Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bei einer Aktiengesellschaft mit Stückaktien
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat am durch die Vorsitzende HR Dr. Hedwig Bavenek-Weber und die weiteren Mitglieder Mag. Ilse Rauhofer, Michael Haim und KR Ing. Gottfried Parade über die Berufung der BW, Adr, vertreten durch Exinger GmbH, 1010 Wien, Renng. 1, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom betreffend Gesellschaftsteuer zu ErfNr.xxx nach der in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die BW (die nunmehrige Berufungswerberin, kurz Bw.) ist eine Aktiengesellschaft, in deren Jahresabschluss zum ein Grundkapital von € 100.000,00, zerlegt in 100 Stückaktien, ausgewiesen wurde.
In der Hauptversammlung der Bw. vom beschlossen die Aktionäre der Bw. eine Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln durch Umwandlung eines Teilbetrages von € 9.900.000,00 des im Jahresabschluss zum ausgewiesenen Bilanzgewinnes ohne Ausgabe neuer Aktien gemäß § 4 Abs. 1 Kapitalberichtigungsgesetz auf € 10.000.000,00. Damit erhöhte sich der auf die einzelne Stückaktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitales von € 1.000,00 auf € 100.000,00.
Für diese Kapitalerhöhung wurde von den Notaren Weißmann, Bieber, Brix & Partnern am unter Hinweis auf das Erkenntnis des eine Selbstberechnung der Gesellschaftsteuer mit € 0,00 durchgeführt.
Am wurde die Erhöhung des Grundkapitals auf € 10.000.000,00 ins Firmenbuch eingetragen.
Mit Bescheid gemäß § 201 BAO vom setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien für diesen Rechtsvorgang die Gesellschaftsteuer gemäß § 8 KVG mit 1 % vom Wert der Gegenleitung gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. a KVG iVm § 2 Z 1 KVG in Höhe von € 9.900.000,00 = € 99.000,00 fest. Zur Begründung führte das Finanzamt Folgendes aus:
"Der Anwendungszeitraum des steuerlichen Kapitalberichtigungsgesetzes ist abgelaufen, sodass die Gesellschaftsteuerbefreiung des § 2 nicht mehr zur Anwendung kommt. Das ergibt sich aus dem Abgabenänderungsgesetz 1984 (Abschnitt XI). Da auch das Euro-Justizbegleitgesetz für die gegenständliche Kapitalerhöhung keine Gesellschaftsteuerbefreiung vorsieht und auch die Bestimmungen des § 6(1)2 KVG für umgewandelte Gewinnrücklagen in Grundkapital nicht zur Anwendung gelangen, unterliegt die Kapitalerhöhung der Gesellschaftsteuer.Die durchgeführte Selbstberechnung der Gesellschaftsteuer erwies sich, in der Annahme, dass diese Kapitalerhöhung nach dem GZ. 2000/16/0761, frei sei, sohin als unrichtig, weshalb ein Bescheid gem. § 201 BAO zu erlassen war."
Über Antrag der Bw. vom reichte das Finanzamt am noch eine Bescheidbegründung mit Folgendem Inhalt nach:
"Wie allgemein VwGH Erkenntnisse nur in dem jeweiligen Fall bindend sind, so ist auch das VwGH Erkenntnis vom 2000/16/0761 nur in dem speziellen Fall bindend gewesen. Darüber hinaus hat der VwGH den bereits abgelaufenen Anwendungszeitraum des steuerlichen Kapitalberichtigungsgesetzes übersehen."
In der gegen den Bescheid vom eingebrachten Berufung beantragte die Bw. die Festsetzung der Gesellschaftsteuer mit € Null. Zur Begründung führte sie aus, dass gemäß dem Erkenntnis des für die Beurteilung der Zulässigkeit der Festsetzung von Gesellschaftsteuer bei Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln bei Stückaktien das Bundesgesetz über steuerliche Maßnahmen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vom , BGBl. 157/1966 idF Novelle BGBl. 416/1970 (im Folgenden kurz steuerliches KapBG) heranzuziehen sei. Dieses Gesetz enthalte in seinem § 2 ("Gesellschaftsteuer") ausdrücklich folgende Vorschrift: "Beim Erwerb neuer Anteilsrechte im Sinne des § 1 wird die Gesellschaftsteuer vom Nennbetrag berechnet." Gemäß dem VwGH sei diese Bestimmung als lex specialis für Kapitalberichtigungsvorgänge anzusehen, sodass es angesichts der Beschränkung der Anwendbarkeit des § 2 steuerliches KapBG auf Aktien mit Nennbeträgen im vorliegenden Fall an einer Steuerbemessungsgrundlage fehle. Der gegenständliche Vorgang dürfe daher keiner Besteuerung nach § 2 Z. 2 KVG unterworfen werden. Aus der gegenständlichen Entscheidung gehe eindeutig hervor, dass nach Ansicht des VwGH das steuerliche KapBG nach wie vor in Geltung stehe, sodass die durchgeführte Selbstberechnung der Gesellschaftsteuer mit € 0,00 korrekt gewesen sei.
Dem wurde vom Finanzamt in der abweisenden Berufungsvorentscheidung Folgendes entgegengehalten:
"Das Bundesgesetz vom , über steuerliche Maßnahmen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln war in seinem Anwendungsbereich zeitlich befristet. Das ergibt sich aus Abschnitt XI des Abgabenänderungsgesetzes, BGBl.Nr. 531/1984, (steuerliche Maßnahmen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln). Dort heißt es: "Der § 1 Abs. 2 und die §§ 2 bis 6 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 157, über steuerliche Maßnahmen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, sind entsprechend anzuwenden." Einer solchen gesetzlichen Regelung hätte es bei Geltung des steuerlichen Kapitalberichtigungsgesetzes nicht bedurft. Dieselbe gesetzliche Regelung ist schon in Art. IV § 2 der Novelle zum GmbHGesetz, BGBl.Nr. 320/1980, enthalten. Im Übrigen sind höchstgerichtliche Entscheidungen nur in dem konkreten anhängigen Fall bindend. Weiters wurde der Gesellschaftsteuerbescheid gar nicht auf § 2 Z. 2 KVG gestützt, sondern auf § 2 Z. 1 KVG."
Im Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde 2. Instanz wurde von der Bw. nochmals betont, dass das steuerliche Kapitalberichtigungsgesetz nach wie vor in Geltung stehe und die Vorschrift des § 2 steuerliches KapBG über die Gesellschaftsteuerbemessungsgrundlage als solches nie befristet gewesen sei. Ungeachtet des Umstandes, dass nach Ansicht des VwGH auch bei Stückaktien im Wege einer nominellen Kapitalerhöhung ein Neuerwerb von Gesellschaftsrechten eintrete, fehle es angesichts der Beschränkung der Anwendbarkeit des § 2 StKapBG auf Aktien mit Nennbeträgen im vorliegenden Fall der Stückaktien an einer Steuerbemessungsgrundlage. Außerdem liege ein Verstoß gegen die Kapitalansammlungsrichtline 69/335/EWG vor, weil eine Besteuerung von Vorgängen iSd Art 4 Abs. 2 lit. a der RL 69/335/EWG nur dann zulässig sei, wenn sie zum einem Steuersatz von 1 % unterlegen seien.
Im Vorlageantrag beantragte die Bw. außerdem die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat gemäß § 282 Abs. 1 Z. 1 BAO und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 284 Abs. 1 Z. 1 BAO.
Mit Bescheid vom setzte der unabhängige Finanzsenat das gegenständliche Berufungsverfahren gemäß § 281 BAO bis zur Beendigung des damals beim Verwaltungsgerichtshof zur GZ. 2003/16/0129 anhängigen Verfahrens aus.
Dieses Verfahren wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit abweisendem Erkenntnis vom beendet.
Mit Vorhalt vom teilte die Referentin sowohl der Bw. als auch der Amtspartei mit, wie sich die Sach- und Rechtslage für sie zum damaligen Zeitpunkt darstellte.
Dazu gab die Bw. mit Schreiben vom eine Stellungnahme ab, in der sie darauf hinwies, dass der Umstand, dass der VwGH bisher die in Fachkreisen vorgebrachten gemeinschaftsrechtlichen Bedenken nicht geteilt habe, den UFS nicht daran hindern könne, von sich aus eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Angesichts der eher aufwändigen Argumentation, die der VwGH benötigt habe, um sich über die im damaligen Verfahren vorgebrachten gemeinschaftsrechtlichen Bedenken hinweg zu setzen (), werde man nicht ernsthaft behauten können, dass die Gemeisnchaftsrechtskonformität der Erhebung der gesellschaftsteuer in diesen Fallkonstallationen über jeden Zweifel erhaben wäre. Daher wäre es höchst angebracht, wenn der UFS die Verletzung der Vorlagepflicht durch den VwGH dadurch saniere, indem er selbst den EuGH anruft. Angesichts des Umstandes, dass die Unterlassung der Einholung einer Vorabentscheidung beim EuGH durch ein Höchstgericht Staatshaftungansprüche gegen österreich auslösen könne (Borchardt, in :Lenz, Art 234 Rz 48), lasse sich sogar vertreten, dass in eienr derartigen Kostellation den UFS eine verpflichtung treffe, den EuGH anzurufen, oder den gemeinschaftsrechtlichen Bedenken selbst rechnung zu tragen. Schießlich treffe alle österreichsichen Behörden (Verwaltugnsbehörden und gerichte) die Verpflichtung, in ihrem Kompetenzbereich alles Erdenkliche zu tun, um Staatshaftungsansprüche gegen Österreich abzuweheren oder gar nicht entstehen zu lassen. Der Wortlaut des Einleitungssatzes des Art 4 Abs. 2 der Richtlinie 69/335/EWG sei sogar eindeutig. Da Österreich zum eine Gesellschaftsteuer von 2 % und eben nicht von 1 % erhoben habe, sei klar, dass österreich das recht zur Erhebung von gesellschaftsteuer in den von Art 4 Abs. 2 der Richtlinie verfassten Fällen verloren habe.
Zu der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung ist weder die Bw. noch deren steuerliche Vertreter erschienen.
Der Vertreter des Finanzamtes legte nochmals ausführlich dar, weshalb die Selbstberechnung unrichtig gewesen sei und der Bescheid nach § 201 BAO erlassen wurde (siehe dazu die als Beilage angeschlossene Niederschrift über die mündliche Berufungsverhandlung).
Über die Berufung wurde erwogen:
Der Gesellschaftsteuer unterliegen gemäß § 2 KVG ua. 1. der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber; 2. Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden (Beispiele weitere Einzahlungen, Nachschüsse). Der Leistung eines Gesellschafters steht es gleich, wenn die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschafters abdeckt.
"Beim Vorgang einer nominellen Kapitalerhöhung einer Aktiengesellschaft, deren Grundkapital in Stückaktien zerlegt ist, und bei der keine Frei- oder Gratisaktien ausgegeben werden, handelt es sich um Leistungen des Gesellschafters aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung (§ 2 Z 2 KVG), bei denen die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschafters abdeckt.
Eine Verpflichtung aus dem Gesellschaftsverhältnis ist nämlich auch dann gegeben, wenn sie Ausfluss der auf der Gesellschafterstellung beruhenden tatsächlichen Herrschaftsmacht ist (vgl. die bei Dorazil, KVG2, 67 ff. zitierte Judikatur)."
Ebenso wie im Beschwerdefall zu erfolgte auch im Berufungsfall die Kapitalerhöhung ohne Änderung der Anzahl der Stückaktien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgesprochen, dass es sich beim Vorgang einer nominellen Kapitalerhöhung einer Aktiengesellschaft, deren Grundkapital in Stückaktien zerlegt ist, und bei der keine Frei- oder Gratisaktien ausgegeben werden, um Leistungen des Gesellschafters aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung gemäß § 2 Z 2 KVG handelt, bei denen die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschafters abdeckt.
Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt den angefochtenen Bescheid zwar ausdrücklich auf § 2 Z. 1 KVG gestützt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei den einzelnen Fällen des § 2 KVG um einen einheitlichen Steuertatbestand und bewirkt eine unrichtige Subsumierung, die zu keiner betragsmäßigen Änderung führt, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides (vgl ).
Weiters wurde im Erkenntnis vom , 2003/16/0129 vom VwGH ausführlich dargelegt, weshalb die Spezialbestimmung des § 2 des steuerlichen KapBG zwar nach wie vor in Geltung, aber nicht mehr anwendbar ist. Dieser Ansicht folgend ist somit bei Betrachtung der Bemessungsgrundlage auf die allgemeine Bestimmung des § 7 KVG zurückzugreifen.
Bei Vorgängen iSd § 2 Z. 2 KVG ist die Steuer gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 KVG vom Wert der Leistung zu berechnen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht bei einer Aktiengesellschaft mit Stückaktien, die eine Erhöhung des Grundskapitals durch Auflösung eines Teiles der freien Rücklage durchführt, die Leistung des Gesellschafters in der Einbringung seiner Forderung an die Gesellschaft, die sich aus seiner Beteiligung an deren Rücklagen ergibt. Der Wert der anteiligen Erhöhung des Gesellschaftskapitals stellt somit den Wert der Leistung des Gesellschafters dar (vgl. abermals ).
Der vorliegenden Fall unterscheidet sich vom Beschwerdefall zu lediglich dadurch, dass die Erhöhung des Grundkapitals nicht durch Auflösung eines Teiles der freien Rücklage, sondern durch Umwandlung eines Teilbetrages des im festgestellten Jahresabschlusses zum ausgewiesenen Bilanzgewinnes (und zwar in Höhe von € 9.900.000,00) erfolgte. Auch im vorliegenden Fall stellt der Wert der anteiligen Erhöhung des Gesellschaftskapitals den Wert der Leistung des Gesellschafters dar und unterliegt der Vorgang daher einer Gesellschaftsteuer von 1 % von einer Bemessungsgrundlage von € 9.900.000,00 = € 99.000,00.
Damit erweist sich die mit € Null durchgeführte Selbstberechnung als unrichtig.
§ 201 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 (AbgRmRefG 2003) lautet:
"(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
(2) Die Festsetzung kann erfolgen,1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,3. wenn kein selbst berechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs. 4 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden, oder4. wenn sich die Selbstberechnung wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union als nicht richtig erweist.
(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist, oder2. wenn bei sinngemäßer Anwendung der §§ 303 bis 304 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag der Partei vorliegen würden."
Im vorliegenden Fall wurde die unrichtige Selbstberechnung der Gesellschaftsteuer am durchgeführt. Die mit Bescheid vom erfolgte Festsetzung erfolgte somit jedenfalls innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages an das Finanzamt, weshalb hier die Voraussetzungen für eine bescheidmäßige Festsetzung gemäß § 201 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 BAO vorliegen. Die bescheidmäßige Festsetzung liegt in den in Abs. 2 des § 201 genannten Fällen allerdings im Ermessen der Abgabenbehörde. Auch wenn das Finanzamt im angefochtenen Bescheid die Ermessensübung nicht begründete, so wird der angefochtene Bescheid dadurch nicht rechtswidrig. Begründungsmängel, die dem erstinstanzlichen Bescheid anhaften, können im Rechtsmittelverfahren saniert werden (vgl. zur Sanierung durch Berufungsentscheidung der Abgabenbehörde 2. Instanz und zur Sanierung durch Berufungsvorentscheidung).
Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Die maßgeblichen Kriterien für die Übung des Ermessens ergeben sich primär aus der Ermessen einräumenden Bestimmung, im vorliegenden Fall somit aus dem Normzweck des § 201 BAO idF BGBl. I 97/2002.
Die Neufassung des § 201 BAO durch das AbgRmRefG dient primär der Harmonisierung der Rechtswirkungen (insbesondere im Bereich des Rechtsschutzes ) von Selbstberechnungen und von Veranlagungsbescheiden (siehe 1128 BlgNR 21. GP, 9). Das Pendant zur Maßnahme nach § 201 BAO im Falle einer unrichtig durchgeführten Selbstberechnung stellt die Behebung eines Bescheides nach § 299 BAO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes dar, sodass die vorhandene Judikatur zur Ermessensübung im Bereich des § 299 BAO auf die Ermessenübung im Bereich des § 201 BAO übertragen werden kann. Für den Bereich des § 299 BAO kommt dem Prinzip der Rechtsmäßigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zu und wird das eingeräumte Ermessen regelmäßig dann im Sinne des Gesetzes gehandhabt, wenn die Behörde bei Wahrnehmung einer nicht bloß geringfügigen Rechtswidrigkeit mit Aufhebung des bereits rechtskräftigen Bescheides vorgeht, gleichgültig, ob zum Vorteil oder zum Nachteil des Abgabenpflichtigen (vgl. ua. , 92/16/0068). Der Normzweck der Neufassung des § 201 BAO durch BGBl. I 97/2002 spricht daher dafür, dass auch im Bereich des § 201 BAO dem Prinzip der Rechtsmäßigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zukommt. Im vorliegenden Fall wurde die Selbstberechnung der Gesellschaftsteuer anstatt richtig mit € 99.000,00 mit € 0,00 durchgeführt, sodass nicht bloß eine geringfügige Abweichung vorliegt und daher dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorzug zu geben war. Außerdem spricht bei der Interessensabwägung auch noch die Sicherung des öffentlichen Interesses an der Gleichmäßigkeit der Besteuerung für die Ergreifung einer Maßnahme nach § 201 BAO.
Zu den gemeinschaftsrechtlichen Einwänden der Bw. wird noch Folgendes bemerkt:
Die Gesellschaftsteuerpflicht einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wurde nicht nur vom Verwaltungsgerichtshof bejaht (vgl. /2003/16/0129 und ), sondern entspricht dies auch der Judikatur des EuGH (vgl. , "Dansk Sparinvest"). Der UFS ist kein letztinstanzliches Gericht iSd Art 234 EGV und daher nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, Auslegungsfragen des Gemeinschaftsrechtes dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. In der Rechtssache C-36/86 "Dansk Sparinvest" war der EuGH bereits mit der Auslegung der Bestimmung des Art 4 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 69/335 EWG befasst, weshalb die Einholung einer Vorabentscheidung in diesem Zusammenhang nicht zweckmäßig erscheint.
Die Frage der Zulässigkeit der Besteuerung von Vorgängen iSd Art 4 Abs. 2 der Richtlinie 69/335/EWG, obwohl in Österreich zum kein durchgehender Steuersatz von 1 % bestand, sondern ein Normalsteuersatz von 2 % wurde ebenfalls bereits vom Verwaltungsgerichtshof (vgl ua. ) behandelt. Auch die EU-Kommission hatte in ihrer Stellungnahme im Fall "ESTAG" den diesbezüglichen Einwand verworfen. Der Sinn und Zweck des Einleitungssatzes des Art 4 Abs. 2 der RL 69/335 EWG besteht darin, dass die Mitgliedsstaaten keine Ausdehnung der Gesellschaftsteuerbelastung vornehmen sollen. In Österreich wurden Vorgänge wie der vorliegende zum mit einem Mindeststeuersatz von 1 % und einem Regelsteuersatz von 2 % besteuert. Zeitgleich mit dem EU-Beitritt wurde der Steuersatz mit einheitlich 1 % festgelegt, sodass sich im Regelfall die Belastung mit Gesellschaftsteuer um die Hälfte reduziert hat und bei den zuvor begünstigten Fällen die Belastung gleich geblieben ist. Die Auslegung dieser Bestimmung ist daher nicht mit derartigen Zweifeln verbunden, dass ein Vorabentscheidungsersuchen geboten wäre, sondern war das Berufungsverfahren mit einer abweisenden Berufungsentscheidung abzuschließen.
Beilage : Niederschrift über die mündliche Berufungsverhandlung
Wien, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | |
Schlagworte | Kapitalerhöhung Stückaktie Gesellschaftsmittel |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at