Überwachungspflicht gegenüber einer erfahrenen und verlässlichen Buchhalterin
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RV/0360-L/05-RS1 | Ein Eingabefehler, der einer Buchhalterin im Zuge der Telebanking-Eingabe einer Überweisung an das Finanzamt unterläuft, kann einen Fehler darstellen, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Eine Kontrolle jeder einzelnen Überweisung, die eine erfahrene und verlässliche Buchhalterin durchführt, also eine Überwachung "auf Schritt und Tritt", ist nicht erforderlich. Eine andere Beurteilung wäre etwa dann geboten, wenn der Buchhalterin bereits (wiederholt) Fehler unterlaufen wären. In einem solchen Fall bestünde eine erhöhte Überwachungspflicht. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Firma S, vertreten durch die Firma W, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom zu StNr. 000/0000, mit dem ein Säumniszuschlag in Höhe von 180,00 € festgesetzt wurde, entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
In der am elektronisch übermittelten Umsatzsteuervoranmeldung 10/2004 gab die Berufungswerberin dem Finanzamt eine Zahllast in Höhe von 10.062,37 € bekannt.
Mit Wirksamkeit wurden 5.148,00 € auf das Abgabenkonto überwiesen. Davon entfielen 4.085,63 € auf die Lohnabgaben 11/2004 und ein Betrag von 1.062,37 € auf die Umsatzsteuer 10/2004.
In einer Eingabe vom teilte die Berufungswerberin dem Finanzamt mit, dass sie bei der Verbuchung der Zahlung an das Finanzamt vom feststellen habe müssen, dass sie für Umsatzsteuer 10/2004 statt 10.062,37 € nur 1.062,37 € überwiesen habe. Der Differenzbetrag sei am sofort nachüberwiesen worden. Sie ersuche von der Vorschreibung eines Säumniszuschlages Abstand zu nehmen, da es sich das erste Mal um dieses Versehen handle und sie immer pünktlichst die monatlichen Steuern abgeführt habe.
Mit Wirksamkeit wurde dieser Differenzbetrag von 9.000,00 € auf das Abgabenkonto überwiesen.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt von der Umsatzsteuer 10/2004 einen Säumniszuschlag in Höhe von 180,00 € (2 % von 9.000,00 €) fest. Die Festsetzung sei erforderlich gewesen, da die Abgabenschuld nicht bis entrichtet worden sei.
Das Finanzamt wertete die Eingabe der Berufungswerberin vom als Berufung gegen diesen Säumniszuschlagsbescheid und wies diese mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.
Im Vorlageantrag vom führte die Berufungswerberin aus, dass im gegenständlichen Fall kein grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO vorliege. Die Umsatzsteuervoranmeldung 10/2004 sei korrekt erstellt und via Finanz Online übermittelt worden. Die Differenz der Umsatzsteuerzahlung sei lediglich durch ein Versehen bei der Telebanking-Eingabe entstanden. Die Buchhalterin der Berufungswerberin habe statt 10.062,37 € versehentlich 1.062,37 € ins Telebanking eingegeben. Die Berufungswerberin sei bisher den Zahlungen immer pünktlich und zeitgerecht nachgekommen. Aus dem Datum des Berufungsschreibens vom sei ersichtlich, dass trotz der Weihnachtsfeiertage der Kontrollmechanismus lückenlos funktioniert habe. Die Buchhalterin sei eine langjährige und genaue Mitarbeiterin, der bisher nie ein solcher Fehler unterlaufen sei, sodass grobes Verschulden keinesfalls gegeben sei. Der Berufungswerberin könne keine auffallende und ungewöhnliche Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht angelastet werden. Die Voranmeldung sei korrekt berechnet und pünktlich übermittelt worden. Der Eingabeirrtum sei unverzüglich korrigiert, der Differenzbetrag sofort am auf das Finanzamtskonto einbezahlt, und unverzüglich ein Berufungsschreiben verfasst worden. Aus diesen Gründen und unter Bedachtnahme auf die Entscheidung des möge von der Festsetzung eines Säumniszuschlages aufgrund des Fehlens eines groben Verschuldens gemäß § 217 Abs. 7 BAO Abstand genommen werden.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die die Abgabenbehörden in erster Instanz erlassen, Berufungen zulässig. Die Berufungsfrist beträgt einen Monat (§ 245 Abs. 1 BAO). Eine Berufung darf nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn der Berufungsfrist eingebracht wurde (§ 273 Abs. 2 BAO).
Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeiten nimmt (Ritz, BAO², § 85 Tz. 1 mit Judikaturnachweisen). Zu Recht wertete das Finanzamt daher die Eingabe vom als Berufung gegen den Säumniszuschlagsbescheid vom .
Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der Bestimmungen des § 217 Abs. 2 bis 10 BAO Säumniszuschläge zu entrichten (§ 217 Abs. 1 BAO). Im gegenständlichen Fall steht außer Streit, dass der dem gegenständlichen Säumniszuschlag zugrunde liegende Differenzbetrag von € 9.000,- verspätet entrichtet wurde. Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind gemäß § 217 Abs. 7 BAO Säumniszuschläge aber insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
Berufungserledigungen haben grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Erlassung Bedacht zu nehmen. Daher können Anträge nach § 217 Abs. 7 BAO auch in einer Berufung gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden (Ritz, BAO-Handbuch, 155). Ein derartiger Antrag kann auch in einem Vorlageantrag eingebracht werden.
Die Anwendung des § 217 Abs. 7 BAO setzt voraus, dass den Abgabepflichtigen kein grobes Verschulden an der Säumnis trifft. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Von leichter Fahrlässigkeit ist auszugehen, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Das Verschulden des Vertreters ist dem Vertretenen gleichzuhalten. Hingegen ist Verschulden von Arbeitnehmern der Partei nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls (ebenso wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand), ob der Partei selbst (bzw. ihrem Vertreter) grobes Verschulden, insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden anzulasten ist (Ritz, BAO-Handbuch, 152 mwN).
Davon ist im gegenständlichen Fall nicht auszugehen. Der Eingabefehler, der der Buchhalterin im Zuge der Telebanking-Eingabe unterlaufen ist, stellt einen Fehler dar, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begehen kann, und der bei einer Kontrolle durch die Berufungswerberin nicht auf den ersten Blick auffallen musste. Außerdem ist eine Kontrolle jeder einzelnen Überweisung, die eine erfahrene und verlässliche Buchhalterin durchführt, also eine "Überwachung auf Schritt und Tritt", nicht erforderlich (vgl. zur analogen Überwachungspflicht bei einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand etwa Ritz, BAO², § 308 Tz. 17 mit Judikaturnachweisen). Damit würde die Kontrollpflicht überspannt. Eine andere Beurteilung wäre etwa dann geboten, wenn der Buchhalterin bereits (wiederholt) Fehler unterlaufen wären. In einem solchen Fall bestünde eine erhöhte Überwachungspflicht. Im gegenständlichen Fall kam die Berufungswerberin ihren abgabenrechtlichen Zahlungspflichten bisher jedoch stets pünktlich nach.
Insgesamt gesehen liegt daher kein grobes Überwachungsverschulden der Berufungswerberin vor, und war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Verschulden Überwachungspflicht |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at