Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.03.2020, RV/7105506/2019

Schätzung wegen nachgewiesener Umsatzverkürzung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Krafft in der Beschwerdesache Bf., Wohnanschrift, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Waldviertel vom bzw. , betreffend Umsatzsteuerfestsetzung 9-12/2017 und 1-6/2018 bzw. die Umsatzsteuer 2017 und 2018 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Die bekämpften Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Frau Bf. betrieb im Streitzeitraum den Gastronomiebetrieb "XY" in Betriebsanschrift. 
Die Bf. gab seit der Eröffnung des Betriebes im September 2017 keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Im Zuge einer Umsatzsteuersonderprüfung (USO) für den Zeitraum 9/2017 bis 6/2018 schätze die belangte Behörde (FA) die Umsätze und setzte die USt in folgender Höhe fest:


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Zeitraum
9-12/2017
1-6/2018
steuerbarer Umsatz
34.856,76
27.177,77
20% Normalsteuersatz
20.421,67
16.017,94
10% ermäßigter Steuersatz
14.435,09
11.159,83
Vorsteuern
2.635,98
1.985,59

Begründend wird in Tz 4 des USO-Berichts  bzw. der Niederschrift zur USO zunächst ausgeführt, dass die Bf. in der Zeit von  bis Saalmiete von 1.000 € bar einnahmt und nicht in der Registrierkasse erfasst habe.

Die genannten Registrierkasse befinde sich zwar seit Betriebseröffnung 9/2017 im Betrieb, die Signatur- und Siegelerstellungseinheit sei aber erst 2/2018 angebunden worden.

In der von der Bf. geführten Registrierkasse würden Barumsätze nicht vollständig erfasst. Aufgrund der Feststellungen über die mangelnde Ordnungsmäßigkeit und Offenlegungsverpflichtung seien Verprobungen der Umsätze durchgeführt und dabei Kalkulationsdifferenzen von 75% im Jahr 2017 und 60% im Jahr 2018 festgestellt worden.

Die USO habe festgestellt, dass an überdurchschnittlich vielen Tagen keine Tageslosung ausgewiesen sei, Tageslosungen an Veranstaltungstagen oder Tagen mit üblicherweise hoher Frequenz mit niedriger Zahl an Geschäftsfällen und Losungen aufgezeichnet und die die Verprobung der Sparte "Bier" eine mengenmäßige Verkürzung zwischen 60% und 75% ergeben habe.

Alles in Allem könne aufgrund der vorhandenen Aufzeichnungen von einer sachlichen Richtigkeit (Anm. der Richterin: der Bücher und Aufzeichnungen) nicht ausgegangen werden. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen sei daher im Wege der Schätzung gem § 184 BAO vorgenommen und anhand der anteiligen Verkürzung sämtlich in der Registrierkasse gebuchten Umsätze erhöht worden. Zudem sei anhand der Rohaufschläge der Wareneinkauf rückbezogen kalkuliert und entsprechende Vorsteuern geschätzt worden.

In der rechtzeitig einbrachten Beschwerde vom  wendete die Bf. wörtlich ein:
Da wir leider nur Abends täglich 5-8 Gäste haben und diese zu 90 % Bier konsumieren, ist die Schätzung aller anderen Sparten meiner Ansicht nicht Korrekt. Ich beantrage eine Berechnung der Umsatzsteuer nur von der Sparte Bier. Weiters beantrage ich eine Prüfung der Monate September und Oktober 2018, wo eindeutig ersichtlich ist das alles korrekt in die Kassa eingegeben wurde und der Umsatz hauptsächlich aus Bierverkauf besteht. Auch beantrage ich Zeugenladungen von Vereins- und Gemeindeverantwortlichen.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wies das FA die Beschwerde ab und und wies darauf hin, dass im Zuge der vorgenommenen Prüfung zugegeben worden sei, dass zumindest Bier in der Registrierkasse nicht vollständig erfasst worden sei. Aufgrund der erfolgten Nachkalkulation sei eine Verkürzung von 60 % festgestellt worden. Da jedoch die anderen Leistungen nicht im Detail kalkulierbar gewesen seien, sei es aufgrund der massiven Kassenmängel erforderlich gewesen auch diese zu schätzen. Dabei sei der gleichen Verhältnissatz zugrunde gelegt worden. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass eine beabsichtigte Verkürzung ausschließlich eine Sparte betreffe. Viel wahrscheinlicher sei der Fall, dass im allgemeinen Einzelgeschäftsfälle nicht erfasst würden und zur Gänze verkürzt würde. Dies stütze sich auch auf die Feststellung, dass für Veranstaltungen und üblicherweise umsatzstarke Tage wie Wochenenden oder Feiertagen keine Tageslosungen erfasst worden seien.

Mit Vorlageantrag vom wendete die Bf. gegen die BVE ein wie folgt:
Ich habe den Betrieb des Gasthauses beendet da seit über 1 Jahr keine Gäste kommen und ich nicht mehr in der Lage bin, weiter zu machen. Ich hatte nur am Abend für 5-7 Personen offen. Der Umsatz besteht zu 90% nur aus Bier. Speisen werden absolut nicht verkauft. Ich erwirtschafte mit Sicherheit nicht über 2500,- Umsatz pro Monat.
Die Vereine machen ausnahmslos ihre Treffen im Feuerwehrhaus oder im Gasthaus von Gemeinderat. Samstag und Sonntag habe ich durchschnittlich von 0-3 Personen Besuch. Wenn keine Gäste kommen kann ich auch nichts bonieren. Ich kann nur Bier verkaufen.
Die Schätzung ist nicht zulässig und so berechnet das ich im Jahr 2017 knapp über die 30.000,- Euro Grenze geschätzt wurde. Im Jahr 2018 waren nur 7 Monate geöffnet und die Schätzung sowieso unter 30 000,- Euro liegt aber trotzdem nicht korrekt ist.

Am erließ das FA nach einer Betriebsprüfung betreffend die Jahre 2017 und 2018 unter anderem Jahresumsatzsteuerbescheide für 2017 und 2018 mit folgenden Werten:


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2018
 
steuerbare Umsätze 20% BMG 52.800,00
10.560,00
steuerbare Umsätze 10% BMG 18.200,00
1.820,00
Vorsteuern
-7.720,00
Zahllast 2018
4.660,00
2017
 
steuerbare Umsätze 20% BMG 32.000,00
6.400,00
steuerbare Umsätze 10% BMG 16.600,00
1.660,00
Vorsteuern
-3.360,00
Zahllast 2018
4.700,00

Auch bei diesen Bescheiden verweist das FA auf festgestellte Aufzeichnungsmängel und nachgewiesene Nichterfassung von rund 80% des Fassbierverkaufes in der Registrierkasse und der daraus resultierenden fehlenden Erlöserfassung. Daraus resultiere die Schätzungsberechtigung nach § 184 BAO und sei im Rahmen der Schätzung der festgestellte Verkürzungsprozentsatz anteilig auf alle Umsätze umzulegen.

Überdies sei ein Werbekostenzuschuss der Brauerei vom in Höhe von 8.000,00 netto in den 20% Erlösen sowie der Eigenverbrauch - ermittelt anhand der SachbezugswerteVO - zu berücksichtigen.

Die Vorsteuern wurden soweit keine Belege vorhanden waren ebenfalls im Schätzungswege ermittelt.

Der folgende entscheidungsrelevante Sachverhalt wird der Entscheidung zugrundegelegt:

Die Bf. betrieb jedenfalls ab September 2017 das Gasthaus XY" in Betriebsanschrift. Sie gab keine Umsatzsteuervoranmeldung ab. Im Unternehmen befand sich zwar ab 9/2017 eine Registrierkasse, diese wurde aber erst ab Februar 2018 mit der vorschriebenen SEE Signatur betrieben. Diese Feststellungen ergeben sich aus dem unbestritten gebliebenen Akteninhalt (va der USO und einer Nachschau durch die Finanzpolizei).

Ein anderes Rechenwerk, Belegsammlung oder Aufzeichnungen wurde trotz entsprechender Aufforderungen nie vorgelegt. Das Gericht geht daher davon aus, dass kein Rechenwerk im eigentlichen Sinne existierte.

Aus den vom FA im Zuge der Überprüfungshandlungen von den Fassbierlieferanten abgeforderten Unterlagen zu den gelieferten Biermengen ist eindeutig ableitbar, dass ein sehr großer Teil der eingekauften Waren zu keiner erlösmäßigen Erfassung in der Registierkasse führte.

Die BP konnte anhand der Lieferungen verglichen mit den erfassten Umsätzen folgende Fehlmengen an Fassbier in den einzelnen Monaten feststellen:

Die Bf. erklärte zudem selbst im Rahmen der USO, dass Umsätze - ihrer Darstellung nach aber nur Bier - nicht erfasst worden seien. Andere Erklärungen für die Fehlmengen wurden nicht gegeben. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die festgestellten Mengen tatsächlich verkauft und die daraus resultierenden Erlöse nicht erfasst worden waren.

[...]

Aus all diesen Umständen leitete das FA daher zu Recht ab, dass die Umsatzverkürzungen über alle im Lokal abgegebenen Getränke und Speisen insgesamt rund 80% der jeweiligen in der Registrierkasse erfassten Erlöse betrugen. Derartige Umsatzverkürzen betreffen aber aus der Erfahrung nämlich niemals nur eine Warengruppe (hier Bier), sondern führt das FA richtigerweise ins Treffen, dass Umsatzverkürzungen im Gastgewerbe in der Regel alle Warengruppen im gleichen Umfang betreffen. Ein untrüglicher Hinweis, dass die Nichterfassung nicht nur Getränke sondern auch konsumierte Speisen betraf ist nicht zuletzt auch aus der Niederschrift zum Lokalaugenschein ersichtlich.

Fest steht überdies, dass die Bf 2018 Saalmiete von 1.000 € bar und 2017 einen Werbezuschuss der Brauerei von 8.000 € zuzüglich 1,600 € USt vereinnahmte, eine Erfassung dieser Umsätze ist ebenfalls nicht feststellbar. 

Die von der BP vorgenommene Berechnung der Umsätze aus der Nachkalkulation aus dem festgestellten tatsächlichen Wareneinsatz einer Warengruppe und analoge anteilige Anwendung auf die übrigen Warengruppen erfolgte nachvollziehbar und scheint den tatsächlichen Gegebenheiten weitestgehend zu entsprechen. 

Wenn die Bf. ausführt, dass sie hauptsächlich Bierumsätze gemacht hätte und daher der Speisenumsatz nicht zu schätzen sei, ist ihr entgegen zu halten, dass die Schätzung anteilig nach dem erfassten Umsatzverhältnis erfolgte und somit der niedrige Speisenanteil in der Schätzungsberechnung Berücksichtigung fand. Das Vorbringen der Bf. zu dieser Berechnung ist nicht konkretisiert, Unterlagen welche die vorgenommene Berechnung als unrichtig erkennen lassen wurden nicht vorgelegt. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass nur jene Vorgänge die bereits eindeutig festgestellt wurden (nämlich nachweisliche Nichterfassung von Bierverkäufen) bestätigt werden, alles andere aber weiterhin - vollkommen unsubstantiiert - abgestritten wird.

Den beantragten Beweisen - nämlich Einvernahme von Zeugen, bzw. Prüfung der Umsätze des Nachpächters - konnte mangels Konkretisierung der Zeugen bzw. des Beweisthemas nicht nachgegangen werden. Der beantragte Umsatzvergleich mit dem Nachpächter stellt einerseits einen unzulässigen Erkundungsbeweisantrag dar und scheitert zudem an der abgabenrechtlichen Verschwiegenheitsverpflichtung.

Ebenfalls zutreffend und der Lebenserfahrung entsprechend ist die Feststellung der Bp., dass im Rahmen eines Gastronomiebetriebes, der Eigenbedarf aus dem Unternehmen gedeckt wird. Ein Eigenverbrauch für die Bf., ihren Ehepartner und die drei im Haushalt lebenden Kindern ist daher entsprechend den Berechnungen der Bp. wird wie folgt anhand der SachbezugswerteVO ermittelt und festgestellt:

Daraus ergibt sich folgender Gesamtumsatz


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2017
2018
Erlöse 20% Gasthaus
23.300,00
50.800,00
Werbezuschuss 20%
8.000,00
 
Eigenverbrauch 20%
700,00
2.000,00
Summe 20%
32.000,00
52.800,00
Erlöse 10 % Gasthaus
15.800,00
16.000,00
Eigenverbrauch 10%
800,00
2.200,00
Summe 10%
16.600,00
18.200,00
Gesamtumsatz daher
48.600,00
71.000,00

Vorsteuern sind im folgenden Ausmaß als gegeben anzusetzen:

Im Ergebnis sind daher sämtliche Feststellung und Berechnungen der BP zutreffend und wird auf die Ausführungen und Darstellungen im BP-Bericht und im Bericht zur USO sowie die zutreffenden Sachverhaltsausführungen in der BVE verwiesen.

Das Vorbringen der Bf. zur Unrichtigkeit der Feststellungen und Berechnungen bleibt inhaltlich völlig vage, es werden keine überprüfbaren Unterlagen oder andere Beweise beigebracht und ist soweit nicht ohnehin widerlegt (Lokalaugenschein, Nichterfassung von Bierverkäufen) insgesamt unglaubwürdig bzw. widerspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass die Darstellung, dass mit fortlaufender Betriebsdauer die Speisenumsätze stark zurück gegangen seien, spiegelt sich auch in den Registrierkassenerlösen und damit auch in der aus dem dortigen Umsatzverhältnis abgeleiteten schätzungsweisen Berechnung der tatsächlichen Umsätze wieder. Auffallend ist auch, dass in der Beschwerde behauptet wird, dass in den Monaten September und Oktober 2018 sämtliche Umsätze erfasst worden seien, im Rahmen der BP aber dennoch für die genannten Monate eine - wenn auch deutlich geringere - aus den Biereinkäufen abgeleitete Verkürzung (geringere Fehlmengen als in den Vormonaten) festgestellt werden konnte. Auch aus diesem Umstand ist erkennbar, dass die Ausführungen der Bf. jedenfalls nicht zutreffend sind.

Rechtlich folgt daraus:

Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, so gilt gemäß § 253 BAO die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst.
Das gilt unter anderem auch für Umsatz­steuerveranlagungs­bescheide ( § 21 Abs 4 UStG 1994), die an die Stelle von Umsatz­steuerfestsetzungs­bescheiden ( § 21 Abs 3 UStG 1994) treten ( Ritz, BAO § 253 Rz 2; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 3, § 253 Anm 3).

Die Beschwerde vom  gerichtet gegen die Umsatzsteuerfestsetzung betreffend die Monate 9-12/2017 und 1-6/2018 vom gilt daher auch als gegen die Umsatzsteuerjahresbescheide 2017 und 2018 beide vom  gerichtet.

§ 184 BAO lautet:
"(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgaben­erhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabe­pflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs 1) wesentlich sind.

(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabe­pflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgaben­vorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen."

Gemäß § 18 Abs. 1 UStG 1994 ist jeder Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu führen. Diese Verpflichtung gilt in den Fällen des § 11 Abs. 14 auch für Personen, die nicht Unternehmer sind.

§ 131 b BAO lautet auszugsweise:
" (1) 1. Betriebe haben alle Bareinnahmen zum Zweck der Losungs­ermittlung mit elektronischer Registrierkasse, Kassensystem oder sonstigem elektronischen Aufzeichnungssystem unter Beachtung der Grundsätze des § 131 Abs 1 Z 6 einzeln zu erfassen.
2. Die Verpflichtung zur Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems (Z 1) besteht ab einem Jahresumsatz von 15 000 Euro je Betrieb, sofern die Barumsätze dieses Betriebes 7 500 Euro im Jahr überschreiten.

(2) Das elektronische Aufzeichnungssystem (Abs 1 Z 1) ist durch eine technische Sicherheitseinrichtung gegen Manipulation zu schützen. Dabei ist die Unveränderbarkeit der Aufzeichnungen durch kryptographische Signatur- bzw. durch kryptographisches Siegel jedes Barumsatzes mittels einer dem Steuer­pflichtigen zugeordneten Signatur bzw. Siegeler­stellungseinheit zu gewährleisten und die Nachprüfbarkeit durch Erfassung der Signatur auf den einzelnen Belegen sicherzustellen.(3) Die Verpflichtungen nach Abs 1 sowie Abs 2 bestehen mit Beginn des viertfolgenden Monats nach Ablauf des Voranmeldungs­zeitraums, in dem die Grenzen des Abs 1 Z 2 erstmals überschritten wurden. Werden die Umsatzgrenzen (Abs 1 Z 2) in einem Folgejahr nicht überschritten und ist aufgrund besonderer Umstände absehbar, dass diese Grenzen auch künftig nicht überschritten werden, fällt die Verpflichtung zur Losungs­ermittlung mit elektronischem Aufzeichnungssystem gemäß § 131b BAO mit Beginn des nächstfolgenden Kalenderjahres weg.
….."

Wie oben dargestellt, verfügte die Bf. zwar seit Eröffnung des Betriebes über eine Registrierkasse, diese war jedoch bis Feb 2018 nicht mit einer § 131b (2) entsprechenden Signatur- und Siegelerstellungseinheit verbunden. Darüber hinaus wurde festgestellt (sogar aus den eigenen Angaben der Bf.), dass nicht alle Bareinnahmen in der Registrierkasse erfasst wurden. Da die Registrierkasse die einzige Form der Aufzeichnung der Umsätze der Bf. darstellte und diese nicht den Bestimmungen des § 131b BAO entsprach, verletzte die Bf. - zusätzlich zur nicht vollständigen Erfassung der Umsätze - die Aufzeichnungspflichten des § 18 UStG 1994. Daher ergibt sich eine Schätzungsberechtigung der belangten Behörde aus § 184 Abs. 3 BAO, wegen fehlender bzw. sachlicher Unrichtigkeit der nach den Abgabenvorschriften zu geführten Bücher und Aufzeichnungen. Gegenstand der Schätzung sind Besteuerungsgrundlagen, nicht jedoch die Abgabenhöhe ();

Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen (; , 2009/17/0119; , 2007/15/0265; , 2008/15/0122), somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben ( ; , 2012/13/0068).

Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent ( ; , 97/15/0076; , 95/16/0222; , 2000/14/0166; , 2009/17/0127; , Ro 2014/13/0022). Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (; , 98/14/0026; , 96/14/0111; , 2009/17/0119 bis 0122).

Die Wahl der Schätzungs­methode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei (; , 2000/14/0187; , 2006/13/0150; , 2009/15/0006; , 2009/15/0201; , 2012/13/0097). Gegen die hier angewendete Methode der Umsatzschätzung über Nachkalkulation aus dem Wareneinsatz einer Produktgruppe und Anwendung des festgestellten Verkürzungsprozentsatzes auf andere Produktgruppen desselben Unternehmens bestehen daher keine Einwendungen. Vor allem dann nicht, wenn hiebei  nicht nur branchentypische Verhältnisse, sondern insbesondere die betrieblichen Bedingungen des betreffenden Betriebes (seine Besonderheiten, die für ihn geltenden Marktbedingungen) berücksichtigt wurden (Umsatzverhältnis der einzelnen Produktgruppen entsprechend dem Verhältnis der Umsatzerlöse der Registrierkasse).                 

Eine Schätzung von Vorsteuern kommt in Betracht, wenn als erwiesen angenommen werden kann, dass dem Unternehmer entsprechende Vorsteuern in Rechnung ( § 11 UStG 1994) gestellt wurden ( ; , 93/13/0051; , 98/13/0033 ).

Die bekämpften Bescheide sind sohin nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet und die Beschwerde daher abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage des Vorliegens der Schätzungsberechtigung und auch die Berechnung der Bemessungsgrundlagen stellen im gegenständlichen Fall Sachverhaltsfragen und keine Rechtsfragen dar, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war. Rechtlich folgt die gegenständliche Entscheidung der dazu ergangenen und oben zitierten umfangreichen Judikatur.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 131b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 18 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105506.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at