Sonstiger Bescheid, UFSL vom 04.02.2010, FSRV/0068-L/08

Maßnahmenbeschwerde eines Beschuldigten gegen eine Befragung einer Bankangestellten und die Anforderung von Bankbelegen nach erfolgter Einleitung; Unterschied zwischen Einleitung und Einleitungsbescheid

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
FSRV/0068-L/08-RS1
Gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr zukommenden Informationen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Diese Prüfung ist nach den für die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Untersuchungsverfahren geltenden Bestimmungen vorzunehmen. Ergibt diese Prüfung, dass die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, Umstände im Sinne des § 82 Abs. 3 FinStrG (voraussichtliche Nichterweislichkeit der Tat, Nichtqualifikation der Tat als Finanzvergehen, Feststellung, dass der Verdächtige die ihm zur Last gelegten Tat nicht begangen hat, Vorliegen von Rechtfertigungsgründen, Schuldausschließungsgründen, Strafaufhebungs- oder -ausschließungsgründen, Strafverfolgungshindernissen oder Vorbestrafung des Täters wegen der Tat im Ausland) nicht vorliegen und nicht bereits die Möglichkeit besteht, das Finanzstrafverfahren aufgrund ausreichender Aufklärung des Sachverhaltes und gegebenem Parteiengehör mittels Strafverfügung (§ 143 Abs. 1 FinStrG letzter Halbsatz) zu beenden oder die Akten unter Beifügung einer Stellungnahme des Amtsbeauftragten an den zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Fällung des Erkenntnisses zuständigen Spruchsenat vorzulegen (§ 124 Abs. 2 FinStrG), hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz ein Untersuchungsverfahren (§§ 115 ff FinStrG) einzuleiten (§ 82 Abs. 3 leg.cit.) und diese Einleitung (zB. mittels Aktenvermerk oder durch das Verfassen eines Einleitungsbescheides) aktenkundig zu machen (§ 83 Abs. 1 FinStrG). Ist solcherart das Untersuchungsverfahren bzw. das Finanzstrafverfahren eingeleitet, ist gemäß § 38 Abs. 2 Z 1 Bankwesengesetz, BGBl. 1993/532 idF BGBl. I 2007/108, das Bankgeheimnis durchbrochen. Ob und wann der diesbezügliche Einleitungsbescheid gegenüber dem Beschuldigten durch Zustellung wirksam geworden ist, ist insoweit ohne Relevanz.
FSRV/0068-L/08-RS2
Von der im Finanzstrafakt zu dokumentierenden Willensentscheidung des Finanzstrafreferenten, gegen einen Verdächtigen ein finanzstrafbehördliches Untersuchungsverfahren durchzuführen und insoweit ein Finanzstrafverfahren einzuleiten, ist der Verdächtige unter Bekanntgabe der ihm zur Last gelegten Tat sowie der in Betracht kommenden Strafbestimmung gemäß § 83 Abs. 2 FinStrG unverzüglich zu verständigen. Im Falle einer Festnahme oder einer Haus- oder Personendurchsuchung kann die Verständigung auch anlässlich der ersten Vernehmung durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz erfolgen. Die Verständigung bedarf nach derzeitiger Rechtslage eines Bescheides, wenn das Finanzstrafverfahren wegen Verdachtes eines vorsätzlichen Finanzvergehens, ausgenommen einer Finanzordnungswidrigkeit, (zB. wegen des Verdachtes von Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG) eingeleitet wird. Die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ist somit nicht gleichzusetzen mit der in Bescheidform ergehenden Verständigung über diese verfahrensleitende Verfügung.
FSRV/0068-L/08-RS3
Der Inhalt von Auskünften und Unterlagen, welche gemäß § 99 Abs.1 FinStrG von Kreditinstituten bzw. deren Angestellten den einschreitenden Organen von Finanzstrafbehörden freiwillig (allenfalls in Verkennung der gegebenen Rechts- oder Sachlage) zur Verfügung gestellt worden sind, ohne dass das Bankgeheimnis durch eine Einleitung eines Finanzstrafverfahrens rechtmäßig durchbrochen worden wäre, unterliegt gemäß § 98 Abs.4 FinStrG (worin eben auf das Aussageverweigerungsrecht des § 104 Abs.1 lit.d leg.cit. einer von ihrer gesetzlich anerkannten Verschwiegenheitspflicht nicht entbundenen Auskunftsperson nicht verwiesen wird) - anders als bei zu Unrecht beschlagnahmten Bankunterlagen (vgl. §§ 98 Abs.4 iVm. 89 Abs.4 FinStrG) - keinem Verwertungsverbot zum Nachteil des Beschuldigten.
FSRV/0068-L/08-RS4
Ein faktisches Organhandeln (wie das Stellen von Fragen an Auskunftspersonen oder das Auffordern, bestimmte Unterlagen einsichtig zu machen oder Kopien davon herauszugeben) ist dann als Ausübung einer unmittelbaren finanzstrafbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren, wenn das Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Eine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ist nur dann gegeben, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird. Ein derartiger Eingriff liegt im Allgemeinen dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl. VfSlg 11935; , 0168; ; ; ua.).
FSRV/0068-L/08-RS5
Da eine Ausübung unmittelbarer (also ohne vorangehendes Verfahren ausgeübter) Befehls- und Zwangsgewalt nur dann vorliegt, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird und wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl. dazu für viele Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts Rz 610, und zB. - ZfVB 1995/711; - ÖStZB 1998, 745 = SWK 1999 R 17 = ARD 4982/22/98, 98/13/0049), wird solches durch die Stellung von Fragen an eine Bankangestellte und die Aufforderung an ein Kreditinstitut, Bankauszüge und Belegkopien in Zusammenhang mit dem einem Finanzstraftäter zuzurechenden Girokonto herauszugeben, nicht erfüllt, weil die angekündigte Sanktion ["Androhung"] auf ein allfälliges Zuwiderhandeln gegen den behördlichen Auftrag lediglich in der Erlassung eines Bescheides über die Verhängung einer Zwangsstrafe bestünde.

Entscheidungstext

Bescheid

Der Vorsitzende des Finanzstrafsenates Linz 3 HR Dr. Richard Tannert als Organ des Unabhängigen Finanzsenates als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat in der Finanzstrafsache gegenP wegen Abgabenhinterziehungen nach §§ 33 Abs.2 lit.a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG), Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr, StrNr. 051/2007/00000-001, Amtsbeauftragter: Dr. Dieter Baumgartner, über die Beschwerde des Beschuldigten, vertreten durch die Traunsteiner Wirtschafts- und SteuerberatungsgmbH, Schubertviertel 38, 4300 St. Valentin, vom wegen Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Zusammenhang mit einer Einsichtnahme in Bankkontodaten des Beschuldigten bei der X-Bank am durch Organe des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr als Finanzstrafbehörde erster Instanz

entschieden:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Dem vorgelegten Finanzstrafakt des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr betreffend den Beschuldigten zu StrNr. 051/2007/00000-001 ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit Bescheid vom war gegen P ein Finanzstrafverfahren eingeleitet worden, weil der Verdacht bestand, dass er als abgabepflichtiger Bauunternehmer im Amtsbereich der Finanzämter Amstetten Melk Scheibbs und Kirchdorf Perg Steyr in den Jahren 2006 und 2007 vorsätzlich unter Verletzung der Pflicht zur Abgabe von dem § 21 Umsatzsteuergesetz (UStG) 1994 entsprechenden Voranmeldungen betreffend die Monate September 2006 bis Mai 2007 eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in noch zu bestimmender Höhe bewirkt habe, indem er [bis zum Ablauf der jeweiligen Fälligkeitstage] keine [tatsächlich geschuldete] Vorauszahlungen entrichtete und keine Voranmeldungen [bei den Abgabenbehörden] einreichte, wobei er die Verkürzungen nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten habe und hiedurch Finanzvergehen nach § 33 Abs.2 lit.a FinStrG begangen habe.

Der Genannte sei entgegen seiner Darstellung vom nämlich in seinem Beruf als Baumeister tätig gewesen. Er sei dabei im strafrelevanten Zeitraum durchgehend als Selbständiger bei der gewerblichen Sozialversicherung gemeldet gewesen und habe keine relevanten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gehabt, die ihm die Bestreitung seines Lebensunterhaltes ermöglicht hätten. Er hätte Kreditverbindungen in namhafter Höhe, die bedient werden müssten, und sei in Besitz eines neuen Geländewagens. Laut der Auskunft eines Branchenkollegen seien bereits drei Baustellen bekannt, auf denen der Beschuldigte gearbeitet habe. Andererseits sei es bei einer USt-Sonderprüfung nicht möglich gewesen, mit ihm Kontakt aufzunehmen (Finanzstrafakt Bl. 28 f).

Im Zuge des Untersuchungsverfahrens ergingen noch am Auskunfts- und Einsichtnahmeersuchen an die X-Bank, die Y-Sparkasse und an einen Geschäftspartner des P, die MH-GmbH.

Im Auftrag an die X-Bank wurde insbebesondere ersucht, den Anfangsbestand und sämtliche Buchungen vom bis laufend hinsichtlich eines bestimmten Kontos bekannt zu geben und mitzuteilen, ob P in diesem Zeitraum bei der X-Bank über weitere Konten (Spar- und Kreditkonten sowie Wertpappierdepots) und Schließfächer verfügungsberechtigt war. Gegebenenfalls mögen auch die Buchungen und die Stände dieser Konten im angeführten Zeitraum bekannt gegeben werden (Finanzstrafakt Bl. 32 f).

Am ist der Amtsbeauftragte gemeinsam mit einer weiteren Beamtin der Finanzstrafbehörde erster Instanz bei der X-Bank in der Filiale S erschienen und hat unter Hinweis auf das obgenannte Auskunfts- und Einsichtnahmeersuchen dem Bankinstitut die diesbezüglichen Unterlagen abgefordert.

Anlässlich einer dabei durchgeführten Einvernahme als Auskunftsperson hat die Bankangestellte D angegeben, dass das genannte Konto am eröffnet worden sei und Herr P keine Schließfächer und sonstigen Konten habe. Die Belege hinsichtlich der vom Konto getätigten Überweisungen könne sie ausheben lassen. Welche Leistungen den Gutschriften auf dem Konto zugrunde lägen, könne man aus den Bankbelegen nicht ersehen. P habe am eine Adressänderung auf seinen Wohnsitz in G bekannt gegeben, nachdem er gemeint habe, er werde sich irgendwo zwischen A und B einen neuen Betriebssitz suchen. Zuvor wäre er in C eingemietet gewesen. Ein von seiner damaligen Vermieterin hinterlegtes Plastiksackerl mit Post habe er nicht abgeholt, weshalb D die Poststücke an die Filiale der X-Bank in G weitergeschickt habe. Sie könne am nächsten Tag nachfragen, ob die Post noch dort liege und wenn ja, von wem die Briefe stammten. Generell sei es schwierig, Kontakt mit P aufzunehmen, da er kaum jemals zurückrufe (Finanzstrafakt Bl. 34 f).

Ein Ausdruck des Girokontos des P bei der X-Bank wurde dem Amtsbeauftragten übergeben; aus diesem Ausdruck war für ihn ersichtlich, dass am ein Saldo zu Lasten des P in Höhe von € 13.704,30 vorgelegen war (Finanzstrafakt Bl. 36 bis 47).

Der Einleitungsbescheid konnte durch Hinterlegung beim Zustellpostamt am zugestellt werden (Finanzstrafakt, Rückschein nach Bl. 31).

Kopien der ausgehobenen Belege bei der X-Bank wurden dem Finanzamt am übermittelt (Ablage im Finanzstrafakt).

Weitere Auftrage, Anordnungen oder Befehle der Finanzstrafbehörde erster Instanz, beispielsweise des Inhaltes, dem Beschuldigten einen Zugriff auf sein Bankkonto bei der X-Bank zu verweigern oder dergleichen, eine Kontosperre oder Ähnliches vorzunehmen, sind der Aktenlage nicht zu entnehmen.

Nach einer Besprechung zwischen Organen des Finanzamtes und einem Vertreter einer offenbar als Verteidigerin einschreitenden Traunsteiner & Mayer Wirtschafts- und SteuerberatungsgmbH am (Finanzstrafakt Bl. 66) wurde das finanzstrafbehördliche Untersuchungsverfahren gegen P mit Bescheid vom eingestellt.

Eine Beschwerde des Beschuldigten (Finanzstrafakt Bl. 71 ff) vom gegen den Einleitungsbescheid wurde in weiterer Folge mit Eingabe vom beim Unabhängigen Finanzsenat wieder zurückgezogen.

Mit Eingabe vom wurde überdies Beschwerde gegen eine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt im Zusammenhang mit der "widerrechtlichen" Einsichtnahme in Bankkontodaten des P am in der X-Bank (Filiale in A) durch Organe des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr "außerhalb eines eingeleiteten Finanzstrafverfahrens" erhoben.

Der angefochtene Verwaltungsakt sei am Dienstag, den , in der X-Bank, Filiale in A, in Unkenntnis des Beschuldigten gesetzt worden. Als P am von seinem betrieblichen Bankkonto in der Filiale in G eine Behebung durchführen wollte, habe ihm der Bankangestellte den Zugriff auf das Bankkonto mit der Begründung verweigert, "es sei durch die Finanz gesperrt worden."

Als die Beamten am bei der X-Bank eingeschritten wären, habe noch kein mit Bescheid eingeleitetes Finanzstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer existiert.

Erst mit Zustellung des Einleitungsbescheides sei das Finanzstrafverfahren eingeleitet und könne das Bankgeheimnis nach dem Bankwesengesetz durchbrochen werden.

Der Beschwerdeführer sei daher in seinen verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten verletzt worden.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Aufgrund seiner Behauptung, durch die von ihm geschilderten Vorkommnisse als Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt worden zu sein, ist P zur Erhebung der Beschwerde berechtigt gewesen ist (§ 152 Abs.1 FinStrG).

Die Überprüfung der einzelnen Elemente seines Vorbringens ergibt jedoch folgendes:

Gemäß § 82 Abs.1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr zukommenden Informationen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Diese Prüfung ist nach den für die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Untersuchungsverfahren geltenden Bestimmungen vorzunehmen. Ergibt diese Prüfung, dass die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, Umstände im Sinne des § 82 Abs.3 FinStrG (voraussichtliche Nichterweislichkeit der Tat, Nichtqualifikation der Tat als Finanzvergehen, Feststellung, dass der Verdächtige die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat, Vorliegen von Rechtfertigungsgründen, Schuldausschließungsgründen, Strafaufhebungs- oder -ausschließungsgründen, Strafverfolgungshindernissen oder Vorbestrafung des Täters wegen der Tat im Ausland) nicht vorliegen und nicht bereits die Möglichkeit besteht, das Finanzstrafverfahren aufgrund ausreichender Aufklärung des Sachverhaltes und gegebenem Parteiengehör mittels Strafverfügung (§ 143 Abs.1 FinStrG letzter Halbsatz) zu beenden oder die Akten unter Beifügung einer Stellungnahme des Amtsbeauftragten an den zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Fällung des Erkenntnisses zuständigen Spruchsenat vorzulegen (§ 124 Abs.2 FinStrG), hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz ein Untersuchungsverfahren (§§ 115 ff FinStrG) einzuleiten (§ 82 Abs.3 leg.cit.) und diese Einleitung (mittels Aktenvermerk oder wie im gegenständlichen Fall durch das Verfassen eines Einleitungsbescheides am ) aktenkundig zu machen.

Von dieser Einleitung des Finanzstrafverfahrens ist der Verdächtige unter Bekanntgabe der ihm zur Last gelegten Tat sowie der in Betracht kommenden Strafbestimmung unverzüglich zu verständigen. Im Falle einer Festnahme oder einer Haus- oder Personendurchsuchung kann die Verständigung auch anlässlich der ersten Vernehmung durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz erfolgen. Die Verständigung bedarf nach derzeitiger Rechtslage eines Bescheides, wenn das Finanzstrafverfahren wegen Verdachtes eines vorsätzlichen Finanzvergehens, ausgenommen einer Finanzordnungswidrigkeit, (hier: wegen des Verdachtes von Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs.2 lit.a FinStrG) eingeleitet wird.

Die im Finanzstrafakt zu dokumentierende Willensentscheidung des Finanzstrafreferenten, gegen einen Verdächtigen ein finanzstrafbehördliches Untersuchungsverfahren durchzuführen und insoweit ein Finanzstrafverfahren einzuleiten (so geschehen im gegenständlichen Fall am ) ist somit nicht gleichzusetzen mit der in Bescheidform ergehenden Verständigung über diese verfahrensleitende Verfügung (hier zugestellt am ).

Ist das Untersuchungsverfahren bzw. das Finanzstrafverfahren eingeleitet, ist gemäß § 38 Abs.2 Z.1 Bankwesengesetz, BGBl 1993/532 idF BGBl I 2007/108, das Bankgeheimnis durchbrochen. Ob und wann der Einleitungsbescheid gegenüber dem Beschuldigten durch Zustellung wirksam geworden ist, ist insoweit ohne Relevanz.

Gerade weil bei Untersuchungsverfahren, für welche Einleitungsbescheide zu erlassen sind, das Bankgeheimnis durch deren Einleitung durchbrochen ist, hat der Gesetzgeber in derartigen Fällen vorgesehen, dass deren Rechtmäßigkeit und die Rechtmäßigkeit allfälliger Beweiserhebungen bei den Kreditinstituten einer Überprüfung in einem Beschwerdeverfahren unterzogen werden kann.

Auf diese Möglichkeit hat aber P durch seine Zurücknahme der Beschwerde gegen den Einleitungsbescheid verzichtet.

Wollte man - entgegen der geltenden Rechtslage - quasi de lege ferenda fordern, dass Beweisaufnahmen durch Finanzstrafbehörden bei Kreditinstituten jedenfalls erst dann stattfinden dürften, wenn der Beschuldigte über das gegen ihn geführte Finanzstrafverfahren durch einen Einleitungsbescheid verständigt worden wäre, käme dieses Gebot im Einzelfall wohl (mit gleicher Wirkung wie dem einer zwingenden Verständigung eines Straftäters über eine gegen ihn geplanten Observierung, Verhaftung, Sicherung von beispielsweise einem Bankschließfach hinterlegten Beweismittel und Ähnlichem) einer gesetzlich angeordneten Strafvereitelung gleich.

Der Vollständigkeit halber ist aber auch anzuführen, dass der Inhalt von Auskünften und Unterlagen, welche gemäß § 99 Abs.1 FinStrG von Kreditinstituten bzw. deren Angestellten den einschreitenden Organen von Finanzstrafbehörden freiwillig (allenfalls in Verkennung der gegebenen Rechtslage - was hier nicht zutrifft) zur Verfügung gestellt worden wären, ohne dass das Bankgeheimnis durch eine Einleitung eines Finanzstrafverfahrens rechtmäßig durchbrochen worden wäre, im Übrigen gemäß § 98 Abs.4 FinStrG (worin eben auf das Aussageverweigerungsrecht des § 104 Abs.1 lit.d leg.cit einer von ihrer gesetzlich anerkannten Verschwiegenheitspflicht nicht entbundenen Auskunftsperson nicht verwiesen wird) - anders als bei zu Unrecht beschlagnahmten Bankunterlagen (vgl. §§ 98 Abs.4 iVm § 89 Abs.4 FinStrG) - einem Verwertungsverbot zum Nachteil des Beschuldigten nicht unterliegen würde und ein bestehendes Bankgeheimnis, welches sich an deren Geheimnisträger richtet, insoweit an seine Grenzen stößt.

Im gegenständlichen Fall haben die laut Aktenlage stattgefundenen Amtshandlungen am in der Filiale der X-Bank in S (somit nicht die vorerst behauptete Kontensperre, welche wohl allenfalls durch Bankangestellte aufgrund des Umstandes, weil das Konto überzogen war, und nicht durch den Amtsbeauftragten und seine Kollegin herbeigeführt worden wäre) sich somit nach der Einleitung des Finanzstrafverfahrens zugetragen.

Diese Amtshandlungen, nämlich die Anforderung bestimmter Unterlagen als Beweismittel und das Erheben von Fragen an eine Auskunftsperson, stellen im Übrigen keine Ausübung einer unmittelbaren finanzstrafbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt dar:

Ein faktisches Organhandeln (wie das Stellen von Fragen an Auskunftspersonen oder das Auffordern, bestimmte Unterlagen einsichtig zu machen oder Kopien davon herauszugeben) ist dann eine Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wenn das Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Eine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ist nur dann gegeben, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird. Ein derartiger Eingriff liegt im Allgemeinen dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht. VfSlg 11935; , 0168 - ÖStZB 1994, 475 (hier daher nicht bei einem Schreiben, bei dem der Bescheidcharakter fraglich ist); (daher nicht, wenn mit Beschluss der Vollversammlung eines Abfallwirtschaftsverbandes dem Beschwerdeführer ein Videomitschnitt der Versammlung untersagt wurde); - ZfVB 1997/2180 (nicht bei Anbringung des Stempels im Reisepass); - ÖStZB 1998, 114 = SWK 1998 R 43 (nicht bei Anbringen eines Stempels mit der Aufschrift "ungültig" in einer Ausfuhrbescheinigung).

Eine Ausübung unmittelbarer (also ohne vorangehendes Verfahren ausgeübter) Befehls- und Zwangsgewalt liegt somit also nur dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird und wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl dazu für viele Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts7 Rz 610, und z.B. - ZfVB 1995/711 (keine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch einen Gewerbereferenten, der einem Landwirt die Ausbringung von Dünger untersagt); - ÖStZB 1998, 745 = SWK 1999 R 17 = ARD 4982/22/98, 98/13/0049 (keine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, wenn die angekündigte Sanktion ["Androhung"] auf das Zuwiderhandeln gegen den behördlichen Auftrag in der Erlassung eines Bescheides über die Verhängung einer Zwangsstrafe besteht).

Hätte im gegenständlichen Fall die Auskunftsperson D auf die ihr gestellten Fragen nicht geantwortet oder hätte die X-Bank dem gestellten Ersuchen nicht freiwillig durch Herausgabe eines Kontoauszuges bzw. der angesprochenen Belegkopien entsprochen, hätte als nächstes der Amtsbeauftragte gegenüber D und der X-Bank lediglich die Verhängung von Zwangsstrafen androhen können und diese dann in weiterer Folge bei gleich bleibendem Ungehorsam verhängen können.

Die Ausübung eines physischen Zwanges oder die Gefahr eines solchen bei Nichtbefolgung hat somit nicht vorgelegen.

Hätten die Behördenorgane tatsächlich allenfalls physischen Zwang zumindest zum Auffindigmachen oder Sichern der Kontenbelege einsetzen wollen, hätte es der Ausstellung eines Beschlagnahmebescheides oder eines Hausdurchsuchungsbescheides bedurft, welche aber wieder mit abgesondertem Rechtmittel bekämpfbar gewesen wären.

Im Übrigen sind Betroffene der Amtshandlungen gewesen die Auskunftsperson D, welche zur Beantwortung von Fragen aufgefordert wurde, und die X-Bank, in deren Verfügungsgewalt sich die bezughabenden Unterlagen befunden haben.

Da somit im Ergebnis

1. die tatsächlichen am vorgenommenen verfahrensgegenständlichen Amtshandlungen nicht dadurch rechtswidrig gewesen sind, als die dafür erforderliche Durchbrechung des Bankgeheimnisses noch ausständig gewesen wäre,

2. die Amtshandlungen keine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt dargestellt haben und

3. mit diesen auch nicht in die Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen worden ist,

kommt der Beschwerde des P keine Berechtigung zu.

Linz,

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Materie
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt
Auskunftsperson
Einleitung
Einleitungsbescheid
Bankangestellte
Auskunftsersuchen
Bankgeheimnis
Einsichtnahme
Untersuchungsverfahren
Zwang
physischer Zwang
drohende Ausübung
Vorerhebung
Verdächtiger
Beschuldigter
Verdachtsprüfung
Verwertungsverbot
freiwillige Herausgabe
Auskunft
Betroffener
Verweise
Zitiert/besprochen in
AFS 2010, 150

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at