OGH vom 05.06.1991, 1Ob15/91
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Alfred W*****, vertreten durch Dr. Werner Masser, Dr. Ernst Großmann, Dr. Eduard Klingsbigl und Dr. Robert Lirsch, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Michael G*****, wegen Unterlassung (Streitwert S 300.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 1 R 207/90-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom , GZ 14 Cg 52/90-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache an das Gericht zweiter Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Am ordnete der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien im Zuge gerichtlicher Vorerhebungen gegen den 73jährigen Vertreter des Schweizer Waffen- und Munitionskonzerns O***** in Österreich, Dr. Walter S***** sen, dessen Sohn und Angestellten, Dr. Walter S***** jun. und unbekannte Täter eine Hausdurchsuchung im Büro des ersteren an und führte diese Hausdurchsuchung auch tags darauf, an einem Samstag, in Gegenwart von 16 Personen - neben der Schriftführerin und dem Staatsanwalt Beamte des Wiener Sicherheitsbüros, der niederösterreichischen Gendarmerie und des Heeresabwehramtes - durch. Aufgrund der Ergebnisse dieser Vorkehrung leitete der Untersuchungsrichter die Voruntersuchung gegen den - damaligen - Bundesminister für Landesverteidigung, Dr. Robert L*****, dessen Sekretär Dr. Michael S***** sowie Dr. Walter S***** sen. und Dr. Walter S***** jun. ein. Außerdem wurden Hausdurchsuchungen in den Privatwohnungen von Dr. Walter S***** sen., Dr. Walter S***** jun. und Dr. Michael S***** sowie - wenige Stunden nach der vorerwähnten Hausdurchsuchung - im Büro von Dr. Robert L***** durchgeführt.
In seiner Ausgabe vom veröffentlichte das Nachrichtenmagazin "P*****" einen vom Kläger verfaßten und gezeichneten Artikel unter folgenden Schlagzeilen:
"Munitionsaffäre
"Herzflattern"
Der Schweizer Waffen- und Munitionsgigant O***** verrechnete dem Bundesheer Monopolpreise. Gegen die CV-Freunde L*****, S***** und S***** ermittelt die Justiz. "Unbekannte Täter" werden der Korruption und der Parteienfinanzierung bezichtigt.
Von Alfred W*****"
Der Kläger berichtete einleitend von der Hausdurchsuchung in der Villa von Dr. Walter S***** sen. Beamte hätten nach Unterlagen über Waffen- und Munitionsgeschäfte mit dem Waffenkonzern O***** sowie Hinweisen auf Parteienfinanzierung gesucht. Die Frau des Generalvertreters habe einen Zettel in ihrer Handtasche verschwinden lassen wollen, der sich jedoch als harmlos erwiesen habe. Dann heißt es im Artikel wörtlich:
"Der mit zittriger Hand geschriebene Aktenvermerk vom dagegen, den der 73jährige O*****-Vertreter Walter S***** während der gerichtlichen Durchsuchung seines Hauses in der *****gasse 27 beiseiteschaffen wollte und der zum ärztlich konstatierten "Herzflattern" führte, hat brisanten Inhalt:
"S*****: 1: Parteienfinanzierung: zwei Millionen;
2: Auftragsvorlumen: 35 Mio......".
Der Kläger setzte dann fort, Dr. Michael S***** habe darauf einen wenig überzeugenden Erklärungsversuch unternommen, die Justiz beurteile den Vermerk und die beschlagnahmten Dokumente jedoch anders: Es bestehe der "dringende" Verdacht einer verbotenen Parteienfinanzierung der *****. Er nannte die Personen, gegen die die Voruntersuchung eingeleitet worden sei; die Ratskammer habe die Entscheidung über Einsprüche zwar auf den vertagt, doch sei mit einer Fortsetzung der Voruntersuchung zu rechnen.
In der Sendung "Inlandsreport" vom berichtete der ORF über die Munitionsaffäre, zeigte darin in spotartiger Kürze ein Faksimile eines handschriftlichen Vermerks und ließ die Sprecherin folgenden Begleittext sprechen:
"Auslösendes Moment für die Voruntersuchung wird eine Aktennotiz, in der zum ersten Mal das Wort Parteienfinanzierung aufscheint."
Die im Fernsehen gezeigte Notiz lautet:
"S*****
1. Parteienfinanzierung
2. 35
3. 2 cm"
Der Kläger begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, Behauptungen des Inhalts zu unterlassen, "der Vorwurf der Beweisfälschung stehe nicht bei L*****, sondern beim "P*****" als massiver Verdacht im Raum". Der Beklagte habe diese Behauptung am im Zusammenhang mit der Berichterstattung der periodischen Druckschrift "P*****" über die "Munitionsaffäre" der Austria Presseagentur (APA) gegenüber aufgestellt. Schon am habe der Beklagte der APA gegenüber dem "P*****" vorgeworfen, dieses habe den bei der Hausdurchsuchung in den Räumen von Dr. Walter S***** sen. im Dezember 1989 aufgefundenen Notizzettel, auf dem der Name des Sekretärs des Bundesministers für Landesverteidigung und - unter anderem - das Wort "Parteienfinanzierung" festgehalten sein sollen, manipuliert. Der Kläger habe aber den Inhalt dieses Papiers in der Ausgabe des "P*****" vom nach seiner damaligen Information ohne Manipulation eines Beweises oder eines Beweismittels wiedergegeben. Der Vorwurf des Beklagten sei unwahr und geeignet, Kredit, Erwerb und Fortkommen des Klägers zu gefährden. Der Beklagte habe seine Vorwürfe nach dem fortgesetzt, sodaß Wiederholungsgefahr bestehe.
Der Beklagte wendete ein, der massive Verdacht, daß der Kläger im "P*****" Beweismaterial zu Lasten des Bundesministers für Landesverteidigung, Dr. Robert L*****, verfälscht dargestellt habe, sei nicht widerlegt worden. In der Ausgabe des "P*****" vom sei der Inhalt des Notizzettels ganz anders wiedergegeben worden als im "Inlandsreport" des ORF vom . Bei einer Pressekonferenz am habe der Beklagte die Diskrepanz als aufklärungsbedürftig bezeichnet und deshalb "P*****" und ORF aufgefordert, der Öffentlichkeit bekanntzugeben, wie sie zu den Unterlagen von einer Hausdurchsuchung kämen, in die Dr. Robert L***** und sein Verteidiger bis heute nicht Einsicht nehmen könnten. Auf die am mit dem Titelbild des Ministers und der Schlagzeile "Affäre L*****: Der gefälschte Akt" erschienene Ausgabe des "P*****" habe der Beklagte in einer Stellungnahme der APA gegenüber hingewiesen, das "P*****" habe die Frage, weshalb es aus einer Kaliberangabe Millionen an Parteienfinanzierung gemacht habe, nicht beantwortet. Der Vorwurf der Beweisfälschung stehe somit nicht bei L*****, sondern beim "P*****" als massiver Verdacht im Raum. Bei einer Pressekonferenz am habe der Beklagte nach Aufklärung über die Unechtheit des vom ORF gesandten Notizzettels "P*****" und ORF gefragt, ob der im "Inlandsreport" gezeigte Zettel manipuliert und der ORF bereit sei, die Manipulation offenzulegen, ob "P*****" weiterhin behaupte, daß auf dem Originalzettel nicht von Kaliberzentimetern, sondern von Millionen die Rede sei, und verneinendenfalls bereit sei, seine Behauptung zurückzuziehen. Der Kläger und die beiden erschienenen Mitarbeiter des ORF hätten sich aber geweigert, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen und den offenkundigen Verdacht der Beweismanipulation aufzuklären. Am habe der Beklagte eine Erklärung veröffentlicht, daß eine Beweismanipulation weiter im Raum stehe und die Fragen an ORF und "P*****" unbeantwortet geblieben seien. Nach Ansicht des Beklagten könne dieser Verdacht nur dadurch entkräftet werden, daß der Kläger seinen Gewährsmann nenne. Wenn der Kläger auch nach § 31 MedienG nicht verpflichtet sei, seine Informanten anzugeben, hätte es doch der journalistische Anstand geboten, im "P*****" eine Richtigstellung vorzunehmen. Solange sich der Kläger weder dazu bereitfinde, noch seine Quellen nenne, bleibe der Beklagte bei seinem Vorwurf.
Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt.
Es stellte fest, nach Beendigung der Hausdurchsuchung bei Dr. Walter S***** sen. sei dem Kläger von einer von ihm nicht genannten, aber als kompetenter Informant bezeichneten Person mitgeteilt worden, im Büro von Dr. Walter S***** sen. sei ein Notizblock aufgefunden worden, dessen Inhalt nicht bloß Dr. Walter S***** sen. und Dr. Walter S***** jun., sondern auch den - damaligen - Bundesminister für Landesverteidigung, Dr. Robert L*****, und dessen Sekretär, Dr. Michael S*****, belaste. Im Notizblock gebe es einen Zettel mit dem Vermerk, den sich der Kläger von seinem Gewährsmann habe wiedergeben lassen:
Es heiße dort nach dem Namen des Sekretärs
"1. Parteienfinanzierung: zwei Millionen und 2. Auftragsvorlumen:
35 Mio". Der Kläger habe diese Information dadurch überprüft, daß er einen weiteren, gleichfalls als kompetente Person bezeichneten Gewährsmann befragt und dieser ihm den Wortlaut der Notiz wiedergegeben habe. Dieser habe mit der ersten Information übereingestimmt. Keiner der Informanten habe zwar gesagt, daß das Wort "Millionen" auf dem Zettel stehe, keiner habe aber auch das Gegenteil bekundet. Der Kläger habe beide Informanten gefragt, ob es richtig sei, wenn er schreibe: "Parteienfinanzierung zwei Millionen, Auftragsvolumen 35 Mio", und beide hätten diese Frage bejaht. Dem Kläger sei im übrigen bekannt gewesen, daß an den Schweizer Waffenkonzern O***** ein Auftrag von 35 Mio S vergeben worden sei. Der Kläger sei von der Seriosität der beiden Informanten nicht zuletzt auch deshalb überzeugt gewesen, weil es in der Folge zur Einleitung der Voruntersuchung gekommen, in vorweihnachtlicher Zeit in der Zentrale des Ö***** eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden sei und die Ratskammer den Beschluß des Untersuchungsrichters bestätigt habe. Nach den Worten des Klägers stünden ihm mehr als vier Informanten zur Verfügung, es handle sich bei allen um "kompetente Leute". Er weigere sich indessen, deren Namen zu nennen und bekanntzugeben, ob sie an der Hausdurchsuchung teilgenommen hätten oder einer von ihnen das Amtsgeheimnis verletzt habe.
Der Beklagte habe den im "Inlandsreport" gezeigten Vermerk von einem Videounternehmen zu Papier bringen lassen und für zu einer Pressekonferenz ins Parlament geladen. Erst dort habe der Kläger vom Inhalt des "Inlandsreports" vom erfahren. Er habe dort die Wiedergabe des handschriftlichen Vermerks gesehen; dabei sei ihm sogleich die Schreibweise des Namens des Sekretärs mit ***** aufgefallen, was ihm merkwürdig vorgekommen sei, seien doch Dr. Walter S***** sen. und sein Sohn dessen Freunde, sodaß Ersterem die richtige Schreibweise des Namens ***** geläufig sein müßte. Bei dieser Pressekonferenz habe der Beklagte die vom Fernsehschirm abgenommene Kopie des gezeigten Zettels samt maschingeschriebenem Begleittext der Sprecherin und einem Auszug aus dem Artikel des Klägers vom vorgelegt und erklärt, die Diskrepanz zwischen "P*****"- und ORF-Bericht sei aufklärungsbedürftig, die Meldung über den Verdacht der Parteienfinanzierung sei damals bereits durch alle Medien gegangen, nun spreche aber der vom ORF gezeigte Zettel keineswegs von Millionen, sondern offenbar von Kalibern. ORF und "P*****" sollten daher diese Diskrepanz aufklären und der Öffentlichkeit mitteilen, wie sie zu den Unterlagen von der Hausdurchsuchung gekommen seien, in die der Minister und sein Verteidiger bis jetzt nicht hätten Einsicht nehmen können, weil ihnen der dienstunfähige Untersuchungsrichter keine Akteneinsicht gewähre. Nach dieser Pressekonferenz habe der Kläger bei seinen beiden Informanten unter Vorhalt des im ORF ausgestrahlten Textes rückgefragt: Darauf hätten ihm diese beiden Personen bestätigt, der Notizzettel habe jenen Inhalt aufgewiesen, den sie ihm schon beim ersten Kontakt bekanntgegeben hätten. Auf seinen Anruf hätten ihm die Leute vom ORF nach anfänglichem Zögern mitgeteilt, sie hätten sich zu Dr. Walter S***** sen. begeben und ihn gebeten, den handschriftlichen Vermerk zu rekonstruieren. Dieser habe den Text so niedergeschrieben, wie er dann im "Inlandsreport" ausgestrahlt worden sei. Dr. Walter S***** sen. habe der "W*****" bekanntgegeben, bei der Zahl 35 laute die Angabe "mm" und bei der Zahl 2 "cm"; so habe er sich auch im Strafverfahren verantwortet. Nach der Rückfrage beim ORF habe der Kläger dem Beklagten telefonisch mitgeteilt, der im "Inlandsreport" ausgestrahlte Text sei nicht echt; ihm daher Fälschung vorzuwerfen, sei deshalb falsch, er habe nie etwas gefälscht.
Die Ausgabe des "P*****" vom habe auf der Titelseite ein Porträt von Dr. Robert L***** mit der Schlagzeile:
"Der gefälschte Akt" und einem Akt-Faksimile gebracht. In einem Artikel in dieser Ausgabe habe der Kläger berichtet, der Akt sei von unbekannten Personen gefälscht worden. Er könne beweisen, daß das Datum der Vergabe des Auftrags an O***** rückdatiert sei. Im Besitz eines Vorausexemplars habe der Beklagte darauf der APA am erklärt, die vom "P*****" gegen Dr. Robert L***** erhobenen Vorwürfe würden immer lächerlicher und seien an den Haaren herbeigezogen. Für das gerichtliche Verfahren sei es völlig gleichgültig, welcher General im November 1987 an welchem Tag irgendeinen Akt unterschrieben habe. Die Entscheidung des Ministers, auf die es ankomme, sei schon längst vorher gefallen. Überdies ergebe sich schon aus der eigenen Darstellung des "P*****", daß von der Fälschung eines Akts keine Rede sein könne. Dieses habe allerdings die Frage, wie es dazu gekommen sei, die Kaliberangabe in Millionen an Parteienfinanzierung umzudeuten, nicht beantwortet. Der Vorwurf der Beweisfälschung stehe nicht bei L*****, sondern beim "P*****" als massiver Verdacht im Raum. Der Beklagte habe zu einer neuerlichen Pressekonferenz am besonders auch den Kläger und den ORF-Informationsintendanten geladen. Bei dieser Pressekonferenz habe der Beklagte auf die beiden Versionen hingewiesen, an seine an ORF und "P*****" gerichtete Aufforderung erinnert und berichtet, der Kläger habe ihn angerufen, daß der vom ORF gezeigte Zettel nicht echt sei. Der Beklagte habe daher an ORF und "P*****" die Fragen gerichtet, ob es richtig sei, daß der handschriftliche Zettel, der im ORF gezeigt worden sei, nicht echt sei, bejahendenfalls, ob der ORF zur Offenlegung der Manipulation und zur Entschuldigung bei Dr. Robert L***** bereit sei, ob das "P*****" weiterhin behaupte, daß auf dem "Orginalzettel" nicht von Kaliber-Zentimetern, sondern von Millionen die Rede sei, verneinendenfalls, ob "P*****" zur Zurückziehung seiner Behauptungen und zur Entschuldigung bereit sei. Am habe der Beklagte über die APA erklärt, die Beweismanipulation stehe weiter im Raum, Fragen an ORF und "P*****" seien unbeantwortet geblieben; bisher seien auch Fragen, die der Beklagte "gestern" bei seiner Pressekonferenz gestellt habe, unbeantwortet geblieben. "Wir werden die L*****-Verfolger nicht aus ihrer Antwortspflicht entlassen".
Rechtlich meinte das Erstgericht, eine Fälschung oder auch nur eine Verfälschung eines Beweismittels durch den Kläger oder das "P*****" sei nicht erwiesen. Dazu wäre dessen bewußt unrichtige oder abgeänderte Wiedergabe erforderlich gewesen. Allein deshalb weil es zwei voneinander abweichende Versionen über den Inhalt eines Schriftstückes gebe, dürfe der Beklagte noch nicht den Vorwurf erheben, der Verbreiter der einen Version habe den Beweis gefälscht. Der Unterlassungsanspruch setze Verschulden nicht voraus, die Wiederholungsgefahr folge aus dem vom Beklagten noch im Prozeß eingenommenen Standpunkt, er bleibe bei seinem Vorwurf, solange der Kläger weder seine Quelle nenne, noch eine Richtigstellung vornehme.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige, die ordentliche Revision aber nicht zulässig sei. Es führte aus, im konkreten Verfahren sei nicht der tatsächliche Zettelinhalt, sondern vielmehr die Frage entscheidend, welche Informationen dem Kläger zur Verfügung standen. Der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei im § 1330 Abs 2 ABGB nicht ausdrücklich vorgesehen, doch gewähre ihn nunmehr die Rechtsprechung unabhängig vom Verschulden bzw. den Voraussetzungen in der genannten Gesetzesstelle, sofern Wiederholungsgefahr bestehe. Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens bestehe im Bereich des Kennenmüssens darin, daß die Unrichtigkeit der Tatsachen bei Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt erkennbar sei und die Tatsachen dennoch verbreitet würden. Beim Vorwurf des Verdachts der Beweisfälschung handle es sich um ehrenrührige Tatsachen und nicht bloß um Werturteile, die der Möglichkeit objektiver Überprüfung unterlägen. Unerheblich sei es, daß der Beklagte bloß vom Verdacht einer Beweisfälschung und nicht unmittelbar von Beweisfälschung spreche, weil schon der geäußerte konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung rufschädigend sei. Nur bei unbestimmten Verdächtigungen ganz allgemeiner Art könnte von Tatsachen im Sinne des § 1330 Abs. 2 ABGB nicht mehr gesprochen werden. Die vom Beklagten geäußerte Verdächtigung erfülle somit den Tatbestand der Rufschädigung nach dieser Gesetzesstelle. Den Wahrheitsbeweis habe der Beklagte zu führen. Er hätte daher beweisen müssen, daß der Verdacht der Beweisfälschung tatsächlich berechtigt war. Es sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Beklagte die von ihm weiterverbreiteten Tatsachen mit Grund als wahr habe halten können. Den Ausführungen des Beklagten, daß der Verdacht der Beweisfälschung im vorliegenden Fall schon deshalb gerechtfertigt gewesen sei, weil das "P*****" in dieser Angelegenheit einen Vernichtungsfeldzug gegen Dr. Robert L***** geführt habe, könne nicht beigepflichtet werden. Allein die Tatsache, daß es vom Inhalt des Notizzettels zwei divergente Versionen gegeben habe, rechtfertige noch nicht die Annahme einer Beweisfälschung. Dem Beklagten gereiche es zum Nachteil, daß das im § 31 MedienG verankerte Redaktionsgeheimnis seine Beweislage erheblich erschwere. Der Kläger sei demzufolge nicht zur Preisgabe seines Informanten verpflichtet gewesen. § 31 MedienG beinhalte nicht bloß ein Beweismittel-, sondern auch ein Beweisthemenverbot. Beweisthemen seien auch alle Fragen, die den Gewährsmann von Beiträgen oder den Informanten betreffen. Der Kläger habe daher unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis jedwede Mitwirkung an der Aufklärung der Frage, aufgrund welcher Informationen er Dr. Robert L***** der Beweisfälschung bezichtigte, verweigern dürfen. Mit dem von ihm erhobenen Vorwurf habe der Beklagte den Ruf des Klägers gefährdet. Um dies zu beurteilen, habe es keiner Feststellungen über den Inhalt des "wirklichen" Zettels bedurft, weil es allein maßgeblich sei, welche Informationen den Kläger zur Verfassung seines Artikels veranlaßt haben. Dem Beklagten sei der Wahrheitsbeweis insoweit nicht gelungen. Nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes seien die im "*****" erschienenen Artikel auf Angaben von "Informanten" zurückzuführen und nicht auf eine "Beweisfälschung" des Klägers.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist berechtigt.
Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung von Behauptungen des Inhalts, der Vorwurf der Beweisfälschung stehe nicht bei L*****, sondern beim "P*****" als massiver Verdacht im Raum. Er hat demnach ausschließlich eine Unterlassungsklage erhoben.
Aus den §§ 16 und 1330 ABGB sowie aus den §§ 111 ff StGB ist abzuleiten, daß auch das Recht auf Ehre sowie das Recht auf Wahrung des wirtschaftlichen Rufes - der im Kredit, im Erwerb und im Fortkommen des Betroffenen zum Ausdruck kommt (SZ 56/124 ua) - den Schutz absoluter Rechte genießen. Dieser Schutz ist umfassend und keineswegs bloß auf die strafgesetzlichen Tatbestände bzw. die konkretisierenden Bestimmungen des § 1330 ABGB beschränkt (SZ 61/193; SZ 56/124; EvBl 1983/91; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 172 f; ähnlich auch Reischauer in Rummel, ABGB § 1294 Rz 23 und § 1330 Rz 7 und 23). Demgemäß steht dem Verletzten, sofern Wiederholungsgefahr gegeben ist, zum Schutz vor Ehrenbeleidigungen und zur Wahrung seines wirtschaftlichen Rufes die Unterlassungsklage zu, selbst wenn die besonderen Voraussetzungen des § 1330 Abs 2 ABGB nicht vorliegen (SZ 61/193; SZ 56/124 ua).
Die in die Öffentlichkeit getragene Behauptung des Beklagten, der Vorwurf der "Beweisfälschung" stehe beim "P*****" als massiver Verdacht im Raum, ist - ihre Unwahrheit
vorausgesetzt - zweifellos als Verbreitung ehrenrühriger und rufgefährdender Tatsachen zu beurteilen, bezichtigte der Beklagte den Kläger, der den Artikel im "P*****" nicht bloß verfaßt, sondern auch gezeichnet hatte, doch damit der bewußt unrichtigen Wiedergabe des als Beweismittel beschlagnahmten Notizzettels. Auch daß er nur den "massiven Verdacht" der "Beweisfälschung" äußerte, ändert daran nichts, weil auch Verdächtigungen bzw. Vermutungen ehrverletzende bzw. rufgefährdende Tatsachenbehauptungen sein können (ÖBl 1984, 130; JBl 1980, 481; SZ 27/298).
Das bestreitet der Beklagte in seiner Revision auch nicht. Er führt auch nichts ins Treffen, das Gericht zweiter Instanz habe ihn zu Unrecht mit dem Beweis dafür belastet, daß der von ihm öffentlich geäußerte Verdacht der "Beweisfälschung" berechtigt gewesen sei. Die Beweislastfrage hat das Berufungsgericht übrigens auch richtig gelöst: Hat die beanstandete Bezichtigung - wie schon ausgeführt - nicht bloß rufgefährdende Tatsachenbehauptungen zum Inhalt, sondern ist sie gleichzeitig auch ein ehrenrühriger Anwurf (vgl § 111 StGB), so hat der Beklagte den Wahrheitsbeweis anzutreten (Ecolex 1991, 312 ua; Reischauer aaO Rz 17 und 23; Kletecka in ecolex 1991, 311 mwN in FN 10).
Der Beklagte steht nur nach wie vor auf dem Standpunkt, die Rechtssache sei - jedenfalls im klagsstattgebenden Sinn - noch nicht spruchreif, weil die Vorinstanzen den Inhalt des beschlagnahmten Notizzettels nicht erhoben hätten: Wäre hervorgekommen, worin die Divergenz zwischen dem vom Kläger wiedergegebenen und dem tatsächlichen Inhalt der Notiz bestehe, wäre auch festzustellen gewesen, daß ein "harmloses Stück Papier zu einem Beweismittel für Amtsmißbrauch und Bestechung in Millionenhöhe zum Nachteil des Betroffenen vorsätzlich umgetextet und der falsche Eindruck vom Kläger (zumindest mit bedingtem Vorsatz) aufrecht erhalten worden" sei. Diesen Ausführungen ist zumindest im Ergebnis beizupflichten:
Wie schon weiter oben erörtert wurde, bezichtigte der Beklagte mit seiner beanstandeten Äußerung den Kläger der bewußt unrichtigen Wiedergabe des bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Notizzettels. Ob und wieweit dieser Vorwurf der Wahrheit entsprach, kann jedoch aufgrund der widersprüchlichen und undeutlichen erstinstanzlichen Feststellungen noch nicht beurteilt werden: So führte das Erstgericht - gestützt auf die Parteiaussage des Klägers (ON 6, S 5/6) - zunächst an, die nicht näher genannten "kompetenten" Informanten hätten diesem den Inhalt des Zettels so mitgeteilt, wie ihn der Kläger sodann in seinem "P*****"-Artikel unter Anführungszeichen wiedergab; gleich im Anschluß daran findet sich jedoch im erstinstanzlichen Urteil die weitere - mit den vorangehenden Anführungen nicht zu vereinbarende - Feststellung, die Gewährsleute hätten dem Kläger nicht gesagt, daß auf dem Zettel bei den dort angeführten Zahlen auch das - vom Kläger aber als wörtlicher Inhalt der Notiz wiedergegebene - Wort "Millionen" stehe; sie hätten ihm allerdings auch das Gegenteil nicht gesagt. Erst auf seine Frage, ob es richtig sei, wenn er (das) schreibe, (was er sodann in seinem Artikel als Wortlaut der Notiz wiedergab), hätten seine beiden Informanten "ja" gesagt. Daß die beiden Informanten dem Kläger positiv mitgeteilt hätten, bei den beiden Zahlenangaben auf dem Zettel stehe das Wort "Millionen" (bzw. "Mio"), kann selbst der Aussage des Klägers nicht entnommen werden. Die bloße Bejahung einer Frage, ob ein bestimmter Bericht stimme, kann aber ebenso gut nur der Ausdruck einer Schlußfolgerung der Gewährsleute dahin gewesen sein, daß die Zahlenangaben gar nichts anderes bedeuten könnten als ".... Millionen (Schilling)". Daß die beiden Informanten mit der Bejahung der gezielten Frage des Klägers auch nur ihre Meinung zum Ausdruck gebracht haben könnten, die beiden Zahlen könnten nur Millionenbeträge bedeuten, wird im übrigen durch die Bekundung des Klägers (ON 6, S 4) erhärtet, bei der Überprüfung der Richtigkeit seiner Informationen im Februar 1990 hätten ihm die Gewährsleute "weiters" bekanntgegeben, daß es sich bei der Ziffer "2" "nach ihrer Meinung" ebenfalls um Millionen gehandelt habe.
Die vorinstanzlichen Feststellungen lassen somit den vom Berufungsgericht gezogenen Schluß, der Kläger habe im Vertrauen auf die Seriosität seiner Informanten den von diesen berichteten Inhalt der Zettelnotiz - entsprechend dem durch die Verwendung von Anführungszeichen erzeugten Anschein - wortwörtlich wiedergegeben und in diese Wiedergabe nicht auch bloße Schlußfolgerungen miteinbezogen, nicht zu. Um verläßlich feststellen zu können, ob der Kläger - wie das der Beklagte behauptet - den ihm mitgeteilten Zettelinhalt in der Tat nicht wörtlich richtig wiedergegeben, sondern auch bloße Schlußfolgerung mitverwendet hat, bedarf es präziser, widerspruchsfreier Feststellungen über den Inhalt der mündlichen Information des Klägers durch seine bislang unbekannt gebliebenen Gewährsleute nach der Hausdurchsuchung am . Sollte sich herausstellen, daß der Kläger in die infolge der Anführungszeichen dem Anschein nach wörtliche Wiedergabe des Zettelinhalts doch auch bloße Schlußfolgerungen miteinbezog, die er in seinem Artikel als solche hätte offenlegen müssen, so hätte er in der Tat - wie ihm der Beklagte vorgeworfen hat - bewußt in Kauf genommen, daß seine Wiedergabe des Inhalts der Notiz mit dem Original nicht übereinstimmt. Deshalb ist es auch erforderlich, den Inhalt des beschlagnahmten Notizzettels festzustellen, der sich - sollte die vom Beklagten in seine Revisionsausführungen eingeschaltete Kopie richtig sein - von der Wiedergabe durch den Beklagten im "P*****" in ganz wesentlichen Punkten unterscheiden würde.
Um diese Feststellungen nachzuholen, bedarf es lediglich der Beischaffung und Verlesung der darauf bezughabenden Teile des Strafaktes sowie einer ergänzenden Vernehmung des Klägers und damit bloß einer Ergänzung der Berufungsverhandlung (§ 496 Abs 3 ZPO). Dabei wird das Berufungsgericht - entgegen seiner Ansicht - zu beachten haben, daß das Recht, im Rahmen des im § 31 MedienG verankerten Redaktionsgeheimnisses die Aussage im Verfahren vor Gericht oder einer Verwaltungsbehörde zu verweigern, ausschließlich auf die Zeugenaussage beschränkt ist, wogegen Beugemittel gegenüber dem Beschuldigten oder der Prozeßpartei nicht bestehen, wenn diese die Aussage verweigern, sodaß insoweit eine Sonderregelung entbehrlich war (Hartmann-Rieder, Mediengesetz, 189). Soweit der Kläger demnach die Aussage verweigert, unterliegt dies der Beweiswürdigung des Gerichts (§ 381 ZPO).
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.