Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 30.12.2011, RV/0401-F/11

Mehrkindzuschlag wurde ohne Verzichtserklärung an den Kindesvater ausbezahlt, Wiederaufnahmegrund;


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Miterledigte GZ:
RV/0415-F/11

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des bw, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich des Mehrkindzuschlages auf Grund der Verhältnisse der Jahre 2009 und 2010 gemäß § 303 Abs. 4 BAO sowie betreffend Bescheide über den Mehrkindzuschlag auf Grund der Verhältnisse der Jahres 2009 und 2010 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheiden vom betreffend Mehrkindzuschlag auf Grund der Verhältnisse der Jahre 2009 und 2010 wurde das Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO zu den Bescheiden vom und wieder aufgenommen, da anlässlich einer nachträglichen Prüfung der Antragsangaben die in der Begründung zu den beiliegenden Bescheiden über den Mehrkindzuschlag angeführten Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen seien. Die Wiederaufnahme sei unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt worden. Im vorliegenden Fall überwiege das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung das Interesse auf Rechtsbeständigkeit und die Auswirkungen könnten nicht als geringfügig angesehen werden. Im Bescheid über den Mehrkindzuschlag auf Grund der Verhältnisse des Jahres 2009 wurde ausgeführt: "Gemäß § 9 FLAG 1967 haben Personen zusätzlich zur Familienbeihilfe unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf den Mehrkindzuschlag. Der Mehrkindzuschlag steht für jedes ständig im Bundesgebiet lebende dritte und weitere Kind zu, für das Familienbeihilfe gewährt wird. Der Mehrkindzuschlag ist gemäß § 9 a Abs. 1 FLAG 1967 abhängig vom Anspruch auf die Familienbeihilfe und vom Einkommen des Kalenderjahres, das vor dem Kalenderjahr liegt, für das der Antrag auf Gewährung des Mehrkindzuschlages gestellt wird. Gemäß § 9 b FLAG 1967 ist der Mehrkindzuschlag für jedes Kalenderjahr gesondert bei dem für die Erhebung der Einkommensteuer zuständigen Finanzamt zu beantragen. Die Auszahlung erfolgt im Wege der Veranlagung. Unterbleibt eine Veranlagung, ist in Bezug auf die Auszahlung des Mehrkindzuschlages § 40 EStG 1988 sinngemäß anzuwenden. In diesem Fall kann zugunsten des im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteiles, der veranlagt wird, auf den Anspruch auf den Mehrkindzuschlag verzichtet werden. Da Ihre mittlerweile getrennt lebende Ehefrau die Familienbeihilfe für die gemeinsamen fünf Kinder im Jahr 2009 ganzjährig bezogen und nicht auf den Mehrkindzuschlag verzichtet hat, steht Ihnen dieser Zuschlag aufgrund der Verhältnisse des Jahres 2009 nicht zu."

Im Bescheid über den Mehrkindzuschlag auf Grund der Verhältnisse des Jahres 2010 vom wurde ua zusätzlich ausgeführt:

"Da Ihre mittlerweile getrennt lebende Ehefrau die Familienbeihilfe im Jahr 2010 für die Kinder n1 und n2 von Jänner bis Dezember und für die Kinder n3, n4 und n5 von Jänner bis Oktober 2010 bezogen hat und Frau n6 nicht auf den Mehrkindzuschlag verzichtet hat, steht Ihnen dieser Zuschlag grundsätzlich nicht zu. Lediglich ab November 2010 beziehen Sie für drei Kinder die Familienbeihilfe, weshalb der Mehrkindzuschlag in Höhe von € 20,00 pro Monat für das dritte Kind ab diesem Zeitpunkt anerkannt werden kann."

Gegen obgenannte Bescheide berief der Berufungswerber (Bw) mit seinem Schriftsatz vom rechtzeitig und führte hiezu aus: "Meine Frau n7 - derzeit läuft ein Scheidungsverfahren - hat am gemeinsam mit zwei Kindern den gemeinsamen Haushalt verlassen. Die Voraussetzungen für den Mehrkinderzuschlag sind damit für das Jahr 2009 und auch für 2010 gegeben, da alle Kinder mehr als 6 Monate im gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Die Angaben in den Steuererklärungen 2009 und 2010 mit den Beilagen L 1k sind richtig und vollständig. Neue Tatsachen und Beweismittel sind nicht hervorgekommen, sodass kein Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegt. Strittig könnte nur sein, wer von den beiden Ehepartnern den Anspruch auf den Mehrkinderzuschlag hat. § 9 b FLAG regelt die Antragstellung. Da der Anspruch auf den Mehrkindzuschlag grundsätzlich vom Anspruch auf die Familienbeihilfe abhängt und die im Gesetz vorgesehene Vermutung dafür spricht, dass die Haushaltsführung überwiegend durch die Mutter erfolgt ist, zumal mir im Stadium der Scheidung der Beweis des Gegenteils nicht möglich sein wird, steht auch der Mehrkinderzuschlag n7 n6 zu. Da bei ihr die Voraussetzungen für eine Veranlagung nicht vorgelegen sind, habe ich im Einvernehmen mit ihr in den vergangenen Jahren den Mehrkinderzuschlag beantragt und erhalten. Die Auszahlung des Mehrkinderzuschlages erfolgte stets auf das Konto xxx bei der Volksbank kt. Alle Bewegungen auf diesem Konto, über das n7 n6 vom bis verfügen konnte, nachweislich selbst die meisten Abhebungen getätigt hat, waren n7 n6 bekannt. Dieser Sachverhalt spricht dafür, dass n7 n6 mit der Antragstellung auf den Mehrkinderzuschlag durch mich einverstanden war und daher auf eine gesonderte Veranlagung nach § 40 EStG verzichtet hat. Es gibt keine gesetzliche Regelung über die Form des Verzichtes. Auch im Steuererklärungsformular L 1k wird nur darauf hingewiesen, dass der Kinderfreibetrag nur dann beantragt werden kann, wenn für dasselbe Kind nicht auch ein anderer Steuerpflichtiger den Kinderfreibetrag geltend macht. Es braucht somit keinen zusätzlichen Nachweis für den Verzicht. In diesem Zusammenhang ist auf § 9 c FLAG hinzuweisen, der anordnet, dass auf den Mehrkinderzuschlag die Bestimmungen betreffend die Familienbeihilfe sinngemäß anzuwenden sind. Zu diesen Bestimmungen zählt auch § 2 Absatz 2 des FLAG. Wenn ein Elternteil auf seinen Anspruch auch rückwirkend zugunsten des anderen Elternteils für Zeiträume verzichten kann, für die die Familienbeihilfe noch nicht bezogen wurde, dann kann in letzter Konsequenz auch ein Widerruf auf einen Verzicht nur dann möglich sein, wenn die Familienbeihilfe bzw. der Mehrkinderzuschlag noch nicht bezogen wurde. Da n7 n6 auf die Beantragung des Mehrkindzuschlages verzichtet hat, wurde dieser zu Recht von mir beantragt. Dieser Mehrkinderzuschlag ist in allen Jahren zur Bestreitung des Lebensunterhaltes der Familie verwendet worden. Den Lebensunterhalt der Familie habe ausschließlich ich bestritten. Ich stelle daher den Antrag, den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens aufzuheben, da er auf der rechtswidrigen Auffassung beruht, dass n7 n6 nachträglich ihren durch mehrere Jahre nachweislichen Verzicht auf die Geltendmachung des Mehrkinderzuschlages nachträglich widerrufen kann, und anzuerkennen, dass meine Anträge vom und zu Recht erfolgt sind."

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und ua ausgeführt:

"Gemäß § 9 FLAG 1967 haben Personen zusätzlich zur Familienbeihilfe unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf den Mehrkindzuschlag. Der Mehrkindzuschlag steht für jedes ständig im Bundesgebiet lebende dritte und weitere Kind zu, für das Familienbeihilfe gewährt wird. Gemäß § 9 a Abs 1 FLAG 1967 ist der Mehrkindzuschlag u. a. abhängig vom Anspruch auf Familienbeihilfe.

Der Bezug der Familienbeihilfe erfolgte für den gänzlichen Zeitraum des Jahres 2009 durch die Gattin des BW, Frau n7 n6. Somit vermittelt sie auch den Anspruch auf den Mehrkindzuschlag für diesen Zeitraum. Bereits in § 9 FLAG1967 wird - unter Verweis auf das Vorliegen der Voraussetzungen nach den §§ 9 a bis 9 d leg cit. - angeführt, dass der Mehrkindzuschlag anspruchsberechtigten Personen "zusätzlich zur Familienbeihilfe" ausbezahlt wird. Der Umstand, dass bereits der BW den Mehrkindzuschlag für das Jahr 2009 beantragt und erhalten hat, ändert nichts am Anspruch der Gattin des BW, Frau n7 n6, da nur sie als Familienbeihilfebezieherin anspruchsberechtigt war, und auch keine Verzichtserklärung zugunsten des BW abgegeben hat. Ergänzend erlaubt sich die Berufungsbehörde hierzu anzumerken, dass gemäß § 9 c FLAG1967 auf den Mehrkindzuschlag die Bestimmungen betreffend die Familienbeihilfe sinngemäß anzuwenden sind, soweit in den §§ 9 bis 9 b leg cit. nichts anderes bestimmt ist. Eine Rückforderung des zu Unrecht bezogenen Mehrkindzuschlages nach § 26 FLAG1967 ist somit durchaus möglich.

Betreffend den Mehrkindzuschlag für das Jahr 2010 wird bescheidbegründend auf die Ausführungen des Bescheides über den Mehrkindzuschlag für das Jahr 2010, datierend mit verwiesen. Betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens wird ebenfalls auf die Begründungen der entsprechenden Bescheide vom verwiesen.

Die Ausführungen des BW in seiner Berufungsschrift vom vermochten es diesbezüglich nicht, die Berufungsbehörde zu einer differenten rechtlichen Würdigung zu veranlassen.

Der gegenständlichen Berufung blieb der Erfolg somit gänzlich versagt."

Mit Schriftsatz vom stellte der Bw den Antrag auf Vorlage der Berufung an die zweite Instanz und führte aus:

"Ich stelle nun den Antrag, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen, weil in der Berufungsvorentscheidung mein Argument nicht berücksichtigt wurde, dass es keine Form für den Verzicht auf den Anspruch auf den Mehrkindzuschlag gibt und meine damalige Ehegattin in allen früheren Jahren mit der Antragstellung durch mich einverstanden war. Auf folgende Ausführungen in meiner Berufung wird in der Berufungsvorentscheidung nicht eingegangen: "Es gibt keine gesetzliche Regelung über die Form des Verzichtes. Auch im Steuererklärungsformular L 1 k wird nur darauf hingewiesen, dass der Kinderfreibetrag nur dann beantragt werden kann, wenn für dasselbe Kind nicht auch ein anderer Steuerpflichtiger den Kinderfreibetrag geltend macht. Es braucht somit keinen zusätzlichen Nachweis für den Verzicht. In diesem Zusammenhang ist auf § 9 c FLAG hinzuweisen, der anordnet, dass auf den Mehrkinderzuschlag die Bestimmungen betreffend die Familienbeihilfe sinngemäß anzuwenden sind. Zu diesen Bestimmungen zählt auch § 2 Absatz 2 des FLAG. Wenn ein Elternteil auf seinen Anspruch auch rückwirkend zugunsten des anderen Elternteils für Zeiträume verzichten kann, für die die Familienbeihilfe noch nicht bezogen wurde, dann kann in letzter Konsequenz auch ein Widerruf auf einen Verzicht nur dann möglich sein, wenn die Familienbeihilfe bzw. der Mehrkinderzuschlag noch nicht bezogen wurde." Sofern mir bewiesen wird, dass n7 n6 den Antrag auf den Mehrkindzuschlag für 2009 vor meinem Antrag vom und den für 2010 vor meinem Antrag vom gestellt hat, ziehe ich meine Berufung für das Jahr zurück, für das n7 n6 den Antrag früher gestellt hat."

Laut elektronisch eingelangter Einkommensteuererklärung 2009 wurde vom Bw angegeben, dass er den Mehrkindzuschlag für 2010 beanspruche, da für das Jahr 2009 zumindest zeitweise für mehr als zwei Kinder Familienbeihilfe bezogen wurde. Er erkläre, dass er 2009 mehr als 6 Monate in einer Ehe oder Partnerschaft gelebt habe und das gemeinsame Einkommen 55.000 Euro nicht überstiegen hat (siehe Abfrage vom ).

In seiner für das Kalenderjahr 2010 elektronisch eingebrachten Einkommensteuererklärung gab der Bw wiederum an, dass er den Mehrkindzuschlag für 2011 beanspruche, da für 2010 zumindest zeitweise Familienbeihilfe für mehr als zwei Kinder bezogen wurde. Er erkläre, dass er 2010 mehr als 6 Monate in einer Ehe oder Partnerschaft gelebt habe und das gemeinsame Einkommen 55.000 Euro nicht überstiegen hat (siehe Abfrage vom ).

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen zusätzlich zur Familienbeihilfe unter folgenden Voraussetzungen (§§ 9a bis 9d leg. cit.) Anspruch auf einen Mehrkindzuschlag. Der Mehrkindzuschlag steht für jedes ständig im Bundesgebiet lebende dritte und weitere Kind zu, für das Familienbeihilfe gewährt wird. Ab beträgt der Mehrkindzuschlag 36,4 Euro monatlich für das dritte und jedes weitere Kind.

Der Anspruch auf Mehrkindzuschlag ist gemäß § 9a Abs. 1 FLAG 1967 abhängig vom Anspruch auf Familienbeihilfe und vom Einkommen des Kalenderjahres, das vor dem Kalenderjahr liegt, für das der Antrag auf Gewährung des Mehrkindzuschlages gestellt wird. Der Mehrkindzuschlag steht nur zu, wenn das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des anspruchsberechtigten Elternteils und seines im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten oder Lebensgefährten 55 000 € nicht übersteigt. Das Einkommen des Ehegatten oder Lebensgefährten ist nur dann zu berücksichtigen, wenn dieser im Kalenderjahr, das vor dem Kalenderjahr liegt, für das der Mehrkindzuschlag beantragt wird, mehr als sechs Monate im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

Gemäß § 9b FLAG 1967 ist der Mehrkindzuschlag für jedes Kalenderjahr gesondert bei dem für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen zuständigen Finanzamt zu beantragen; er wird höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. Die Auszahlung erfolgt im Wege der Veranlagung. Unterbleibt eine Veranlagung, ist in Bezug auf die Auszahlung des Mehrkindzuschlages § 40 EStG 1988 sinngemäß anzuwenden. In diesem Fall kann zugunsten des im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteils oder Lebensgefährten, der veranlagt wird, auf den Anspruch auf den Mehrkindzuschlag verzichtet werden.

Der Mehrkindzuschlag wird über Antrag für das dritte und jedes weitere Kind zusätzlich zur Familienbeihilfe ausbezahlt und steht nur dann zu, wenn Familienbeihilfe zumindest für drei Kinder bezogen wird (vgl. Kuprian in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, §§ 9 ff Rz 1).

Bereits in § 9 FLAG 1967 wird - unter Verweis auf das Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 9a bis 9d leg. cit. - ausgeführt, dass der Mehrkindzuschlag anspruchsberechtigten Personen "zusätzlich zur Familienbeihilfe" ausbezahlt wird. In § 9a FLAG 1967 wird sodann (wiederum in Bezug auf diese anspruchsberechtigte Person) ausdrücklich der Anspruch auf Familienbeihilfe als unabdingbare Voraussetzung genannt (vgl. Kuprian aaO Rz 2).

Im vorliegenden Berufungsfall hatte laut Angaben des Finanzamtes in seinen Bescheiden die damalige Ehegattin des Bw die Familienbeihilfe für die gemeinsamen fünf Kinder im Jahre 2009 ganzjährig bezogen und nicht auf den Mehrkindzuschlag verzichtet. Im Kalenderjahr 2010 hatte die damalige Ehegattin des Bw für die Kinder n1 und n2 von Jänner bis Dezember und für die Kinder n3, n4 und n5 von Jänner bis Oktober die Familienbeihilfe bezogen und ebenso nicht auf den Mehrkindzuschlag verzichtet.

Die bekämpften Wiederaufnahmebescheide betreffen laut Spruch den Mehrkindzuschlag nach den Verhältnissen der Jahre 2009 und 2010. Sie nehmen daher den Mehrkindzuschlag für die Jahre 2010 und 2011 wieder auf.

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen sind Sachverhaltselemente (mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände): Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften. Selbst innere Vorgänge (soweit sie rational feststellbar sind) können Tatsachen sein (zB. Ansichten, Absichten). Tatsachen sind daher beispielsweise die mangelnde Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, nähere Umstände über die Marktgerechtigkeit des Verhaltens usw. Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, daß sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumption zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können ().

Für eine amtswegige Wiederaufnahme genügen schon relativ geringfügige Ergänzungen des Sachverhaltes, weil der Sachverhalt des Erstverfahrens dann eben nicht vollständig ist. Selbst z.B. die Tatsache einer dreißigjährigen Gebäudenutzung mit Verlusten hindert eine Wiederaufnahme wegen Liebhaberei nicht, wenn erst im Zuge der Betriebsprüfung die näheren Umstände der Nutzung hervorkommen ( Zl. 84/13/0039).

Das System der Auszahlung des Mehrkindzuschlages ist so eingerichtet, dass die Finanzbehörden zunächst von den Angaben des Steuerpflichtigen (siehe hier im vorliegenden Berufungsfall die elektronisch eingelangten Steuererklärungen) ausgehen und bei Nichtvorliegen gegenteiliger Informationen im Vertrauen auf die Angaben den Mehrkindzuschlag auszahlen. Stellt sich später die Unrichtigkeit der Auszahlung heraus, wird diese mittels Wiederaufnahme rückgängig gemacht.

Es ist objektiv nachweisbar, dass die Finanzbehörde im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide über den Mehrkindzuschlag 2010 und 2011 ( und ) noch nicht davon ausgehen konnte, dass die damalige Ehegattin des Bw nicht auf den Anspruch des Mehrkindzuschlages zugunsten ihres Ehegatten verzichtet hatte. Zwar hätte die Finanzverwaltung bei der damaligen Ehegattin eine Anfrage tätigen können. Sie war jedoch nicht verpflichtet dies zu tun, da der Bw selbst den Mehrkindzuschlag beantragt hat. Die Finanzbehörde ist nicht gehalten ohne Grund Vermutungen anzustellen, die darauf hinauslaufen, dass die Erklärung nicht stimmt, sie kann sich vielmehr - wie sie das in anderen Veranlagungsfällen gewöhnlich auch tut - auf die Angaben des Steuerpflichtigen verlassen. Eine Pflicht zum Mißtrauen gibt es nicht. Die Sorgfaltspflicht der Behörde besteht nur darin alle ihr zugegangenen Informationen im Bescheid zu verarbeiten, aber nicht ohne Grund Nachforschungen in alle Richtungen anzustellen. Selbst wenn die Behörde einen Verdacht gehabt hätte, würde dies nichts ändern: Sogar allfälliges Verschulden der Behörde an der Nichtausforschung von Sachverhaltselementen - wovon im gegenständlichen Fall ohnehin keine Rede sein kann - würde eine amtswegige Wiederaufnahme nicht ausschließen (Ritz, BAO, § 303, Rz 16 und die dort angeführte Judikatur). Die Behörde ist auch nicht verpflichtet "abzuwarten", ob nachfolgende Unterlagen das Gegenteil dessen beweisen, was der Behörde erklärt wurde. Einerseits weil der Zeitpunkt des Einlangens weiterer Unterlagen nicht prognostizierbar ist und schnelle Erledigungen eingebrachter Anträge und Erklärungen im Sinne des Kundendienstes unabdingbar erwartet werden (siehe hiezu ebenfalls die hier teilweise zitierten Ausführungen des UFS in seiner Entscheidung vom zu RV/0125-L/07).

Die Argumentation des Bw in seiner Berufungsschrift vom , er habe im Einvernehmen mit seiner damaligen Ehegattin in den vergangenen Jahren den Mehrkindzuschlag beantragt und auch erhalten, treffen jedenfalls nicht auf die hier strittigen Jahre betreffend Mehrkindzuschlag 2010 und 2011 zu, da die ehemalige Ehegattin hiefür nunmehr selbst den Mehrkindzuschlag beantragt hat und seitens der ehemaligen Ehegattin des Bw nachweislich auch keine Verzichtserklärung vorgelegen ist. Nicht nachvollziehbar ist auch für die hier in Rede stehenden Jahre der Einwand des Bw, dass das Vorliegen der Verfügungsmacht der ehemaligen Gattin des Bw über das gemeinsame Konto sowie die Durchführung zahlreicher Abhebungen ihrerseits dafür spreche, dass sie - die ehemalige Gattin - mit der Antragstellung auf den Mehrkindzuschlag durch den Bw einverstanden gewesen wäre und daher auf eine gesonderte Veranlagung nach § 40 EStG verzichtet hätte.

Richtig ist der Hinweis des Bw in seiner Berufungsschrift auf § 9 c FLAG 1967, der anordnet, dass auf den Mehrkindzuschlag die Bestimmungen betreffend die Familienbeihilfe sinngemäß anzuwenden sind. Dazu zählt auch die gesetzliche Bestimmung des § 2 Abs. 2 FLAG 1967. Dem Argument, er gehe davon aus, dass in letzter Konsequenz auch ein Widerruf auf einen Verzicht nur dann möglich sei, wenn die Familienbeihilfe bzw. der Mehrkinderzuschlag noch nicht bezogen wurde, wird wie folgt entgegnet:

Für die Mehrkindzuschläge 2010 und 2011 liegt keine Verzichtserklärung der ehemaligen Gattin des Bw vor, auch im gesamten Berufungsverfahren konnte vom Bw eine diesbezügliche Erklärung seiner ehemaligen Gattin nicht vorgelegt werden. Wenn jedoch kein Verzicht auf die Geltendmachung bzw. Gewährung der Mehrkindzuschläge für die hier strittigen Jahre vorgelegen ist und auch nicht nachgewiesen werden konnte, bleibt in letzter Konsequenz auch unerheblich, ob ein Widerruf auf einen Verzicht nur möglich sei, wenn die Familienbeihilfe bzw. der Mehrkindzuschlag noch nicht bezogen wurde. Der vom Bw in seiner Berufungsschrift behauptete Verzicht der Kindesmutter auf die Beantragung des Mehrkindzuschlages für die strittigen Kalenderjahre konnte jedenfalls nicht glaubhaft dargestellt und mittels eindeutiger schriftlicher Erklärungen etc. belegt werden. Auch die Argumentation, der Mehrkinderzuschlag sei in allen Jahren zur Bestreitung des Lebensunterhaltes der Familie verwendet worden und den Lebensunterhalt habe ausschließlich der Bw bestritten, kann der Berufung bei der hier vorliegenden Nichterfüllung dementsprechender gesetzlichen Voraussetzungen nicht zum Erfolg verhelfen. Dem Argument des Bw, es brauche keinen zusätzlichen Nachweis für den Verzicht, kann daher nicht entsprochen werden. Ganz im Gegenteil ist vom Bw zur Überprüfung seiner Angaben jedenfalls ein Nachweis zu erbringen, dass ein rechtsgültiger Verzicht seitens seiner damaligen Ehegattin für die nunmehr strittigen Kalenderjahre erfolgt ist.

Entgegen den Ausführungen des Bw in seinen Schriftsätzen ist ein Anspruch des Mehrkindzuschlages ausschließlich aufgrund des Vorliegens und der Entsprechung gesetzlicher Bestimmungen zu gewähren. Die Einwendungen des Berufungswerbers waren daher für die gegenständliche Entscheidung ohne Bedeutung, da die grundsätzliche Verpflichtung zur Rückzahlung von zu Unrecht bezogenen Beihilfen unabhängig von derartigen subjektiven Momenten gegeben ist und lediglich daran anknüpft, ob die Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug gegeben sind oder fehlen.

Die vom Finanzamt ergangenen Bescheide bestehen somit zu Recht und es war der Berufung aufgrund vorstehender Ausführungen kein Erfolg beschieden.

Es war wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Feldkirch, am

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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

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