidensten Bedürfnisse" an den zivilrechtlichen Begriffen "notwendiger bzw notdürftiger" Unterhalt zu orientieren. Diese wiederum orientieren sich nach der Judikatur am "Existenzminimum", das die Ausgleichszulagenrichtsätze des § 293 ASVG als Basis hat. Das Existenzminimum (der Ausgleichszulagenrichtsatz) reicht schon nach dem Wortsinn aus, um die eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse abzudecken und wird auch rechtlich in diesem Sinn verstanden (zB im Unterhaltsrecht, im Pensionsrecht und im Exekutionsrecht). Siehe dazu zB ELGZ Wien 44 R 464/02i, EFSlg 100.944, zu § 68a EheG:

"Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Personen zur Befriedigung ihrer einfachsten Lebensbedürfnisse eines bestimmten Mindestbetrages bedürfen. Dieser als absolutes Minimum angesehene Betrag ergibt sich aus §§ 293 f ASVG. Mit dem Betrag für alleinstehende Personen nach § 293 Abs. 1 lit. a ASVG stimmt nunmehr auch gemäß § 291a Abs. 1 EO der unpfändbare Freibetrag (Existenzminimum) überein."

Da es bei dieser Beurteilung ausschließlich um die eigenen Unterhaltsbedürfnisse des Ehegatten der Tochter des Berufungswerbers geht, kann nur der Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende herangezogen werden. Dieser beträgt im Jahr 2010 783,99 € monatlich und 2011 793,40 € monatlich (§ 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG). Nach dem dargestellten Sachverhalt reichen die Einkünfte des Ehegatten der Tochter des Berufungswerbers somit über die Bestreitung der eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse hinaus, was die Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau begründet. Somit besteht ab kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Ihre Tochter.

Mit Eingabe vom beantragte der Berufungswerber die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Das Finanzamt hat bereits in der Berufungsvorentscheidung eingehend begründet, warum dem Berufungswerber für seine Tochter J ab September 2010 kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr zusteht. Da im Vorlageantrag keine neuen Argumente rechtlicher Art vorgebracht wurden und auch kein neues Sachverhaltsvorbringen erstattet wurde, ferner die Berufungsvorentscheidung den Anforderungen an die Begründung eines Bescheides vollinhaltlich genügt und die in der Berufung vorgetragenen Argumente nachvollziehbar in zusammengefasster Darstellung widerlegt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Finanzamtes in der Berufungsvorentscheidung verwiesen (zur Zulässigkeit eines solchen Verweises vgl. Ritz, BAO4, § 288 Tz 14 mit Judikaturnachweisen).

Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass jeder Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehegatten die Gewährung von Familienbeihilfe ausschließt. Dafür spricht schon der eindeutige Wortlaut des § 5 Abs. 2 FLAG. Dass nur eine ausschließliche Unterhaltsleistung durch den Ehegatten dem Bezug von Familienbeihilfe entgegenstünde, kann dem Gesetz nicht entnommen werden (vgl. zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 6 Abs. 1 lit. b FLAG Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 6 Tz 9). Selbst wenn daher das Einkommen des Ehegatten nicht ausreichen würde, seiner Ehegattin den notwendigen Unterhalt in vollem Umfang zu leisten, und im Sinne der bereits vom Finanzamt ins Treffen geführten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes subsidiär ein ergänzender Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber den Eltern bestünde, würde allein damit noch nicht (wieder) ein Beihilfenanspruch durch den in Betracht kommenden Elternteil begründet. Abgesehen davon wurde mit dem pauschalen Hinweis, dem Ehegatten sei es bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.800 € nicht zumutbar, die Ausbildung seiner Ehefrau (der Tochter des Berufungswerbers) allein zu finanzieren, nicht nachvollziehbar dargetan, in welchem Umfang eine subsidiäre Unterhaltspflicht des Berufungswerbers überhaupt anzunehmen wäre (eine freiwillige Finanzierung des weiteren Studiums stellt keine Erfüllung einer Unterhaltspflicht dar). Auch mit dem bloßen Hinweis auf die nicht näher bezifferten krankheitsbedingten Mehraufwendungen seiner Tochter wird das Vorliegen einer weiteren subsidiären Unterhaltspflicht des Berufungswerbers noch nicht dargetan. Schließlich sei noch angemerkt, dass der Einkommensteuerbescheid des Ehegatten der Tochter des Berufungswerbers für das Jahr 2010 Bruttobezüge von 39.130 € bzw. steuerpflichtige Bezüge von 27.469,28 € ausweist, woraus sich (unter Berücksichtigung der sonstigen Bezüge iSd § 67 EStG) ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von rund 2.170 € ergibt.

Insgesamt gesehen wurde daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Linz, am

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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at