Umzugskosten in eine behindertengerechte Wohnung
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Stb, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2005 entschieden:
Der Berufung wird im eingeschränkten Umfang Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe sowie dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Über Ergänzungsersuchen des Finanzamtes legte die Berufungswerberin (Bw.) in einer Beilage zur Arbeitnehmerveranlagung 2005 die Aufstellung der in der elektronisch eingebrachten Erklärung als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Aufwendungen wegen Behinderung in Höhe von € 5.585,01 vor. Aus dieser Beilage geht Folgendes hervor:
Die Steuerpflichtige bezog im Jahr 2004/5 Pflegegeld der Stufe I. Nach § 4 BPGG ist dazu ein Pflegegeldbedarf von mindestens 50 Stunden/Monat erforderlich. Nach Rz 839g LStR ist ein Nachweis der Behinderung nicht erforderlich und der Mindestbehinderungsgrad mit 25% anzusetzen.
Die Steuerpflichtige leidet seit 2004 an den Folgen eines Oberschenkelhalsbruchs. Im Jahr 2005 musste eine neue Wohnung bezogen werden, da in der alten Wohnung kein Aufzug vorhanden war.
Darüber hinaus ist die Steuerpflichtige zuckerkrank (Freibetrag Diabetes).
Aufstellung nicht regelmäßiger Krankheitskosten (Rz 851 LStR)
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Fahrten mit Auto der Tochter zu Heilbehandlungen 874,00 km | 314,64 | ||
Umzug in behindertengerechte Wohnung | 2.350,98 | ||
Maklerprovision | 259,83 | ||
Mietvertragsgebühr | 277,27 | ||
Kühlschrank (Essen auf Rädern) | 700,00 | 3.588,08 | |
Transportunternehmen | |||
Hausnotruf Life Call | 216,00 | ||
Essen auf Rädern (Rotes Kreuz) | 1.251,39 | ||
Heimhilfe | 1.253,00 | ||
ab: Pflegegeld | -1.038,10 | 1.682,29 | |
5.585,01 |
Sämtliche Bezug habenden Belege wurden in Kopie übermittelt.
In dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2005 anerkannte das Finanzamt als außergewöhnliche Belastungen neben dem Freibetrag wegen eigener Behinderung bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25% und dem Pauschbetrag wegen Krankendiätverpflegung bei Zuckerkrankheit zusätzliche nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung der Bw. nach der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen in Höhe von € 745,54. Der Bescheid wurde wie folgt begründet:
"Umzugskosten und die damit verbundenen Ausgaben fallen nicht unter abzugsfähige Krankheitskosten.
Die Anschaffung eines Kühlschrankes fällt ebenfalls unter die Lebenshaltungskosten und ist gem. § 20 EStG 1988 nicht absetzbar.
Bezüglich 'Essen auf Rädern' wird auf 2004 verwiesen."
Mit der gegen den Einkommensteuerbescheid erhobenen Berufung wurde die Berücksichtigung der unter den außergewöhnlichen Belastungen geltend gemachten Umzugskosten in Höhe von € 3.588,08 beantragt und begründend ausgeführt:
"Gemäß ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung und Verwaltungsübung (LStR Rz 908) stellen Mehraufwendungen für die behindertengerechte Gestaltung des Wohnraums außergewöhnliche Belastungen dar.
Die Steuerpflichtige erlitt wie bereits bekanntgegeben im Jahr 2004 einen Oberschenkelhalsbruch und ist seitdem eingeschränkt mobil. Bis 2004 hat sie in einer großen Wohnung (über 100 m2) gewohnt und einen sehr niedrigen Mietzins bezahlt. In diesem Haus war jedoch kein Lift eingebaut und die Wohnung nur mit einem Kohleofen zu beheizen.
Aufgrund ihrer damals sehr stark eingeschränkten Mobilität (Pflegestufe I) war ihr es nicht möglich allein die Stiegen zu steigen, geschweige denn dabei Kohle zu tragen und den Kohleofen zu beheizen. Auch jetzt ist der Steuerpflichtigen nicht möglich ohne Krücken zu gehen. Daher war sie zwangsläufig (§ 34 EStG) gezwungen, in eine wesentlich kleinere, aber gleich teure Wohnung zu ziehen, was sie ohne Gehbehinderung nicht hätte tun müssen. Alternativ hätte sie im Haus einen Lift (was als Mieter nicht möglich ist und den Kostenrahmen sprengen würde) und eine teure Gasetagenheizung einbauen müssen, sodass sich der Umzug als die geringere finanzielle Belastung herausstellte.
Aus unserer Sicht stellen die so verausgabten Kosten außergewöhnliche Belastungen dar, da sie aufgrund der Behinderung zwangsläufig angefallen sind. Diese Kosten sind Umbaukosten (LStR Rz 908) gleichzuhalten und daher steuerlich zu berücksichtigen."
Das Finanzamt wies die Berufung als unbegründet ab. Die Begründung lautet:
Als außergewöhnliche Belastung gem. § 34 EStG im Zusammenhang mit einer Behinderung können nur solche Ausgaben anerkannt werden, die unmittelbar aufgrund der behindertengerechten Ausstattung der Wohnung entstehen. Keine außergewöhnliche Belastung sind die Kosten für die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen (zB ) - wie in Ihrem Fall ein Kühlschrank.
Die Kosten der Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung bzw. eines Eigenheimes sowie die damit verbundenen Kosten für Makler und Umzug stellen eine bloße Vermögensumschichtung dar (zB ).
Ihre Berufung war daher als unbegründet abzuweisen."
Im Vorlageantrag wurde seitens der steuerlichen Vertretung der Bw. über den Berufungswortlaut hinaus Folgendes ausgeführt:
"In der Berufungsvorentscheidung vom. wird die die Anerkennung der Kosten mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um eine Vermögensumschichtung (?) handle (VwGH 82/14/0312). Abgesehen davon, dass sich dieses Erkenntnis offenbar nicht mit Behinderten beschäftigt, ist auch nicht ersichtlich, warum Maklergebühren und Transportkosten keinen Aufwand, sondern nur eine Vermögensumschichtung darstellen sollen. Aus unserer Sicht ist diese Begründung gänzlich verfehlt.
Es wäre wohl aus rechtsstaatlicher Sicht und im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes verfehlt, den Einbau von behindertengerechter Ausstattung als außergewöhnliche Belastung (§ 34 EStG) anzuerkennen, wo ja bereits Vermögen vorhanden ist, jedoch auf der anderen Seite bei einer Mieterin die mangels finanzieller Möglichkeiten und zivilrechtlicher Legitimation zum Umbau fremden Eigentums nur die Möglichkeit sieht, in eine andere behindertentaugliche Wohnung zu ziehen, den Abzug von verlorenem Umzugsaufwand nicht zuzulassen.
In einem Erkenntnis (GZ RV/2415-W/08 vom ) hat der UFS die Abzugsfähigkeit von Kosten der Übersiedlung in ein Alters- oder Pflegeheim infolge Pflegebedürftigkeit anerkannt (Verweis auf Wanke in Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, MSA EStG [], in Anm 78 Stichwort Umzugskosten).
Es wäre jedoch verfehlt die Abschiebung in ein Pflegeheim zu verlangen, um Umzugskosten anzuerkennen, während Eigenheimbesitzer ihre Kosten für den behindertengerechten Umbau für ein Leben zu Hause absetzen können.
Aus unserer Sicht sind die obigen Kosten den Kosten eines behindertengerechten Umbaus gleichzuhalten und daher steuerlich zu berücksichtigen."
Im Berufungsverfahren vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz schränkte der steuerliche Vertreter die Berufung insofern ein, als der Antrag auf die geltend gemachten Kosten des Kühlschranks (€ 227,27) [richtig laut Beilage zur Arbeitnehmerveranlagung: € 277,27] zurückgezogen wurde.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein (Abs. 2), zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs.4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Nach Abs. 6 dieser Norm (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) können u.a. folgende Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst ... pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.
Eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 EStG vorliegen (). Das Fehlen nur einer dieser Voraussetzungen schließt den Anspruch auf Steuerermäßigung bereits aus.
Tatsächliche Gründe sind in der Person des Steuerpflichtigen gelegene Gründe, die ihn unmittelbar selbst betreffen, z.B. Krankheit oder Körperbehinderung, aber auch andere unabwendbare Ereignisse, wie Katastrophenschäden, unverschuldete Unfälle oder Kosten zur Beseitigung von unmittelbar gesundheitsgefährdenden Umweltbelastungen und Ähnliches (Jakom/Baldauf EStG § 34 Rz 42).
Bei der Beurteilung der Zwangsläufigkeit eines Aufwandes gilt grundsätzlich, dass freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 EStG ebenso wenig Berücksichtigung finden können wie Aufwendungen, die auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden, oder die die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat.
Die Freiwilligkeit des Erwerbes einer Wohnung ist aber unerheblich, wenn diese Wohnung wegen einer besonderen Situation wie nicht mehr zumutbarer Benutzung infolge Eintritts einer Körperbehinderung oder einer anderen akuten Notlage von den Bewohnern verlassen werden muss. Die durch ein solches Ereignis unmittelbar veranlassten Umzugskosten (z.B. verlorene Baukostenzuschüsse, Mieterabfindung, Maklergebühren, Mehraufwendungen für die Ersatzwohnung) können als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden.
Auch der BFH sieht es als geboten an, Aufwendungen als steuermindernd zu berücksichtigen, wenn sie einem Steuerpflichtigen erwachsen, weil er gezwungen ist, eine konkrete, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehende Gesundheitsgefährdung zu beseitigen. Derartigen Aufwendungen kann der Steuerpflichtige aus tatsächlichen Gründen nicht ausweichen, wenn andernfalls mit einem Schaden für seine Gesundheit oder die Gesundheit seiner Familie zu rechnen ist. Eine abstrakte Gesundheitsgefährdung ist allerdings nicht ausreichend; es müssen mindestens konkret zu befürchtende Gesundheitsschäden anzunehmen sein. Der Steuerpflichtige muss die von einem Gegenstand ausgehende konkrete Gesundheitsgefährdung nachweisen (BFH , III R 6/01, BStBl. II 2002, 240; BFH , III R 52/99, BStBl II 2002, 592).
Im gegenständlichen Fall sah sich die Bw. auf Grund der Gehbehinderung nach einem im Jahr 2004 erlittenen Oberschenkelhalsbruch genötigt, die Mietwohnung zu wechseln, da sie die bisherige mangels Aufzugs und entsprechender Heizung infolge ihrer stark eingeschränkten Mobilität nicht benutzen konnte. Ebenfalls seit 2004 bezieht die Bw. Pflegegeld der Stufe I. Die geltend gemachten, die pflegebedingten Geldleistungen übersteigenden Kosten fielen, wie aus den vorgelegten Belegen ersichtlich, im März 2005 an.
Der vom Finanzamt erhobene Sachverhalt ist zu einem wesentlichen Teil durch die vorgelegten Unterlagen nachgewiesen und ist das Finanzamt dem Parteienvorbringen nicht entgegengetreten.
Auf Grund der Aktenlage wird das Erfordernis eines Wohnungswechsels aus gesundheitlichen Gründen als gegeben erachtet und die im Zusammenhang mit dem Umzug in die behindertengerechte Wohnung stehenden Kosten zusätzlich zu den bisher als außergewöhnliche Belastungen anerkannten Kosten gewährt.
Dadurch ergibt sich folgende Berechnung:
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beantragte Umzugskosten lt. Berufung | 3.588,08 | ||
abzüglich Kühlschrank lt. Berufungseinschränkung | - 277,27 | ||
Zwischensumme | 3.310,81 | ||
bisher anerkannte Kosten lt. Bescheid | 745,54 | ||
anerkannte Kosten lt. BE | 4.056,35 |
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Zitiert/besprochen in |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at