Vertreterhaftung § 9 BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Werner Heißig, Johannesgasse 14, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid gemäß § 9 iVm § 80 BAO des Finanzamtes Baden Mödling vom zur Steuernummer 16-1**/****zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Der Beschwerdeführer wird zur Haftung in Höhe von € 80.000,-- herangezogen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Am verfasste das Finanzamt Baden Mödling (belangte Behörde) einen Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung beim ***Primärschuldner*** (ZVR-Zahl: ***GZ***). Daran anschließend erließ die belangte Behörde Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuerbescheide, die zu Nachforderungen führten. Gegen diese Nachforderungsbescheide ist ein Rechtsmittel beim Bundesfinanzgericht unter der Geschäftszahl RV/7101118/2013 anhängig.
Die Nachforderungen wurden am Abgabenkonto verbucht. In den Jahren 2013 und 2016 hat die belangte Behörde die Einbringung der am Abgabenkonto verbuchten Nachforderungen ausgesetzt.
Am verschickte die belangte Behörde dem Obmann der Primärschuldnerin, dem Beschwerdeführer, einen Haftungsvorhalt mit folgendem Inhalt zu:
"Betreff: Heranziehung zur Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO
Die Vertreter juristischer Personen haben alle Pflichten des Vertretenen zu erfüllen. Insbesondere haben sie dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, vorschriftsmäßig entrichtet werden. Vertreter haften mit ihrem persönlichen Einkommen und Vermögen für unentrichtet gebliebene Abgaben des Vertretenen, wenn sie an der Nichtentrichtung dieser Abgaben ein Verschulden trifft. Leichte Fahrlässigkeit gilt bereits als Verschulden.
Sie werden daher in Ihrem eigenen Interesse ersucht, die nachfolgenden Fragen sorgfältig und vollständig zu beantworten und durch Vorlage geeigneter Unterlagen, die zu Ihrer Entlastung dienen können, zu belegen.
1. Am Konto ***Primärschuldner*** haften folgende Abgabenbeträge uneinbringlich aus:
2. Auf Grund Ihrer Funktion als Obmann des ***Primärschuldner*** nach außen berufenes Organ oblag Ihnen die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen des ***Primärschuldner***.
3. Da die unter Punkt 1 angeführten Abgabenbeträge während Ihrer Vertretungsperiode fällig bzw. nicht entrichtet wurden, muss das Finanzamt bis zum Beweis des Gegenteiles davon ausgehen, dass Sie der Ihnen aufgetragenen Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten des ***Primärschuldner*** nicht vorschriftsgemäß nachgekommen sind.
4. Die genannten Beträge sind beim ***Primärschuldner*** als uneinbringlich anzusehen.
5. Sofern der ***Primärschuldner*** bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, werden Sie ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten (siehe Punkt 1) gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung müssen alle damaligen Gläubiger des ***Primärschuldner*** (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Außerdem sind alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben bzw. gegenüber zu stellen.
Es steht Ihnen frei, die maßgebliche finanzielle Situation zum Eintritt der Abgabenfälligkeiten, die offenen Verbindlichkeiten und die erbrachten Tilgungsleistungen an alle einzeln anzuführenden Gläubiger des ***Primärschuldner*** auch auf andere Art und Weise einwandfrei bekannt zu geben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt Ihnen als Vertreter, Nachweise dafür, wie viel Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden sind und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger des ***Primärschuldner*** noch Befriedigung erlangten, zu erbringen. Im Fall der Nichterbringung dieser Nachweise muss das Finanzamt davon ausgehen, dass Sie die Ihnen obliegende Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu entrichten, schuldhaft verletzt haben, und diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall bei dem ***Primärschuldner*** ist. Unter diesen Umständen haften Sie für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollen Ausmaß (zB ).
6. Wird der Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung nicht in nachvollziehbarer Weise erbracht, liegt es im Ermessen des Finanzamtes, die Haftung für die unter Punkt 1 genannten Abgabenbeträge auszusprechen, bei Benachteiligung des Abgabengläubigers im Ausmaß der nachgewiesenen Benachteiligung der Abgabenschuldigkeiten gegenüber den anderen Verbindlichkeiten des ***Primärschuldner*** (zB 2000/ 15/0168). Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdrängt (zB 2004/ 14/0112), sähe sich das Finanzamt veranlasst, die gesetzliche Vertreterhaftung gegen Sie im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen.
7. Zur Stellungnahme wird Ihnen eine Frist bis zum eingeräumt. Es wird darauf hingewiesen, dass diese Frist angesichts der vorliegenden Sachlage nur aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen verlängert werden könnte. Sie werden auch um eine ausführliche schriftliche Darstellung Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum ersucht. (mtl. Einkommen, Sonstige Schulden vorhanden-wenn ja in welcher Höhe und wie viel beträgt die monatliche Rückzahlung etc.)."
Am langte die Beantwortung des Haftungsvorhaltes bei der belangten Behörde ein. Die Beantwortung lautet:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
Als Vertreter der juristischen Person (***Primärschuldner*** ZVR Zahl: ***GZ***) kann ich zur Entlastung meiner Person auf die bereits vor Jahren eingebrachte und bis dato nicht erledigte Berufung des Vereins sowie auf meine Aussage als Obmann beim Handelsgericht Wr. Neustadt im Zuge des von ihnen gestellten Konkursantrags gegen den Verein verweisen.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen"
Beigelegt war ein Vermögensverzeichnis, Gehaltsabrechnungen der Monate Jänner bis April 2019 sowie eine Schuldenaufstellung des Beschwerdeführers, auf der handschriftlich angemerkt wurde, dass ein Privatkonkurs nach Abschluss der Finanzamtsangelegenheit betreffend des Vereins angestrebt wird.
Am erließ die belangte Behörde einen Haftungsbescheid und zog den Beschwerdeführer zur Haftung in Höhe von € 113.839,99 heran. Die Bescheidbegründung, die dieselbe Aufgliederung der Abgaben enthält, wie auch schon der Haftungsvorhalt, lautet:
"Die Geltendmachung der Haftung (§ 224 Bundesabgabenordnung) gründet sich auf nachfolgende Umstände:
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. haften die in § 80 Abs. 1 leg. cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verbindlichkeiten ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis. Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmung ergibt sich, dass der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person aus deren Mitteln nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass er die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichten konnte.
Sie sind unbestritten Obmann des ***Primärschuldner***; also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen.
Umsatzsteuer ist im Haftungsbescheid enthalten:
Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für aushaftende Umsatzsteuer ist folgendes festzuhalten:
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1972 bzw. 1994 hat der Unternehmer spätestens am fünfzehnten Tag (Fälligkeitstag) das auf den Kalendermonat (Voranmeldezeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 leg. cit. selbst zu berechnen ist. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.
Für die angegebenen Zeiträume wurde die Umsatzsteuer von Ihnen teilweise selbstbemessen bzw. ebenso nur teilweise beglichen."
Mit Schreiben vom brachte der Beschwerdeführer folgende Beschwerde bei der belangten Behörde ein:
"In gegenständlicher Rechtssache wird in offener Frist gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Baden-Mödling vom zur Steuernummer 1**/**** Beschwerde erhoben und diese ausgeführt wie folgt:
Mit gegenständlichem Haftungsbescheid wird der Beschwerdeführer verpflichtet, einen Betrag von € 113.839,99 binnen 1 Monates zu bezahlen. Es handelt sich dabei um angebliche Steuerschulden des ***Primärschuldner*** deren Obmann der Beschwerdeführer war. Das Verfahren gegen den eben zitierten Verein ist noch nicht rechtkräftig erledigt. Die Einbringung wurde mit Buchungsnummer 4/2013 vom ausgesetzt. Es besteht daher derzeit keine Verpflichtung des Vereines Steuer- bzw Abgabennachforderungen zu leisten. Der Beschwerdeführer kann nicht zur Bezahlung eines Betrages verpflichtet werden, der noch nicht rechtskräftig festgesetzt wurde und dessen Einbringlichmachung ausgesetzt wurde. Ein allfälligen Haftungsbescheid wäre erst nach rechtskräftiger Festsetzung einer Abgabenschuld zu erlassen. Vorsichtshalber wird auch gegen die den Haftungsbescheid zugrunde liegenden Bescheide Beschwerde erhoben.
Vorsichtshalber wird Verfristung bzw Verjährung der gegenständlichen Ansprüche eingewendet.
Es wird gestellt der
Antrag
den gegenständlichen Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben. Gleichzeitig wird gemäß § 212a BAO beantragt, die Einhebung der im angefochtenen Haftungsbescheid enthaltenen Abgaben auszusetzen. Die im Abs. 2 leg. cit. angeführten Versagungsgründe für die Aussetzung liegen nicht vor. Tatsächlich würde die Vorausbezahlung der geforderten Haftungssumme für den Beschwerdeführer eine hohe wirtschaftliche Belastung darstellen."
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Bescheidbegründung lautet wie folgt:
"Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
§ 80 BAO verpflichtet die Vertreter juristischer Personen, wozu auch die zur Vertretung eines Vereins berufenen Organe gehören, zur Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten des Vertretenen. Das nach außen vertretungsbefugte Vereinsorgan ist insbesondere dafür verantwortlich, dass die den Verein treffenden Abgaben aus den Mitteln, deren Verwaltung dem Vertreter obliegt, ordnungsgemäß entrichtet werden; widrigenfalls haftet der Vertreter im Fall der schuldhaften Verletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen selbst für die Abgaben in jenem Umfang, in dem diese uneinbringlich sind.
Laut Vereinsregisterauszug ist im Haftungszeitraum Herr ***Bf1*** als Obmann organschaftlicher Vertreter der Primärschuldnerin, des Vereines ***Primärschuldner***.
Mit Beschluss des LG Wr. Neustadt vom wurde das Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung gegen den Verein nicht eröffnet. Die haftungsgegenständlichen Abgaben sind somit bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.
Die Aussetzung der Einbringung erfolgte wegen Erfolglosigkeit von Einbringungsmaßnahmen bei dem Verein, wobei laufende Kontakte mit dem Obmann und Feststellungen über die wirtschaftliche Lage eine Verjährung der gegenständlichen Ansprüche ausschließen. Der Umstand, dass die Beschwerde des Vereines als Primärschuldner gegen die dem Haftungsverfahren vorangegangenen Abgabenbescheide im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung noch unerledigt ist, steht der Haftungsinanspruchnahme des Vertreters nicht entgegen, weil gemäß § 224 BAO die Haftungsinanspruchnahme nicht die (formelle) Rechtskraft der an die Primärschuldnerin gerichteten Bescheide betreffend die Abgabenansprüche voraussetzt (Ritz, BAO-Kommentar, § 224, Tz. 5).
Da nach § 254 BAO durch die Einbringung einer Beschwerde die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten wird, ist die Heranziehung zur Haftung für Abgaben, hinsichtlich derer die Abgabenbescheide noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind, zulässig. Ihrem Beschwerdevorbringen kann somit nicht gefolgt werden und ist spruchgemäß zu entscheiden."
Vorlageantrag
Am stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht, der wie folgt lautet:
"In gegenständlicher Rechtssache wird in offener Frist aufgrund der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Baden-Mödling vom gestellt der
Antrag
auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und dieser ausgeführt wie folgt:
Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die Ausführungen in der Beschwerde vom verwiesen.
Unter Haften im Sinne der BAO ist das Einstehenmüssen für fremde Abgabenschulden zu verstehen (-0011). Eine derartige Haftung setzt sohin den Bestand einer Abgabenschuld voraus.
Die dem gegenständlichen Haftungsbescheid zugrunde liegende (behauptete) Abgabeschuld wurde mit Buchungsnummer 4/2013 vom ausgesetzt. Die Aussetzung der Einbringlichmachung wurde auch in der Berufungsvorentscheidung bestätigt. Die Erlassung von Haftungsbescheiden ist unzulässig, wenn die Einhebung der Abgabe dem Erstschuldner gegenüber ausgesetzt wurde (RAE, § 224 Tz 13).
Die Erlassung von Haftungsbescheiden ist eine Einhebungsmaßnahme. Sie ist daher nur innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist gem. § 238 BAO zulässig (; , 97/16/0501). Die Einhebungsverjährungsfrist beträgt fünf Jahre und ist selbst nach den Feststellungen in der Berufungsvorentscheidung abgelaufen. Es wird daher neuerlich die Verjährung eingewendet.
Der gegenständliche Haftungsbescheid wurde daher zu unrecht erlassen.
Es wird daher neuerlich gestellt der
Antrag
den gegenständlichen Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben. Gleichzeitig wird gemäß § 212a BAO beantragt, die Einhebung der im angefochtenen Haftungsbescheid enthaltenen Abgaben auszusetzen. Die im Abs. 2 leg. cit. angeführten Versagungsgründe für die Aussetzung liegen nicht vor. Tatsächlich würde die Vorausbezahlung der geforderten Haftungssumme für den Beschwerdeführer eine hohe wirtschaftliche Belastung darstellen."
Im Anschluss daran wurden die Beschwerdeakten dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und vom Finanzamt als belangter Behörde im Vorlagebericht angeführt, dass die Haftung für uneinbringliche Abgabenansprüche gegen den Verein ausgesprochen wurde und beantragt wird, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Beschluss
Mit Beschluss vom wandte sich das Bundesfinanzgericht an beide Verfahrensparteien wie folgt:
I. Auf Grund der derzeit dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Unterlagen ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist Obmann des ***Primärschuldner***. Im Jahr 2012 führte die belangte Behörde eine Außenprüfung bei dem Verein durch. Daran anschließend erließ die belangte Behörde im Oktober 2012 Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2008-2011 und einen Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 1-8/2012, die zu Nachforderungen führten. In den Jahren 2013 und 2016 hat die belangte Behörde die Einbringung der am Abgabenkonto verbuchten Nachforderungen ausgesetzt.
Bereits im September 2012 stellte die belangte Behörde einen Konkursantrag. Dieser Konkursantrag wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom abgewiesen.
Auf Grund von älteren Abgabenschuldigkeiten des Vereins, die nicht vom angefochtenen Haftungsbescheid erfasst sind, führte die belangte Behörde Pfändungen von beweglichen Gegenständen durch, die zu einer Exszindierungsklage führten.
Im Jahr 2013 und im Jahr 2017 wurden beim Beschwerdeführer seine wirtschaftlichen Verhältnisse erhoben. Im April 2019 hat ihn die belangte Behörde darüber in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt ist, ihn zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin heranzuziehen. Mit Bescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung in der Höhe von € 113.839,99 heran.
Für sämtliche Beträge, für die der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen wurde, wurden Abgabenbescheide an die Primärschuldnerin erlassen, die dem Beschwerdeführer auch bekannt sind. Die dagegen eingebrachten Rechtsmittel wurden bereits dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Eine diesbezügliche Entscheidung ist noch ausständig.
>> Beide Verfahrensparteien werden eingeladen, dazu Stellung zu nehmen.
II. In der Beschwerde vom wird angeführt, dass auch die "Verjährung der gegenständlichen Ansprüche eingewendet wird". Im Vorlageantrag vom wird dieser Einwand konkretisiert und vorgebracht, dass bereits Einhebungsverjährung eingetreten wäre.
Im Jahr 2012 hat die belangte Behörde einen Konkursantrag gegen die Primärschuldnerin eingebracht. In der Beantwortung vom des Haftungsvorhaltes hat der Beschwerdeführer angegeben, dass er zu seiner Entlastung nur auf seine Aussage beim Handelsgericht Wr. Neustadt im Zuge des Konkursverfahrens verweisen kann.
Am wurden von einem Organ der belangten Behörde die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers erhoben (Formular EV 7, das auch vom Beschwerdeführer unterschrieben wurde).
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegen - nach vorläufiger Ansicht des Bundesfinanzgerichts - sowohl im Jahr 2012 als auch im Jahr 2017 Handlungen vor, welche die Einhebungsverjährung unterbrochen hatten.
>> Beide Verfahrensparteien werden ersucht, dazu Stellung zu nehmen und aufgefordert, insbesondere jene Unterlagen aus dem Konkursverfahren vorzulegen, die sich in ihrem Besitz befinden (zB Aussage des Beschwerdeführers, Beschluss mit dem der Antrag abgewiesen wurde, etc).
III. Im Vorlagebericht wurde von der belangten Behörde auf Seite 4 angegeben, dass eine mündliche Verhandlung beantragt worden wäre. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes enthält weder die vorgelegte Beschwerde vom noch der vorgelegte Vorlageantrag vom einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
>> Beide Verfahrensparteien werden ersucht, dazu Stellung zu nehmen.
IV. In der Beschwerde heißt es auf Seite 2: "Die Einbringung wurde mit Buchungsnummer 4/2013 vom ausgesetzt."
Im Vorlageantrag heißt es auf Seite 2: "Die Aussetzung der Einbringlichmachung wurde auch in der Berufungsvorentscheidung bestätigt. Die Erlassung von Haftungsbescheiden ist unzulässig, wenn die Einhebung der Abgabe dem Erstschuldner gegenüber ausgesetzt wurde (RAE, § 224 Tz 13)."
Mit der Abkürzung "RAE" werden gewöhnlich die Richtlinien für die Abgabeneinhebung (BMF-010103/0166-IV/4/2014) bezeichnet. Die Tz 13, die den § 210 BAO erläutert, lautet: "Die Fälligkeit einer Abgabe kann somit von der Bekanntgabe eines Bescheides abhängig oder unabhängig sein." Der § 224 BAO wird in den Tz 1200 bis 1247 erläutert.
Die RAE Tz 1220 (zu § 224 BAO) lautet:
>> Der Beschwerdeführer wird ersucht, dazu Stellung zu nehmen."
Die Antwort der belangten Behörde, die am beim Bundesfinanzgericht einlangte, lautet:
"Zum Vorhalt wird wie folgt Stellung genommen:
I. Der zusammenfassenden Sachverhaltsdarstellung wird gefolgt.
II. Vorhandene Unterlagen aus dem Konkursverfahren werden im Anhang übermittelt.
III. Bestätigt wird, dass weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag ein Antrag auf mündliche Verhandlung enthalten ist; dies wurde im Vorlagebericht irrtümlich angegeben."
Der Stellungnahme beigefügt war der Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt vom , mit dem der Konkurs mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet wurde und die Zahlungsunfähigkeit der Primärschuldnerin festgestellt wurde.
Am langte die Stellungnahme des Beschwerdeführers, die wie folgt lautet, beim Bundesfinanzgericht ein:
"Richtig ist, dass der Beschwerdeführer Obmann des ***Primärschuldner*** war.
Richtig ist, dass im September 2012 gegen den Verein ein Konkursantrag gestellt wurde, der mit Beschluss des Insolvenzgerichtes vom abgewiesen wurde.
Der Verein hat die Steuernummer 16 1**/****. Zu dieser Steuernummer wurde eine Forderung im Betrag von € 242.716,91 am18.09.2013 und eine Forderung von € 1.774,30 am ausgesetzt. Diese Aussetzung der Einbringlichmachung wurde auch in der Berufungsvorentscheidung bestätigt.
Der Beschwerdeführer wurde am und am schriftlich aufgefordert, seine wirtschaftlichen Verhältnisse bekanntzugeben. Dies Aufforderungen erfolgten aufgrund von Forderungen des Finanzamtes gegen den Beschwerdeführer persönlich zu dessen Steuernummer 16 2**/****.
Diese Erhebungen sind in keinem Zusammenhang mit dem angeführten Verein gestanden. Es wäre auch wohl kaum möglich, vor Erlassung eines Haftungsbescheides Erhebungen wegen Forderungen gegen den Verein gegenüber dem Obmann zu führen. Der Haftungsbescheid wirkt insoweit konstitutiv, als erst durch seine Erlassung der Haftende zum Gesamtschuldner wird ().
Richtig ist weiters, dass gegen die Abgabenbescheide an die Primärschudnerin Rechtsmittel erhoben wurden, über die bis dato noch nicht entschieden ist. Es liegen sohin keine rechtskräftigen Abgabenbescheide gegenüber der Primärschuldnerin vor.
Wie bereits ausgeführt, ist die Erlassung von Haftungsbescheiden eine Einhebungsmaßnahme. Sie ist daher nur innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist gemäß 238 BAO zulässig. Die Einhebungsverjährungsfrist beträgt 5 Jahre.
Wie bereits unter Punk: I ausgeführt, erfolgte die Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers in den Jahren 2014 und 2017 wegen einer alten Steuerschuld im Zusammenhang mit Forderungen gegen die AB, (Steuernummer 16 3**/****) und stehen in keinem Zusammenhang mit einer allfälligen Steuerschuld der Primärschuldnerin. Bei den beiden Einvernahmen zur Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse handelt es sich sohin um keine Verfolgungshandlungen die die Einhebungsverjährung unterbrochen hätten. Tatsächlich hat das Finanzamt Baden Mödling nicht zwischen den einzelnen Rechtssubjekten unterschieden. Wie bereits ausgeführt, können wohl erst dann Erhebungen der wirtschaftlichen Verhältnisse wegen Forderungen gegen die Primärschuldnerin gegen den Beschwerdeführer erfolgen, nachdem ein Haftungsbescheid erlassen wurde, da, wie bereits ausgeführt der Haftungsbescheid konstitutiv wirkt und erst durch seine Erlassung der Haftende zum Gesamtschuldner wird. Es ist gesetzlich nicht vorgesehen, vor Erlassung eines Haftungsbescheides ohne Rechtsgrundlage, wirtschaftliche Erhebungen durchzuführen.
III Es wurde seitens des Beschwerdeführers keine mündliche Streitverhandlung beantragt, da die Aktenlage ausreichend ist, um die aufgeworfenen Rechtsfragen zu behandeln.
IV Die RAE TZ 1220 (zu § 224 BAO) wurde richtig wiedergegeben. Es heißt darin ausdrücklich, dass solange eine Aussetzung der Einhebung besteht, die Geltendmachung einer Haftung unzulässig ist.
Es wird daher wiederholt gestellt der
Antrag
den verfahrensgegenständlichen Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war Obmann des Vereins ***Primärschuldner***. Im Jahr 2012 führte die belangte Behörde eine Außenprüfung bei der Primärschuldnerin durch. Daran anschließend erließ die belangte Behörde im Oktober 2012 Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2008-2011, die zu Nachforderungen führten. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Bundesfinanzgericht noch nicht entschieden. Eine Aussetzung der Einhebung der Nachforderungsbeträge ist nicht aufrecht.
Bereits im September 2012 stellte die belangte Behörde einen Konkursantrag. Die Nachforderungen auf Grund der Außenprüfung, die erst im Oktober 2012 bescheidmäßig vorgeschrieben wurden, konnten davon nicht umfasst sein. Das Konkursverfahren wurde nicht eröffnet und die Zahlungsunfähigkeit der Primärschuldnerin wurde vom Insolvenzgericht festgestellt.
In den Jahren 2013, 2014, 2017 und 2018 hat die belangte Behörde immer wieder mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufgenommen, um den Abgabenrückstand bei der Primärschuldnerin zu regeln. In diesem Zeitraum wurde auch ein Gerichtsverfahren beim Bezirksgericht Baden geführt, das auf die Verringerung des Abgabenrückstandes abzielte. Im Jahr 2014 und am hat die belangte Behörde eine Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse beim Beschwerdeführer durchgeführt. Im April 2019 hat ihn die belangte Behörde darüber in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt ist, ihn zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin heranzuziehen. Mit Bescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung von € 113.839,99 heran.
Abgabenforderungen der Primärschuldnerin wurden nicht entrichtet.
Die Uneinbringlichkeit der Haftungsschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin steht auf Grund der am erfolgten Abweisung des Antrages auf Konkurseröffnung, der von der belangten Behörde eingebracht wurde, fest.
Beweiswürdigung
Die Feststellungen zum Beschwerdeführer als Vereinsobmann und die Feststellungen zur Primärschuldnerin ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig, zumal der im Beschluss vom geschilderten Sachverhaltsannahme keine Verfahrenspartei widersprochen hat. In der Sachverhaltsdarstellung, die in dem angeführten Beschluss enthalten war, wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer der Obmann der Primärschuldnerin ist. In der Beantwortung durch den Beschwerdeführer wurde noch angeführt, dass gegen Abgabenbescheide, die an die Primärschuldnerin (im Herbst Jahr 2012) ergangen sind, ein Rechtsmittel erhoben wurde. Aus der Niederschrift zur Schlussbesprechung bei der Primärschuldnerin ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer an dieser Schlussbesprechung- offenbar als Vertreter der Primärschuldnerin - teilgenommen hatte. Schließlich geht noch aus einem Aktenvermerk der belangten Behörde über die Insolvenzeröffnungstagsatzung im Oktober 2012 hervor, dass der Beschwerdeführer und sein (damaliger) Vertreter gegenüber dem Insolvenzgericht angegeben haben, dass die Vertretungsbefugnis des organschaftlichen Vertreters auch nach dem im Zentralen Vereinsregister eingetragenen Termin weiter besteht, wenn dies in den Statuten vorgesehen ist. Schließlich hat die belangte Behörde auch in ihrem Haftungsvorhalt angeführt, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Abgaben das nach außen vertretungsbefugte Organ war, dem der Beschwerdeführer auch in seiner kurzen Stellungnahme vom nicht widersprochen hat.
Mit Beschluss vom , der bei der Vertreterin der belangten Behörde am eingelangt ist (dies ist aus dem Stempelaufdruck ersichtlich), hat das Insolvenzgericht das Konkursverfahren über die Primärschuldnerin mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet und in diesem Beschluss auch die Zahlungsunfähigkeit (§ 71b Abs 1 IO) festgestellt.
Mit Bescheid vom hat die belangte Behörde einen Antrag der Primärschuldnerin auf Aussetzung der Einhebung abgewiesen und die Primärschuldnerin aufgefordert, die Nachforderungsbeträge hinsichtlich Umsatzsteuer 2008-2011 und 1-8/2012, Körperschaftsteuer 2008-2011 und Kapitalertragsteuer zu entrichten. Auch am Abgabenkonto der Primärschuldnerin finden sich keine Beträge, deren Einhebung gemäß § 212a BAO ausgesetzt wäre. Aus dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin, in das Einsicht genommen wurde, ist lediglich ersichtlich, dass die Einbringung (nicht Einhebung) eines Betrages in Höhe von € 193.586,66 ausgesetzt ist; darin sind auch die haftungsgegenständlichen Abgaben enthalten.
In der Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass eine Verjährung nicht eingetreten wäre, weil die Aussetzung der Einbringung wegen Erfolglosigkeit von Einbringungsmaßnahmen bei Primärschuldnerin erfolgte, wobei laufende Kontakte mit dem Obmann und Feststellungen über die wirtschaftliche Lage eine Verjährung der gegenständlichen Ansprüche ausschließen würden. Aus dem elektronisch geführten Einbringungsakt der belangten Behörde, in den Einsicht genommen wurde, ergibt sich folgendes Bild:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Exszindierungsklage beim BG Baden eingebracht | |
GZ ***GZ*** beim BG Baden, eingebracht am Pfändungsprotokoll PZ 1 - 19, Versteigerungstermin | |
Die Richterin CD hat den Verlassenschaftsakt EF vom BG Mödling übermittelt bekommen. Im Protokoll über das Inventar scheinen die Gegenstände welche in Exekution gezogen sind nicht auf. (lt. RA GH scheinen sie nicht auf, weil sie nicht im Betriebsvermögen waren). Die Klägerin Frau IJ wäre bereit, die Gegenstände welche im Pfändungsprotokoll aufscheinen herauszukaufen- es wäre nur die Frage des Wertes. | |
Lt. Schreiben der Finanzprokuratur vom : Nach Einlangen des Vergleichsbetrages von Euro 1.000,-- wird umgehend das Eigentumsrecht von IJ anerkannt und die Einstellung des Exekutionsverfahrens veranlasst werden. | |
Lt. telef. RS mit dem Obmann Herrn ***Bf1***: (Tel.Nr.: ***TelNr***) Vorsprache zwecks WI-LAGE und VMV erfolgt am um 9 Uhr im FA | |
Lt. dem Obmann Herrn ***Bf1***: Seit dem Tag an dem das FA den Konkursantrag gestellt hatte ist der Verein ***Primärschuldner*** stillgelegt. Die Löschung des Vereins konnte in den Vereinsregisterauszug noch nicht durchgeführt werden, da offene Berufungen anhängig sind. (dzt. beim UFS vorgelegt -diese Berufungen)WI-BERICHT mit dem Obmann Herrn ***Bf1*** durchgeführt. | |
Lt. heutigem Tel. m. Fr. KL (DW ***) war bisher noch kein Lokalaugenschein. In Hinkunft wird jedoch Fr. MN zuständig sein. Fr. KL hat notiert, dass das FA verständigt wird, sobald ein Lokalaugenschein stattgefunden hat. | |
Neuerl. Kontaktaufn. m. BH bzw. Klärung ob Haftung sinnvoll (aus heutiger Sicht - NICHT zielführend, lt Wi-LAGE 19.2.1014 durch STO 27 zu 2**/****). | |
Lt. telef. RS mit Herrn ***Bf1***: Vorsprache zwecks aktuellen VMV + aktuelle Lohn/Gehaltsabrechnung erfolgt am um 9 Uhr im FA. | |
Vorsprache ist erfolgt. VMV wurde von Herrn ***Bf1*** im FA unterfertigt. | |
WI-BERICHT v. v. Herrn ***Bf1*** vorhanden | |
-Telef. Kontaktaufnahme mit Herrn ***Bf1*** ist wegen lösungsorientierten Vorschlag erfolgt - er wird mit seiner Stb. noch sprechen - dann wird er sich am mit dem FA nochmals telef. in Verbindung setzen. | |
Vorsprache von Herrn ***Bf1*** ist erfolgt. -Er hat eine Kopie v. Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung v. beigebracht. Wegen lösungsorientierten Vorschlag einen HB i.H.v. ca. Euro 113.000,-- zu erlassen - äußert er Bedenken wegen Strafverf. - Betrag höher als Euro 70.000,-- Es wurde ihm mitgeteilt, dass noch RS mit der Strafsachenstelle gehalten wird. Herr ***Bf1*** beabsichtigt einen Privatkonkurs |
Daraus ist ersichtlich, dass vor allem im Jahr 2013 zahlreiche Handlungen der belangten Behörde gesetzt wurden, die auf die Einbringung von Abgaben der Primärschuldnerin abzielten. Darüber hinaus fanden im Jahr 2018 einige Gespräche mit dem Beschwerdeführer statt, um die Abgabenrückstände der Primärschuldnerin zu regeln.
Damit ist erwiesen, dass das Vorbringen der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung, dass laufende Kontakte zum Beschwerdeführer unterhalten wurden, um seine wirtschaftlichen Verhältnisse festzustellen, zutreffend ist. Darüber hinaus hat auch der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom angeführt, dass er im Jahr 2014 und 2017 aufgefordert wurde, seine wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt zu geben. Hingegen kann den Ausführungen des Beschwerdeführers in der Stellungnahme, wonach die Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers in den Jahren 2014 und 2017 wegen einer alten Steuerschuld ausschließlich im Zusammenhang mit Forderungen gegen die AB erfolgt wäre, nicht gefolgt werden. Einerseits ist aus den elektronischen Aktenvermerken der belangten Behörde zum Steuerakt bzw. Einbringungsakt der Primärschuldnerin klar ersichtlich, dass die Handlungen der belangten Behörde darauf abgezielt haben, den Abgabenrückstand der Primärschuldnerin zu reduzieren. Andererseits entspricht es auch nicht der Lebenserfahrung, dass eine Abgabenbehörde nur den Abgabenrückstand auf einem Abgabenkonto regulieren möchte, wenn eine Person als Haftungspflichtiger für mehrere Steuersubjekte in Frage kommt.
Rechtsgrundlagen
§ 9 BAO lautet:
§ 9. (1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
(2) Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder haften wegen Handlungen, die sie in Ausübung ihres Berufes bei der Beratung in Abgabensachen vorgenommen haben, gemäß Abs. 1 nur dann, wenn diese Handlungen eine Verletzung ihrer Berufspflichten enthalten. Ob eine solche Verletzung der Berufspflichten vorliegt, ist auf Anzeige der Abgabenbehörde im Disziplinarverfahren zu entscheiden.
§ 80 BAO lautet:
2. Vertreter.
§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.
(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.
§ 224 BAO lautet:
2. Geltendmachung von Haftungen.
§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.
(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.
§ 238 BAO lautet:
F. Verjährung fälliger Abgaben.
§ 238. (1) Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.
§ 209a gilt sinngemäß.
(2) Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
(3) Die Verjährung ist gehemmt, solange
a) die Einhebung oder zwangsweise Einbringung einer Abgabe innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist wegen höherer Gewalt nicht möglich ist, oder
b) die Einhebung einer Abgabe ausgesetzt ist, oder
c) einer Revision gemäß § 30 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, oder einer Beschwerde gemäß § 85 des Verfassungsgerichtshofgesetzes - VfGG, BGBl. Nr. 85/1953, aufschiebende Wirkung zuerkannt ist.
(4) Wenn fällige Abgaben durch Handpfand gesichert sind, findet § 1483 ABGB. sinngemäß Anwendung. Sind sie durch bücherliche Eintragung gesichert, so kann innerhalb von dreißig Jahren nach erfolgter Eintragung gegen die Geltendmachung der durch das Pfandrecht gesicherten Forderung die seither eingetretene Verjährung der Abgabe nicht eingewendet werden.
(5) Wird ein Bescheid, mit dem eine Abgabenschuldigkeit gelöscht (§ 235) oder nachgesehen (§ 236) wird, innerhalb von drei Jahren ab seiner Bekanntgabe (§ 97) abgeändert oder aufgehoben, so lebt dadurch der Abgabenanspruch wieder auf und beginnt die Verjährungsfrist mit der Bekanntgabe des Abänderungs- oder Aufhebungsbescheides neu zu laufen.
(6) Die Abs. 1 bis 5 gelten auch für die Einhebung und zwangsweise Einbringung der im § 207 Abs. 4 bezeichneten gegen Abgabepflichtige gerichteten Ansprüche.
Rechtliche Beurteilung
Verjährung:
Gemäß § 238 Abs 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, (grundsätzlich) binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist. Die Einhebungsverjährung befristet das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen. Einhebungsmaßnahmen sind nur auf Abgabenschuldigkeiten zulässig, die noch nicht "einhebungsverjährt" sind. Ergeht ein als Einhebungsmaßnahme zu qualifizierender Bescheid zu Unrecht nach Eintritt der Einhebungsverjährung, so ist er inhaltlich rechtswidrig (). Gemäß § 238 Abs 2 BAO wird die fünfjährige Einhebungsverjährung, die mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, durch jede zur Durchsetzung des Anspruchs unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Ist eine solche Unterbrechung eingetreten, beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, neu zu laufen.
Unterbrechungshandlungen im Sinne des § 238 Abs 2 BAO wirken anspruchsbezogen und somit nicht nur gegenüber etwa dem Primärschuldner, sondern auch gegenüber einem allfällig Haftungspflichtigen (). Eine "absolute" - also unabhängig von allfälligen Unterbrechungshandlungen eintretende - Verjährung der Einhebung kennt die BAO nicht (). Die anspruchsbezogene Wirkung von Unterbrechungen hat durch die über § 224 Abs. 3 und § 238 Abs. 1 BAO geschaffene Verknüpfung von Bemessungs- und Einhebungsverjährung auch zur Folge, dass hinsichtlich der Bemessungsverjährung gesetzte Amtshandlungen iSd § 209 Abs. 1 BAO Auswirkungen auf die Einhebungsverjährung zeitigen. Wenn schon jede Amtshandlung nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung des in § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem unterbricht, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, gilt dies entsprechend auch für Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches iSd § 209 Abs. 1 BAO ().
Neben den im Gesetz selbst beispielsweise aufgezählten Maßnahmen (Mahnung, Vollstreckungsmaßnahmen, Bewilligung einer Zahlungserleichterung, Erlassung eines Haftungsbescheides) sind Unterbrechungshandlungen auch Erhebungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen (), Amtshilfeersuchen, Sicherstellungsaufträge, Vollstreckungsbescheide, Widerruf von Zahlungserleichterungen oder Zahlungsaufforderungen ().
Ein Schreiben, mit welchem die Behörde dem zur Haftung für Abgabenschulden Herangezogenen detailliert die den einzelnen Jahren zugeordneten Beträge an aushaftender Steuer mit der Aufforderung mitteilt, im Falle des Anerkenntnisses den Rückstand zu begleichen, ist als Unterbrechungshandlung im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO zu werten ().
Selbst Meldeanfragen an die zuständige Meldebehörde stellen Unterbrechungshandlungen dar (), wobei auf solchen Meldeanfragen - soweit sie nicht automationsunterstützt erfolgen - schon aus Gründen der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht keine Aufstellung der aushaftenden Abgaben enthalten ist. Insofern bedarf es keiner solchen Angabe im Zuge der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Haftungspflichtigen. Darüber hinaus erfolgten auch Anfragen an die Bezirkshauptmannschaft und die belangte Behörde hat sich beim Beschwerdeführer über die Vermögensverhältnisse bei der Primärschuldnerin im Jahr 2013 erkundigt. Unter anderem im Jahr 2018 hatte die belangte Behörde mehrmals Kontakt mit dem Beschwerdeführer; dabei ging es um den Abgabenrückstand bei der Primärschuldnerin.
Einhebungsverjährung ist somit noch nicht eingetreten.
Tatbestand:
Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den §§ 9 und 80 BAO ist eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (). Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet ().
Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können. Als Vereinsobmann der Primärschuldnerin war der Beschwerdeführer ihr Vertreter (vgl § 6 VereinsG).
Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (). Die Zahlungsunfähigkeit wurde bereits durch das Landesgericht Wr. Neustadt als Insolvenzgericht festgestellt. Somit ist auch die Vermögenslosigkeit evident.
Pflichtverletzung:
Ein bestellter Vereinsobmann, dem die Vertretung des Vereins nach außen obliegt, hat die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. zB , und vom ; zur Haftung eines "willfährigen" Geschäftsführers vgl. weiters das Erkenntnis vom mwN).
Zu den Pflichten des Vertreters gehört,
- für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (Abgabenzahlungspflicht);
- die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-,Offenlegungs- und Wahrheitspflichten;
- andere Personen (Angestellte), die er mit den steuerlichen Agenden betraut, zu kontrollieren (Auswahl- und Kontrollpflichten);
- sich bei Geschäftsübernahme zu informieren;
- Zurücklegung der Geschäftsführungsfunktion bei Behinderung/Beschränkung der Befugnisse.
Die Inanspruchnahme der gemäß § 9 BAO bestehenden Haftung setzt voraus, dass die schuldhafte Pflichtverletzung kausal für die Uneinbringlichkeit ist. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (zB ; ; ). Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ). Daher reicht leichte Fahrlässigkeit aus (zB ; ).
Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf (zB ). Er hat das Fehlen ausreichender Mittel für die Abgabenentrichtung nachzuweisen. Ein diesbezügliches Vorbringen hat der Beschwerdeführer nicht erstattet.
Eine Haftung kommt auch für aufgrund einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen entstandene Abgabenschulden in Betracht (vgl. ). Der Vertreter haftet für eine solche Abgabennachforderung, wenn ihm ein Verschulden an der Verletzung jener abgabenrechtlichen Pflichten, die die Schätzung begründet hat, zugerechnet werden kann (insbesondere Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit den Gründen des § 184 Abs 2 und 3 BAO). Das Unterlassen der Vorlage von Grundaufzeichnungen begründet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits die Schätzungsberechtigung (vgl. zB ). Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind - wenn der Haftungsinanspruchnahme ein Bindungswirkung auslösender Bescheid an die Gesellschaft vorangegangen ist - in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen (vgl. ).
Die Inanspruchnahme der Haftung setzt voraus, dass die schuldhafte Pflichtverletzung kausal für die Uneinbringlichkeit ist. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringlichkeit bzw Uneinbringlichkeit ursächlich war (zB ; ; ).
Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf (zB ).
Eine Haftung kommt auch für aufgrund einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Abgabenbescheide haben im Spruch den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu enthalten (§ 198 Abs 2 BAO). Bezieht sich die Angabe der Fälligkeit nicht auf die gesamte festgesetzte Abgabe, sondern nur auf einen Teil (zB Nachforderung gegenüber einem Vorauszahlungsbescheid), so ist außer dem Zeitpunkt auch der Betrag zu nennen, auf den er sich bezieht; dieser Betrag (Höhe der Nachforderung) ist Spruchbestandteil (Ritz, BAO6, § 198 Tz 12; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO , § 198 Anm 20).
Gemäß § 210 Abs 1 BAO werden Abgaben - unbeschadet besonderer Regelungen - mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides fällig (zB für Einkommensteuerabschlusszahlungen nach § 46 EStG, wobei die Bestimmung auch für die Körperschaftsteuer gilt). Gemäß § 45 Abs 2 EStG sind die Vorauszahlungen zu je einem Viertel am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November zu leisten; die Fälligkeiten sind gesetzlich vorgegeben und können vom Finanzamt nicht bescheidmäßig abgeändert werden (Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 45 Anm 15). Gemäß § 24 Abs 3 KStG sind die Vorschriften des EStG über die Entrichtung der Körperschaftsteuer sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 21 Abs 1 UStG hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung (Steuererklärung) einzureichen. Eine sich ergebende Vorauszahlung ist spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Somit wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung zur Umsatzsteuer (Jahresumsatzsteuerbescheid) keine von § 21 Abs. 1 und 3 UStG abweichende Fälligkeit begründet. Das bedeutet, dass nicht der Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Umsatzsteuernachzahlung für die Fälligkeit relevant ist, sondern die entsprechende gesetzliche Bestimmung, die besagt, dass sich im Fall rückständiger Vorauszahlungen der 15. des auf den betreffenden Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates als Fälligkeitstag ergibt.
Unabhängig von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft ist die Verletzung der Verpflichtung zur Abfuhr von Umsatzsteuern, Lohnabgaben oder Kapitalertragsteuer jedenfalls schuldhaft, weil es sich dabei um solche Abgaben handelt, deren Entrichtung bzw Abfuhr bei korrekter Geschäftsführung durch diese Schwierigkeiten nicht gehindert war ().
Ausmaß der Haftung:
Die Haftung ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann als Haftende in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt und diese Verbindlichkeit beim Hauptschuldner uneinbringlich ist (Subsidiarität). Die Haftungsschuld ist weiters ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht (gültig) entstanden oder ist sie erloschen oder hat nur mehr den Charakter einer Naturalobligation (), ist auch eine Haftung für diese nicht denkbar (). Das Erlöschen der Abgabenschuld wird unter anderem durch die Entrichtung der Abgaben - etwa durch einen Gesamtschuldner - bewirkt (), durch Nachsicht oder Löschung (vgl Ritz, BAO6, § 4 Tz 9).
Bei der Umsatzsteuer entsteht der Abgabenanspruch gemäß § 19 Abs 2 bis 4 UStG 1994 jeweils mit Ablauf des Kalendermonats.
§ 4 Abs 2 lit a Z 2 BAO besagt, dass der Abgabenanspruch bei der Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer grundsätzlich "für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird", entsteht (vgl ).
Der Abgabenanspruch entsteht grundsätzlich unabhängig von der behördlichen Tätigkeit und setzt daher - außer bei ESt/KÖSt-Vorauszahlungsbescheiden - keine diesbezügliche Bescheiderlassung voraus. Die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung setzt nur das Bestehen eines Abgabenschuldverhältnisses, also das Bestehen einer Abgabenschuld (§ 4 BAO), voraus. ().
So regelt § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO, dass der Abgabenanspruch bei der Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer grundsätzlich "für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird", entsteht ().
Abgabenbescheid - Beschwerde:
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten.
Die in § 248 BAO ausgedrückte Bindungswirkung erfordert lediglich wirksame, nicht jedoch rechtskräftige Abgabenbescheide (), weil § 248 BAO dem Haftungspflichtigen die Möglichkeit einräumt, unbeschadet der Einbringung eines Rechtsmittels gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerde zu erheben (; ).
Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren nur dann zu beantworten, wenn kein Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid vorangegangen ist.
Kausalität:
Der Vertreter haftet aber nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Der Vertreter hat bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter zu behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz; ). Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat (). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens setzt den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Diesen Nachweis hat der Vertreter auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel zu diesen Zeitpunkten andererseits bezogen zu führen (; ). Ob eine Gleichbehandlung der Gläubiger im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, ist kein unter Beweis zu stellender Sachverhalt, sondern eine rechtliche Würdigung ().
Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (). Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Solche Unterlagen wären bereits bei Entstehung der Zahlungspflicht und nicht vollständiger Entrichtung zu sichern gewesen wären (vgl. ).
Kommt der Vertreter der Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens nicht nach und erbringt er nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er dann für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze (vgl. ; ). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben. Für die Frage, ob andere andrängende Gläubiger gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt worden sind, ist es nicht relevant, ob geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung rechtsunwirksam oder anfechtbar gewesen wären ().
Ermessen:
Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer war alleiniger Obmann der Primärschuldnerin und war für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich.
Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf (). Das Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin wurde bereits im Jahr 2012 wieder beendet, zumal es gar nicht eröffnet wurde. Seither hat die belangte Behörde immer wieder versucht, eine Regelung hinsichtlich des Abgabenrückstandes mit dem Beschwerdeführer zu treffen. Die Haftung wurde jedoch erst im September 2019 ausgesprochen, somit annähernd sieben Jahre nachdem die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststand. Dieser Umstand ist im Rahmen des Ermessens dahingehend zu berücksichtigen, dass der von der belangten Behörde vorgeschriebene Haftungsbetrag um ca 30 % auf € 80.000,-- reduziert wird.
Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftenden wie etwa dessen Vermögenslosigkeit und/oder Arbeitsunfähigkeit stehen nach der Rechtsprechung in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung und können somit die Ermessensübung nicht beeinflussen (). Eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit der geltend gemachten Verbindlichkeiten beim Haftungspflichtigen schließt nämlich nicht aus, dass künftig neu hervor gekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen könnten (). Die Inanspruchnahme der Haftung in Ausübung des Ermessens ist mit dem derzeitigen, im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides vorhandenen Vermögen nicht begrenzt (). Selbst der Umstand, dass eine Haftungsschuld letztlich nur zum Teil eingebracht werden kann, steht deren (ungekürzten) Geltendmachung nicht entgegen ().
Ergebnis:
Insgesamt besteht eine Haftung für Umsatzsteuer 2008-2012 und für Körperschaftsteuer 2008-2011 in Höhe von € 80.000,-- zu Recht.
Zulassung der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei der zu lösenden Rechtsfrage an den zitierten gesetzlichen Bestimmungen sowie der dazu angeführten Literatur. Die rechtlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme zur Haftung sind durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend geklärt. Es liegt hier keine zu klärende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Zulässigkeit einer Revision zu verneinen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101623.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at