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OGH vom 19.03.2014, 1Nc12/14a

OGH vom 19.03.2014, 1Nc12/14a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski und Dr. Grohmann als weitere Richter in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu AZ 31 Cg 34/13t anhängigen Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** W*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 5.481,61 EUR sA, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Delegierungsantrag wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger erhob eine Amtshaftungsklage, wobei er seine Ersatzansprüche aus seiner Ansicht nach unvertretbar unrichtigen Entscheidungen des Landesgerichts Salzburg und des Oberlandesgerichts Linz ableitet. Der erkennende Senat bestimmte gemäß § 9 Abs 4 AHG das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als zuständig (1 Nc 86/13g). Nachdem die Beklagte in diesem Verfahren die Klagebeantwortung eingebracht hatte, beantragte der Kläger die Delegierung der Rechtssache an ein Landesgericht im Sprengel des Oberlandesgerichts Graz, hilfsweise im Sprengel des Oberlandesgerichts Innsbruck. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass das Oberlandesgericht Wien in einem Amtshaftungsverfahren eines anderen Klägers wenige Tage zuvor in Bestätigung des Urteils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien eine Rechtsansicht vertreten habe, die zum selben Ergebnis führe wie jene des Oberlandesgerichts Linz, aber „noch weitergehend verfehlt“ sei. Da im gegenständlichen Verfahren das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Erstgericht auch die genannte Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien, somit seines eigenen Rechtsmittelgerichts, zu überprüfen hätte, sei die Amtshaftungssache an ein Amtshaftungsgericht in einem dritten Oberlandesgerichtssprengel zu überweisen. Art 6 MRK verbriefe ein Recht auf ein faires Verfahren durch ein unparteiisches Gericht in zivilrechtlichen Angelegenheiten. Die Gerichte in den Oberlandesgerichtssprengeln Linz und Wien könnten nicht unparteiisch sein, weil sie über ihre eigenen Amtshaftungsansprüche begründenden rechtlichen Fehlmeinungen zu entscheiden hätten.

Das Vorbringen des Klägers zu seinem Delegierungsantrag kann in der Sache nur so verstanden werden, dass er eine sinngemäße Anwendung der Delegationsnorm des § 9 Abs 4 AHG auf den vorliegenden Fall für geboten hält. Nach der Judikatur sind die Fälle des § 9 Abs 4 AHG solche notwendiger und der Parteiendisposition entzogener Delegierung (vgl nur die Nachweise bei Schragel , AHG³ Rz 255). Ein Antragsrecht kommt den Parteien insoweit nicht zu. Der förmliche Delegierungsantrag des Klägers ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof sieht sich auch nicht veranlasst, die Rechtsfolgen des § 9 Abs 4 AHG auf die vom Kläger geschilderte Fallkonstellation anzuwenden und von Amts wegen eine (weitere) Delegierung in einen dritten Oberlandesgerichtssprengel zu verfügen. Nach dem klaren Gesetzeszweck der Norm soll sichergestellt werden, dass alle betroffenen Gerichte, aus deren Verhalten der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch abgeleitet wird, von der Entscheidung über den Anspruch ausgeschlossen sein sollen; Richter eines Gerichtshofs sollen nicht über Amtshaftungsansprüche erkennen, die ein Verhalten irgendeines Mitglieds desselben Gerichtshofs zum Gegenstand haben (Judikaturnachweise bei Schragel aaO).

Eine solche Situation liegt hier nicht vor, war doch weder das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien noch das diesem übergeordnete Oberlandesgericht Wien an der Entscheidung im Anlassverfahren beteiligt. Damit besteht das vom Gesetz unterstellte besondere (dienstliche) Naheverhältnis zwischen jenem Gericht, dem amtshaftungsbegründendes Fehlverhalten vorgeworfen wird, und dem nach der allgemeinen Zuständigkeitsregelung zuständigen Amtshaftungsgericht nicht. Auch praktisch wäre es im Regelfall kaum möglich, im Rahmen einer amtswegigen Prüfung festzustellen, welche anderen Gerichte als die im Vorverfahren tätigen möglicherweise eine ähnliche Rechtsauffassung vertreten oder vertreten haben wie die Gerichte im Anlassverfahren. Die Rechtsauffassung des Klägers hätte wohl auch zur Folge, dass auch außerhalb von Amtshaftungsprozessen eine Partei die Delegierung an ein anderes Gericht beantragen könnte, wenn sie darlegt, dass das Prozessgericht oder ein diesem übergeordnetes Gericht eine für sie im laufenden Verfahren ungünstige und von ihr nicht geteilte Rechtsansicht vertreten hat. Derartiges ist allerdings den österreichischen Verfahrensgesetzen fremd und nicht allein mit einem Verweis auf das Recht auf ein faires Verfahren durch ein unparteiisches Gericht zu begründen. Sollten im Einzelfall konkrete Befangenheitsgründe vorliegen, kommt eine Ablehnung iSd § 19 JN in Betracht, die der Kläger aber nicht erklärt hat.

Fundstelle(n):
PAAAC-92389