Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 11.04.2008, RV/0204-F/06

Investitionszuwachsprämie bei neu gegründetem Unternehmen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0204-F/06-RS1
Ergänzend wird darauf verwiesen, dass es sachlich nicht gerechtfertigt wäre, ein bestehendes, aber im Vergleichszeitraum nicht bzw nur äußerst gering investierendes Unternehmen, bei dem die mageren Investitionsjahre zweifellos prämienerhöhend zu berücksichtigen sind, anders zu behandeln als ein Unternehmen, das wegen Neugründung im Vergleichszeitraum nicht investiert hat.
Folgerechtssätze
RV/0204-F/06-RS1
wie RV/1050-W/03-RS1
Die in EStR 2000, Rz 8223, vertretene Rechtsansicht, dass neu gegründete Unternehmen "grundsätzlich" von Vornherein von der Investitionszuwachsprämie ausgeschlossen sind, ist dem Einkommensteuergesetz nicht zu entnehmen; entgegen den EStR 2000 verlangt das Gesetz nicht, dass das Unternehmen bereits während des gesamten vollständigen tatsäch­lichen Vergleichszeitraumes, also mindestens drei Jahre, bestanden hat (vgl. Doralt, In­vestitionszuwachsprämie: Widersprüche bei Unternehmensgründungen und beim Investitions­zuwachs, RdW 2004/289). Daraus folgt, dass Vorgründungsjahre voll zu berücksichtigen und mit den Investitionen in der Höhe von Null anzusetzen sind; Investitionen im Gründungsjahr kommen daher ausnahmslos in den vollen Genuss der Prämie (100% der Investition; Doralt, Investitionszuwachsprämie… Siehe dazu auch Doralt, EStG, 4. Auflage, § 108e Tz 2 bis 4; Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 108e Tz 3; Hilber, Prämien­begünstigter Investitionszuwachs: Die Berechnung des durchschnittlichen Investitions­volumens auch für Neugründer, SWK 2002, S 856). Ebenso findet die in EStR 2000, Rz 8223, enthaltene Aussage, eine Neugründung müsse "eindeutig betriebswirtschaftlich sinnvoll" sein, um in den Genuss der Investitionszuwachs­prämie zu kommen ("echte" Neugründung), keine Deckung im Gesetz (Doralt, Investitionszu­wachsprämie…); dasselbe gilt für die Auffassung der EStR 2000, neu gegründete Leasing­unternehmen von der Investitionszuwachsprämie grundsätzlich auszuschließen, da das Ge­setz vermietete Wirtschaftsgüter von der Prämie nicht ausschließt (vgl. Doralt, Investitions­zuwachsprämie…). Im gegenständlichen Fall (Verkauf der einer GmbH gehörenden, alten Zugmaschinen durch diese, Ausgliederung des Erwerbes neuer Zugmaschinen in eine neu gegründete Leasing-KEG als mit der GmbH verbundenes Unternehmen, welches die neuen Fahrzeuge an die GmbH verleast und für die Anschaffung der neuen Zugmaschinen die Investitionszuwachs­prämie geltend macht) wäre lediglich bei Erfüllung des Missbrauchstatbestandes gemäß § 22 BAO die Investitionszuwachsprämie nicht zu gewähren gewesen; die Würdigung des ent­scheidungsrelevanten Sachverhaltes hat jedoch ergeben, dass Missbrauch hier nicht vorliegt.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der BG, vertreten durch MM, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 für das Jahr 2002 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die Investitionszuwachsprämie für 2002 wird festgesetzt mit 342.385,63 €.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin, nachfolgend Bw abgekürzt, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom als Kapitalgesellschaft konstituiert und am ins Firmenbuch eingetragen. Mit Bescheid vom wurde die Gesellschaftsteuer mit 50.225 S festgesetzt. Die Bw wurde eigens zur Errichtung und zum Betrieb eines Biomasse-Heizkraftwerkes gegründet. Das Kraftwerk wurde von bis gebaut. Ab stand es in Betrieb und speiste Strom ins Netz eines Energieversorgungsunter-nehmens ein. Zudem lieferte es Fernwärme an eine Großkundin. Am zerstörte ein Brand wesentliche Teile des Kraftwerkes. Der Schaden war durch Versicherung gedeckt. Die Veranlagungen zu Umsatz- und Körperschaftsteuer 2000 und 2001 erfolgten erklärungsgemäß. In einer Beilage zur Körperschaftsteuererklärung für 2002 beantragte die Bw eine Investitionszuwachsprämie im Betrag von 342.716,90 €. Die durchschnittliche Investitionshöhe des Vergleichszeitraumes ermittelte sie, indem sie die Investitionen des Jahres 2001 durch 3 dividierte.

Im Rahmen einer Nachschau vertrat das Finanzamt unter anderem die Auffassung, im Falle einer Neugründung sei das arithmetische Mittel aus dem verkürzten Zeitraum zu ermitteln. Diese Rechtsauffassung setzte das Finanzamt im Wege einer Festsetzung nach § 201 Abs. 1 BAO rechnerisch durch Division der Investitionen des Jahres 2001 mit 1 um (siehe abschließende Tabelle, Spalte "Nachschau").

Die Bw brachte Berufung ein und wandte sich dabei, soweit nach Ergehen einer teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung noch strittig, gegen die Nichtberücksichtigung von Vorgründungszeiten. Ihre Rechtsauffassung stützte die Bw auf eine Berufungsentscheidung des UFS (RV/1050-W/03 vom ) und die dort zitierten Quellen.

Das Finanzamt erließ eine Berufungsvorentscheidung, mit der es dem Berufungsbegehren insoweit teilweise Rechnung trug, als es unter Berufung auf die Körperschaftsteuerrichtlinien (Rz 8224) das arithmetische Mittel aus dem "Bestehenszeitraum" der Gesellschaft zog und die maßgeblichen Vorinvestitionen durch 2 dividierte.

Gegen die Berufungsvorentscheidung wurde Vorlageantrag erhoben. In ihm begehrte die Bw neuerlich, bei der Berechnung der Investitionszuwachsprämie als Vergleichszeitraum drei Wirtschaftsjahre heranzuziehen. Die mit Berufung vom gestellten Anträge auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Vorlageantrag vom zurückgezogen.

Nach Ergehen einer teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung ist zwischen den Parteien des zweitinstanzlichen Berufungsverfahren noch strittig, wie viele Vor(gründungs)-jahre, in denen die Bw noch gar nicht bestand bzw keine Investitionen tätigte, bei der Ermittlung der Vergleichsbasis heranzuziehen sind.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die maßgebliche gesetzliche Regelung des § 108e Abs. 3 EStG 1988 lautet:

"Der Investitionszuwachs bei prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern ist die Differenz zwischen deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Kalenderjahre 2002 und 2003 und dem Durchschnitt der Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter der letzten drei Wirtschaftsjahre, die vor dem bzw. dem enden."

Die oben wiedergegebene Norm wird vom überwiegenden Teil des Schrifttums im Einklang mit der von der Bw zitierten UFS-Entscheidung überzeugend dahingehend ausgelegt, dass die (teilweise) Nichtberücksichtigung von Vorgründungszeiten im Gesetz keine Deckung findet, dass also Vorgründungsjahre voll zu berücksichtigten und mit den Investitionen in der Höhe von Null anzusetzen sind. Zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen wird hinsichtlich der detaillierten Begründung auf die vom BMF geführte Rechtsdatenbank verwiesen (https://findok.bmf.gv.at/findok/).

Ergänzend sei darauf verwiesen, dass es sachlich nicht gerechtfertigt wäre, ein bestehendes, aber im Vergleichszeitraum nicht bzw nur äußerst gering investierendes Unternehmen, bei dem die mageren Investitionsjahre zweifellos zu berücksichtigen sind, anders zu behandeln als ein Unternehmen, das wegen Neugründung im Vergleichszeitraum nicht investiert hat.

Bezüglich der Berechnung wird auf die nachfolgende Tabelle verwiesen. Sie wurde von der Bw mit FAX vom anerkannt. Soweit bereits die Berufungsvorentscheidung dem Berufungsbegehren teilweise Rechnung getragen hat, wird auf sie verwiesen.


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Text
Antrag
Nachschau
BVE
BE
Investitionen 1999
0,00
0,00
Investitionen 2000
0,00
0,00
0,00
Investitionen 2001
1.341.940,00
1.341.940,00 +2.485,00
1.341.940,00 +2.485,00
1.341.940,00 +2.485,00
Summe (Invest - VJ)
1.341.940,00
1.344.425,00
1.344.425,00
1.344.425,00
Divisor
3
1
2
3
Durchschnittliche VJ-Investitionen
447.313,00
1.344.425,00
672.212,50
448.141,66
Prämienbegünstigte Investitionen 2002
3.874.482,00
3.874.482.00 -332.115,00 -2.485,00
3.874.482,00 -2.485,00
3.874.482,00 -2.485,00
Differenz (IZP-Bemessungsgrundlage)
3.427.169,00
2.195.457,00
3.199.784,50
3.423.855,34
Davon 10 % (IZP)
342.716,19
219.545,70
319.978,45
342.385,63

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
IZP
Vorgründungszeiten
Divisor
Berechnung

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at