OGH vom 15.12.2009, 1Ob22/09f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Tamara K*****, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie für den *****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 230/08s-U-47, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom , GZ 24 P 29/05k-U-42, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung:
Die Minderjährige lebt seit bei ihrem Vater, dem auch rechtskräftig die Obsorge übertragen wurde. Am beantragte der Unterhaltssachwalter, ihre Mutter ab zur Leistung eines vorläufigen Unterhalts in Höhe von monatlich 130,90 EUR sowie zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 120 EUR zu verpflichten. Die Mutter beziehe Kinderbetreuungsgeld von 805,80 EUR monatlich und leiste keinen Unterhalt für die Minderjährige. Sie habe vier weitere Sorgepflichten - für den am geborenen K*****, für die am geborene F*****, für den am geborenen P***** und für die am geborene J*****.
Die Mutter äußerte sich trotz Aufforderung nach § 17 AußStrG zum Unterhaltsfestsetzungsantrag nicht.
Das Erstgericht wies sowohl den Antrag auf Gewährung vorläufigen Unterhalts nach § 382a EO als auch jenen, die Mutter zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 120 EUR zu verpflichten, ab. Das von der Mutter bezogene Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss dazu würden kein eigenes Einkommen der Mutter darstellen. Mangels Unterhaltsbemessungsgrundlage könne daher keine Unterhaltsverpflichtung auferlegt werden.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus den vom Erstgericht angestellten Überlegungen und ließ den Revisionsrekurs mangels Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur geltenden Fassung des § 42 KBGG zu.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen, die das Kinderbetreuungsgeld in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen sehen will.
Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Minderjährigen ist zulässig und berechtigt. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G 9/09-12, G 42/09-8, die Anträge, Teile der §§ 42 und 43 des Kinderbetreuungsgeldgesetzes idF BGBl I 2007/76 als verfassungswidrig aufzuheben, zurück- bzw abgewiesen, und zwar unter Hinweis auf die Judikatur des 10. Senats des Obersten Gerichtshofs, insbesondere 10 Ob 112/08f, 10 Ob 7/09s und 10 Ob 8/09p, sowie auf die allgemeinen Grundsätze der Anspannungstheorie „unter Berücksichtigung der Einengung der Erwerbsmöglichkeiten durch Betreuungspflichten für Kleinkinder". Es ist daher nunmehr davon auszugehen, dass das Kinderbetreuungsgeld nach § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76 grundsätzlich als Einkommen, damit als Bemessungsgrundlage für die Unterhaltspflicht eines Elternteils herangezogen werden kann. Zur Frage der konkreten Höhe der Unterhaltspflicht der Mutter im vorliegenden Fall reichen die Feststellungen der Vorinstanzen aber nicht aus. Zwar wurden ihre weiteren Sorgepflichten festgestellt, nicht aber, ob einerseits die siebzehnjährige Antragstellerin selbst, aber auch ihr sechzehnjähriger Bruder allenfalls bereits über Eigeneinkommen verfügen. Es können daher weder der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin, noch die für die übrigen Unterhaltspflichten der Mutter nach herrschender Judikatur in Abzug zu bringenden Prozentsätze beurteilt werden.
Auch wenn die Mutter zum ursprünglichen, ihr gemäß § 17 AußStrG zur Äußerung zugestellten Unterhaltsbegehren nicht Stellung genommen hat, sind aufgrund des geltenden Untersuchungsgrundsatzes weitere Erhebungsschritte notwendig (vgl Fucik/Kloiber § 17 AußStrG Rz 5).