Beginn der Spekulationsfrist bei Veräußerung einer Liegenschaft unter aufschiebender Bedingung
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RV/0669-I/09-RS1 | Bei Veräußerung einer Liegenschaft unter aufschiebender Bedingung ist für die Berechnung der Spekulationsfrist das Verpflichtungsgeschäft (Zeitpunkt des Zustandekommens des schuldrechtlichen Rechtsgeschäftes) und nicht das Verfügungsgeschäft (Zeitpunkt der Eintragung ins Grundbuch) maßgeblich. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Landeck vom betreffend Einkommensteuer 2001 sowie Festsetzung von Anspruchszinsen entschieden:
Der Berufung gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2001 wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage und der darauf entfallenden Einkommensteuer wird auf den Einkommensteuerbescheid vom verwiesen, der insoweit einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheidspruches bildet.
Die Berufung gegen den Bescheid betreffend Anspruchszinsen wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Ehegatten X und Y waren Wohnungseigentümer an einer Liegenschaft in U. Am schlossen sie mit dem Berufungswerber eine schriftliche Vereinbarung in Form eines Notariatsaktes, wonach mit Wirkung zum Todestag des zuletzt versterbenden der beiden Ehegatten, spätestens aber am die Miteigentumsanteile beider Ehegatten an der Liegenschaft in das Eigentum des Berufungswerber übertragen werden sollten (Punkt 2 der Vereinbarung). Zugleich wurde in diesem Notariatsakt vereinbart, dass die Ehegatten einen Barbetrag von 4.500.000 ATS erhalten, wobei dieser Betrag als Darlehen durch die Eigentumsübertragung der Miteigentumsanteile getilgt sein sollte (Punkt 3 der Vereinbarung).
Weiters war der Berufungswerber nach dieser Vereinbarung nach Übergang der Nutzung an den vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteilen auf ihn verpflichtet, alle zu diesem Zeitpunkt auf den Liegenschaftsanteilen aushaftenden Hypotheken zu übernehmen und die Ehegatten hinsichtlich dieser Schuldverhältnisse schad- und klaglos zu halten, weiters erhielten die Ehegatten das lebenslange, höchstpersönlich unvererbbare und unübertragbare Wohnungsrecht an der Wohnung Top 4 eingeräumt sowie eine monatliche Leibrente von 40.000 ATS wertgesichert (Punkt 4 der Vereinbarung).
Zur Sicherstellung des als Darlehen gewährten Barbetrages von 4.500.000 ATS waren die Ehegatten nach dieser Vereinbarung verpflichtet, an ihren Miteigentumsanteilen bis zur Eigentumsübertragung an den Berufungswerber ein Pfandrecht zugunsten des Berufungswerbers einzuräumen (Punkt 5).
Nach Punkt 6 dieser Vereinbarung waren die Ehegatten bis zur Eigentumsübertragung an den Berufungswerber uneingeschränkte Eigentümer ihrer Liegenschaftsanteile, mit der Verpflichtung die Wohneinheiten in gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten, die Liegenschaftsanteile versichert zu halten und jede bauliche oder wirtschaftliche Veränderung zu unterlassen, die geeignet gewesen wäre, den Wert der Liegenschaft zu verringern.
Weiters wurde zugunsten des Berufungswerbers ein vertraglich zugesichertes Belastungs- und Veräußerungsverbot sowie ein grundbücherlich sicherzustellendes Vorkaufsrecht vereinbart.
Wag und Gefahr, Besitz und Genuss an den vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteilen sollten nach Punkt 7 der Vereinbarung erst nach dem Ableben der Ehegatten, spätestens aber am auf den Berufungswerber übergehen.
Mit weiterer Vereinbarung vom kamen die Vertragsparteien in Abänderung der Vereinbarung vom u.a. überein, dass das Wohnungseigentum an den vertragsgegenständlichen Miteigentumsanteilen spätestens zum an den Berufungswerber übergehen sollte und ab diesem Zeitpunkt auch die monatlichen Leibrentenbeträge zu entrichten seien.
Nach dem Ableben der Ehegattin X gingen deren Miteigentumsanteile im Erbweg an den Y über.
Am schloss der Berufungswerber in weiterer Folge mit Z einen Kaufvertrag, mit welchem er nunmehr die streitgegenständlichen, in seinem außerbücherlichen Eigentum stehenden Miteigentumsanteile an diesen mit Wirkung zum 1. Oktober 2001veräußerte.
Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung die Jahre 2001 bis 2006 umfassend vertrat der Betriebsprüfer unter Tz 1 des BP-Berichtes vom April 2008 die Rechtsauffassung, dass der Notariatsakt vom als Kaufvertrag mit aufschiebender Bedingung zu beurteilen sei und ertragssteuerlich erst zum Zeitpunkt der Übergabe der Miteigentumsanteile an den Berufungswerber am ein Anschaffungsvorgang vorliege. Da der Berufungswerber mit Kaufvertrag vom diese Miteigentumsanteile rückwirkend zum an Z übertragen habe (somit innerhalb von 10 Jahren), liege ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft gem. § 30 EStG vor. Den steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn errechnete der Betriebsprüfer mit 6.534.241 ATS.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ mit Ausfertigungsdatum im wiederaufgenommenen Verfahren einen entsprechenden Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2001 sowie einen Bescheid betreffend die Festsetzung von Anspruchszinsen.
Gegen diese Bescheide wurde mit Schreiben des steuerlichen Vertreters vom Berufung erhoben und in der nachgereichten Begründung vom ausgeführt, dass § 30 EStG an einen wirtschaftliche Vorgang anknüpfe; dies sei jener Vorgang, der den wirtschaftlichen Vorteil eines Verkaufsgeschäftes für beide Vertragsteile vorwegnehme. Der Abschluss eines Vertrages werde dann als Anschaffungsgeschäft angesehen, wenn es sich von Anfang an um eine beide Vertragsparteien bindende, wirtschaftliche vorweggenommene Vereinbarung handle. Der wirtschaftliche Vorteil eines Verkaufsgeschäfts trete ein,
bei Abschluss des Vertrages, der zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums führe
bei Abschluss eines Vertrages, der auf sonstige Weise dem Berechtigten die wirtschaftliche Stellung eine Käufers verschaffe.
Im gegenständlichen Fall sei der Kaufpreis durch das Darlehen in Höhe von 4.500.000 ATS, mit dem kapitalisierten Wert der Leibrente sowie dem lebenslangen Nutzungsrecht vorbestimmt.
Der wirtschaftliche Vorteil für den Berufungswerber sei im Vertragsabschusszeitpunkt darin gelegen gewesen, dass er anstatt der Zinsen für das gewährte Darlehen das Recht auf Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums erlangt habe.
Im Gegenzug hätten sich die Veräußerer verpflichtet jede bauliche und wirtschaftliche Veränderung an der Liegenschaft zu unterlassen sowie ein Belastungs- und Veräußerungsverbot sowie ein Vorkaufsrecht zugunsten des Berufungswerbers eingeräumt. Dadurch habe der Berufungswerber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Stellung eines wirtschaftlichen Eigentümers erworben. Zudem werde bei aufschiebenden Bedingungen der Spekulationstatbestand bereits mit Vertragsabschluss erfüllt und liege ein Veräußerungsgeschäft auch dann vor, wenn nur der schuldrechtliche Vertrag abgeschlossen werde und die dingliche Erfüllung ausbleibe. Es sei nicht der Besitz und die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit entscheidend; dazu genüge der obligatorische Anspruch.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen (Ausfertigungsdatum jeweils ) wurde der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Einkommensteuer:
Gemäß § 30 Abs. 1 Z. 1 lit. a EStG 1988 gehören Veräußerungsgeschäfte über Grundstücke und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, zu den Spekulationsgeschäften, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
Unter Anschaffung und Veräußerung iSd § 30 EStG sind dabei die schuldrechtlichen, auf die Eigentumsübertragung ausgerichteten Rechtsgeschäfte zu verstehen. Für die Berechnung der Spekulationsfrist ist daher der Zeitpunkt des Zustandekommens dieser schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte - insbesondere Kaufverträge - maßgeblich ().
Ein (auch unwiderrufliches) Kaufanbot oder eine bloße Kaufoption sind hiefür nicht ausreichend ( unter Verweis auf ).
Bei einem Verpflichtungsgeschäft, das unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen wird, wird der Spekulationstatbestand dennoch bereits mit Vertragsabschluss erfüllt, dies ergibt sich aus der Anknüpfung des Spekulationsgeschäftes an das zivilrechtliche Rechtsgeschäft (Doralt/Kempf, EStG, § 30, Rz 36).
Auch eine zivilrechtliche Befristung (Übergang von Nutzen und Gefahr zu einem späteren Zeitpunkt) hindert nicht die Annahme eines Spekulationsgeschäftes bei Kaufvertragsabschluss innerhalb der Spekulationsfrist (ÖStZ 2001, 47). Das gilt nach den Einkommensteuerrichtlinien, RZ 6620, auch für andere aufschiebende sowie für auflösende Bedingungen.
Nur ausnahmsweise kommt es nicht auf den Zeitpunkt eines solchen Verpflichtungsgeschäftes an. Dies dann, wenn die Vertragsparteien bereits vorher eine Vereinbarung geschlossen haben, aufgrund derer das wirtschaftliche Eigentum übergegangen ist. Hiezu bedarf es einer beide Vertragsparteien bindenden, einen späteren Kaufvertrag wirtschaftlich vorwegnehmenden Vereinbarung (VwGH 88/13/0049, 0050).
Nach der einhellig in der Lehre und Judikatur vertretenen Auffassung ist für die Berechnung der Spekulationsfrist sohin das Verpflichtungsgeschäft (Zeitpunkt des Zustandekommens des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts) und nicht das Verfügungsgeschäft maßgeblich (vgl. sowie vom , 88/13/0049; -I/07; Doralt/Kempf, EStG, § 30, Rz 21; JAKOM, Kanduth-Kristen, EStG, § 30, Rz 12). Dies gilt sowohl für den Beginn des Fristenlaufs (Anschaffung) als auch für die Beendigung (Veräußerung).
Die Anknüpfung an das schuldrechtliche Rechtsgeschäft ergibt sich dabei aus dem Zweck des Gesetzes und aus der historischen Anknüpfung an das Spekulationsgeschäft. Für die Erzielung eines Überschusses durch Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfte genügt der obligatorische Anspruch; Besitz und tatsächliche Verfügungsmöglichkeit sind nicht entscheidend (vgl. Doralt/Kempf, EStG, § 30 Rz 24).
Die Verkäufer wurden bereits durch das streitgegenständliche Verpflichtungsgeschäft verpflichtet, dem Berufungswerber die Miteigentumsanteile an der Liegenschaft zu einem späteren (ungewissen) Zeitpunkt zu überlassen.
Damit ist aber die gegenständliche Streitfrage entschieden. Da das dem Erwerb zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft im Jahr 1985 und das der Veräußerung zugrundeliegende im Jahr 2001 abgeschlossen wurde, beträgt der dazwischen liegende Zeitraum mehr als 10 Jahre und ist somit die Spekulationsfrist überschritten, weshalb der Spekulationstatbestand des § 30 Abs. 1 Z. 1 lit. a EStG 1988 nicht erfüllt ist.
Der Berufung wird daher in diesem Punkt Folge gegeben.
2. Anspruchszinsen:
Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus
a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,
b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,
c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.
Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 42 Monaten festzusetzen.
Dem angefochtenen Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen liegt eine Abgabennachforderung auf Grund des Einkommensteuerbescheides 2001 zu Grunde.
Dazu ist auszuführen, dass der Anspruchszinsenbescheid an die Höhe der im Bescheidspruch des entsprechenden Stammabgabenbescheides - im gegenständlichen Verfahren des Einkommensteuerbescheides 2001 - ausgewiesenen Nachforderungen gebunden ist.
Zinsenbescheide setzen somit nicht die materielle, sondern bloß die formelle Richtigkeit des Stammabgabenbescheides voraus. Es sind daher Anspruchszinsenbescheide nicht mit der Begründung anfechtbar, dass der Stammabgabenbescheid rechtswidrig wäre.
Aus der Konzeption des § 205 BAO folgt, dass jede Nachforderung bzw. Gutschrift gegebenenfalls einen weiteren Anspruchszinsenbescheid auslöst.
Dies bedeutet, dass dann, wenn sich der Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig erweist und entsprechend abgeändert oder aufgehoben wird, diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen neuen - sohin akzessorischen - Zinsenbescheid Rechnung getragen wird.
Aufgrund der vorliegenden Berufungsentscheidung hat daher ein zur gegenständlichen Entscheidung korrespondierender weiterer Anspruchszinsenbescheid zu ergehen. Es erfolgt jedoch keine Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides (vgl. Ritz, § 205 Tz 35). Diese Vorgangsweise ist auch den parlamentarischen Materialien zur Schaffung der Bestimmung des § 205 BAO zu entnehmen (siehe Erläuternde Bemerkungen RV 311 BlgNR 21. GP zu Art. 27 Z 8).
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Spekulationsgeschäft Spekulationsfrist schuldrechtlicher Vertrag |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at