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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 19.03.2009, RV/0586-L/08

Haftung für Selbstbemessungsabgaben, die erst im Rahmen einer nach Konkurseröffnung abgeschlossenen Betriebsprüfung festgestellt werden

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0586-L/08-RS1
Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann diese bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (Fälligkeitstermin der Abgaben). Die später eingetretene Insolvenz der Gesellschaft erweist sich daher insofern lediglich als eine weitere Ursache für den eingetretenen Abgabenausfall, als dadurch eine Entrichtung der Abgaben aufgrund der bescheidmäßigen Festsetzungen im Anschluss an eine erst nach Konkurseröffnung abgeschlossene Betriebsprüfung zu den Zahlungsterminen gemäß § 210 Abs. 4 BAO (lange nach Fälligkeit der Abgaben) nicht mehr möglich war. An der Kausalität der dem Berufungswerber vorzuwerfenden Pflichtverletzungen, die sich bei den Selbstbemessungsabgaben immer auf deren Fälligkeitstermin beziehen, ändert dies nichts.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des A, vertreten durch HGS - Mag. Hans Günther Schönauer Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, 4600 Wels, Durisolstraße 1, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom , mit dem der Berufungswerber gemäß § 9 iVm § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Firma H Ges.m.b.H. im Ausmaß von 46.623,96 € in Anspruch genommen wurde, entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Die Haftungsinanspruchnahme wird auf folgende Abgabenschuldigkeiten eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Umsatzsteuer
10/06
485,31
Lohnsteuer
11/06
496,53
Dienstgeberbeitrag
11/06
819,47
Zuschlag zum DB
11/06
65,55
Umsatzsteuer
11/06
336,59
Lohnsteuer
12/06
344,07
Dienstgeberbeitrag
12/06
689,19
Zuschlag zum DB
12/06
55,14
Körperschaftsteuer
01-03/07
437,00
Umsatzsteuer
12/06
1.598,41
Lohnsteuer
01/07
87,09
Dienstgeberbeitrag
01/07
315,52
Zuschlag zum DB
01/07
25,24
Lohnsteuer
2002
227,49
Dienstgeberbeitrag
2002
96,49
Zuschlag zum DB
2002
8,36
Lohnsteuer
2003
1.508,83
Dienstgeberbeitrag
2003
114,56
Zuschlag zum DB
2003
9,67
Lohnsteuer
2004
810,00
Dienstgeberbeitrag
2004
613,05
Zuschlag zum DB
2004
51,77
Lohnsteuer
2005
1.838,16
Dienstgeberbeitrag
2005
204,28
Zuschlag zum DB
2005
16,35
Lohnsteuer
2006
1.440,75
Dienstgeberbeitrag
2006
2.014,85
Zuschlag zum DB
2006
161,19
Umsatzsteuer
2001
1.875,07
Umsatzsteuer
2002
4.640,00
Umsatzsteuer
2003
4.640,00
Umsatzsteuer
2004
5.040,00
Umsatzsteuer
2005
4.652,78
Umsatzsteuer
2006
3.999,99
Summe
 
 
39.718,75

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber war alleiniger Geschäftsführer der mit Gesellschaftsvertrag vom gegründeten Primärschuldnerin, die ein Gastlokal betrieben hat, und über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom das Konkursverfahren eröffnet wurde.

Mit einer als "Haftungsbescheid" bezeichneten Erledigung vom , der aber aufgrund einer unzutreffenden Adressierung keine Bescheidqualität zukam, sollte der Berufungswerber für näher dargestellte offene Abgaben der Gesellschaft in Höhe von 51.804,40 € in Anspruch genommen werden.

In der gegen diesen "Bescheid" gerichteten Berufung vom wurde auf die fehlerhafte Bescheidadressierung aufmerksam gemacht. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass im Konkursverfahren der Gesellschaft nach Auskunft des Masseverwalters mit einer Quote von 9,776 % zu rechnen sei, weshalb nicht von einer vollständigen Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft ausgegangen werden könne. Die Insolvenz der Gesellschaft sei durch einen Brand im Lokal am und eine längerfristige Nichtsanierung desselben durch den Verpächter bedingt gewesen. Ab des Zeitpunkt des Brandes und dem damit verbundenen Einnahmensausfall wären praktisch alle Zahlungen eingestellt worden. Zum Zeitpunkt des Brandes habe das Abgabenkonto einen fälligen Saldo von 5.666,20 € ausgewiesen. Von einer Ungleichbehandlung des Finanzamtes könne somit maximal der Stand des Abgabenkontos Ende Februar 2007 in der genannten Höhe betroffen sein. Die pauschale Begründung, dass Abgabenschuldner schlechter als die übrigen Verbindlichkeiten behandelt worden seien und somit das Gleichbehandlungsgebot verletzt worden wäre, sei somit im vorliegenden Fall unrichtig. Hinzu komme, dass der Rechtswidrigkeitszusammenhang (Kausalität) im vorliegenden Fall eindeutig nicht gegeben sei, da die Uneinbringlichkeit der rückständigen Abgaben eindeutig auf den Brand und die damit verbundene Unmöglichkeit der Weiterführung des Unternehmens zurückzuführen sei.

Das Finanzamt wies diese Berufung mit Bescheid vom als unzulässig zurück, da sie sich gegen einen Nichtbescheid richte; im Haftungsbescheid sei irrtümlich ein falscher Bescheidadressat angeführt worden.

Mit dem daraufhin erlassenen Haftungsbescheid vom wurde der Berufungswerber für folgende Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft im Ausmaß von 46.623,96 € in Anspruch genommen.


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag (100 %)
Haftung (90 %)
Umsatzsteuer
10/06
485,31
485,31
Lohnsteuer
11/06
496,53
496,53
Dienstgeberbeitrag
11/06
819,47
819,47
Zuschlag zum DB
11/06
65,55
65,55
Umsatzsteuer
11/06
336,59
336,59
Lohnsteuer
12/06
344,07
344,07
Dienstgeberbeitrag
12/06
689,19
689,19
Zuschlag zum DB
12/06
55,14
55,14
Körperschaftsteuer
01-03/07
437,00
437,00
Umsatzsteuer
12/06
1.598,41
1.598,41
Lohnsteuer
01/07
87,09
87,09
Dienstgeberbeitrag
01/07
315,52
315,52
Zuschlag zum DB
01/07
25,24
25,24
Umsatzsteuer
01/07
691,16
691,16
Pfändungsgebühr
2007
64,49
64,49
Pfändungsgebühr
2007
1,10
1,10
Umsatzsteuer
02/07
1.465,25
1.465,25
Körperschaftsteuer
04-06/07
437,00
437,00
Umsatzsteuer
03/07
68,41
68,41
Umsatzsteuer
04/07
382,20
382,20
Körperschaftsteuer
07-09/07
437,00
437,00
Lohnsteuer
2002
227,49
227,49
Dienstgeberbeitrag
2002
96,49
96,49
Zuschlag zum DB
2002
8,36
8,36
Lohnsteuer
2003
1.508,83
1.508,83
Dienstgeberbeitrag
2003
114,56
114,56
Zuschlag zum DB
2003
9,67
9,67
Lohnsteuer
2004
810,00
810,00
Dienstgeberbeitrag
2004
613,05
613,05
Zuschlag zum DB
2004
51,77
51,77
Lohnsteuer
2005
1.838,16
1.838,16
Dienstgeberbeitrag
2005
204,28
204,28
Zuschlag zum DB
2005
16,35
16,35
Lohnsteuer
2006
1.440,75
1.440,75
Dienstgeberbeitrag
2006
2.014,85
2.014,85
Zuschlag zum DB
2006
161,19
161,19
Umsatzsteuer
2000
4.448,02
0,00
Umsatzsteuer
2001
4.720,03
3.987,61
Umsatzsteuer
2002
4.640,00
4.640,00
Umsatzsteuer
2003
4.640,00
4.640,00
Umsatzsteuer
2004
5.040,00
5.040,00
Umsatzsteuer
2005
4.652,78
4.652,78
Umsatzsteuer
2006
3.999,99
3.999,99
Lohnsteuer
01-09/07
100,23
100,23
Dienstgeberbeitrag
01-09/07
1.060,96
1.060,96
Zuschlag zum DB
01-09/07
84,87
84,87
Summe
 
 
51.804,40
46.623,96

In der Bescheidbegründung wies das Finanzamt darauf hin, dass sich im Konkursverfahren der Gesellschaft voraussichtlich eine Quote von knapp unter 10 % ergeben werde, weshalb zumindest 90 % der offenen Abgaben uneinbringlich sein würden. Die Quote von 10 % wurde von den Abgaben mit den ältesten Fälligkeiten (Umsatzsteuern 2000 und 2001) abgezogen. Dem Vorbringen in der oben erwähnten Berufung vom wurde entgegen gehalten, dass die meisten von der Haftung umfassten Abgaben Fälligkeiten ausweisen würden, die bereits vor dem ins Treffen geführten Brand im Lokal gelegen waren. Bei Selbstbemessungsabgaben sei maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Die im Haftungsbescheid angeführten Selbstbemessungsabgaben wären größtenteils zwar erst im Zuge einer Betriebsprüfung festgestellt worden, die Verpflichtung, diese Abgaben zu entrichten, sei jedoch zu einem Zeitpunkt verletzt worden, in dem der Gesellschaft noch Mittel zur Verfügung stehen hätten müssen. Bei richtiger und rechtzeitiger Bekanntgabe wäre es daher vermutlich zu keinem Abgabenausfall gekommen. Im Übrigen sei die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes in keiner Weise dargestellt und nachgewiesen worden. Zur haftungsgegenständlichen Lohnsteuer wurde schließlich noch auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG verwiesen. Die Geltendmachung der Haftung stelle die einzige Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Aufgrund des Alters des Berufungswerbers (dieser sei 43 Jahre alt und werde somit noch viele Jahre am Erwerbsleben teilnehmen können) sei davon auszugehen, dass die Haftungsschuld bei ihm - zumindest zum Teil - auch einbringlich sein werde.

Gegen diesen Bescheid wurde nach Verlängerung der Rechtsmittelfrist mit Eingabe vom Berufung erhoben. Die vom Finanzamt erwähnte Betriebsprüfung habe bereits am begonnen, die Konkurseröffnung sei im September 2007 erfolgt. Zwischenzeitlich seien einige Besprechungen mit dem Betriebsprüfer und dessen Teamleiter geführt worden, um einen Konsens zwischen Finanzamt und Primärschuldnerin zu finden und eine Weiterführung des Unternehmens sicherzustellen. Die Weiterführung des Lokals sei jedoch letztendlich durch den Brand am und die längerfristige Nichtsanierung durch den Vermieter verhindert worden. Ein Teil der haftungsgegenständlichen Abgaben weise Fälligkeiten im Jahr 2007 auf. Aufgrund der bis zum Konkurs strittigen Kündigung des Mietvertrages durch den Vermieter im Jahr 2006 und dem nur eingeschränkten Betrieb in den Monaten Jänner und Februar 2007 bzw. der durch den Brand fehlenden Einnahmen seien im Jahr 2007 praktisch keine Zahlungen mehr erfolgt. Hinsichtlich dieser Abgaben hätte sich der Abgabenausfall bei rechtzeitiger Bekanntgabe somit nicht reduziert bzw. nicht verhindern lassen, die Gründe für eine Inanspruchnahme nach § 9 BAO lägen somit nicht vor. Die haftungsgegenständlichen Abgaben mit Fälligkeiten vor 2007 wären erst im Rahmen der Betriebsprüfung offenkundig geworden bzw. im Rahmen der Prüfung im Schätzungsweg ermittelt worden. Steuernachzahlungen im Rahmen einer Betriebsprüfung wären in Österreich alltäglich und im Falle der Primärschuldnerin nicht ursächlich für den Konkurs der Gesellschaft und somit auch nicht für den Abgabenausfall gewesen. Der Abgabenausfall sei vielmehr durch eine Verkettung mehrerer Umstände erfolgt, nämlich der strittigen Aufkündigung des Mietvertrages durch den Vermieter einerseits und durch den Brand und die Nichtsanierung des Mietobjektes durch den Vermieter andererseits. Dies habe eine Fortführung des Betriebes unmöglich gemacht. Damit habe auch die Möglichkeit gefehlt, die benötigten liquiden Mittel aufzubringen. Da sich seit der ursprünglichen Fälligkeit der Abgaben die finanzielle Situation der Gesellschaft nicht wesentlich verändert hätte (die jährlichen Ergebnisse der Gesellschaft im Zeitraum 2001 bis 2005 hätten durchschnittlich rund 10.800 Euro betragen), wären ohne Betriebsstillstand die Abgaben einbringlich gewesen. Diese Verkettung von unglücklichen und nicht vorhersehbaren Umständen hätte schlussendlich zum Konkurs der Gesellschaft und zur Uneinbringlichkeit der Abgaben geführt. Die Gründe für eine Inanspruchnahme nach § 9 BAO lägen somit nicht vor, da kein direkter Zusammenhang zwischen dem Abgabenausfall und der Pflichtverletzung bestünde.

Das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom nach Verteilung der Quote (9,77608 %) aufgehoben.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen sind bei der Gesellschaft uneinbringlich. Uneinbringlichkeit der Abgaben beim Hauptschuldner liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären. Die Behörde ist auch nicht verhalten, bis zur vollständigen Abwicklung eines Konkursverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners zuzuwarten, wobei es jedoch im Falle der Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners konkreter Feststellungen der Abgabenbehörde über die Befriedigungsaussichten beim insolventen Hauptschuldner bedarf ( und , 98/15/0129). Derartige ausreichende Feststellungen hat das Finanzamt im angefochtenen Bescheid getroffen. In der Eingabe vom (Berufung gegen den Nichtbescheid) hatte der Berufungswerber selbst ausgeführt, dass nach Auskunft des Masseverwalters mit einer Quote von 9,776 % zu rechnen sei. Die Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung bereits vor Abschluss des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft war daher nicht rechtswidrig, weil die voraussichtlich erzielbare Konkursquote Berücksichtigung fand.

Das Konkursverfahren wurde mittlerweile abgeschlossen und die Konkursquote mit den aushaftenden Abgaben verrechnet. Auch mit der gegenständlichen Entscheidung wird der Berufungswerber somit nur mehr zur Haftung für Abgaben herangezogen, deren Uneinbringlichkeit bei der Gesellschaft feststeht.

Der Berufungswerber war seit Gründung der Gesellschaft deren alleiniger Geschäftsführer und daher für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten verantwortlich.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Dabei ist zu beachten, dass sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen bezieht, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ( mwN).

Wie bereits das Finanzamt im Haftungsbescheid zutreffend festgestellt hat, wurde ein solcher Nachweis für die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes vom Berufungswerber nicht erbracht. Auch eine Differenzquote im Sinne der oben aufgezeigten Rechtsprechung wurde nicht ermittelt, sodass grundsätzlich eine Heranziehung zur Haftung für alle im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Abgaben in voller Höhe in Betracht käme.

Ergeben sich allerdings aus dem Berufungsvorbringen und dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen von Mitteln zur Abgabenentrichtung (jedenfalls ab einem bestimmten Zeitpunkt), so ist beim Umfang der Haftungspflicht auf diese Umstände Bedacht zu nehmen. Es wurde wiederholt auf den Brand im Gastlokal am hingewiesen. Ab dem Zeitpunkt des Brandes und dem damit verbundenen Einnahmensausfall wären nach dem Vorbringen in der Eingabe vom praktisch alle Zahlungen eingestellt worden. Diese Verantwortung erscheint glaubwürdig, und wird durch weitere Umstände gestützt. In einem Bericht des KSV vom zur Frage, ob und inwieweit kostendeckendes Vermögen im Sinne der §§ 71 und 72a KO vorhanden sei, wurde festgestellt, dass der Restaurantbetrieb aufgrund des Brandes seit nicht mehr betrieben wurde. Die Räumlichkeiten wären zwar vom Verpächter wieder instand gesetzt worden, die Primärschuldnerin habe jedoch mit dem Verpächter Auseinandersetzungen wegen offener Pachtzinsforderungen gehabt. Dieser habe Exekution gegen die Gesellschaft geführt und die in deren Eigentum gestandene Kücheneinrichtung ersteigert. Darüber hinaus wären vom Verpächter die Schlösser ausgetauscht worden, sodass dem Vertreter der Gesellschaft der Zutritt zu den ehemals gepachteten Räumlichkeiten nicht mehr möglich gewesen wäre. Auch im zweiten Bericht des Masseverwalters vom wurde festgestellt, dass nach dem Brand und der Auflösung des Pachtvertrages durch den Verpächter das gemeinschuldnerische Unternehmen geschlossen worden sei.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist daher davon auszugehen, dass nach dem Brand am von der Gesellschaft keine Geschäftstätigkeit mehr entfaltet wurde und somit auch keine Mittel mehr erwirtschaftet werden konnten, die zu einer Abdeckung der ab diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Abgaben herangezogen werden hätten können. Den vorliegenden Akten kann auch nicht entnommen werden, dass die Gesellschaft über sonstige (vor diesem Zeitpunkt erwirtschaftete) liquide Mittel verfügt hätte, die zur Abgabenentrichtung herangezogen werden hätten können.

Aus diesem Grund wurden aus der Haftungsinanspruchnahme alle Abgabenschulden ausgeschieden, die nach dem fällig waren, und der Berufung insoweit stattgegeben.

Bei den verbliebenen haftungsgegenständlichen Abgaben handelt es sich (mit Ausnahme der am fällig gewesenen KÖSt-VZ 01-03/2007 in Höhe von 437,00 €) ausschließlich um Lohnabgaben und Umsatzsteuern, somit um Selbstbemessungsabgaben.

Wie bereits das Finanzamt im angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt hat, bestimmt sich der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben ist daher maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob und wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt werden (vgl. Ritz, BAO-Kommentar³, § 9 Tz 10 und die dort zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes).

Die haftungsgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben weisen größtenteils Fälligkeitszeitpunkte aus, die lange vor Beginn der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft bzw. den Auseinandersetzungen mit dem Verpächter lagen.

Die verbliebenen haftungsgegenständlichen Lohnabgaben resultieren aus der Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum 2002 bis 2006. Bei dieser Prüfung wurden umfangreiche "Schwarzzahlungen" von Löhnen durch die Gesellschaft sowie die Nichtberücksichtigung eines Privatanteiles für die Privatnutzung des Firmen-PKW durch den Berufungswerber festgestellt.

Werden im Zuge einer Betriebsprüfung (hier: Lohnsteuerprüfung) nachträglich zusätzliche Abgabenverbindlichkeiten festgestellt, dann kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass der für die GmbH handelnde Vertreter zuvor seinen abgabenrechtlichen Pflichten gesetzmäßig nachgekommen ist. In einem solchen Fall obliegt es dem potenziell Haftungspflichtigen, Gründe aufzuzeigen, die ihn daran gehindert hätten, seine abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen, nämlich die Lohnabgaben im vollen Umfang offen zu legen und gesetzmäßig zu entrichten ( mit Hinweis auf ). Solche Gründe wurden vom Berufungswerber nicht aufgezeigt; abgesehen davon stellt die Zahlung von "Schwarzlöhnen" schon für sich allein eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten dar, die im gegenständlichen Fall auch kausal für die spätere Uneinbringlichkeit der auf diese Löhne entfallenden Lohnabgaben war. Wären die Löhne nicht "schwarz" ausgezahlt, sondern die darauf entfallenden Lohnabgaben ordnungsgemäß und termingerecht ermittelt worden, hätten diese Abgaben zu den gesetzlichen Fälligkeitsterminen dem Finanzamt bekannt gegeben und entrichtet werden müssen. Im gegenständlichen Fall weisen die Lohnabgaben Fälligkeiten ab dem aus! Dass eine Entrichtung der Abgaben zu diesen Fälligkeitsterminen nicht möglich gewesen wäre, machte der Berufungswerber nicht glaubhaft. Nach seinem Vorbringen betrugen die jährlichen Ergebnisse der Gesellschaft im Zeitraum 2001 bis 2005 durchschnittlich rund 10.800 Euro, es wären daher Mittel zur Abgabenentrichtung vorhanden gewesen. Gleiches gilt auch für die am fällig gewesenen Lohnabgaben. Aber auch hinsichtlich der erst am , und damit zu einem Zeitpunkt fälligen Abgaben, in dem noch unbestritten (wenn auch nur mehr eingeschränkt) Umsätze erzielt wurden und damit Gesellschaftsmittel vorhanden waren, erbrachte der Berufungswerber keinen Nachweis, dass keinerlei Mittel zur zumindest anteiligen Entrichtung der Lohnabgaben mehr vorhanden gewesen wären, wobei der Gleichbehandlungsgrundsatz ohnehin nur auf den Dienstgeberbeitrag sowie den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag Anwendung findet. Reichen die einem Vertreter zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Entrichtung der auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer aus, darf der Geschäftsführer gemäß § 78 Abs. 3 EStG nur einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung bringen, sodass die davon einbehaltene Lohnsteuer auch abgeführt werden kann. Wird dagegen die auf ausbezahlte Löhne entfallende Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Primärschuldnerin - von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (bzw. aller Gläubiger) hinaus (z.B. ). Die dem Berufungswerber vorzuwerfenden Pflichtverletzungen waren somit auch kausal für den eingetretenen Abgabenausfall.

Dieselben Überlegungen gelten auch für die Umsatzsteuernachforderungen aufgrund der Betriebsprüfung für die Jahre 2000 bis 2006. Da laut Niederschrift über die Schlussbesprechung vom Berufungswerber die laufenden Aufzeichnungen (Reservierungsblätter, Standlisten, Tagesabrechnungen, Abrechnungsbögen, Originalinventuren, Hausbuch etc.) nicht aufbewahrt wurden, erfolgte eine Schätzung der Bemessungsgrundlagen.

Die Tatsache, dass Abgabenforderungen im Schätzungsweg ermittelt wurden, steht für sich allein der Heranziehung des Vertreters zur Haftung für diese Abgaben nicht entgegen. So gilt etwa der Grundsatz, wonach Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenvorschreibung im Haftungsverfahren im Hinblick auf die Bestimmung des § 248 BAO keine Relevanz zukommt, auch dann, wenn die Abgabenfestsetzung im Rahmen einer Schätzung erfolgt ist (z.B. , ; ). Abgesehen davon wurde die Richtigkeit der im Schätzungsweg erfolgten Umsatzsteuerfestsetzungen vom Berufungswerber ohnehin nicht bestritten (im Zuge der Schlussbesprechung war ein vom Berufungswerber, vom steuerlichen Vertreter und vom Masseverwalter unterschriebener Rechtsmittelverzicht abgegeben worden). Im Übrigen ist auch hier die bereits oben aufgezeigte Rechtsprechung zu beachten, dass bei der nachträglichen Feststellung zusätzlicher Abgabenverbindlichkeiten im Zuge einer Betriebsprüfung nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass der für die GmbH handelnde Vertreter zuvor seinen abgabenrechtlichen Pflichten gesetzmäßig nachgekommen ist. Das gilt auch, wenn die zusätzlichen Abgabenverbindlichkeiten im Schätzungsweg ermittelt werden müssen, dies umso mehr, wenn die Schätzung ihre Ursache in der Verletzung der Aufbewahrungspflicht durch den Geschäftsführer hat. Der Berufungswerber hätte auch hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Umsatzsteuern Gründe aufzeigen müssen, die ihn daran gehindert hätten, seinen abgabenrechtlichen Pflichten, die von der Beachtung der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht über die Pflicht zur termingerechten Abgabe richtiger und vollständiger Umsatzsteuervoranmeldungen bis zur zeitgerechten Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen reichen, nachzukommen. Solche Gründe wurden aber nicht genannt.

Auf den Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung dieser Umsatzsteuern kommt es nicht an. Ob die Gesellschaft im Zeitpunkt der Festsetzung der Abgaben noch über ausreichende Mittel zur Abgabenentrichtung verfügt hat, ist für das gegenständliche Haftungsverfahren nicht entscheidend. In diesem kommt es darauf an, ob zu den gesetzlichen Fälligkeitsterminen die Gesellschaft über Mittel verfügt hatte, mit denen die Abgaben entrichtet werden hätten können. Da der Berufungswerber nicht glaubhaft machen konnte, dass auch zu den (im Erstbescheid angeführten) Fälligkeitsterminen der Umsatzsteuerforderungen (ab dem !) keine Gesellschaftsmittel vorhanden gewesen wären, war insgesamt gesehen vom Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen, die auch kausal für den eingetretenen Abgabenausfall war.

An der aufgezeigten Kausalität der Pflichtverletzung für den eingetretenen Abgabenausfall ändert auch der Umstand nichts, dass die erwähnten abgabenbehördlichen Prüfungen erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft abgeschlossen werden konnten, und daher auch die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabenforderungen erst nach diesem Zeitpunkt erfolgen konnte. So gesehen waren zwar diese Nachforderungen nicht Anlass für die Insolvenz der Gesellschaft. Die Ursachen für den Gesellschaftskonkurs bzw. die Frage, ob den Vertreter allenfalls ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit trifft, sind für die Haftung nach § 9 BAO aber ohnehin stets ohne Bedeutung (Ritz, BAO³, § 9 Tz 10 mit Judikaturnachweisen). Die Insolvenz erweist sich daher insofern lediglich als weitere Ursache für den eingetretenen Abgabenausfall, als damit eine Entrichtung der Abgaben aufgrund der bescheidmäßigen Festsetzungen auch zu den Zahlungsterminen gemäß § 210 Abs. 4 BAO (und somit lange nach Fälligkeit der Abgaben) nicht mehr möglich war. An der Kausalität der dem Berufungswerber vorzuwerfenden Pflichtverletzungen, die sich bei den Selbstbemessungsabgaben immer auf deren Fälligkeitstermin beziehen, ändert dies nichts.

Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Dieser öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiegt bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung meist auch allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung ins Treffen geführt werden. Derartige Gründe wurden im vorliegenden Fall nicht vorgebracht. Das Finanzamt führte im angefochtenen Bescheid aus, dass aufgrund des Alters des Berufungswerbers noch mit einer längeren Teilnahme am Erwerbsleben zu rechnen sei, sodass die Haftungsschuld bei ihm - zumindest zum Teil - auch einbringlich sein werde. Der Berufungswerber trat diesen Feststellungen nicht entgegen. Überdies ist den Berichten des Masseverwalters vom und zu entnehmen, dass der Berufungswerber zur abschließenden außergerichtlichen Bereinigung der gegen ihn geltend gemachten Haftung gemäß § 25 GmbHG einen Pauschalbetrag von 6.800,00 € geleistet hat. Auch dies lässt die Einbringlichkeit zumindest eines Teiles der Haftungsschuld nicht unrealistisch erscheinen. Abgesehen davon darf die Haftung keineswegs etwa nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden (; ). Die Geltendmachung der Haftung kann selbst dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (z. B. ; , 2006/14/0044). Schließlich war noch zu berücksichtigen, dass sich die Pflichtverletzungen über einen langen Zeitraum erstreckt haben.

Unter Berücksichtigung aller Umstände war die Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung daher zweckmäßig und in dem im gegenständlichen Bescheidspruch dargestellten Umfang auch rechtmäßig.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 210 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 78 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte
Selbstbemessungsabgaben
Betriebsprüfung
Schätzung
Kausalität
Verweise
Zitiert/besprochen in
UFSaktuell 2009, 218
UFS Newsletter 2009/04
taxlex 2009, 274

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at