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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 08.02.2012, RV/2802-W/08

Bemessungsgrundlage bei Vorliegen eines Generalvergleiches

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der S1-GmbH, A-Straße, vertreten durch Rechtsanwalt, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom betreffend Gebühr gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG. 1957 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

1. Rechtsvorgang

Am schlossen die S1-GmbH (Bw.), die S2-AG, die S-AG (diese werden im nachstehend genannten Vertrag "Käufer" genannt), die P1, die P2, die P3 , die P4 , die P5, die P6 , die P7., die P8., die P9, die P10 (diese 10 Gesellschaften werden im Vertrag "Zielgesellschaften" genannt) , einerseits und Herr X. und die Y- Privatstiftung (diese werden "Verkäufer" genannt) andererseits eine (Vergleichs-)Vereinbarung mit auszugsweise folgendem Inhalt ab:

"2. Ansprüche und Forderungen

Nach Ausübung der in Punkt 1 beschriebenen Call-Optionen durch die Käufer und der folgenden "Übernahme" der zu 4.) bis 13.) genannten Zielgesellschaften in die S- Gruppe" hat sich herausgestellt, dass zwischen den Vertragsparteien umfangreiche wechselseitige unstrittige sowie strittige Forderungen bestehen bzw. geltend gemacht werden.

3. Unstrittige Ansprüche

Die unstrittigen Ansprüche sind in der dieser Vereinbarung als Beilage A angeschlossenen Aufstellung genannt "P--Gruppe Zusammenstellung Forderungen - Verbindlichkeiten"dargestellt....

Es ergibt sich daraus ein Anspruch der "Zielgesellschaften" gegenüber Herrn X. bzw. Y- Privatstiftung in Höhe von EUR 169.121,21

4.) Strittige Forderungen (Anm: diese werden mangels Entscheidungsrelevanz nicht wiedergegeben)

6.) Zahlungsverpflichtung

6.1 Dies vorausgeschickt, sind die Parteien übereingekommen, sämtliche wechselseitigen Ansprüche, insbesondere die unter Punkt 3. und 4. genannten, nunmehr endgültig und abschließend zu bereinigen.

6.2 In diesem Sinne verpflichten sich die Verkäufer solidarisch einen Betrag von EUR 169.121,21 zur Abgeltung der unstrittigen Forderungen gemäß Beilage A auf das Konto der P3 ...zu bezahlen.

6.3 Weiters verpflichten sich die Käufer solidarisch, aus dem Titel Gewährleistung/Garantie/Schadenersatz mit Hinblick auf die mit Schiedsklage gemäß Punkt 4.1 geltend gemachten Ansprüche einen Betrag von EUR 360.878,78 an die Käufer... zu bezahlen.

7. Bereinigung/Vergleich

Mit vollständiger Bezahlung der in Punkt 6. genannten Zahlungen sind ausdrücklich, bedingungslos und unwiderrufbar sämtliche wechselseitigen Ansprüche und Forderungen der Parteien, insbesondere aus und im Zusammenhang mit Abschluss der in Punkt 1 genannten Verträge und insbesondere die in Punkt 3. und 4. genannten Ansprüche und Forderungen, sowie auch alle anderen Ansprüche und Forderungen zwischen den Käufern und den Zielgesellschaften auf der einen Seite sowie den Verkäufern auf der anderen Seite, seien diese Ansprüche und/oder Forderungen bekannt oder unbekannt, bedingt oder unbedingt, endgültig bereinigt und verglichen. Dasselbe gilt sinngemäß auch für allfällige Ansprüche und/oder Forderungen betreffend "P-U" GesmbH. Die Käufer verpflichten sich, die Verkäufer bei einer allfälligen Inanspruchnahme durch P-U Gesellschaft mit beschränkter Haftung vollkommen schad- und klaglos zu halten.

7.2 In diesem Sinne verzichten nach Maßgabe dieser Vereinbarung auf der einen Seite die Käufer und die Zielgesellschaften auf alle ihnen gegenüber den Verkäufern zukommenden Ansprüche und Forderungen, und zwar bedingungslos und unwiderruflich, zur Gänze und endgültig, dies aber mit Ausnahme der unter Punkt 6. genannten Zahlungen. Vom Verzicht sind auch jene Ansprüche erfasst, die den mit den Käufern verbundenen Unternehmen gegen die Käufer zustehen könnten. Andererseits verzichten nach Maßgabe dieser Vereinbarung die Käufer auf alle ihnen gegen die Verkäufer und/oder die Zielgesellschaften zukommenden Forderungen..."

2. Verfahren vor dem Finanzamt:

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien gegenüber der Bw. für die o.a. Vereinbarung eine Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 20 GebG mit 2% vom Gesamtwert der Zahlungsverpflichtung in Höhe von € 550.000,00 (d.s. € 11.000,00 fest.

In der dagegen eingebrachten Berufung wurde eingewandt, dass der Betrag in Höhe von € 169.121,21 niemals strittig gewesen sei, weshalb für diesen Betrag die Gebühr zu Unrecht vorgeschrieben worden sei.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei einem Vergleich um einen Feststellungsvertrag mit "Klarstellungs- und Streitvorbeugungsfunktion" handle, der unter beiderseitigem Nachgeben zu Stande komme und womit bisher strittige oder zweifelhafte Rechte bereinigt würden. Das Nachgeben in nur einem von mehreren Punkten genüge. Im Punkt 7 der vertragsgegenständlichen Vereinbarung werde festgehalten, dass mit vollständiger Bezahlung der im Punkt 6 genannten Beträge ausdrücklich, bedingungslos und unwiderrufbar sämtliche wechselseitigen Ansprüche und Forderungen der Parteien endgültig bereinigt und verglichen seien. Die Zahlungsverpflichtung laut Punkt 6 beziehe sich sowohl auf die unstrittigen als auch auf die strittigen Forderungen. Mit Bezahlung des Betrages iHv € 550.000,00 seien alle zwischen den Vertragsparteien bestehenden Forderungen bereinigt. Die Textierung im Punkt 7 lasse den Schluss zu, dass die vergleichsweise Bereinigung der Forderungen ohne Aufnahme der unstrittigen Forderungen nicht möglich gewesen und von den Parteien so nicht abgeschlossen worden wäre. Es liege eine "Globalbereinigung" sämtlicher Forderungen vor. Bemessungsgrundlage sei die Gesamtsumme aller positiv zu erbringenden Leistungen.

Dagegen beantragte die Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und wiederholte das bisherige Berufungsvorbringen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Auf Grund des § 33 TP 20 Abs. 1 unterliegen Vergleiche (außergerichtliche) nach Maßgabe des III. Abschnittes des Gebührengesetzes, a) wenn der Vergleich über anhängige Rechtsstreitigkeiten getroffen wird 1 vH, b) sonst 2 vH vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen.

Der den Gegenstand des § 33 TP 20 GebG bildende Vergleich ist nach § 1380 ABGB zu beurteilen, da das Gebührengesetz keine Begriffsbestimmung enthält. Nach der angeführten Bestimmung des § 1380 ABGB heißt ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, dass jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun, oder zu unterlassen verbindet, Vergleich (siehe Fellner, Band I, Stempel und Rechtsgebühren, Rz 2 zu § 33 TP 20 GebG mit zahlreichen Judikaturhinweisen).

Ein Vergleich liegt vor, wenn die Parteien streitige oder zweifelhafte Rechte durch gegenseitiges Nachgeben beseitigen, indem sie eine neue, eindeutige Verbindlichkeit festsetzen. Der Vergleich ist ein Feststellungsvertrag, der vor allem der Vermeidung oder Beilegung von Rechtsstreitigkeiten dient (Schwimann, ABGB³, Band 6, Rz 1 zu § 1380). Strittig oder zweifelhaft ist ein Recht, wenn die Parteien uneins sind, ob oder in welchem Umfang ein Recht entstanden ist oder noch besteht, wobei die Differenzen gegenwärtige wie zukünftige Rechts- oder Tatfragen betreffen können. Dies ist rein subjektiv aus der Sicht der Parteien zu beurteilen, selbst wenn deren Standpunkte möglicherweise objektiv unzutreffend sind (vgl. unter Hinweis auf Koziol/Bydlinsky/Bollenberger, Kurzkommentar zum ABGB, Rz 3 zu § 1380).

Nicht nur bereits bestehende strittige vertragliche Rechtsverhältnisse können vergleichsweise geregelt werden, sondern auch solche Rechte, die dem Grunde oder der Höhe nach zweifelhaft sind. Streitig ist dabei ein Recht dann, wenn die Parteien sich nicht darüber einigen können, ob und in welchem Umfang es entstanden ist oder noch besteht. Zweifelhaft ist das Recht, wenn die Parteien sich über Bestand, Inhalt und Umfang oder auch über das Erlöschen nicht im Klaren sind. Rechte sind auch dann zweifelhaft, wenn ihre Verwirklichung unsicher geworden ist (vgl. ).

Nach Wolff in Klang, VI 275, ist entscheidend, dass jeder Partner eines Vergleiches zu einer Leistung positiver oder negativer Art verpflichtet wird. Daher gilt auch die Anerkennung eines zweifelhaften oder unsicheren Rechtes gegen Entgelt als Vergleich. Dasselbe gilt auch für eine Abfindung, wenn damit zweifelhafte Ansprüche abgegolten werden oder auf sie verzichtet wird (siehe Fellner, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, RZ 5 zu § 33 TP 20 GebG).

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erachtet für das Vorliegen eines Vergleiches in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes und der zivilrechtlichen sowie gebührenrechtlichen Literatur vor allem den Umstand des beiderseitigen Nachgebens für wesentlich (vgl. zB ), wobei dieses Nachgeben keineswegs in jedem einzelnen Punkt der als Vergleich zu qualifizierenden Einigung erfolgen muss, es genügt vielmehr schon das Nachgeben auch in nur einem von mehreren Punkten (vgl. ).

Nach § 1389 zweiter Satz ABGB sind auch Generalvergleiche zulässig (Hinweis ).

Strittig ist im vorliegenden Fall allein die Frage, ob neben den "strittigen Forderungen gemäß Punkt 4 der Vereinbarung vom auch die "unstrittigen Ansprüche" gemäß Punkt 3 des Vertrages inhaltlich als Vergleich zu qualifizieren sind und damit der Gebühr gemäß § 33 TP 20 GebG unterliegen.

Die Bw. führt dazu aus, dass der Betrag in Höhe von € 169.121,21 niemals - weder gerichtlich noch außergerichtlich - strittig gewesen sei.

Der Vertrag vom wurde zum Zweck der Bereinigung sämtlicher wechselseitigen Ansprüche abgeschlossen (Siehe Punkt 6.1 des Vertrages).

Die Zahlungsverpflichtung laut Punkt 6. des Vertrages bezieht sich sowohl auf die unstrittigen als auch auf die strittigen Forderungen.

Gemäß Punkt 7.1 des Vertrages sind mit vollständiger Leistung der in Punkt 6 genannten Zahlungen ausdrücklich, bedingungslos und unwiderrufbar sämtliche wechselseitigen Ansprüche und Forderungen der Parteien, seien dies Ansprüche oder Forderungen bekannt oder unbekannt, endgültig bereinigt.

Ein Vorbehalt, dass einzelne Ansprüche nicht mitverglichen werden, kann dem Vertrag nicht entnommen werde.

Insgesamt ist der Vertrag, der unbestrittenermaßen als Vergleich im Sinne des § 1380 ABGB zu qualifizieren ist, daher rechtlich als ein einheitliches Ganzes anzusehen.

Weiters ist auf das Erkenntnis , zu verweisen, in dem ausgeführt wird:

"Das Herausnehmen einzelner Punkte aus einem Vergleich, wie es der Beschwerdeführer anstrebt, ist deshalb unzulässig, weil gerade das für einen Vergleich wesentliche Nachgeben beider Teile, jeweils für sich allein betrachtet, in einem Anerkenntnis oder einem Verzicht bestehen kann, welche Rechtsinstitute für sich gesehen, der Gebührenpflicht nach § 33 TP 20 GebG nicht unterliegen, und eine solche Betrachtungsweise der zitierten Gesetzesstelle in solchen Fällen ihren Anwendungsbereich nehmen würde."

Die Einwendungen der Bw. konnten daher keine Rechtswidrigkeit des vorliegenden Bescheides aufzeigen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
Verweise
VwGH, 2006/16/0136



Zitiert/besprochen in
StExp 2012/105

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at