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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.01.2021, RV/7102901/2020

Säumniszuschlagsbescheid für Selbstbemessungsabgaben nach einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Wolfgang Langeder, Stutterheimstraße 16-18/2/4OG, 1150 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Säumniszuschlag 2018 zur Steuernummer 04-***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Bescheid:

Das Finanzamt Wien 4/5/10 (Rechtsvorgänger des Finanzamtes Österreich - Dienststelle Wien 4/5/9/10/18/19 Klosterneuburg; belangte Behörde) erstellte einen mit datierten Bescheid über die Festsetzung von Säumniszuschlägen. Darin sind als Abgaben die "Einkommensteuer/beschränkt steuerpfl." monatlich aufgelistet für Zeiträume von April 2015 bis Mai 2018. Die Summe der Säumniszuschläge beträgt € 11.645,23.

Beschwerde:

Am langte nachfolgende Beschwerde gegen den Säumniszuschlagsbescheid vom bei der belangten Behörde ein:
"In umseits bezeichneter Abgabensache erhebt die ***Bf1*** fristgerecht gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen von insgesamt € 11.645,23 zur Abgabenkontonummer 04-***BF1StNr1*** vom , dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin zugestellt am ,"
BESCHWERDE

Der angefochtene Bescheid wird in seinem gesamten Umfang angefochten.

Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde wird ausgeführt, daß der angefochtene Bescheid der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin, Mag. AB, am , zugestellt wurde.

Zur Begründung wird folgendes ausgeführt.

Die hier gegenständlichen ersten Säumniszuschläge wurden von Beträgen aus Abzugsteuer für die Monate 04/2015 bis 05/2018 festgesetzt, welche der Beschwerdeführerin mit Haftungsbescheiden vom und vorgeschrieben wurden. Gegen diese Bescheide hat die Beschwerdeführerin jedoch fristgerecht am Beschwerde eingebracht und damit einen Aussetzungsantrag nach § 212a BAO verbunden. Die Aussetzung der Einhebung der Abgabenforderungen aus Einkommensteuer 05/2015 bis 05/2018 wurde schließlich mit Bescheid vom bewilligt.

Gemäß § 217 Abs.4 a BAO sind Säumniszuschläge für Abgabenschuldigkeiten nicht zu entrichten, wenn ihre Einhebung gemäß § 212a BAO ausgesetzt ist.

AUSSETZUNGSANTRAG

Der Beschwerdeführer beantragt weiters die Aussetzung der Einhebunq der beschwerdegegenständlichen Abgabenforderungen von insgesamt € 11.645,23 bis zur rechtskräftigen Erledigung der Beschwerde, da die Beschwerde nicht erfolglos und eine Gefährdung der Einbringung durch die Aussetzung nicht gefährdet erscheint.

Es wird daher gestellt der

ANTRAG

1. den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache an die belangte Behörde zurückzuverweisen

2. die Einhebung der oben genannten Abgabenforderungen gemäß § 212 a BAO bis zur rechtskräftigen Erledigung der Beschwerde auszusetzen."

Beschwerdevorentscheidung

Am erließ die belangte Behörde eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und begründete diese wie folgt:
"Folgende Bescheide über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen werden mit der vorliegenden Beschwerde angefochten:

Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

Gemäß § 217 Abs. 2 BAO beträgt der erste Säumniszuschlag 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages. Die beschränkte Einkommensteuer (Abzugssteuer) nach § 99 EStG ist gemäß § 101 EStG am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates fällig (s. hierzu obige Tabelle). Der Säumniszuschlag ist eine objektive Säumnisfolge der Nichtentrichtung von Abgabenschuldigkeiten bei deren Fälligkeit. Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, sind grundsätzlich unbeachtlich. Die Verwirkung von Säumniszuschlägen setzt auch kein Verschulden des Abgabepflichtigen voraus. Der Abgabenbehörde wurde vom Gesetzgeber hier kein Ermessen eingeräumt.

Im Fall einer nachträglichen Offenlegung oder Festsetzung von (rückständigen) Selbstbemessungs- bzw. abzuführenden Abgaben kann die Festsetzung eines Säumniszuschlages im Allgemeinen nicht verhindert werden, da der gesetzliche Fälligkeitszeitpunkt dieser Selbstbemessungsabgaben zumeist in der Vergangenheit gelegen, aber ungenützt verstrichen ist.

Gemäß § 217 Abs. 4 BAO sind Säumniszuschläge für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als
a) ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist,
b) ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 gehemmt ist,
c) ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz nicht durch Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) als beendet gilt,
d) ihre Einbringung gemäß § 231 ausgesetzt ist.

Ob auf Grund eines nach Eintritt der Fälligkeit der Abgabenschuld gestellten Antrages des Abgabepflichtigen in weiterer Folge eine Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO bewilligt wurde, ist für die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages unerheblich, weil nur ein vor Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist eingebrachter Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Festsetzung eines Säumniszuschlages entgegenstünde.

Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages entsteht nämlich nicht erst mit seiner bescheidmäßigen Geltendmachung, sondern bereits mit Ablauf des für die Entrichtung der betreffenden Abgaben maßgebenden Fälligkeitstages.

Mit der Beschwerde selbst wird gemäß § 254 BAO weder die Wirksamkeit der angefochtenen Bescheide, noch deren Einhebung und zwangsweise Einbringung aufgehalten.

§ 230 Abs. 2 BAO: Während einer gesetzlich zustehenden oder durch Bescheid zuerkannten Zahlungsfrist dürfen Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden.

Den von den Säumniszuschlägen betroffenen Abgaben wurde die Frist nach § 210 Abs. 4 BAO mit den Bescheiden vom 13. u. zuerkannt. Zu diesen Zeitpunkten war die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages bereits verwirkt, so dass auch diese Frist die Festsetzung der angefochtenen Säumniszuschläge nicht verhindern konnte.

Die angefochtenen Bescheide ergingen aus den genannt Gründen zu Recht. Der vorliegenden Beschwerde konnte daher nicht entsprochen werden."

Vorlageantrag

Gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung richtet sich der Vorlageantrag vom , der am bei der belangten Behörde einlangte. Der Vorlageantrag lautet:
" VORLAGEANTRAG

In umseits bezeichneter Abgabensache hat die ***Bf1*** fristgerecht gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen von insgesamt € 11.645,23 zur Abgaberikontonummer 04-***BF1StNr1*** vom , Beschwerde erhoben. Zu dieser Beschwerde wurde dem Beschwerdeführer nun die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom zur Abgabenkontonummer 04-***BF1StNr1*** am zugestellt, mit welcher die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde. Die Beschwerdeführerin gibt sich mit dieser Beschwerdevorentscheidung nicht zufrieden, sondern stellt binnen offener Frist gemäß § 264 BAO den
ANTRAG

auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Zur Begründung wird folgendes ausgeführt:
Die Beschwerdeführerin hat gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom
betreffend die Haftung über die Abzugsteuer (Körperschaftsteuer) für den
Zeitraum 5-12/2014 und 1-3/2015 in Höhe von EUR 99.214,20 rechtzeitig die
außerordentliche Revison an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und damit auch den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden. Weder über die Revision noch über den Antrag auf aufschiebende Wirkung wurde bislang entschieden.

Ebenso hat die Beschwerdeführerin nach Erhalt der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom zu den Haftungsbescheiden für die Monate 04/2015 bis 05/2018 fristgerecht die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt, wobei mit diesem Vorlageantrag ein Aussetzungsantrag verbunden wurde. Auch darüber liegt noch keine Entscheidung vor."

Vorlagebericht

Im Anschluss daran hat die belangte Behörde die Akten dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und im Vorlagebericht angeführt, dass die in den Haftungsbescheiden angeführten Abgaben gemäß § 101 EStG rückwirkend abhängig vom Erhebungszeitraum zwischen und fällig wurden und in der Beschwerde vom ausgeführt wurde, dass gegen die BE-Bescheide rechtzeitig eine Beschwerde als auch ein Aussetzungsantrag nach § 212a BAO eingebracht worden wären und dem Aussetzungsantrag stattgegeben worden wäre.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Am und am stellte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin zwei Haftungsbescheide, die mit und datiert sind, zu. Mit diesen Bescheiden zog die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zur Haftung für Abzugsteuern heran. Am gab die Beschwerdeführerin eine Beschwerde gegen diese Haftungsbescheide samt Antrag auf Aussetzung der Einhebung zur Post. Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung ist vor dem bei der belangten Behörde eingelangt.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde erste Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt € 11.645,23 fest. Diese Säumniszuschläge beziehen sich auf die in den Haftungsbescheiden angeführten Abgaben.

Mit Bescheid vom wurde der Aussetzung der Einhebung auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin stattgegeben.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ: ***GZ_Konkurs*** wurde über das Vermögen der Beschwerdeführerin das Konkursverfahren eröffnet.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO beruhen auf der von der belangten Behörde vorgelegten Beschwerde vom , in der auch ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung enthalten ist. Ebenfalls vorgelegt wurde der Briefumschlag, auf dem der Poststempel ersichtlich ist. Daraus geht hervor, dass die Beschwerde am um 17:12 Uhr zur Post gegeben wurde. Die Beschwerde ist auch bei der belangten Behörde eingelangt, zumal das Schriftstück einen Eingangsstempel mit der Bezeichnung "CC-Scan" samt Eingangsdatum "-4. OKT. 2018" trägt. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Poststück, das am um 17:12 Uhr zur Post gegen wurde, noch selben Tag bei der belangten Behörde eingelangt ist, wie es der Eingangsstempel vermuten lässt. Fest steht jedenfalls, dass das Poststück, in dem auch der Aussetzungsantrag enthalten ist, bei der belangten Behörde - oder einer von ihr genutzten gemeinsamen Einlaufstelle - eingelangt ist. Bei einem durchschnittlichen Postlauf von drei Tagen ist das Schriftstück jedenfalls vor dem zugestellt worden. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass ein Bescheid, der mit datiert ist und per Post versendet wurde (das Gericht ist bei seinen Tatsachenfeststellungen nicht auf eine mathematisch-exakte Beweisführung beschränkt, sondern berechtigt und verpflichtet, aus Beweisergebnissen auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu ziehen (zB 11Os 128/88).

Die Feststellung zu den Haftungsbescheiden und zum Bescheid über die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung vom ergibt sich aus dem vorgelegten Akteninhalt sowie aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin.

Die Feststellung zum Konkurs der Beschwerdeführerin gründet sich auf eine Einsichtnahme ins Firmenbuch sowie in die Ediktsdatei.

Rechtsgrundlagen

§ 217 BAO lautet:

2. Säumniszuschläge

§ 217. (1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

(3) Ein zweiter Säumniszuschlag ist für eine Abgabe zu entrichten, soweit sie nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt ihrer Vollstreckbarkeit (§ 226) entrichtet ist. Ein dritter Säumniszuschlag ist für eine Abgabe zu entrichten, soweit sie nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung des zweiten Säumniszuschlages entrichtet ist. Der Säumniszuschlag beträgt jeweils 1% des zum maßgebenden Stichtag nicht entrichteten Abgabenbetrages. Die Dreimonatsfristen werden insoweit unterbrochen, als nach Abs. 4 Anbringen oder Amtshandlungen der Verpflichtung zur Entrichtung von Säumniszuschlägen entgegenstehen. Diese Fristen beginnen mit Ablauf der sich aus Abs. 4 ergebenden Zeiträume neu zu laufen.

(4) Säumniszuschläge sind für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als
a) ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist,
b) ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 gehemmt ist,
c) ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz nicht durch Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) als beendet gilt,
d) ihre Einbringung gemäß § 231 ausgesetzt ist.

(5) Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.

(6) Wird vor dem Ende einer für die Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist ein Vollstreckungsbescheid (§ 230 Abs. 7) erlassen, so tritt die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 erst mit dem ungenützten Ablauf dieser Frist, spätestens jedoch einen Monat nach Erlassung des Vollstreckungsbescheides ein und beginnt erst ab diesem Zeitpunkt die Dreimonatsfrist des Abs. 3 erster Satz zu laufen.

(7) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

(8) Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen; dies gilt sinngemäß
a) für bei Veranlagung durch Anrechnung von Vorauszahlungen entstehende Gutschriften und
b) für Nachforderungszinsen (§ 205), soweit nachträglich dieselbe Abgabe betreffende Gutschriftszinsen festgesetzt werden.

(9) Im Fall der nachträglichen rückwirkenden Zuerkennung oder Verlängerung von Zahlungsfristen hat auf Antrag des Abgabepflichtigen die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung der zuerkannten oder verlängerten Zahlungsfrist zu erfolgen.

(10) Säumniszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Dies gilt für Abgaben, deren Selbstberechnung nach Abgabenvorschriften angeordnet oder gestattet ist, mit der Maßgabe, dass die Summe der Säumniszuschläge für Nachforderungen gleichartiger, jeweils mit einem Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid geltend gemachter Abgaben maßgebend ist.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 4 Abs 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Für Säumniszuschläge gilt die Grundregel des § 4 Abs 1 BAO. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit der Abgabenanspruch hinsichtlich eines Säumniszuschlages entsteht, sind in § 217 BAO geregelt. Primäre Voraussetzung gemäß § 217 Abs 1 BAO ist, dass die Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wurde. Erfolgte keine Entrichtung zum Fälligkeitstag, ist der Säumniszuschlag grundsätzlich verwirkt. Eine später durch Bescheid zuerkannte Zahlungsfrist (zB § 210 Abs 4 BAO) vermag daher am bereits entstandenen Abgabenanspruch betreffend Säumniszuschlag nichts mehr zu ändern, und steht der Festsetzung des Säumniszuschlages mit Bescheid nicht entgegen (vgl ).

Gemäß § 4 Abs 2 lit a Z 3 BAO entsteht der Abgabenanspruch für Steuerabzugsbeträge bereits im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte. Gemäß § 101 Abs 1 EStG 1988 hat der Schuldner die innerhalb eines Kalendermonates gemäß § 99 EStG einbehaltenen Steuerbeträge unter der Bezeichnung "Steuerabzug gemäß § 99" spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates an sein Betriebsfinanzamt bzw. an sein Wohnsitzfinanzamt abzuführen. Die Verpflichtung zur Abfuhr der Abzugsteuer an das zuständige Finanzamt trifft den Schuldner der Einkünfte (vgl Daurer in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 101 Anm 1a ff). Die Fälligkeitszeitpunkte für die Entrichtung einer Abzugsteuer für die Zeiträume 2015 - 05/2018 lag somit in den Jahren 2015 bis (die genauen Fälligkeitszeitpunkte hat die belangte Behörde in ihrer Beschwerdevorentscheidung genau dargestellt).

Der Säumniszuschlag ist eine objektive Säumnisfolge und ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht. Die Säumniszuschlagspflicht setzt nicht den Bestand einer sachlich richtigen Abgabenschuld, sondern nur einer formellen Abgabenzahlungsschuld voraus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Säumniszuschlagspflicht das Bestehen eines formellen Abgabenzahlungsanspruchs (bzw. eine formelle Abgabenzahlungsschuld) voraus (vgl. etwa ; ; ). Der Abgabenzahlungsanspruch ist die Verpflichtung, einen Abgabenbetrag bestimmter Höhe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entrichten (). Diese Verpflichtung ergibt sich u.a. aus einer bescheidmäßigen Festsetzung () oder bei Selbstbemessungsabgaben auf Grund des Abgabengesetzes selbst bzw aus der Selbstbemessung durch den Abgabepflichtigen (vgl. Ritz, BAO6, § 4 Rz 3 mwN).

Säumniszuschläge sind ebenfalls mit Abgabenbescheid geltend zu machen (vgl ; ; Ritz, BAO6, § 217 Tz 5; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 217 E 55). Ein Bescheid entsteht erst dadurch, dass er nach außen in Erscheinung tritt, somit durch seine wirksame Bekanntgabe. Die Frage, ob eine als Bescheid intendierte Erledigung wirksam geworden ist, ist nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Verwirklichung des den Tatbestand der Zustellung erfüllenden Sachverhaltes zu beurteilen ().
Gemäß der Grundregel in § 210 Abs 1 BAO werden Abgaben - unbeschadet spezieller Regelungen in Abgabenvorschriften - mit Ablauf eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) des Abgabenbescheides fällig. Diese Grundregel gilt zB für Säumniszuschläge (zB Unger in Althuber/Tanzer/Unger, BAO Handbuch, 592; Ritz, BAO6, § 217 Tz 1;).

Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO bewirkt gemäß § 230 Abs. 6 BAO eine Hemmung der Einbringung (§§ 229 bis 233 BAO). § 230 Abs 6 BAO normiert, dass Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der nach § 212a Abs 1, 2 lit und 3 letzter Satz BAO betroffenen Abgaben weder eingeleitet noch fortgesetzt werden dürfen, wenn ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt wurde und dieser Antrag noch nicht erledigt ist. Die mit dem Antrag auf Aussetzung verbundene Wirkung der Hemmung der Einbringung nach § 230 Abs 6 BAO besteht ab dem Zeitpunkt der Antragstellung (vgl ).

Gemäß § 217 Abs. 4 lit. b BAO schließt bereits die Einbringung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) bis zur Erledigung des Antrages die Pflicht zur Entrichtung von Säumniszuschlägen aus (); dafür sind bereits ab Antragstellung Aussetzungszinsen zu bezahlen. Ein Aussetzungsantrag (§ 212a BAO) bewirkt stets eine Hemmung der Einbringung und zwar unabhängig vom Zeitpunkt seiner Einreichung - im Gegensatz zu Zahlungserleichterungsansuchen, bei denen eine Hemmung der Einbringung bis zur Erledigung nur dann zwingend auslöst, wenn sie spätestens vor dem Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes iSd § 212 Abs. 2 zweiter Satz BAO eingebracht wird (vgl RAE 1451; Ritz, BAO6, § 217 Tz 26).

Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer Eingabe vom die Aussetzung der Einhebung jener Abgaben beantragt, für welche von der belangten Behörde mit Bescheid vom Säumniszuschläge vorgeschrieben wurden. Eine zeitgerechte Entrichtung jener Abgaben, die in den beiden Haftungsbescheiden genannt sind, erfolgte nicht. Auch ist der Abgabenanspruch auf den Säumniszuschlag bereits entstanden. Die Einbringung eines Aussetzungsantrages berührt nach herrschender Ansicht aber bereits entstandene Säumniszuschlagsansprüche nicht. Wird ein Aussetzungsantrag somit erst nach Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist eingebracht, so erfährt dadurch der durch Fristablauf bereits verwirkte Säumniszuschlag keine Änderung (vgl. ; ; ,0 RV/0306-I/09; ; Ritz, SWK 2001, S 312 ff, Punkt V.2.2.1 mit Verweis auf Stoll, BAO, 2275 [zur Rechtslage vor BGBl I 143/2001]).

Durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Steuerpflichtigen wird das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Konkursmasse, Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs 2 IO). Der Insolvenzverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Insolvenzmasse - soweit die Befugnisse des Schuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Schuldners iSd § 80 BAO (vgl , mwN; vgl nunmehr auch § 114 Abs 1 erster Satz IO). Eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Gemeinschuldner gerichtete Erledigung geht ins Leere, und zwar auch dann, wenn sie an den Schuldner, zu Handen des Masseverwalters (Insolvenzverwalters), gerichtet ist; sie entfaltet weder eine Wirkung für den Schuldner, noch für diesen (vgl , mwN). Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Insolvenzeröffnung der Insolvenzverwalter an die Stelle des Schuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Insolvenzmasse handelt. Die Abgaben sind daher während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter, der insofern den Schuldner repräsentiert, festzusetzen (vgl. , mwN).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Rechtslage vor dem BGBl I 2000/142, mit dem unter anderem § 218 Abs 4 BAO ("Wird auf Grund eines vor Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz eingebrachten Antrages die Aussetzung der Einhebung einer Abgabe (§ 212a Abs. 1) bewilligt, so tritt die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages für den von der Bewilligung betroffenen Teil der Abgabe erst mit ungenütztem Ablauf der Frist des § 212a Abs. 7 ein.") aufgehoben wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es für die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages unerheblich ist, wenn auf Grund eines nach Eintritt der Fälligkeit der Abgabenschuld gestellten Antrages des Abgabepflichtigen in weiterer Folge eine Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO bewilligt wurde, weil nur ein VOR Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist eingebrachter Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Festsetzung eines Säuminszuschlages entgegenstünde (). Die Erläuterungen (ErläutRV 311 BlgNr 21. GP, 200) sehen vor, dass § 217 Abs 4 lit b BAO die Hemmung der Einbringung als Folge eines Aussetzungsantrages betrifft.

Im Erkenntnis vom , Ra 2019/16/0154 wurde ausgesprochen, dass nach dem Wortlaut des § 230 Abs. 3 BAO ein Ansuchen um Zahlungserleichterung nur dann die Wirkung der Hemmung von Einbringungsmaßnahmen und damit nach § 217 Abs. 4 lit. b BAO die Wirkung, dass Säumniszuschläge für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten sind, entfaltet, wenn das Ansuchen um Zahlungserleichterungen vor dem Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist eingebracht wurde.
§ 230 Abs 6 BAO enthält für Aussetzungsanträge hingegen keinen Verweis auf Anträge, die vor dem Ablauf der für die Entrichtung zur Verfügung stehenden Frist gestellt werden müssten.

Im Erkenntnis vom , Ro 2019/16/0001 wurde erkannt, dass im nationalen Recht bereits die Einbringung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung bis zur Erledigung dieses Antrages die Pflicht zur Entrichtung von Säumniszuschlägen ausschließt, was auf der Bestimmung des § 217 Abs 4 lit b BAO beruht.

Das Erkenntnis des behandelt einen Sachverhalt, in dem eine Abgabe am Fälligkeitstag () nicht entrichtet wurde, danach (am ) ein Säumniszuschlagsbescheid erlassen wurde und der Aussetzungsantrag erst danach (am ) gestellt wurde - zu diesem Zeitpunkt war die Fälligkeit bereits eingetreten und der Säumniszuschlag bereits vorgeschrieben. Dazu ist im Erkenntnis ausgeführt:
"Säumniszuschläge sind für Abgabenschuldigkeiten unter anderem insoweit nicht zu entrichten, als ihre Einhebung gemäß § 212a BAO ausgesetzt ist (§ 217 Abs 4 lit a BAO) oder ihre Einbringung gemäß § 230 Abs 2, 3, 5 oder 6 BAO gehemmt ist (§ 217 Abs 4 lit b BAO). …) Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass durch einen Aussetzungsantrag Rechtsfolgen, die bereits vor Antragstellung durch die nicht zeitgerechte Entrichtung einer Abgabe eingetreten sind, rückgängig gemacht werden sollten. Auch wenn ein im Sinne obiger Ausführungen nicht zeitgerecht gestellter Aussetzungsantrag zur Hemmung der Einbringung führt, bedeutet dies nicht, dass durch Bescheid der bereits festgesetzte Säumniszuschlag durch einen später gestellten Aussetzungsantrag beseitigt würde (…). (…) Da die Abgaben bis zum Fälligkeitstag nicht entrichtet wurden, die Festsetzung von Säumniszuschlägen, wie bereits ausgeführt, lediglich den Bestand einer formellen Zahlungsverpflichtung voraussetzt und kein Aussetzungsantrag bis zum Eintritt der Fälligkeit der Wasserbezugs-, Abwasser- und Wasserzählergebühren und vor Erlassung des Bescheids zur Festsetzung des Säumniszuschlages gestellt worden war, hat die belangte Behörde die Berufung (…) zu Recht als unbegründet abgewiesen (…)."
Der beschwerdegegenständliche Sachverhalt unterscheidet sich dadurch, dass zwar die Entrichtung der Abgaben nicht zum Fälligkeitszeitpunkt erfolgte, der Säumniszuschlag jedoch erst nach Einlangen des Antrages auf Aussetzung der (nicht entrichteten) Abgaben gestellt wurde. Insofern liegt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts keine Rechtsprechung zu § 217 Abs 4 lit b BAO iVm § 230 Abs 6 BAO zur beschwerdegegenständlichen Sachverhaltskonstellation vor. Die Revision war daher zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102901.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at