Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 02.06.2005, RV/0199-W/05

Haftung für Einkommensteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0199-W/05-RS1
Die Nichtabführung von Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG kann grundsätzlich nicht damit entschuldigt werden, dass die Geldmittel zu deren Entrichtung nicht ausgereicht hätten, da bei der Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG der Schuldner der Einkünfte aus im Inland ausgeübter Tätigkeit als Künstler nur eine vom Empfänger der Einkünfte geschuldete Steuer gemäß § 100 Abs. 4 EStG einzubehalten und gemäß § 101 Abs. 1 EStG dem Betriebsfinanzamt abzuführen hat, sodass bei der Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG genauso wie bei der Lohnsteuer und der Kapitalertragsteuer der Gleichheitsgrundsatz nicht zum Tragen kommt.
RV/0199-W/05-RS2
Handelt es sich bei der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes von Künstlern in Österreich um eine vertretbare Rechtsansicht, dann ist der Rechtsirrtum, die der Abzugsteuer zugrundeliegenden Honorare würden infolge unbeschränkter Steuerpflicht der Künstler nicht der Abzugsteuer unterliegen, nicht vorwerfbar, zumal zudem dem Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen wurden und sich der Vertreter von diesem über die Rechtmäßigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise informieren lassen hat, ohne dass zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder von einem solchen Fehler unabhängige eigene Fehlhandlungen vorgelegen wären.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden HR Dr. Kittinger und die weiteren Mitglieder HR Dr. Walter Mette, Gottfried Hochhauser und Gerhard Mayrhofer über die Berufung des MS, vertreten durch S-GmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 23. Bezirk vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Berufungswerber (Bw.) als Haftungspflichtigen gemäß § 9 Abs. 1 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten des Vereins TK im Ausmaß von € 18.052,66 in Anspruch.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Bw. aus, dass sich die Berufungen gegen die durch den Haftungsbescheid geltend gemachte Haftung sowie gegen die Festsetzung der Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger für 1995 richteten.

Die strittige Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger gemäß § 99 Abs. 1 EStG sei mit Bescheid vom festgesetzt worden. Gegen diesen Bescheid sei am das Rechtsmittel der Berufung eingebracht worden. Der Bw. lege die Berufung vom in Kopie als Teil dieser Berufung bei. Mit Berufungsvorentscheidung vom sei die Berufung abgewiesen worden, am sei der Antrag auf Vorlage an die zweite Instanz eingebracht worden. Unbeachtlich der anderen, nachstehend angeführten formalen Unrichtigkeiten im weiteren Verlauf des Verfahrens gehe der Bw. davon aus, dass der Berufung vom bzw. dem Vorlageantrag vom vollinhaltlich stattzugeben sei. Es bestehe daher keine Haftung für Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger gemäß § 99 Abs. 1 EStG.

Es werde bestritten, dass der Bw. als ehemaliger Obmann des im Februar 1998 aufgelösten Vereins TK gemäß § 9 BAO in Verbindung mit § 80 BAO für die Abfuhr der für das Jahr 1995 festgesetzten Abzugssteuer in Höhe von € 18.052,66 hafte, da keine schuldhafte Verletzung der ihm auferlegten Pflichten gegeben gewesen sei. Der Verein sei zum Zeitpunkt seiner Auflösung vermögenslos gewesen.

Das Einbringen der Berufung gegen den Bescheid über die Festsetzung der Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger gemäß § 99 Abs. 1 EStG sowie der anschließende Antrag auf Vorlage an die zweite Instanz sei vom Bw. als ehemaligem Obmann des Vereins im Jahr 1999 veranlasst worden, obwohl der Verein bereits im Februar 1998 aufgelöst gewesen sei. Wie er im Rahmen des im September 2004 vom Finanzamt übermittelten Rückstandsausweises recherchiert habe, sei im Jahr 2004 die Erledigung der noch offenen Berufung amtswegig eingestellt worden. Es sei jedoch völlig ungeklärt, ob und an wen ein entsprechender Bescheid zugestellt worden sei. Da durch die Auflösung des Vereins eine rechtmäßige Zustellung an diesen nicht möglich sei, dürfte - nach telefonischer Auskunft seitens der Finanzverwaltung - die Berufung eingestellt worden sein, ohne dass eine inhaltliche Entscheidung getroffen und ein Bescheid ausgestellt worden wäre.

Weiters werde bestritten, dass hinsichtlich der Nichtabfuhr der Abzugsteuer eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 BAO durch den Bw. vorliege. Unabhängig von der Entscheidung über die Berufung gegen die Festsetzung der Abzugsteuer selbst stelle es ohne jeden Zweifel eine vertretbare Rechtsansicht dar, Honorare an branchenbekannte Künstler, die einerseits einen inländischen Wohnsitz angeben würden und sich andererseits im Rahmen des Vereins zu einer Leistung verpflichteten, die auf Grund ihrer geplanten Dauer die Annahme einer unbeschränkten Steuerpflicht zuließen, in voller vereinbarter Höhe auszubezahlen, ohne Abzugsteuer einzubehalten bzw. abzuführen. Die ersten Honorare seien unter der Voraussetzung ausbezahlt worden, dass sich die Künstler vom Beginn der Proben (etwa 2/95) bis zum Ende der ersten Vorstellungsphase (7/95) hätten verpflichten müssen. Weiters sei verbindlich vereinbart worden, dass die Künstler nach einer Sommerpause von etwa zwei Monaten für eine Österreich-Tournee zur Verfügung stünden. Bei Zahlung der letzten Honorare (als bereits ersichtlich gewesen sei, dass es zu keiner Verlängerung der Produktion und anschließenden Tournee kommen würde) seien die Künstler ausdrücklich nach ihrem steuerlichen Status befragt worden. Der gewöhnliche Aufenthalt in Österreich (teils durch die Bestätigung eines Familienwohnsitzes, teils durch konkrete Engagements bei österreichischen Bühnen bzw. Zirkuskompanien) sei bei allen umstrittenen Personen hinterfragt und mündlich bestätigt worden. Zur Bestätigung der Richtigkeit dieser Angaben beantrage der Bw. die Einvernahme der Produktionsleiterin SM, deren Anschrift ihm nicht vorliege.

Die Vertreter des Vereins hätten sich tatsächlich nach bestem Wissen und Gewissen davon überzeugt, welche der engagierten Künstler unter die Bestimmung des § 99 Abs. 1 EStG fielen, und dass allfällige Abzugsteuern entrichtet würden. Darüber hinaus (und in die Zukunft) gehende detektivische Recherchen fielen aber nicht in den Verantwortungsbereich verantwortungsbewusst agierender Vereinsorgane. Ebenso wenig die Verpflichtung, vorsichtshalber Abzugsteuer gemäß § 99 EStG für beschränkt Steuerpflichtige von Personen einzubehalten, die sich auf Grund glaubwürdiger Angaben hinsichtlich Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt als unbeschränkt steuerpflichtig deklarierten.

Tatsächlich sei dem Bw. nachweislich bekannt geworden, dass einige der betroffenen Künstler, für welche Abzugsteuer vorgeschrieben worden sei, seit vielen Jahren dauerhaft in Österreich künstlerisch tätig und damit unzweifelhaft unbeschränkt steuerpflichtig seien (bzw. im fraglichen Zeitraum gewesen seien) bzw. ohnedies immer in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig gewesen seien, auch schon vor der bezüglichen Produktion des gegenständlichen Vereins. So sei z.B. SaM, mittlerweile MF (Honorar S 109.200,00), zum fraglichen Zeitpunkt nachweislich in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig gewesen. Sie sei, wie Recherchen ergeben hätten, gebürtige Österreicherin, langjähriges Ensemblemitglied der VB (H), habe zwei volle Saisonen im KS gastiert, sei als Ensemblemitglied 2002 für die AM bei "T" als MW aufgetreten und ebenda im Sommer 2003 an der Seite von UT in "TP", sowie im Sommer 2004 in der Produktion "F" als ArM. Nebenbei habe sie unter dem Künstlernamen S zahlreiche Schallplatten aufgenommen (z.B. "W", "PM"). Der Schluss liege nahe, dass die Abzugsteuer seitens des Finanzamtes lediglich auf Grund von Indizien (Melderegisterauskunft, etc.) rein auf Verdacht festgesetzt worden sei. Die Nichtbeachtung des Meldegesetzes oder unrichtige Angaben durch mitwirkende Künstler und Schauspieler dürften aber weder dem Veranstalter, also dem Verein, noch dem Bw. als dessen ehemaligen Obmann zum Nachteil gereichen, geschweige denn, dass derartige Indizien hinreichende Grundlage zur Festsetzung der Abzugsteuer darstellen könnten. Wie auch der Fall der SaM als pars pro toto vor Auge halte, seien die mitwirkenden Künstler sehr wohl in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Die Abzugsteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG sei daher zu Unrecht festgesetzt worden. Weiters lägen ausreichende Gründe vor, dass der Bw. als Obmann des gegenständlichen Vereins davon habe ausgehen können, dass die unbeschränkte Steuerpflicht bei den betroffenen Künstlern (auch) zum damaligen Zeitpunkt gegeben gewesen sei, eine Haftungsinanspruchnahme für allfällige Abzugsteuer daher nicht erfolgen könne.

Der Bw. stelle daher den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch den Senat unter Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Hinzuziehung des Parteienvertreters.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass es den Verein TK zuvor schon mehrere Jahre unter der Leitung des Bw. gegeben habe. Im Frühjahr 1995 habe unter dem Titel "KK" eine Plattform für alternatives Kabarett in Österreich geschaffen werden sollen. Dieses Projekt sei jedoch aus künstlerischen und finanziellen Gründen gescheitert. Eine geplante Östereichtournee und Fernsehauftritte hätten in der Folge nicht mehr durchgeführt werden können. Der Bw. sei schon mehrere Jahre zuvor Obmann dieses Vereines gewesen und habe sich in dieser Eigenschaft auch von der Kanzlei St-GmbH in steuerlichen Belangen schon im Vorhinein beraten lassen, wobei ihm die Auskunft gegeben worden sei, dass, wenn sich der Sachverhalt so verhalte, dass die Künstler über einen längeren Zeitraum von mehr als einem halben Jahr in Österreich engagiert würden, eine Abzugsteuerverpflichtung gem. § 99 EStG nicht gegeben sei. Der Bw. habe alles getan, was ein ordnungsgemäßer Obmann eines Vereines tun könne, um eine Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO zu verhindern.

Die gegenständliche Produktion habe im Februar 1995 mit Probearbeiten begonnen. Die ursprünglich erste Phase sei bis Ende Mai 1995 nach außen hin geplant und projektiert gewesen, wobei allerdings von vornherein eine Verlängerung bis Juli 1995 beplant gewesen sei. Die ursprüngliche Terminisierung mit Ende Mai habe den Sinn gehabt, einen zwischenzeitigen Zuschauerschwund während der Aufführungsdauer hintanzuhalten, weil erfahrungsgemäß am Ende größer Zuschauermengen zu erzielen seien. Es seien tatsächlich Aufführungen bis Juni 1995 durchgeführt und auch laufend Akontierungen der Gagen an die Künstler und Artisten vorgenommen worden. Die Auslastung der Produktion und somit der wirtschaftliche Erfolg sei jedoch wegen der mangelnden Massentauglichkeit der Aufführung nicht gegeben gewesen, sodass Anfang Juli 1995 das Projekt aus wirtschaftlichen Gründen habe beendet werden müssen. Um die nicht sehr wohl gestimmten Künstler zu beruhigen, habe der Bw. einen privaten Kredit aufgenommen, mit welchem er die aushaftenden Gagenforderungen von S 300.000,00 bezahlt habe. Bei Beendigung der Produktion habe der Bw. die Künstler über deren weiteren Aufenthalt und Pläne befragt, wobei ihm zur Kenntnis gebracht worden sei, dass ein Großteil der Künstler bei anderen Varietès bzw. Zirkussen weiter in Österreich beschäftigt sein werde. Schriftliche Bestätigungen dahingehend seien von den Akteuren nicht abverlangt worden. Dem Bw. sei es jedoch auf Grund seiner Branchenkenntnis durchaus plausibel und glaubhaft erschienen. Er sei sich der grundsätzlichen Abzugsverpflichtung gemäß § 99 EStG bei beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Künstlern auf Grund mehrerer Beratungsgespräche, die in der Zeit 1994 bis Anfang 1995 stattgefunden hätten, im Klaren gewesen und habe Kenntnis vom Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" in Österreich gehabt. Die Abrechnungen seien insbesondere von der Produktionsleiterin SM vorgenommen worden, wobei es auch immer wieder Rückrufe mit der Kanzlei gegeben habe. SM sei auch bei den ursprünglichen Beratungsgesprächen in der Kanzlei zugegen gewesen.

Aus Sicht des steuerlichen Vertreters sei auszuführen, dass seitens der handelnden Personen des Vereines TK der steuerlichen Vertretung aus heutiger Sicht der Sachverhalt richtig bekannt gegeben worden sei und auf Grund dieses Sachverhaltes eine rechtliche Beurteilung hinsichtlich der nicht vorhandenen Abzugsteuerverpflichtung durch die Kanzlei erfolgt sei. Der Bw. sei dieser Beratung gefolgt.

Die im Akt befindlichen Abrechnungen beträfen die erste Projektphase bis Ende Mai, wobei auszuführen sei, dass laufende Akontozahlungen wöchentlich geleistet worden seien und diese Honorarnoten die schriftliche Abrechnung darüber darstellten. Auch sei auszuführen, dass Anfang Juli, also in dem Zeitpunkt, als sich die grundsätzliche Frage der Abzugsteuerpflicht erstmals auf Grund der verkürzten Aufführungsdauer gestellt habe, keine Mittel im Verein vorhanden gewesen seien und daher einer eventuell ohnehin bestrittenen Abzugsteuerverpflichtung nicht hätte nachgekommen werden können.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Unbestritten ist, dass dem Bw. als Obmann des Vereins TK die Erfüllung dessen abgabenrechtlichen Pflichten oblag.

Die ebenfalls unbestrittene Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin steht auf Grund der Löschung des Vereins im Vereinsregister am fest, zumal der Verein laut Berufungsvorbringen zum Zeitpunkt seiner Auflösung vermögenslos gewesen sei.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Vertreters darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Da der Haftungsbescheid vom lediglich Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG in Höhe von € 18.052,66 betrifft, kann die Nichtabführung der haftungsgegenständlichen Abgabe grundsätzlich nicht damit entschuldigt werden, dass die Geldmittel zu deren Entrichtung nicht ausgereicht hätten, da bei der Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG der Schuldner der Einkünfte aus im Inland ausgeübter selbstständiger Tätigkeit als Künstler nur eine vom Empfänger der Einkünfte geschuldete Steuer gemäß § 100 Abs. 4 EStG einzubehalten und gemäß § 101 Abs. 1 EStG dem Betriebsfinanzamt abzuführen hat, sodass bei der Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG genauso wie auch bei der Lohnsteuer und der Kapitalertragsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen kommt. Wenn daher der Vertreter die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG trotz Zahlung von Einkünften aus im Inland ausgeübter selbstständiger Tätigkeit als Künstler nicht an das Betriebsfinanzamt entrichtet, liegt entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lohn- und Kapitalertragsteuer (, 0038) eine schuldhafte Pflichtverletzung des Verteters im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO vor (vgl. Hassler - Strobl, FJ 1990, 196).

Dem Einwand, dass die Abzugsteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG zu Unrecht festgesetzt worden sei, ist entgegenzuhalten, dass dem Haftungsbescheid Abgabenbescheide vorangegangen sind, sodass es der Behörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () im Verfahren über die Heranziehung des Bw. zur Haftung daher verwehrt ist, die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung als Vorfrage zu beurteilen. Der Bw. hat neben der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung ohnehin gemäß § 248 BAO innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen. Wird aber neben einer Berufung gegen den Haftungsbescheid eine - allenfalls auch mangelhafte - Berufung gegen den Abgabenanspruch erhoben, so ist zunächst über die Berufung gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, weil von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt. Die Voraussetzungen für eine Verbindung der beiden Berufungen zu einem gemeinsamen Verfahren (§ 277 BAO) liegen in einem solchen Fall nicht vor (vgl. ).

Nach dem Vorbringen des Bw. stelle es ohne jeden Zweifel eine vertretbare Rechtsansicht dar, Honorare an branchenbekannte Künstler, die einerseits einen inländischen Wohnsitz angeben würden und sich andererseits im Rahmen des Vereins zu einer Leistung verpflichteten, die auf Grund ihrer geplanten Dauer die Annahme einer unbeschränkten Steuerpflicht zuließen, in voller vereinbarter Höhe auszubezahlen, ohne Abzugsteuer einzubehalten bzw. abzuführen.

Gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG wird die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger durch Steuerabzug erhoben (Abzugsteuer) bei Einkünften aus im Inland ausgeübter oder verwerteter selbständiger Tätigkeit als Schriftsteller, Vortragender, Künstler, Architekt, Sportler, Artist oder Mitwirkender an Unterhaltungsdarbietungen, wobei es gleichgültig ist, an wen die Vergütungen für die genannten Tätigkeiten geleistet werden.

Gemäß § 1 Abs. 3 erster Satz EStG sind beschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Gemäß § 26 Abs. 2 BAO hat den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Wenn Abgabenvorschriften die unbeschränkte Abgabepflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen, tritt diese jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Abgabepflicht auch auf die ersten sechs Monate.

Hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthaltes wird somit auf objektive Verhältnisse abgestellt, wobei eine nicht nur vorübergehende körperliche Anwesenheit verlangt wird, die aber keineswegs ohne Unterbrechung andauern muss (vgl. ). Die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinn der Abgabenvorschriften, der im Hinblick auf den zweiten Satz des § 26 Abs. 2 BAO jedenfalls bei einem Zeitraum von mehr als sechs Monaten vorliegt, setzt somit nicht einmal einen mehr als sechs Monate dauernden Aufenthalt voraus. Vielmehr kann ein gewöhnlicher Aufenthalt auch bei einer kürzeren Aufenthaltsdauer vorliegen, sofern nur der Aufenthalt unter Umständen genommen wird, die erkennen lassen, dass es sich nicht nur um ein bloß vorübergehendes Verweilen handelt. Dies gilt auch dann, wenn letztlich aus ursprünglich nicht vorherzusehenden Gründen die tatsächliche Dauer kürzer ausgefallen ist (vgl. ).

Auf Grund des Aufenthaltes der Künstler unter den vorliegenden Umständen, insbesondere der (geplanten) Dauer der Engagements, Angabe inländischer Wohnsitze und zusätzlicher konkreter Engagements in Östereich, handelt es sich nach Ansicht des unabhängigen Finanzsenates bei der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes der Künstler in Österreich durch den Bw. um eine vertretbare Rechtsansicht, sodass der Rechtsirrtum, die der Abzugsteuer zugrundeliegenden Honorare würden infolge unbeschränkter Steuerpflicht der Künstler nicht der Abzugsteuer unterliegen, nicht vorwerfbar ist, zumal zudem der Bw. dem Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich von diesem über die Rechtmäßigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise informieren lassen hat, ohne dass zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder von einem solchen Fehler unabhängige eigene Fehlhandlungen vorgelegen wären (vgl. ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Abzugsteuer
gewöhnlicher Aufenthalt
beschränkt Steuerpflichtiger
vertretbare Rechtsansicht
Rechtsirrtum
Zitiert/besprochen in
AStN 2005/139

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at