Keine Hinzuschätzung privater Fahrten bloß wegen der Führung eines Fahrtenbuchs mit Hilfe des Programms MS Excel.
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RV/0676-I/06-RS1 | Ein mit Hilfe des Programms MS Excel geführtes Fahrtenbuch ist zwar formell nicht ordnungsmäßig, da die Software die Möglichkeit eröffnet, den bereits erfassten Datenbestand im Nachhinein abzuändern, wobei der ursprüngliche Bestand und die erfolgten Änderungen nicht mehr nachvollziehbar sind. Dies berechtigt für sich allein aber noch nicht zu einer Änderung des Anteils der privat veranlassten Fahrten (Hinzuschätzung von 30 % mit der Folge einer Verweigerung der Reduktion des Sachbezugs gemäß § 4 Abs 2 der Sachbezugs-VO). |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes A vom betreffend Einkommensteuer 2004 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruchs. Die Fälligkeit des mit der Entscheidung festgesetzten Mehrbetrags der Abgabe ist aus der Buchungsmitteilung zu ersehen.
Entscheidungsgründe
Der an den Berufungswerber (Bw.) ergangene Einkommensteuerbescheid 2004 (mit Ausfertigungsdatum ) enthielt die Begründung, dass dem Antragsbegehren hinsichtlich der Reduktion des Sachbezugswerts für die private Nutzung des Firmen-PKW nicht entsprochen werden könne, da im Zuge der Überprüfung durch das zuständige Betriebsstättenfinanzamt festgestellt worden sei, dass die maximale Anzahl der privaten Kilometer (500 monatlich bzw. 6.000 jährlich) überschritten wurde. Im Fahrtenbuch seien auch Fahrten (als betrieblich veranlasst) ausgewiesen, die - wie die Gründungsversammlung des B-Absolventenvereins, der Neujahrsempfang der J-Vereinigung, der Neujahrsempfang der Wirtschaftskammer usw. - der privaten Lebensführung zuzurechnen sind.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde eingewendet: der Bw. sei Geschäftsführer der C-Gesellschaft. In dieser Funktion stehe ihm ein Dienstwagen zur Verfügung. Über Dienstreisen werde dem Unternehmen regelmäßig Nachweis gelegt. Dies geschehe ua. in der Form eines Fahrtenbuchs, das der Behörde bereits vorgelegt worden sei. Bei allen im Fahrtenbuch als geschäftlich ausgewiesenen Fahrten handle es sich um Dienstreisen, da es sich bei den genannten Anlässen um Veranstaltungen handle, die der Bw. im Auftrag der Gesellschaft und in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Geschäftsführer besucht habe. Der Bw. habe auf der Grundlage des ihm zugewiesenen Geschäftsbereichs der Gesellschaft maßgeblich an der Gründung eines B-Absolventenverbands mitgewirkt, um eine gemeinsame Plattform von Schule, Absolventen und Betrieben zu schaffen. Die Kontaktpflege mit Behörden und Interessensvertretungen (und deren Funktionären) gehöre zum maßgeblichen Aufgabenbereich der Geschäftsführung.
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde auf die Rechtsprechung des BFH zu den Anforderungen an ein Fahrtenbuch Bezug genommen (BFH , VI R 64/04, BStBl. II 2006, 410; BFH , VI R 27/05, BStBl. II 2006, 408), die sich mit der österreichischen Rechtsansicht decken würde. Nach den Maßstäben dieser Rechtsprechung sei eine mittels eines Computerprogramms erzeugte Datei, an der zu einem späteren Zeitpunkt noch Veränderungen vorgenommen werden könnten, ohne dass deren Reichweite in der Datei dokumentiert und offen gelegt werde, noch kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. Ein (auf diese Weise) nicht ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch könne eine Zuschätzung von 30 % an privaten Fahrten erfordern. Da schon die Voraussetzungen für ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nicht vorliegen würden, könne die Auseinandersetzung mit der Frage auf sich beruhen, ob die Fahrten zur Gründungsversammlung eines B-Absolventenverbands, Neujahrsempfangs der J-Vereinigung und der Wirtschaftskammer D, Sitzung B-Absolventenverband, Jahreshauptversammlung E Sparkasse, Aufsichtsratssitzung F, Aufsichtsrats- und Beiratssitzung, Einladung G, Vortrag H usw. als beruflich oder privat gelten. Nicht zu vergessen sei auch ein Repräsentationscharakter; ein eindeutig beruflicher Charakter der Fahrten sei auf Grund der Aufzeichnungen nicht sofort erkennbar.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde ausgeführt, dass der Bw. als angestellter Geschäftsführer dem Gesellschafter und dem Aufsichtsrat der Gesellschaft weisungsgebunden sei. Es handle sich bei allen als Dienstreisen ausgewiesenen Fahrten um die Verfolgung betriebswirtschaftlicher, gesellschaftsrechtlicher und unternehmenspolitischer Ziele des Unternehmens, die für die Positionierung des Unternehmens im wirtschaftlichen Umfeld notwendig seien und von Aufsichtsrat und Gesellschafter gefördert und aktiv unterstützt würden. Die vom Finanzamt als privat beurteilten Fahrten seien betrieblich veranlasst. Aus den vorgelegten Aufzeichnungen ergebe sich eine durchschnittliche monatliche Privatnutzung von weit unter 500 km. Dies deshalb, weil der Bw. sehr nahe beim Betrieb wohne, die Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte von untergeordneter Bedeutung seien und außerdem ein Privat-PKW vorhanden sei, mit dem die meisten Familienfahrten stattfinden würden. Die Anforderungen des BFH gingen an der Realität einer modernen EDV-orientierten Wirtschaft vorbei und würden der österreichischen Rechtsprechung wie auch der Verwaltungsübung widersprechen. Das vom Bw. vorgelegte Fahrtenbuch sei zwar nicht gebunden, aber in sich geschlossen, womit ihm die erforderliche Beweiskraft zukomme. Eine Zuschätzung von 30 %, womit die 500 km-Grenze überschritten sei, bedeute eine willkürliche Vorgangsweise.
Über die Berufung wurde erwogen:
1.) Gemäß § 4 Abs. 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 416/2001 ist ein Sachbezug von 1,5 % der tatsächlichen Anschaffungskosten des Kraftfahrzeugs einschließlich Umsatzsteuer und Normverbrauchsabgabe, maximal 510 € monatlich, anzusetzen, wenn für den Arbeitnehmer die Möglichkeit besteht, ein arbeitgebereigenes KFZ für nicht beruflich veranlasste Fahrten einschließlich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu benützen. Beträgt die monatliche Fahrtstrecke für Fahrten im Sinne des Abs. 1 nachweislich nicht mehr als 500 km, ist ein Sachbezugswert im halben Betrag, maximal 255 € monatlich, anzusetzen. Unterschiedliche Fahrtstrecken in den einzelnen Lohnzahlungszeiträumen sind unbeachtlich.
2.) Der Bw. wandte zu den in der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnten Fahrten ein, dass der B-Absolventenverband auf Initiative des Direktors der Schule eingerichtet worden sei und als Kontaktforum der berufsbildenden Schule mit der Wirtschaft diene. Der Bw. sei im Interesse eines der größten K-Betriebe Vorstandsmitglied des Absolventenverbands. Die Vereinigung J sei Interessentenvertretung der J-Betriebe. Die Gesellschaft sei Mitglied und von ihren Geschäftsführern vertreten. Der jährliche Neujahrsempfang in F diene der Kontaktpflege mit öffentlichen Funktionsträgern, Medien und anderen Unternehmen. Ähnliches gelte für die Wirtschaftskammer, bei der die Gesellschaft Pflichtmitglied sei.
3.) Die Abgabenbehörde erster Instanz ist den Ausführungen der Berufung nicht entgegen getreten, wonach es sich bei den Fahrten zur Gründungsversammlung des Vereins sowie zu den Neujahrsempfängen der Vereinigung J und der Wirtschaftskammer um betrieblich veranlasste Fahrten handelt. Soweit in der Berufungsvorentscheidung bemängelt wird, dass als Zweck der Fahrten lediglich "Besprechung mit E Sparkasse" etc. angegeben worden sei, handelt es sich zum einen durchwegs um andere Fahrten, zum anderen wird in der Begründung (auch) nicht ausgeführt, weshalb der Zweck der Fahrten (mit den in der Entscheidung wiedergegebenen Bezeichnungen) auf eine andere denn auf eine betriebliche Veranlassung schließen ließe. Ein Anlass, an der betrieblichen Veranlassung dieser Fahrten zu zweifeln, bestand weit weniger als hinsichtlich jener Fahrten, deren betriebliche Veranlassung zunächst verneint worden war. Die Fahrten des Bw. zur Gründungsversammlung des Absolventenverbandes bzw. zu den Neujahrsempfängen der Vereinigung J und der Wirtschaftskammer erfolgten zweifellos in erster Linie im Interesse des Unternehmens. Soweit mit der Anwesenheit des Bw. der von ihm vertretene Betrieb repräsentiert werden sollte, ist eine solche Repräsentation noch keineswegs der "privaten Lebensführung" des Bw. zuzurechnen.
4.) Die Abgabepflichtigen und die zur Einbehaltung und Abfuhr von Abgaben verpflichteten Personen haben jene Aufzeichnungen zu führen, die nach Maßgabe der einzelnen Vorschriften zur Erfassung der abgabepflichtigen Tatbestände führen. Sofern nachträgliche Änderungen (Streichungen oder Ergänzungen) der zu einem früheren Zeitpunkt erfassten Daten (insbesondere auf elektronischen Datenträgern) nicht ausgeschlossen sind, müssen Eingriffe in den ursprünglichen Datenbestand auch noch nachträglich ersichtlich sein.
Im vorliegenden Fall wurde das Fahrtenbuch auf einem tragbaren Notebook mit Hilfe des Programms MS Excel geführt. Dieses Programm eröffnet dem Anwender - darin kann den Ausführungen des BFH gefolgt werden - die Möglichkeit, den bereits erfassten Datenbestand nachträglich abzuändern. Der ursprüngliche Datenbestand und die erfolgten Änderungen sind, sobald das Programm beendet wurde, nicht mehr nachvollziehbar.
Das Finanzamt behauptet zwar nicht, dass der ursprüngliche Datenbestand im vorliegenden Fall im Nachhinein abgeändert worden wäre, hält den Umstand, dass dies technisch möglich wäre, aber bereits für ausreichend, eine Hinzuschätzung von 30 % (an privaten Fahrten) vorzunehmen. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.
5.) Der Bw. geht von Privatfahrten von 5.069 km aus. Die nach der Begründung des angefochtenen Bescheides der privaten Lebensführung zuzuordnenden Fahrten (9.1., 13.1., 20.1., 26.2.) belaufen sich auf weniger als 600 km und hätten damit nicht ausgereicht, von einem Überschreiten der Grenze von 6.000 km auszugehen. Der Umstand, dass Aufzeichnungen nicht im vorgenannten Sinne formell ordnungsmäßig sind, berechtigt für sich noch nicht zu dem Schluss, dass die Aufzeichnungen auch in materieller Hinsicht unzureichend sind, und in weiterer Folge davon auszugehen, der Bw. habe im Kalenderjahr mehr als 6.000 km jährlich an privaten Fahrten zurückgelegt, zumal die Begründung der Berufungsvorentscheidung Ausführungen zur Höhe der Zuschätzung (30 %; rd. 1.520 km) vermissen lässt. Zur Führung des "Nachweises", dass die Strecke privater Fahrten monatlich (im Durchschnitt) nicht mehr als 500 km betrug, kommen auch andere Beweismittel in Betracht. Wie der VwGH in den Erkenntnissen vom , 2001/13/0092, und vom , 2001/15/0191, zum Ausdruck gebracht hat, muss die Nachweisführung im Sinne des § 4 Abs. 2 der zitierten Verordnung nicht zwingend durch die Führung eines Fahrtenbuchs erfolgen. Eine Einschränkung auf bestimmte Beweismittel kennt die zitierte Bestimmung (gerade) nicht.
6.) Der Bw verfügt in seinem Haushalt über ein Zweitfahrzeug. Mit diesem werden jährlich durchschnittlich 8.000 km zurückgelegt. Die Arbeitsstätte ist vom Wohnort nur ca. 600 Meter entfernt. Mittagheimfahrten werden nicht an jedem Arbeitstag unternommen. Größere Privatfahrten sowie Urlaube werden nach dem insoweit glaubhaften Vorbringen des Bw. fast ausschließlich mit dem Privatwagen (mit Kindersitz) unternommen.
7.) Dass die im Fahrtenbuch ausgewiesenen Kilometerstände mit anderen Beweismitteln nicht vereinbar wären, lässt sich der Berufungsvorentscheidung nicht entnehmen. Soweit darauf verwiesen wird, dass "teilweise" Tage zusammengefasst wurden und keine beruflich gefahrenen Kilometer ausgewiesen sind, handelt es sich (nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen) um kleinere Privatfahrten am Wochenende ("div. Privatfahrten" mit Ablesung des Tachostands am Montag in der Früh) sowie um Fahrten zwischen Wohnsitz und Arbeitsstätte, soweit sie nicht durch betrieblich veranlasste Fahrten unterbrochen wurden. Erfolgten an einem Tag mehrere private Fahrten, wäre zwar (streng genommen) der Kilometerstand nach jeder einzelnen Fahrt anzugeben. Die Nachvollziehbarkeit des Fahrtenbuchs leidet (im vorliegenden Fall) aber deshalb noch in keiner Weise. Entscheidend ist, ob die privaten Fahrten aller Wahrscheinlichkeit nach zur Gänze erfasst wurden. Gerade dies wird vom Finanzamt aber nicht in Zweifel gezogen. Seine Bedenken ob der materiellen Zuverlässigkeit des Fahrtenbuchs lagen offenbar nur darin begründet, dass die betriebliche Veranlassung einzelner Fahrten zu verneinen wäre.
8.) Das Finanzamt wurde mit Schreiben vom ersucht, allfällige Bedenken gegen die betriebliche Veranlassung solcher Fahrten, sofern sie weiterhin bestehen sollten, im Einzelnen darzustellen. Von dieser Möglichkeit wurde kein Gebrauch gemacht. Dies gilt auch hinsichtlich des in der Berufungsentscheidung erstmals in Ansatz zu bringenden Sachbezugswerts aus dem Erwerb eines Firmenfahrzeugs zu einem unangemessen niedrigen Preis (Hinzurechnung von 6.945,06 brutto). Gegen die bekannt gegebenen (dem beiliegenden Berechnungsblatt zugrunde gelegten) Ansätze wurde von beiden Verfahrensparteien kein Einwand erhoben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 4 Abs. 2 Sachbezugswerteverordnung, BGBl. II Nr. 416/2001 |
Schlagworte | Fahrtenbuch Sachbezugswert |
Verweise | BFH , VI R 64/04, BStBl II 2006, 410 BFH , VI R 27/05, BStBl II 2006, 408 |
Zitiert/besprochen in | FJ 2007, 323 ARD 5796/8/2007 UFSaktuell 2007, 240 taxlex-SRa 2007/94 PVP 2010, 331 Fragner in SWK 3/2014, 101 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at