Mindestkörperschaftsteuerpflicht einer in Großbritannien registrierten "private limited company" mit Geschäftsleitung in Österreich
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der A-Limited, Wien, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Festsetzung der Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2007 und Folgejahre entschieden:
Der Berufung wird wie in der Berufungsvorentscheidung teilweise Folge gegeben.
Die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 2007 und Folgejahre werden mit € 1.750,00 festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Bei der Berufungswerberin (Bw.) handelt es sich um eine mit Gründungsurkunde vom mit dem Sitz in London gegründete "private limited company". Zur Geschäftsführerin wurde Frau Branka J. bestellt und als solche im Companies House in Cardiff/GB unter der Nr. 38xxxxx eingetragen. Das Gründungskapital betrug 1.000,00 Pfund. Am wurde im österreichischen Firmenbuch eine Zweigniederlassung in Wien eingetragen. Die Bw. betreibt eine auf den Raum Südosteuropa spezialisierte Presseagentur, wobei als Auftraggeber im überwiegenden Maße deutsche Rundfunkanstalten fungieren. Die Hauptgeschäftsleitung der Bw. ist in Wien angesiedelt, wo auch sämtliche Erträge und Aufwendungen anfallen. In Großbritannien werden weder ein Büro unterhalten noch irgendwelche Umsätze getätigt.
Der Streitpunkt besteht darin, ob das Finanzamt der Bw. - in der Berufungsvorentscheidung - zu Recht Mindestkörperschaftsteuer vorgeschrieben hat.
Im berufungsgegenständlichen Bescheid vom setzte das Finanzamt die Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2007 und Folgejahre unter Hinweis auf die Veranlagung des Jahres 2005 mit € 9.355,60 fest.
In der Berufung vom brachte die Bw. vor, dass im Jahre 2005 ein Verlust erzielt worden sei, weshalb diese Körperschaftsteuervorauszahlungen mit Null anzusetzen seien.
Nachdem das Finanzamt der ebenfalls erhobenen Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2005 Folge gegeben hatte, setzte es mit Berufungsvorentscheidung vom die angefochtenen Vorauszahlungen mit € 1.750,00 fest. Begründend verwies es darauf, dass ab auch "beschränkt steuerpflichtige (ausländische) juristische Personden, die mit einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar" seien, der Mindestkörperschaftsteuer unterliegen würden.
Im Vorlageantrag vom heißt es, dass in § 24 Abs. 4 Z 1 KStG 1988 von "unbeschränkt steuerpflichtigen inländischen Kapitalgesellschaften und diesen vergleichbaren unbeschränkt steuerpflichtigen ausländischen Körperschaften" die Rede sei. Die Bw. falle, weil sie nur einer beschränkten Steuerpflicht unterliege, demnach nicht unter diese Bestimmung. Das Finanzamt habe im Schreiben vom eindeutig festgehalten, dass die Bw. bloß beschränkt steuerpflichtig sei (Anmerkung: Die Bw. stellte am einen formellen Antrag auf schriftliche Bestätigung durch das Finanzamt, dass sich ihr Ort der Geschäftsleitung nicht in England, sondern in Österreich befinde, die Bw. deshalb in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig und in Österreich auch rechtsfähig sei. Nach Durchführung von Erhebungen stellte das Finanzamt im angesprochenen Schreiben vom fest, dass laut Eintragung beim Handelsgericht Wien die Bw. in Österreich eine Zweigniederlassung habe und daher der beschränkten Steuerpflicht unterliege. In Österreich befinde sich eine Betriebsstätte gemäß § 29 BAO und DBA Österreich - Großbritannien. Die gewünschte Bestätigung des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht könne daher nicht ausgestellt werden. Die gegen dieses Schreiben erhobene Berufung der Bw. vom wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass es sich beim Schreiben des Finanzamtes vom um keinen Bescheid handle. Die gegen diesen Zurückweisungsbescheid erhobene Berufung vom wurde von der Bw. in der Folge zurückgenommen). Hingewiesen werde weiters auf die entsprechenden Erläuterungen in den Körperschaftsteuerrichtlinien, Stand .
Im Verfahren vor dem unabhängigen Finanzsenat verwies die Bw. in den beiden Schriftsätzen vom 15. März und wiederum auf die Körperschaftsteuerrichtlinien, Rz 1500, sowie auf die Auffassung des Finanzamtes aus dem Jahre 2002, dass die Bw. lediglich beschränkt steuerpflichtig sei. Zusätzlich brachte sie im Wesentlichen noch vor, dass sie nicht als Kapitalgesellschaft angesehen werden könne, da nirgendwo im KStG 1988 konkret die britische "Limited" genannt werde.
Über die Berufung wurde erwogen:
§ 24 Abs. 4 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 161/2005, lautet wie folgt:
"Für unbeschränkt steuerpflichtige inländische Kapitalgesellschaften und diesen vergleichbaren unbeschränkt steuerpflichtigen ausländischen Körperschaften gilt Folgendes:
1. Es ist für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht eine Mindeststeuer in Höhe von 5 % eines Viertels der gesetzlichen Mindesthöhe des Grund- oder Stammkapitals (§ 7 des Aktiengesetzes 1965, § 6 des GmbH-Gesetzes und Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. Nr. L 294 vom S. 1) zu entrichten. Fehlt bei ausländischen Körperschaften eine gesetzliche Mindesthöhe des Kapitals oder ist diese niedriger als die gesetzliche Mindesthöhe nach § 6 des GmbH-Gesetzes, ist § 6 des GmbH-Gesetzes maßgebend. Ändert sich die für die Mindeststeuer maßgebliche Rechtsform während eines Kalendervierteljahres, ist dafür die am Beginn des Kalendervierteljahres bestehende Rechtsform maßgeblich. ... "
§ 26c Z 10 lit. c KStG 1988 bestimmt, dass § 24 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 161/2005 erstmals für Zeiträume nach dem anzuwenden ist.
Gemäß § 1 Abs. 1 KStG 1988 sind nur Körperschaften körperschaftsteuerpflichtig. Abs. 2 bestimmt, dass Körperschaften unbeschränkt steuerpflichtig sind, die im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz (§ 27 der Bundesabgabenordnung) haben.
§ 27 BAO lautet wie folgt:
Abs. 1: "Körperschaften, Personenvereinigungen sowie Vermögensmassen haben ihren Sitz im Sinn der Abgabenvorschriften an dem Ort, der durch Gesetz, Vertrag, Satzung, Stiftungsbrief und dergleichen bestimmt ist. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so gilt als Sitz der Ort der Geschäftsleitung."
Abs. 2: "Als Ort der Geschäftsleitung ist der Ort anzunehmen, an dem sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung befindet."
Die Frage, ob es sich bei der Bw. um eine einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbare ausländische Körperschaft handelt, die überdies unbeschränkt steuerpflichtig ist (und nicht bloß beschränkt steuerpflichtig, wie in der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes irrtümlich angeführt), womit im Sinne der ab geltenden Bestimmung des § 24 Abs. 4 KStG 1988 Mindestkörperschaftsteuerpflicht gegeben ist, wird vom unabhängigen Finanzsenat aus folgenden Gründen bejaht:
Unstrittig handelt es sich bei der Bw. um eine nach britischem Recht gegründete und damit ausländische Gesellschaft. Bei der Beurteilung, ob eine ausländische Gesellschaft einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar ist, ist davon auszugehen, dass die zivil- bzw. steuerrechtliche Behandlung des ausländischen Rechtssubjektes im jeweiligen Ansässigkeitsstaat für die inländische Bewertung bedeutungslos ist. Maßgeblich für die Vergleichbarkeit ist demnach ausschließlich das österreichische Recht. Die ausländische Körperschaft muss einer österreichischen Kapitalgesellschaft zwar in ihren Strukturen entsprechen, ein völlig identer Aufbau wird jedoch nicht gefordert (dh das eine oder andere Merkmal kann fehlen oder in seiner Bedeutung eingeschränkt sein). Die Vergleichbarkeit in ihrer Gesamtheit der Merkmale unter Beachtung der wirtschaftlichen Stellung und des rechtlichen Aufbaues der inländischen Körperschaft ist somit entscheidend (vgl. Steiner, Einstufung ausländischer Gesellschaftsformen - "Typenvergleich" (Teil I), ÖStZ 2007, 160).
Was im konkreten Fall die britische "private company limited by shares" anbelangt, ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre (vgl. lediglich Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Die englische Private Company Limited in Österreich - gesellschaftsrechtliche Fragen, SWI 2005, 477- bzw. - steuerrechtliche Fragen, SWI 2005, 537; sowie Steiner, Einstufung ausländischer Gesellschaftsformen - "Typenvergleich" (Teil II), ÖStZ 2007, 204) sowie der jüngsten Rechtsprechung des VwGH ( Erkenntnisse vom , 2003/16/0110, bzw. vom , 2005/14/0124) eindeutig von der Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft auszugehen. Nach ihrer Definition ist eine "Limited" nämlich die britische Ausgabe einer österreichischen GmbH, deren wesentlichen Vorteile in der leichten und schnellen Gründung sowie insbesondere im Nichtvorhandensein eines Mindestkapitals liegen (vgl. Greindl, Kapitalgesellschaften ohne Mindestkapital, SWK 1999, 111 und 161).
Im Übrigen muss darauf hingewiesen werden, dass auch die Bw. selbst nie Zweifel in Bezug auf die Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft gehabt hat. So schreibt sie am im Rahmen ihrer Anfrage wegen Zuteilung einer Steuernummer an das Finanzamt, dass sie eine in England registrierte GmbH mit Sitz in London sei. Gleichfalls ist ihrem Antrag vom auf schriftliche Bestätigung, dass sich der Ort der Geschäftsleitung nicht in England, sondern in Österreich befinde, deshalb unbeschränkte Steuerpflicht und Rechtsfähigkeit in Österreich gegeben sei, eindeutig zu entnehmen, dass sie sich selbst als eine dem KStG 1988 unterliegende Körperschaft ansieht.
Nicht zuletzt muss erwähnt werden, dass nach den Erläuternden Bemerkungen zum Abgabenänderungsgesetz 2005 der Änderung des § 24 Abs. 4 KStG 1988 folgende Absicht des Gesetzgebers zugrunde liegt:
"Die Änderung des § 7 Abs. 3 durch das AbgÄG 2004, BGBl. I Nr. 180/2004 hat eine faktische Gleichstellung von in- und ausländischen Kapitalgesellschaften unter der Voraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht gebracht. Um eine Diskriminierung inländischer Kapitalgesellschaften zu vermeiden, soll nunmehr auch die Gleichstellung hinsichtlich der Mindestkörperschaftsteuerpflicht erfolgen. Damit sollen auch Umgehungen der Mindestkörperschaftsteuerpflicht vermieden werden, wie sie etwa durch Gründung einer englischen "private company limited by shares" mit inländischem Ort der Geschäftsleitung erfolgen könnten."
Da die Bw. im gesamten Berufungsverfahren sowohl gegenüber dem Finanzamt als auch gegenüber dem unabhängigen Finanzsenat vehement auf die "aktuelle" Fassung der Körperschaftsteuerrichtlinien hinweist (wonach eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft nie mindestkörperschaftsteuerpflichtig werden könne, da die in § 24 Abs. 4 KStG 1988 vorgesehene Anknüpfung an die Rechtsform der Kapitalgesellschaften eine formalrechtliche sei, weil sie auf konkrete Mindestkapitalvorschriften des österreichischen Aktiengesetzes bzw. GmbH-Rechtes Bezug nehme), sei diesbezüglich ausgeführt, dass sich diese Erläuterungen eindeutig auf die Rechtslage vor dem beziehen. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage wird bei einer Kapitalgesellschaft, die wie im konkreten Fall keiner Mindestkapitalvorschrift unterliegt, vom Mindestkapital des österreichischen GmbH-Gesetzes ausgegangen. Die Körperschaftsteuerrichtlinien aus dem Jahre 2001, zuletzt geändert am , BMF - 010216/0134 - VI/6/2005, sind demnach, abgesehen davon, dass der unabhängige Finanzsenat an diesen vom Finanzministerium herausgegebenen "Auslegungsbehelf" zum KStG 1988 in keiner Weise gebunden ist, in diesem Punkt nicht mehr "aktuell".
Neben der Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft muss als zweite Voraussetzung für die Mindestkörperschaftsteuerpflicht "unbeschränkte Steuerpflicht" in Österreich gegeben sein.
Die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 2 KStG 1988 knüpft daran an, dass sich im Inland die Geschäftsleitung oder der Sitz befindet. Unstrittig ist der Sitz der Bw. im Sinne des § 27 Abs. 1 BAO nicht in Österreich, sondern in London. Die Geschäftsleitung dagegen, die in § 27 Abs. 2 BAO umschrieben wird mit dem "Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung", befindet sich nach der Aktenlage sowie dem gesamten Vorbringen der Bw. selbst in Österreich.
Der Ort der Geschäftsleitung ist nämlich dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird, wo also die für die Führung des Unternehmens notwendigen und wichtigen Maßnahmen angeordnet werden, wo die unternehmenslenkenden Dispositionen getroffen werden. Nicht wesentlich für die Frage nach dem Ort der Geschäftsleitung ist dagegen, wo die unternehmenslenkenden Dispositionen vollzogen und wirksam werden. Da § 27 Abs. 2 BAO den "Mittelpunkt der Geschäftsleitung" als bestimmend festlegt, kann eine Körperschaft nur eine Geschäftsleitung haben (vgl. hiezu Ritz, BAO3, § 27 Tz 5).
Von der Bw. wird nicht bestritten, dass in Großbritannien kein Büro unterhalten wird und auch keine Umsätze getätigt werden. Sämtliche Entscheidungen fallen vielmehr in Österreich, wo in Wien bzw. in Graz entsprechende Büros angemietet sind (vgl. letzte Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2005: "Büromiete Firmensitz Wien" sowie "Mietkosten A-Büro Graz"). Nicht zuletzt scheint auf dem Vorlageantrag vom als Briefkopf nach dem Firmenwortlaut auf: Sitz in England, Geschäftsleitung in Österreich (mit der Adresse in Wien). Im Übrigen hat die Bw. auch im Verfahren vor dem unabhängigen Finanzsenat auf einen entsprechenden Vorhalt hin keine stichhaltigen Einwendungen gegen die Annahme der Geschäftsleitung in Österreich vorgebracht.
Entgegen der vom Finanzamt im Jahre 2002 vertretenen Auffassung, wonach die Bw. bloß beschränkt steuerpflichtig sei, wird deshalb vom unabhängigen Finanzsenat für das berufungsgegenständliche Jahr 2007 die unbeschränkte Steuerpflicht der Bw. festgestellt. Die Bw. ist demnach mindestkörperschaftsteuerpflichtig.
Wien, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 24 Abs. 4 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 § 27 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Mindestkörperschaftsteuer Private limited company Geschäftsleitung |
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