Erteilung häuslichen Unterrichts ist keine begünstigte Kinderbetreuung
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/15/0065 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
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RV/0293-F/10-RS1 | Wird in einer Einrichtung, die keine Schule im Rechtssinn ist, wohl aber die Voraussetzungen einer Kinderbetreuungseinrichtung im Sinne von § 34 Abs. 9 Z 3 EStG erfüllt, im Wesentlichen auf alternative Art häuslicher Unterricht im Sinn des Schulpflichtgesetzes erteilt, dann stellen die dafür geleisteten Zahlungen keine begünstigten Kosten der Kinderbetreuung dar. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer 2009 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber, nachfolgend Bw. abgekürzt, beantragte in seiner elektronisch eingebrachten Steuererklärung für das Streitjahr die Berücksichtigung von Ausgaben für die Betreuung seiner Söhne x (geb. dat1) und Y (geb. dat2) in Höhe von 1.654,00 und 2.734,00 € als außergewöhnliche Belastung.
Über Ersuchen des Finanzamtes, u.a. die geltend gemachten Kinderbetreuungskosten belegmäßig nachzuweisen, legte der Bw zwei Schreiben vor, in denen der Verein aa den Erhalt der bereits erwähnten Beträge für die Betreuung der Söhne des Bw "im Rahmen der Kindererziehungseinrichtung ,B'" bestätigte.
Auf Basis entsprechender Internetrecherchen (www.abc.at) gelangte das Finanzamt zur Überzeugung, Ziel und Zweck des Besuchs der ,B' sei die Ausbildung, wie sie an jeder öffentlichen Schule zu erhalten sei. Mit der Begründung, Schulgeld sei nicht als Kinderbetreuungskosten absetzbar, berücksichtigte es die geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung.
Der Bw erhob Berufung. In ihr begehrte er die Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als Kinderbetreuungskosten gem. § 34 Abs. 9 EStG aus folgenden, wörtlich wiedergegebenen Gründen:
"Die Kinderbetreuungskosten betreffen zwei Kinder, für die der steuerpflichtigen Person der Kinderabsetzbetrag zusteht.
Die betreffenden Kinder haben zu Beginn des Kalenderjahres 2009 das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet und halten sich ständig im Inland auf.
Die Kosten sind unmittelbar an eine Kinderbetreuungseinrichtung bezahlt worden und betreffen ausschließlich die Kinderbetreuung. Es sind darin keine Kosten für Verpflegung enthalten, der betreuende Verein (siehe beigefügte Bestätigung) hat auch keinen Status als Privatschule.
Von der Arbeitgeberin wird kein steuerfreier Zuschuss für Kinderbetreuungskosten gewährt.
Von der Kinderbetreuungseinrichtung liegt eine Zahlungsbestätigung mit den erforderlichen Daten vor, ein Auszug aus dem Vereinsregister liegt diesem Schreiben bei. Bei der Betreuungseinrichtung handelt es sich um eine elternverwaltete Kindergruppe, die Kinder werden von pädagogisch ausgebildeten Personen betreut. Entgegen dem Wortlaut hat die Einrichtung keinen Schulstatus. Die Kinder sind im häuslichen Unterricht angemeldet, das heißt der Lernerfolg eines Kindes liegt im Verantwortungsbereich der Eltern und muss jährlich durch eine Externistenprüfung an einer öffentlichen Schule nachgewiesen werden (siehe beigefügte Bestätigung des Bezirksschulrates). Weitere allenfalls erforderliche Auskünfte über die Kinderbetreuungseinrichtung können auf Verlangen nachgereicht werden."
Das Finanzamt erließ eine abweisliche Berufungsvorentscheidung. Begründend führte es im Wesentlichen aus, absetzbar seien nur die Kosten der unmittelbaren Kinderbetreuung. Tatsächlich stehe aber ganz offensichtlich das Lernen im Vordergrund. Bei der ,B' handle es sich nicht um eine Kinderbetreuungseinrichtung, sondern um eine Art Schule.
Der Bw wandte sich gegen den Standpunkt des Finanzamtes mit Vorlageantrag. Ihn begründete er wie folgt:
"Im Jahr 2009 sind für die Betreuung unserer Kinder xxund yy, Kosten angefallen und an den Verein, der mit der Betreuung beauftragt wurde, überwiesen worden. Die Zahlungen wurden in der Einkommensteuererklärung 2009 unter Angabe der Versicherungsnummer unserer Kinder angeführt, um als außergewöhnliche Belastungen gem. § 34 Abs 9 EStG zu berücksichtigen; die Zahlungsbestätigungen wurden bereits übermittelt.
Der Verein wurde mit der Betreuung unserer Kinder beauftragt, weil dieser kurzfristig, flexibel und verlässlich Unterstützung in der Kindesbetreuung anbietet, was Beruf und Familie vereinbaren lässt. x und Y konnten bei Bedarf in Betreuung gegeben werden. Insbesondere meiner Gattin ermöglichte dies, neben den Arbeiten als Mutter und Haushaltsführerin und der Verantwortungen im Rahmen des häuslichen Unterrichts, ihren erlernten Beruf wieder in Teilzeit auszuüben und erleichterte ihr nach den Jahren der Kindererziehung den Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit.
Sachverhalt und rechtliche Würdigung
Der Verein wurde mit der Betreuung unserer Kinder, nicht mit der Schulausbildung, beauftragt. Es Ist festzuhalten, dass es sich bei den im Jahr 2009 und bis dato erbrachten Tätigkeiten und Leistungen des Vereins nicht - wie in der Bescheidbegründung erwähnt - um "eine Art Schule" handelt, sondern um eine Kinderbetreuungseinrichtung. Der Verein erfüllt voll und ganz die Aufgaben und Leistungen einer Kinderbetreuungseinrichtung und bietet Betreuung und Begleitung an, auf dessen pädagogischen Wert u.a. auch die Richtlinien der Vorarlberger Landesregierung zur Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen abstellt. Die Kinder werden in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit unterstützt und in der emotionalen, sozialen und kognitiven Entwicklung gefördert. Der Verein bietet vielfältige, altersgerechte Aktivitäten und Angebote an, die den Kindern unterschiedliche Erfahrungen ermöglichen.
Schulen sind hingegen öffentliche oder private Einrichtungen, in denen eine Mehrzahl von Schülern gesammelt nach einem festen Lehrplan unterrichtet wird. Der Lehrplan der 1. bis zur 4. Schulstufe einer Volksschule sieht konkrete Pflichtgegenstände (Religion, Lesen, Schreiben, Deutsch, Sachunterricht, Mathematik, Musikerziehung, Bildnerische Erziehung, Technisches Werken, Textiles Werken, Bewegung und Sport) sowie verbindliche Übungen (Verkehrserziehung und eine lebende Fremdsprache) vor.
Der Verein erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Privatschule gemäß Privatschulgesetz , noch ersetzt er den Besuch einer Pflichtschule. Es wird weder nach einem festen Lehrplan unterrichtet noch die vom österreichischen Lehrplan für Volksschulen vorgesehenen Pflichtgegenstände oder verbindlichen Übungen angeboten. Die Vermittlung von Wissen und Kenntnissen steht nicht im Vordergrund.
Lernen entspricht einem natürlichen Bedürfnis von Kindern, auch das Erlernen der Kulturtechniken. Viele Kinder können bereits im Kindergarten lesen, schreiben oder rechnen. Der Verein hat dagegen die Aufgabe, Kinder pädagogisch qualifiziert zu betreuen und zu begleiten. Diese Notwendigkeit einer pädagogisch qualifizierten Kinderbetreuung hat der Gesetzgeber nicht nur anerkannt, sondern für die Absetzbarkeit der Kosten als außergewöhnliche Belastung als Bedingung definiert.
Die Formulierung in der Bescheidbegründung, dass "laut den Statuten des Vereins der Vereinszweck "offenes, selbsttätiges und aktives Spielen und Lernen" ganz offensichtlich das Lernen in den Vordergrund stelle und die damit zusammenhängenden Kosten somit keine Betreuungskosten" wären, geht am tatsächlichen Sachverhalt vorbei und scheint darauf gerichtet zu sein, die Entscheidungsträger in einem Rechtsmittelverfahren in rechtlich unzulässiger Weise zu beeinflussen. Das Einkommensteuergesetz erfordert pädagogische Qualifikation in der Kinderbetreuung, auch die landesgesetzlichen Vorschriften setzen ein "pädagogisches Konzept nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen (Leitidee, Zielgruppe, Pädagogik, Fachlichkeit, Elternarbeit, etc.)" für Betreuungseinrichtungen voraus. Der Verein erfüllt hinsichtlich dieser Voraussetzungen die gesetzlichen Vorgaben. Es war daher nicht die Absicht des Gesetzgebers, die dafür angefallenen Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Ebenso wird in der Bescheidbegründung durch das gesammelte Hervorheben und Zitieren des Wortes "Lernen" versucht, den Verein als Schule darzustellen. Ich halte fest, dass der Verein bis dato ausschließlich Aufgaben und Leistungen im Rahmen der Kinderbetreuung setzte und zu Arbeiten im Rahmen einer "schulischen Wissensvermittlung" weder beauftragt ist noch angehalten ist, dies zu tun. Es findet kein Schulunterricht noch Förderunterricht statt. Die volle Verantwortung für die Erreichung der schulischen Lernziele für unsere Kinder wird von meiner Gattin und von mir bewusst eigenverantwortlich und selbst übernommen.
Vom in der Bescheidbegründung erwähnten Ziel des Vereins, künftig auch eine Schule betreiben zu wollen darf nicht abgeleitet werden, dass in früheren Jahren Schul- statt Betreuungsbetrieb stattgefunden hat. Falls der Verein künftig eine Schule führen würde, läge es an meiner Gattin und mir zu prüfen, ob unser Kind in diese Schule gehen soll, oder ob wir weiterhin die schulische Wissensvermittlung persönlich übernehmen. Der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass nach unserem Wissensstand jedenfalls die Betreuungseinrichtung vom Verein weitergeführt würde. Bei der Beurteilung der Behörde, es handle sich um eine Schule mit der Begründung, dass bei den Aktivitäten in der Betreuung Kinder auch lernen oder deswegen, weil der Verein auf seiner Homepage die Absicht bekundet, künftig eine Schule zu führen, ist die Behörde im Hinblick auf den konkreten Fall inhaltlich und verfahrensrechtlich rechtswidrig von einem nicht zutreffenden Sachverhalt ausgegangen, anstatt Ihrer Verpflichtung nachzukommen, ergänzende Informationen einzuholen. Zudem würde eine "schulnahe Kinderbetreuung" die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten nicht schmälern, da die Behörde selbst feststellt, dass "schulische Tagesbetreuungsformen wie beispielsweise offene Schulen, schulische Nachmittagsbetreuung, Halbinternate, auch wenn sie einer gesetzlichen Bewilligung nicht bedürfen, zu berücksichtigen sind." (BMF01022/ 0092-V1/7/2009 Seite 11, Punkt 1.3.1) vom ).
Die derzeitige Rechtslage ermöglicht die Absetzung der Betreuungskosten als außergewöhnliche Belastung. Durch die Festsetzung der Einkommensteuer 2009 ohne vorheriger Abklärung der für die Behörde nicht nachvollziehbaren Punkte wurde es verabsäumt, dem Grundsatz des Parteiengehörs zur Geltendmachung von rechtlichen Interessen ( § 115 Abs. 2 BAO ) Rechnung zu tragen. Das Parteiengehör ist insbesondere beim Abweichen von Abgabenerklärungen, die zu Ungunsten des Steuerpflichtigen erfolgen, zu gewähren. Die Verletzung des Parteiengehörs belastet den Bescheid mit Rechtswidrigkeit, wenn die Gewährung des Parteiengehörs zu einem anderen Bescheid geführt hätte."
Der zuständige Referent der Berufungsbehörde wandte sich an die Obfrau des Vereins aa, zugleich Gattin des Bw, per E-Mail mit folgenden Ausführungen:
"Ich habe mir das Schulpflichtgesetz durchgelesen und mich in einem Ferngespräch mit BSI Z ein wenig schlau gemacht. Demnach kann die allgemeine Schulpflicht durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer öffentlichen Schule gleichwertig ist. Laut BSI geben Sie in Ihren jährlichen Schreiben an, dass der häusliche Unterricht in der B erteilt wird. Davon geht auch der BSI aus. Auch die Angaben im Internet (www.s.at) deuten klar in diese Richtung (Rechtliche Grundlage: Die Kinder sind im häuslichen Unterricht gemeldet. Leistungsfeststellung: Die Lehrzielkataloge orientieren sich am österreichischen Rahmenlehrplan.)
Unter dem Punkt News findet sich im Internet:
11. - - S e m e s t e r f e r i e n ....
hellau - Am findet in a der Kinder-Faschingsumzug statt. Die Schülerinnen und Schüler der Einrichtung, die Pädagoginnen und die Eltern nehmen als Gruppe daran teil.
Unvorgreiflich meiner abschließenden Entscheidung sprechen die obigen Ausführungen für den Standpunkt des Finanzamtes. Ich lade Sie und Ihren Mann herzlich zur Stellungnahme binnen 14 Tagen ein.
Weiters richtete sich die Berufungsbehörde unter Anschluss der oben erwähnten E-Mail an den Bw. mit folgendem Ersuchen:
"Bezugnehmend auf Ihre oben angeführte Berufung übermittle ich Ihnen die ebenfalls oben erwähnte Beilage mit der Einladung zur Stellungnahme binnen 14 Tagen. Weiters werden Sie ersucht, nachstehende Fragen innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens zu beantworten und die angesprochenen Unterlagen vorzulegen:
Sollte dem Verein aa eine behördliche Bewilligung (beispielsweise für die private Kinderbetreuung) erteilt worden sein, so bitte ich um Vorlage derselben.
Der Bezirksschulrat bb bezieht sich in den von Ihnen vorgelegten Schreiben vom und vom auf Schreiben Ihrer Ehegattin vom und . Ich bitte um Vorlage dieser Schreiben (in Kopie) bzw um Bekanntgabe ihres vollständigen Inhalts.
Laut dem Anmelde-Formular für die bbb endet der Anmeldeprozess durch "Aufnahme mit Elternvertrag". Ich bitte um Übermittlung des Elternvertrages.
Laut Ihrer Einkommensteuererklärung und den von Ihnen vorgelegten Bestätigungen des Vereins aa haben die Kinderbetreuungskosten für Ihre Söhne 2.730 und 1.650 € betragen. Ich bitte um Bekanntgabe, wie sich diese Beträge zusammensetzen.
In Ihrem Vorlageantrag vom bringen Sie mehrfach (sinngemäß) vor, den Verein mit der Betreuung Ihrer Kinder, nicht aber mit der Erteilung von Unterricht (Schulausbildung) beauftragt zu haben. Sollte die Auftragserteilung schriftlich erfolgt sein, bitte ich sie um Übermittlung einer Auftragskopie. Weiters bitte ich Sie um Besorgung und Vorlage einer Kopie der Verträge, welche der Verein mit den Mitgliedern des "betreuenden" Teams abgeschlossen hat."
In der Vorhaltsbeantwortung vom brachten der Bw und seine Gattin, beide genannt im Briefkopf, bzw die Gattin des Bw als alleinige Unterzeichnerin zusammengefasst unter Vorlage der angeforderten Unterlagen Folgendes vor: Es werde ersucht, bei der Entscheidung vom tatsächlichen Sachverhalt auszugehen und nicht weiter die Interpretation eines falschen Sachverhaltes belegen zu wollen. Für die Beurteilung der Absetzbarkeit sei davon auszugehen, dass die B einerseits alle notwendigen Voraussetzungen für die Anerkennung als Kinderbetreuungseinrichtung gemäß § 34 Abs. 9 EStG erfülle, andererseits aber keinen Schulstatus besitze. Die "unsaubere" Arbeit in der Kommunikation bzw die Verwendung von Ausdrücken wie "unterrichten", "lernen", "Semesterferien" oder "Schülerinnen und Schüler" könnten den Schulstatus nicht belegen, geschweige denn begründen. Es sei beschämend, wenn Eltern, die neben der erwerbstätigen Arbeit noch bürgerschaftliches Engagement zeigen und gesellschaftspolitisch wichtige Akzente setzen, von allen Seiten benachteiligt würden und klare Sachverhalte ignoriert würden. Die jährliche Mitteilung an den Bezirksschulrat, die Kinder würden gemeinsam mit anderen Kindern in der s "unterrichtet", entspreche nicht der Realität. Weit passender sei, dass in der s "selbstbestimmtes Lernen" möglich sei. Neben der kognitiven Entwicklung werde gleichwertig "die soziale und emotionale Entwicklung durch regelmäßige Waldtage, gemeinsames Kochen und gemeinsamer Mittagstisch, Kreativtage und Kreativwochen, Theaterprojekte und unzählige Ausflüge und Unternehmungen sowie Gesprächskreise oder Konfliktlösungsgespräche unterstützt". Als Gründungseltern hätten sie keinen Auftrag zur Betreuung erteilt. Es gebe auch keine schriftlichen Verträge mit dem betreuenden Team. Die Grundlage für die Zusammenarbeit bildeten das pädagogische Konzept der s sowie der Vereinszweck.
Über die Berufung wurde erwogen:
Durch das StRefG 2009, BGBl I 26/2009, wurde die steuerliche Behandlung der Kinderbetreuung neu geregelt. Demzufolge gelten ab der Veranlagung 2009 "Aufwendungen für die Betreuung von Kindern" unter bestimmten Voraussetzungen bis zu einem gesetzlich festgelegten Höchstbetrag pro Kind als außergewöhnliche Belastung. Davor waren solche Aufwendungen als Unterhaltsleistungen nur unter den einschränkenden Bestimmungen von § 34 Abs. 7 EStG abzugsfähig.
Nicht bestritten wird, dass die B keine Schule im Rechtssinn ist. Nicht bestritten wird weiters, dass die B die Voraussetzungen einer Kinderbetreuungseinrichtung im Sinne von § 34 Abs. 9 Z 3 EStG 1988 erfüllt. Nach den getroffenen Erhebungen steht allerdings auch zweifelsfrei fest, dass sich die dort verfolgten Lehrziele am österreichischen Rahmenlehrplan orientieren, dass dort Unterricht erteilt wird, der jenem an einer öffentlichen Schule gleichwertig ist, dass die Anerkennung als Schule im Rechtssinn Ziel des Trägervereines ist, dass die Einrichtung für sich selbst umgangssprachlich bzw "unsauber" (Vorhaltsbeantwortung vom ) die Bezeichnung "Schule" verwendet und dass die dortigen Öffnungszeiten an die üblichen Schul- und Ferienzeiten angelehnt sind. Strittig hingegen ist, ob die vom Bw zweifelsfrei für seine Kinder aufgewendeten Beträge den Zweck hatten, "Betreuungsleistungen" im Sinne von § 34 Abs. 9 EStG abzugelten. Denn nach dem klaren Gesetzeswortlaut können nur die Kosten für die ausschließliche Kinderbetreuung (im engeren und eigentlichen Sinn des Wortes) berücksichtigt werden. Dies bringen die Gesetzesmaterialien (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage) wie folgt zum Ausdruck: "Da nur die Kosten für die ausschließliche Kinderbetreuung berücksichtigt werden können, sind Kosten für Verpflegung oder beispielsweise das reine Schulgeld für Privatschulen nicht berücksichtigungsfähig."
In Übereinstimmung damit vertreten Verwaltungspraxis (LStR 2002, Rz 884d) und Fachliteratur (Jakom/Baldauf EStG, 2010, § 34 Rz 87; Wiesner/Grabner/Wanke, EStG, § 34 Anm.77i) folgende Auffassung: Abzugsfähig sind nur die unmittelbaren Kosten für die Kinderbetreuung selbst. Kosten für Verpflegung, das Bastelgeld oder das Schulgeld (zB für Privatschulen) sind steuerlich nicht absetzbar. Ebenso nicht abzugsfähig sind Kosten für die Vermittlung von Betreuungspersonen und die Fahrtkosten zur Kinderbetreuung. Der Betreuungszweck muss wesentlicher Bestandteil der Dienstleistung sein. Ausgeschlossen sind daher Aufwendungen für Unterricht, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten, sportliche oder andere Freizeitbeschäftigungen, Nachhilfeunterricht.
Dass es bei den in § 34 Abs. 9 EStG angesprochenen Betreuungsleistungen nicht um schulische bzw unterrichtende Betreuung im weitesten Sinne geht, erhellt zum einen aus den in § 34 Abs. 9 Z 3 EStG angeführten Voraussetzungen und zum anderen aus den Gesetzesmaterialien. Unter der Überschrift "geschlechtsspezifische Auswirkungen" heißt es dort: "Die steuerliche Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten wird sich ebenfalls positiv auf das Erwerbsleben von Frauen auswirken, weil damit die Kosten für den Wiedereinstieg gesenkt werden, von denen überwiegend Frauen betroffen sind." Da die schulische bzw unterrichtende Betreuung in den Pflichtschulen bereits sichergestellt ist, handelt es sich bei den in § 34 Abs. 9 EStG angesprochenen Betreuungsleistungen erkennbar um nichtschulische bzw nichtunterrichtende Betreuungsleistungen.
Vor diesem Hintergrund wurden die vom Bw getragenen Kosten aus nachstehenden Gründen nicht für Kinderbetreuung im Sinne des § 34 Abs. 9 EStG, sondern für die Erteilung von häuslichem Unterricht im Sinne des § 11 Abs. 2 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) aufgewendet:
Wie bereits das Finanzamt zutreffend ausgeführt hat, geht aus dem ins Internet gestellten Konzept der Einrichtung (www.s.at) klar hervor, dass die (alternative) Vermittlung von bestimmten Inhalten, in der Diktion des Finanzamtes Wissensinhalte, das zentrale und wesentliche Anliegen ist, wobei bereits der Name der Einrichtung in diese Richtung weist. Dies erhellt aus dem Umstand,
dass es dort um die Umsetzung bestimmter Grundgedanken und Visionen in die pädagogische Praxis geht,
dass neben dem ganzheitlichen Erlernen von Kulturtechniken auch soziales, emotionales und methodisches Lernen ermöglicht wird,
dass sich Phasen individuellen, gemeinsamen und angeleiteten Lernens abwechseln,
dass Räume geschaffen werden sollen, in denen offenes, selbständiges, aktives Spielen und Lernen möglich ist,
dass für eine angstfreie Atmosphäre gesorgt wird, in der Menschen gerne lernen,
dass es ums Lernen-Lernen geht,
dass die Erteilung häuslichen Unterrichts die rechtliche Grundlage bildet,
dass erklärtes Ziel die Erreichung des Privatschulstatus' mit Öffentlichkeitsrecht ist,
dass sich die Lernziele am österreichischen Rahmenlehrplan orientieren,
dass die Rolle der Lehrenden, Lernkultur, Lernumwelt und Lernumgebung zu den beschriebenen pädagogischen Ansatzpunkten zählen.
Dies bestätigen auch Name und Statuten des Trägervereins. Letztere bilden die Grundlage für das zuvor auszugsweise wiedergegebene Konzept der Einrichtung und enthalten u.a. folgende sinngemäß wiedergegebene Aussagen: Der Verein hat die Aufgabe, Räume zu schaffen, in denen offenes, selbständiges, aktives Spielen und Lernen möglich ist. Als ideelle Mittel zur Erreichung des Vereinszwecks dienen die Einrichtung und Betreibung der Initiative s aa, die Einrichtung und Betreibung innovativer Aus- und Weiterbildungs-Modelle, die Spiel- und Lernbetreuung.
Die erstinstanzliche Sachverhaltsfeststellungen werden schließlich untermauert durch die nachfolgend angeführten zweitinstanzlichen Ermittlungen:
Nicht im schulrechtlichen, wohl aber im umgangssprachlichen Sinn bezeichnend ist das offensichtlich nicht von rechtlichen Interessen gefärbte Selbstverständnis der s, nachzulesen im Register "News" im Internet, wo es nach einem Hinweis auf die (schulgleichen) Semesterferien und den örtlichen Faschingsumzug heißt: "Die Schülerinnen und Schüler der s, die Pädagoginnen und die Eltern nehmen als Gruppe daran teil."
Gleiches belegt der Jahresbericht über das "Schuljahr 2009-2010", in welchem entsprechend bebildert von "Schulstart", "Lesenacht", "Ferien", "Schulabschluss", "Musikprojekt", "fleißig, fleißig, die Erstklässler", "gelernt wird nicht nur drinnen", "Eindrücke vom Schulalltag" die Rede ist.
Am war im Internet auch noch ein am Online gestellten Bericht über den in der s abgehaltenen Tag der offenen Tür zu finden, an dem sich "auch Vertreter anderer Schulen informierten über das reformpädagogische Konzept des Lehrerteams". Da dieser Bericht auf den WEB-Seiten der bbb zu finden war, ist davon auszugehen, dass er der Eigensicht der Vereinsleitung entsprochen hat. Dafür sprechen auch die nachfolgend wiedergegebenen weiteren Berichts-Ausführungen: "Die Schule, die auf der rechtlichen Basis des häuslichen Unterrichts arbeitet, bezieht auch die Eltern aktiv in den Lern- und Entwicklungsprozess mit ein. ...... Wir verstehen uns als eine Markthalle für Lehr- und Lernbedürfnisse für Eltern und Kinder zugleich, sagt BF."
Für die zuständige Schulbehörde wird in der in Rede stehenden Einrichtung häuslicher Unterricht erteilt, der dem Unterricht an einer öffentlichen Schule gleichwertig ist. Die Gattin des Bw hat in jährlichen, die fett gedruckte Überschrift "Anmeldung zum häuslichen Unterricht" tragenden Schreiben an den Bezirksschulrat ausgeführt, ihre Kinder würden gemeinsam mit anderen in der s "unterrichtet". Dass das Wort "unterrichten" nicht der Realität entsprechen soll, wird in der Vorhaltsbeantwortung vom wenig überzeugend behauptet. Denn auch wenn in der s "selbstbestimmtes Lernen" ermöglicht wird bzw im Vordergrund steht, wenn also Frontalunterricht vermieden wird und neben der kognitiven Entwicklung gleichwertig die soziale und emotionale Entwicklung durch eine Reihe von Aktivitäten unterstützt wird, die keinen unterrichtenden Charakter im klassischen Sinn haben, ändert dies nichts daran, dass Kern der Leistung die Vermittlung von Fähigkeiten und Wissen ist, deren zureichender Erfolg jährlich durch eine sogenannte Externistenprüfung an einer Schule im Sinne von § 5 Schulpflichtgesetz nachzuweisen ist bzw nachgewiesen wird (§ 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz; Seite 8 des Konzepts der s). Diese Leistung wiederum ist nach Überzeugung der Berufungsbehörde nicht als "Betreuung von Kindern" im Sinne von § 34 Abs. 9 EStG zu verstehen. Dies deshalb, weil die "Betreuung" in der s auch unter Anerkennung gewichtiger Unterschiede in der Art, mit dem Ziel und zu der Zeit stattfindet, welche für eine schulische Betreuung im umgangssprachlichen Sinn charakteristisch ist. Eine solche "Betreuung" sprengt aber den Rahmen der "Kinderbetreuung", welche § 34 Abs. 9 EStG begünstigt. Der Absicht des Gesetzgebers, wiedergegeben in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, entspricht es offensichtlich nicht, alternative schulische Betreuung außerhalb der bereits sichergestellten "Betreuung" an Pflichtschulen durch § 34 Abs. 9 EStG zu fördern. Dabei wird dem Bw und seiner Gattin durchaus idealistische Gesinnung, "bürgerschaftliches Engagement" und gesellschaftspolitische Akzentsetzung eingeräumt.
Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass in den geltend gemachten Kosten auch Mitgliedsbeiträge stecken, die selbst im weitesten Sinn wohl schwerlich als Betreuungskosten angesehen werden können. Auch entsprechen die geleisteten Zahlungen kinderbezogen nicht den vorgesehenen Kosten (http://www.kosten.html).
Aus den oben angeführten Gründen wurden die strittigen Aufwendungen vom Finanzamt zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt. Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | Privatschulgesetz, BGBl. Nr. 244/1962 § 115 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 34 Abs. 9 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 11 Abs. 2 Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. Nr. 76/1985 |
Zitiert/besprochen in |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at