Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.01.2020, RV/7103753/2019

Geschäftsführerhaftung ohne Gleichbehandlungsnachweis

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Dr. Herbert Franz Wabnegg, Bösendorferstraße 7, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom , Steuernummer 04 1**/**** zu Recht erkannt: 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Der Beschwerdeführer wird im Ausmaß von € 29.732,50 zur Haftung herangezogen.
Eine Aufgliederung des Haftungsbetrages findet sich am Ende der Entscheidung, die einen Bestandteil des Spruches bildet.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf:
Im November 2016 schloss das Finanzamt Wien 2/20/21/22 bei der Primärschuldnerin (Primärschuldnerin) eine Außenprüfung ab. Prüfungsgegenstand war die Umsatzsteuer der Monate 04-12/2015. Im Anschluss daran erließ das Finanzamt Wien 2/20/21/22 unter anderem einen Umsatzsteuerbescheid 2015 vom , der zu einer Nachforderung von € 25.308,43 führte. Am Datum_3 wurde vom Handelsgericht Wien das Konkursverfahren über die Primärschuldnerin mangels Kostendeckung nicht eröffnet. Am richtete das Finanzamt Wien 4/5/10 (belangte Behörde) einen Vorhalt an den Beschwerdeführer mit folgendem Inhalt:
"Betrifft: Abgabenrückstände der Primärschuldnerin [...]
Auf dem Abgabenkonto der o.a. GmbH haften aus dem Zeitraum Ihrer Geschäftsführer- bzw. Abwicklertätigkeit Abgabenrückstände in Höhe von € 30.613,47 (siehe beiliegenden Rückstandsausweis) aus, deren Einbringung bisher vergeblich versucht worden ist. Sie werden ersucht bekanntzugeben, ob Mittel zur Verfügung standen, die die Entrichtung des oben angeführten Abgabenrückstandes ermöglichten. Sie können als ehemaliger Geschäftsführer(in) gem. § 9 BAO zur Haftung herangezogen werden, es sei denn Sie können beweisen, dass Sie ohne Ihr Verschulden daran gehindert waren, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Dazu werden Sie ersucht, anzugeben, ob in dem Zeitraum, in dem Sie als Geschäftsfürer(in) für die Bezahlung der Abgaben verantwortlich waren, andere anfallende Zahlungen (z.B. Lieferantenzahlungen, Lohnzahlungen, Krankenkassenzahlungen etc.) geleistet worden sind. Zur Erbringung dieses Beweises wird Ihnen eine Frist von vier Wochen ab Zustellung gewährt. Weiters werden Sie ersucht, beiliegenden Fragebogen betreffend Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb obiger Frist ausgefüllt zu retournieren. Die Angaben sind nach Möglichkeit zu belegen. Falsche oder unvollständige Angaben sind gerichtlich strafbar.
Sollten die entsprechenden Unterlagen bzw. Auskünfte ungerechtfertigt nicht binnen obiger Frist erteilt werden, wird die Abgabenbehörde über die Heranziehung zur Haftung aufgrund der Aktenlage entscheiden.
"

Mit Stellungnahme vom gab der Beschwerdeführer (durch seinen Vertreter) folgende Stellungnahme ab:
"Ich habe Herrn *Vertreter*, gemäß § 8 RAO Vollmacht erteilt, berufe mich ebenso wie der einschreitende Rechtsanwalt auf die erteilte Vollmacht und ersuche um Kenntnisnahme.

I. In Entsprechung der Aufforderung vom , erhebe ich die nachstehende
                                     Stellungnahme:

1. Mir wurde zur Kenntnis gebracht, dass ich als Geschäftsführer der Primärschuldnerin gemäß § 9 iVm §§ 80 ff BAO zur Haftung hinsichtlich der Abgabenschuld der Primärschuldnerin in Höhe von EUR 30.613,47 herangezogen werden kann.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist es meine Aufgabe darzutun, weshalb ich den mir auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat. Ich habe daher nachzuweisen, dass ich die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Meine Haftung kann sich daher nur auf jenen Betrag erstrecken, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie im Falle eines pflichtwidrigen Verhaltens meinerseits tatsächlich erhalten hätte.

Die Abgabenschulden wurden jedoch in dem im Rückstandsausweis angegebenen Zeitraum bis zum Ergehen des Beschlusses des Handelsgerichtes Wien GZ_HG vom Datum_3 mit welchem der Konkursantrag der Primärschuldnerin mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde bzw die Primärschuldnerin ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hat, im Verhältnis nicht schlechter behandelt, als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Wie aus dem Konkursakt hervorgeht wurden nicht einmal die dringlichsten, bereits fälligen, Verbindlichkeiten beglichen. Es wurden sukzessive auch keine Lieferantenverbindlichkeiten und keine Miete für die Geschäftsräumlichkeiten mehr bezahlt. Nur beispielsweise sei angeführt, dass auch die von der Tischlerei AB bereits im Jahre 2015 erbrachten Leistungen und die im Jahre 2015 erfolgten Weinlieferungen der CD nicht bezahlt werden konnten. Aus dem Konkursakt ergibt sich vielmehr, dass die Abgabenschulden gegenüber den anderen Schulden sogar bevorzugt behandelt wurden.

3. Ich beziehe derzeit kein festes Einkommen und bin von Zuwendungen meiner Mutter angewiesen. Zudem habe ich hohe Schulden und muss zudem auch noch den Zahlungsplan des BG Fünfhaus GZ GZ_BG1 erfüllen. Ich bin daher derzeit gerade imstande, die Kosten des dringendsten Lebensbedarfs zu bestreiten. Eine Zahlung der in Ihrem Schreiben vom angeführten Abgabenrückstände der Primärschuldnerin ist mir daher keinesfalls möglich.

BEWEIS:
PV;
Exekutionsbewilligung des BG Leopoldstadt GZ GZ_BG2 vom ;
Schreiben des AKV vom ;
Ausdruck aus der Ediktsdatei zu GZ GZ_BG1 des BG Fünfhaus;
Beischaffung des Aktes GZ_HG des Handelsgerichtes Wien.

4. Ich stelle daher den
                                              ANTRAG,
von der Erlassung eines Haftungsbescheides abzusehen
."

Mit Haftungsbescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin im Ausmaß von € 32.119,44 heran. Die Haftung wurde für folgende Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht:

 
1) Bescheid liegt in Kopie bei

Die Begründung des Haftungsbescheides lautet wie folgt:
"1., Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
2., Gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. haften die in § 80 Abs. 1 leg. cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
3., Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.
4., Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.
5., Sie waren im Zeitraum ab Datum_1 unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin in Liqu., also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.
6., Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer ist folgendes festzuhalten:
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 18 leg. cit., selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für folgende Zeiträume - siehe Haftungsbescheid - wurde die Umsatzsteuer gemeldet, festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet.
7., In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (,0038). Demnach haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.
8., Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral sind, ist es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Außerdem trifft den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO), die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgabenpflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer hat daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem hat er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (vgl. Erk. des Zl. 84/13/0198; vom , Zl. 85/17/0035 und vom , Zl. 87/14/0148). Da Sie Ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sind und die Abgaben bei der o.a. Gesellschaft uneinbringlich sind, war wie im Spruch zu entscheiden.
9., Letztlich wird auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche erstrecken. Ebenso sind Zwangs- u. Ordnungsstrafen im Wege der Geschäftsführerhaftung geltend zu machen.
10., Die Schuldhaftigkeit ist damit zu begründen, dass durch Ihr pflichtwidriges Verhalten als Vertreter der Gesellschaft, die Uneinbringlichkeit eingetreten ist. Weiters sind Sie Ihrer Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu Ihrer Entlastung darzutun nicht ausreichend nachgekommen, daher war wie im Spruch zu entscheiden.
11., Die Vermögenslosigkeit der Firma Primärschuldnerin in Liqu. ist daraus ersichtlich, dass das Konkursverfahren laut Beschluss des Handelsgerichts Wien nicht eröffnet wurde und der Abgabenrückstand bei der Firma daher uneinbringlich geworden. Auf die beiliegenden Grundlagenbescheide wird verwiesen.
"

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom , in welcher der Beschwerdeführer folgendes geltend macht:
"Ich habe Herrn *Vertreter*, gemäß § 8 RAO Vollmacht erteilt, berufe mich ebenso wie der einschreitende Rechtsanwalt auf die erteilte Vollmacht und ersuche um Kenntnisnahme.

I. Gegen den ha Bescheid StNr. 04-1**/**** vom , welcher mir am zugestellt wurde, erhebe ich die nachstehende
                                                     Beschwerde
1. Durch den angefochtenen Bescheid wurde erkannt, dass ich als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm §§ 80 ff BAO verpflichtet bin, die aushaftende Abgabenschuld der Primärschuldnerin in Liqu. in Höhe von EUR 32.119,44 zu bezahlen, da ich Geschäftsführer der oa Gesellschaft war.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist es meine Aufgabe darzutun, weshalb ich den mir auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat. Ich habe daher nachzuweisen, dass ich die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Meine Haftung kann sich daher nur auf jenen Betrag erstrecken, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie im Falle eines pflichtwidrigen Verhaltens meinerseits tatsächlich erhalten hätte. Die Abgabenschulden wurden jedoch in dem im Rückstandsausweis angegebenen Zeitraum bis zum Ergehen des Beschlusses des Handelsgerichtes Wien GZ_HG vom Datum_3 mit welchem der Konkursantrag der Primärschuldnerin mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde bzw die Primärschuldnerin ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hat, im Verhältnis nicht schlechter behandelt, als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten.

Wie aus dem Konkursakt hervorgeht wurden nicht einmal die dringlichsten, bereits fälligen, Verbindlichkeiten beglichen. Es wurden sukzessive auch keine Lieferantenverbindlichkeiten und keine Miete für die Geschäftsräumlichkeiten mehr bezahlt. Nur beispielsweise sei angeführt, dass auch die von der Tischlerei AB bereits im Jahre 2015 erbrachten Leistungen und die im Jahre 2015 erfolgten Weinlieferungen der CD nicht bezahlt werden konnten. Aus dem Konkursakt ergibt sich vielmehr, dass die Abgabenschulden gegenüber den anderen Schulden sogar bevorzugt behandelt wurden.

3. Die allgemeinen Grundsätze über den Beweis sind auch im Abgabenverfahren anzuwenden. Die Behörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Die erkennende Behörde hat weder mich einvernommen noch den Konkursakt beigeschafft. Die entscheidende Behörde wäre jedoch verpflichtet gewesen, alle in Frage kommenden Beweise aufzunehmen, um festzustellen, ob ich die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Die Behörde hat somit den maßgeblichen Sachverhalt unvollständig erhoben, da sie die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht sorgfältig und zum Teil gar nicht beurteilt hat. Die von der Behörde vorgenommene Beweisführung ist somit nicht tragfähig, wodurch ein wichtiger Grundsatz des behördlichen Beweisverfahrens verletzt wurde.

Der angefochtene Bescheid wird daher auch aus diesem Grunde ersatzlos zu beheben sein.

BEWEIS:
PV;
Beischaffung des Aktes GZ_HG des Handelsgerichtes Wien.

4. Die vom Finanzamt vorgenommene Schätzung der Umsatzsteuer 2015 mit EUR 25.597,46 beruht auf realitätsfremden Schätzungsgrundlagen. Hiezu ist Folgendes auszuführen:
Mir wurde in diesem Zusammenhang vom Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg mit Schreiben vom zur Last gelegt, dass ich als Geschäftsführer der Primärschuldnerin gemäß § 33 Abs 2 lit a FinStrG vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer für 01-12/2015 in Höhe von EUR 21.933,43 bewirkt habe und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten habe und hiemit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG begangen habe.

Dieses Finanzstrafverfahren wurde in der Folge nach Vorlage der nachstehenden Urkunden, welche unter einem vorgelegt werden, eingestellt:
•Die in TZ 3 der Betriebsprüfung angeführten Rechnungen Nr. 20150 501, 502, 503,504, 505, 507, 509, 510, 511 und 601, jeweils berichtigt nach § 11 UStG sowie
•die in TZ 5 der Betriebsprüfung angeführte Rechnung über die Ablöse vom , berichtigt nach § 11 UStG und
•sowie den nicht unterfertigten schriftlichen Unterpachtvertrag zwischen der CD und der Primärschuldnerin;
•Einleitungsbeschluss des Finanzstrafverfahrens vom sowie
•Einstellungsbescheid vom ;
•Konkursedikt zu GZ_HG2, aus welchem hervorgeht, dass über das Vermögen der EF am Datum**** das Konkursverfahren eröffnet wurde.

Zu diesem Unterpachtvertrag ist anzumerken, dass dieser nie unterfertigt wurde. Wie bereits vorgebracht war der Inhalt dieses Vertrages jedoch mündlich mit dem Bestandgeber vereinbart und hat die Primärschuldnerin den zuvor von der EF angemieteten Pavillon kurz vor Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der EF ab dem fortgeführt und auch den Bestandzins bezahlt.

Da der Bestandgegenstand ab dem ausschließlich von der Primärschuldnerin genutzt wurde und auch diese den Bestandzins bezahlt hat, ist der Vorsteuerabzug jedenfalls zu Recht erfolgt.

Diese Unterlagen wurden bereits mit Schriftsatz vom in dem zu StNr. 12 2**/**** beim Finanzamt Wien 2/20/21/22 anhängigen Verfahren zur Vorlage gebracht.

BEWEIS:
Beschwerde vom ;
Urkundenvorlage vom .

Weiters wird die Beischaffung des Strafaktes Strafnummer: 2017/03109-001 des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg, beantragt.

Da die vorgeschriebene Umsatzsteuerschuld für 2015 in Höhe von EUR 25.597,46 sowie die Umsatzsteuerschuld für 08/2015 in Höhe von EUR 466,08 nicht zu Recht bestehen, ist eine Haftung für dieselbe durch mich ausgeschlossen. Das Finanzamt hätte daher jedenfalls bei der Berechnung der Abgabenschuld von einer wesentlich geringeren Bemessungsgrundlage und daher von einer geringeren Umsatzsteuerschuld ausgehen müssen.

5. Ich beziehe derzeit kein festes Einkommen und bin von Zuwendungen meiner Mutter angewiesen. Zudem habe ich hohe Schulden und muss zudem auch noch den Zahlungsplan des BG Fünfhaus GZ GZ_BG1 erfüllen. Ich bin daher derzeit gerade imstande, die Kosten des dringendsten Lebensbedarfs zu bestreiten. Eine Zahlung der im Bescheid vom angeführten Abgabenrückstände der Primärschuldnerin ist mir daher keinesfalls möglich.

BEWEIS:
PV;
im Akt befindliche Exekutionsbewilligung des BG Leopoldstadt GZ GZ_BG2 vom ;
im Akt befindliches Schreiben des AKV vom ;
im Akt befindlicher Ausdruck aus der Ediktsdatei zu GZ GZ_BG1 des BG Fünfhaus.

6. Ich stelle daher den
                                          ANTRAG

a) den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu
b) eine geringere als die im angefochtenen Bescheid verhängte Abgabenschuldvorzuschreiben.
[...]
"

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Begründung lautet wie folgt:
"Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung. Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären.
Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da Konkursverfahren mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum_3 mangels Kostendeckung nicht eröffnet wurde.
Zur Frage des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Aufgabe des Geschäftsführers ist, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel.
Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführer für die in Haftung gezogene Abgabe zur Gänze.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführers, dass die Nachforderungen auf unzutreffenden Schätzungen der Betriebsprüfung basieren würden, muss entgegengehalten werden, dass Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden können, sondern ausschließlich in dem die Abgabenfestsetzung selbst betreffenden Verfahren gemäß § 248 BAO vorzutragen sind.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es der Abgabenbehörde im Haftungsverfahren nämlich verwehrt, die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung als Vorfrage zu beurteilen. Es war vielmehr von der Richtigkeit dieser Abgabenfestsetzung auszugehen.

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten "Billigkeitsgründe", nämlich seine schlechten Vermögensverhältnisse, stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung. Darüber hinaus schließt auch eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit nicht aus, dass künftig neu hervor gekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
"

Vorlageantrag

Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und erhob sein gesamtes bisheriges Vorbringen zum Vorbringen des Vorlageantrages.

Im Anschluss daran wurden die Beschwerdeakten dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und vom Finanzamt als belangter Behörde im Vorlagebericht angeführt, dass die Fälligkeiten von vier Abgaben zeitlich nach dem Beschluss über die Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens liegen und im Übrigen die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Auskunftsersuchen vom

Das Bundesfinanzgericht richtete ein Auskunftsersuchen an die Österreichische Post AG und begehrte um Auskunft, wem im Juni 2018 das behördliche Schriftstück der belangten Behörde mit der GZ "04-1**/**** AS3/MP-EH1+Beil" (Haftungsbescheid samt Beilagen) zugestellt wurde.

Dazu gab die Österreichische Post AG bekannt, dass für den Beschwerdeführer ein Nachsendeauftrag an die Adresse "C/O *Vertreter*" bestand.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war von Datum_1 bis Datum_2 Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Abgabenforderungen der Primärschuldnerin wurden nicht entrichtet.

Die Uneinbringlichkeit der Haftungsschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin steht auf Grund der am  Datum_2 erfolgten amtswegigen Löschung wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG fest.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum_3 wurde das Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet und die Zahlungsunfähigkeit der Primärschuldnerin festgestellt.

Die Abgaben waren zu folgenden Terminen fällig:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
FT
Betrag
U (Umsatzsteuer)
08/15
466,08
U
2015
25.597,46
K (Körperschaftsteuer)
04-06/16
625,00
Z (Verspätungszuschlag)
07/15
347,27
Z
08/15
158,54
SZA (1. Säumniszuschlag)
2015
86,82
K
07-09/16
625,00
K
10-12/16
625,00
SZA
2016
511,95
K
01-03/17
625,00
EG (Pfändungsgebühr)
2017
29,34
BAL (Barauslagenersatz)
2017
1,00
EG
2017
29,94
BAL
2017
4,10
K
04-06/17
625,00
SZB (2. Säumniszuschlag)
2016
255,97
K
07-09/17
625,00
SZC (3. Säumniszuschlag)
2016
255,97
K
10-12/17
625,00
 
 
 
32.119,44

In der Eingabe vom erfolgte eine Vollmachtsbekanntgabe für RA *Vertreter*. Der angefochtene Bescheid vom ist direkt an den Beschwerdeführer adressiert. Auf Grund eines Nachsendeauftrages erfolgte die Zustellung jedoch unmittelbar an den Vertreter.

Eine Liquiditätsaufstellung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen und und die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche Quote wurde nicht vorgelegt.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen zum Insolvenzverfahren beruhen einerseits auf Eintragungen im Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin und andererseits auf den Angaben des Beschwerdeführers und dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie aus dem beigeschafften Insolvenzakt des Handelsgerichts Wien.

Die Feststellungen zu den haftungsgegenständlichen Abgaben gründen sich auf die Verwaltungsakten und sind unstrittig.

Die Feststellungen zur Bescheidadressierung und zur Vollmachtsbekanntgabe gründen sich auf den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten. Im Schreiben vom , das als Antwort zum Haftungsvorhalt der belangten Behörde vom anzusehen ist, heißt es, dass der Beschwerdeführer dem Vertreter "gemäß § 8 RAO Vollmacht erteilt" habe und der einschreitende Rechtsanwalt beruft sich auf die erteilte Vollmacht.
In Beantwortung eines Auskunftsersuchens des Bundesfinanzgerichts gab die Österreichische Post AG bekannt, dass in der Zeit von bis ein Nachsendeauftrag für den Beschwerdeführer und für GH, beide mit der bisherigen Anschrift Adr_alt an die Adresse "C/O *Vertreter*" bestand. Am Zustellnachweis über die Zustellung des Haftungsbescheides wurde vom Zusteller angeführt, dass das Dokument an eine/n Angestellte/n des berufsmäßigen Parteienvertreters übergeben wurde.

Rechtsgrundlagen

§ 9 BAO lautet:

§ 9. (1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

(2) Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder haften wegen Handlungen, die sie in Ausübung ihres Berufes bei der Beratung in Abgabensachen vorgenommen haben, gemäß Abs. 1 nur dann, wenn diese Handlungen eine Verletzung ihrer Berufspflichten enthalten. Ob eine solche Verletzung der Berufspflichten vorliegt, ist auf Anzeige der Abgabenbehörde im Disziplinarverfahren zu entscheiden.

§ 80 BAO lautet:

2. Vertreter.

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.

§ 224 BAO lautet:

2. Geltendmachung von Haftungen.

§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.

(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.

Rechtliche Erwägungen

Zustellung:

Gemäß § 97 Abs 1 BAO werden Erledigungen (insbesondere Bescheide) dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung. Gemäß § 9 Abs 1 ZustG können, soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht). Gemäß § 9 Abs 3 ZustG hat, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

In der Eingabe vom , die der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers verfasst hat, hat dieser darauf hingewiesen, dass er mit der rechtlichen Vertretung des Beschwerdeführers bevollmächtigt ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließt eine allgemeine Vertretungsbefugnis eine Zustellungsbevollmächtigung mit ein (). Eine gemäß § 8 Abs 1 RAO zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung erteilte Vollmacht erfasst auch eine Zustellvollmacht iSd § 9 ZuStG ().

Gemäß § 103 Abs 1 BAO können im Einhebungsverfahren ergehende Erledigungen aus Gründen der Zweckmäßigkeit trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung wirksam dem Vollmachtgeber unmittelbar zugestellt werden.

Die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung ist keine Maßnahme der Abgabenfestsetzung, sondern eine solche der Abgabeneinhebung (; ; ). Eine unmittelbare Zustellung an den Vollmachtgeber liegt im Ermessen der Behörde. Eine Begründung für eine derartige Ermessensentscheidung findet sich sich im angefochtenen Bescheid jedoch nicht. Bei unrichtiger Ermessensübung ist die Zustellung an die Partei unwirksam. Somit wäre die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung gemäß § 9 Abs 3 ZustG an den einschreitenden Rechtsanwalt vorzunehmen gewesen. Da dies nicht geschehen ist, liegt ein Zustellmangel vor. Unterbleibt entgegen § 9 Abs 3 ZustG die Bezeichnung des Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger und erfolgt die Zustellung an den Vertretenen, so ist sie unwirksam. Eine Sanierung ist jedoch nach § 9 Abs 3 zweiter Satz ZustG möglich (Ritz, BAO6, § 9 ZustG, Rz 24).
Die Heilung eines derartigen Zustellmangels ist nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung aber nur in den Fällen möglich, in denen die Partei selbst in der Zustellverfügung als Empfänger angeführt wird. Die Heilung bewirkt, dass die Zustellung des Dokuments als in dem Zeitpunkt bewirkt gilt, in dem das Dokument dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Nachdem der Haftungsbescheid vom  zwar direkt an den Beschwerdeführer gerichtet ist, aber dem Zustellbevollmächtigten am  tatsächlich zugekommen ist, ist diese Erledigung rechtlich in Existenz getreten und die Heilungswirkung eingetreten.

Tatbestand:

Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den §§ 9 und 80 BAO ist eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (). Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet (). 

Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können. Als Geschäftsführer der Primärschuldnerin war der Beschwerdeführer ihr Vertreter.

Die Haftung nach § 9 Abs 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (). Es entspricht daher dem Gesetz, wenn die Behörde die Haftung erst dann geltend macht, wenn sie Kenntnis über das Ausmaß der Uneinbringlichkeit hat (). Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom Datum 3, dass das Konkursverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet wird, steht die Uneinbringlichkeit fest. Darüber hinaus wurde die Primärschuldnerin im Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.

Pflichtverletzung:
Gemäß § 18 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführer vertreten. Als bestellter Geschäftsführer hat er die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. zB , und vom ; zur Haftung eines "willfährigen" Geschäftsführers vgl. weiters das Erkenntnis vom mwN).


Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört,
- für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (Abgabenzahlungspflicht);
- die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-,Offenlegungs- und Wahrheitspflichten;
- andere Personen (Angestellte), die er mit den steuerlichen Agenden betraut, zu kontrollieren (Auswahl- und Kontrollpflichten);
- sich bei Geschäftsübernahme zu informieren;
- Zurücklegung der Geschäftsführungsfunktion bei Behinderung/Beschränkung der Befugnisse.

Die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Beschwerdeführer besteht darin, dass die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitstagen unterlassen wurden.

Die Inanspruchnahme der gemäß § 9 BAO bestehenden Haftung setzt voraus, dass die schuldhafte Pflichtverletzung kausal für die Uneinbringlichkeit ist. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (zB ; ; ). Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ). Daher reicht leichte Fahrlässigkeit aus (zB ; ).

Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf (zB ). Er hat das Fehlen ausreichender Mittel für die Abgabenentrichtung nachzuweisen.

Eine Haftung kommt auch für aufgrund einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen entstandene Abgabenschulden in Betracht (vgl. ). Der Geschäftsführer haftet für eine solche Abgabennachforderung bei der Gesellschaft, wenn ihm ein Verschulden an der Verletzung jener abgabenrechtlichen Pflichten, die die Schätzung begründet hat, zugerechnet werden kann (insbesondere Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit den Gründen des § 184 Abs 2 und 3 BAO). Das Unterlassen der Vorlage von Grundaufzeichnungen begründet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits die Schätzungsberechtigung (vgl. zB ). Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind – wenn der Haftungsinanspruchnahme ein Bindungswirkung auslösender Bescheid an die Gesellschaft vorangegangen ist – in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen (vgl. ). Dementsprechend können Einwendungen gegen den Umsatzsteuerbescheid 2015 vom nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren geltend gemacht werden. Solange dieser Bescheid dem Rechtsbestand angehört, entfaltet er für das Haftungsverfahren Bindungswirkung.

Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen dann zur Haftungsinanspruchnahme, wenn die Verletzung schuldhaft erfolgte. Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ). Daher reicht leichte Fahrlässigkeit aus (zB ; ).

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Abgabenbescheide haben im Spruch den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu enthalten (§ 198 Abs 2 BAO). Bezieht sich die Angabe der Fälligkeit nicht auf die gesamte festgesetzte Abgabe, sondern nur auf einen Teil (zB Nachforderung gegenüber einem Vorauszahlungsbescheid), so ist außer dem Zeitpunkt auch der Betrag zu nennen, auf den er sich bezieht; dieser Betrag (Höhe der Nachforderung) ist Spruchbestandteil (Ritz, BAO6, § 198 Tz 12; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, § 198 Anm 20). Gemäß § 210 Abs 1 BAO werden Abgaben – unbeschadet besonderer Regelungen – mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides fällig (zB für Einkommensteuerabschlusszahlungen nach § 46 EStG, wobei die Bestimmung auch für die Körperschaftsteuer gilt). Gemäß § 45 Abs 2 EStG sind die Vorauszahlungen zu je einem Viertel am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November zu leisten; die Fälligkeiten sind gesetzlich vorgegeben und können vom Finanzamt nicht bescheidmäßig abgeändert werden (Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 45 Anm 15). Gemäß § 24 Abs 3 KStG sind die Vorschriften des EStG über die Entrichtung der Körperschaftsteuer sinngemäß anzuwenden. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (); maßgebend ist daher ausschließlich der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit ().
Gemäß § 21 Abs 1 UStG hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung (Steuererklärung) einzureichen. Eine sich ergebende Vorauszahlung ist spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Somit wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung zur Umsatzsteuer (Jahresumsatzsteuerbescheid) keine von § 21 Abs. 1 und 3 UStG abweichende Fälligkeit begründet. Das bedeutet, dass nicht der Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Umsatzsteuernachzahlung für die Fälligkeit relevant ist, sondern die entsprechende gesetzliche Bestimmung, die besagt, dass sich im Fall rückständiger Vorauszahlungen der 15. des auf den betreffenden Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates als Fälligkeitstag ergibt.

Ausmaß der Haftung:
Die Haftung des § 9 BAO ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann als Haftende in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt und diese Verbindlichkeit beim Hauptschuldner uneinbringlich ist (Subsidiarität). Die Haftungsschuld ist weiters ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht (gültig) entstanden oder ist sie erloschen oder hat nur mehr den Charakter einer Naturalobligation (), ist auch eine Haftung für diese nicht denkbar (). Das Erlöschen der Abgabenschuld wird unter anderem durch die Entrichtung der Abgaben - etwa durch einen Gesamtschuldner - bewirkt (), durch Nachsicht oder Löschung (vgl Ritz, BAO6, § 4 Tz 9).

Bei der Umsatzsteuer entsteht der Abgabenanspruch gemäß § 19 Abs 2 bis 4 UStG 1994 jeweils mit Ablauf des Kalendermonats.
Die Grundsatzregelung des § 4 Abs 1 BAO (wonach der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist) gilt etwa für Anspruchszinsen, Aussetzungszinsen, Stundungszinsen, Säumniszuschläge und Mahngebühren (vgl Ritz, BAO6, § 4 Tz 6 mwN). Der Abgabenanspruch entsteht grundsätzlich unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit und setzt – außer bei ESt/KÖSt-Vorauszahlungsbescheiden – keine Bescheiderlassung voraus. Vom Abgabenanspruch zu unterscheiden ist auch der Abgabenzahlungsanspruch, nämlich die Verpflichtung, einen Abgabenbetrag zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entrichten.

Dem Haftungspflichtigen muss von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (). Der zur Haftung Herangezogene muss jedenfalls den gegen ihn geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen können. Vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen Fälligkeitszeitpunkte nach Abgabenarten und Zeiträumen sind die Abgabenansprüche aufgeschlüsselt auszuweisen. Erst auf der Basis einer entsprechenden Aufgliederung werden sie dem Haftungspflichtigen auf geeignete Weise zur Kenntnis gebracht (vgl. oder -G/05; ).
Einerseits war der Beschwerdeführer der einzige Geschäftsführer der Primärschuldnerin und musste bescheidmäßig festgesetzte Abgaben schon aus diesem Grunde kennen. Andererseits enthält der Haftungsbescheid vom eine Auflistung jener Abgaben, für welche die Haftung ausgesprochen wurde. Beigelegt waren zudem 10 Abgabenbescheide (gerichtet an die Primärschuldnerin), aus den sich die Höhe der festgesetzten Abgaben ergibt.

Abgabenbescheid – Beschwerde:
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten.

Die in § 248 BAO ausgedrückte Bindungswirkung erfordert lediglich wirksame, nicht jedoch rechtskräftige Abgabenbescheide (). An der Wirksamkeit der der Haftung zu Grunde liegenden Bescheide kann kein Zweifel bestehen, zumal der Beschwerdeführer selbst auf ein Finanzstrafverfahren hinweist, das auf Grund der bei der Primärschuldnerin im Jahr 2016 durchgeführten Außenprüfung gegen ihn eingeleitet wurde. Gegenstand dieses Verfahrens war, dass eine Verkürzung von Umsatzsteuer in Höhe von € 21.933,45 zum Vorwurf gemacht wurde, wobei aus den beigeschafften Akten der Finanzstrafbehörde nicht hervorgeht, dass die Unwirksamkeit des Umsatzsteuerbescheides 2015 vom eingewendet worden wäre. Im Finanzstrafverfahren wurde vielmehr eingewendet, dass der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen hatte.  

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dargetan, dass weder ein völliges Unterbleiben eines Strafverfahrens noch die Einstellung von Vorerhebungen oder einer Voruntersuchung noch ein freisprechendes Urteil eine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 Abs 1 BAO bewirken könnte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 96/14/0068). Das Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Verhaltens oder gar einer strafgerichtlichen Verurteilung ist nicht Voraussetzung der Haftungsinanspruchnahme nach §§ 9 und 80 BAO ().

Da sich auch der Haftungstatbestand des § 9 Abs 1 BAO nicht mit einem Straftatbestand des FinStrG deckt, wird entgegen der Ansicht des Bf. durch das genannte Strafverfahren die Haftung gemäß § 9 BAO nicht präjudiziert ().

Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren nur dann zu beantworten, wenn kein Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid (nach § 82 EStG hinsichtlich der Lohnsteuer oder nach § 95 EStG hinsichtlich der Kapitalertragsteuer) vorangegangen ist () vorangegangen ist. Wurde bei Selbstbemessungsangaben noch kein Bescheid gemäß § 201 BAO oder gemäß § 202 BAO erlassen, so ist im Haftungsverfahren über den Abgabenanspruch (seine Höhe) abzusprechen ().

Kausalität:
Der Vertreter haftet aber nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Der Vertreter hat bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter zu behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz; ). Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat (). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens setzt den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Diesen Nachweis hat der Vertreter auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel zu diesen Zeitpunkten andererseits bezogen zu führen (). Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (). Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens nicht nach und erbringt er nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er dann für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze (vgl. ; ). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben. Für die Frage, ob andere andrängende Gläubiger gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt worden sind, ist es nicht relevant, ob geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung rechtsunwirksam oder anfechtbar gewesen wären ().

Bereits mit Schreiben vom hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer aufgefordert, bekannt zu geben, ob im Zeitraum, in dem er Geschäftsführer war, andere anfallende Zahlungen geleistet wurden. Dazu gab der Beschwerdeführer - durch seinen Vertreter mit Schreiben vom bekannt, dass die Abgabenschulden bis zum Ergeben des Beschlusses des Handelsgerichts Wien GZ_HG vom Datum_3, mit welchem der Konkursantrag der Primärschuldnerin abgewiesen wurde bzw. die Primärschuldnerin ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hatte, im Verhältnis nicht schlechter behandelt wurden, als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Verwiesen wird zudem auf den Konkursakt, aus dem sich ergeben soll, dass die Abgabenschulden sogar bevorzugt behandelt wurde. Vorgebracht wurde, dass Lieferanten aus dem Jahr 2015 (ein Weinhändler und ein Tischler) nicht bezahlt wurden. Dazu wurde ein Schreiben des AKV (Alpenländischer Kreditorenverband) und eine Bewilligung einer Fahrnisexekution durch das Bezirksgericht X vom  beigelegt. Im Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens, der - wie sich aus den beigeschafften Akten des Insolvenzgerichts ergibt - durch die Primärschuldnerin selbst gestellt wurde, ist angeführt, dass
-) die Primärschuldnerin keine Bankverbindlichkeiten hätte,
-) "der Finanz" etwa € 28.530 schulde,
-) der Gebietskrankenkasse etwa € 70 schulde und
-) € 7.400 an Verbindlichkeiten bei diversen Lieferanten bestehen.

Das Abgabenkonto der Primärschuldnerin weist zum Zeitpunkt des Konkursantrages einen Rückstand von €  29.732,50 auf. Darin enthalten ist auch eine Umsatzsteuerforderung in Höhe von € 25.597,46, die im Anschluss an eine Außenprüfung bescheidmäßig vorgeschrieben wurde.
Aus dem Abgabenkonto ist auch ersichtlich, dass am die Umsatzsteuervoranmeldungen der Monate Jänner bis Dezember 2015 verbucht wurden. Für die Monate 07/2015 und 08/2015 wurden Umsatzerlöse zwischen € 42.700 und € 57.500 erklärt. Die Primärschuldnerin verfügte somit über Einnahmen.
Ebenfalls aus dem Abgabenkonto ist ersichtlich, dass Lohnsteuerbeträge und lohnabhängige Abgaben gemeldet und letztlich auch bezahlt wurden. Lohnsteuer ist nur dann einzubehalten, wenn Arbeitslöhne ausbezahlt werden. Die Primärschuldnerin ist somit anderen Verbindlichkeiten, nämlich der Bezahlung von Löhnen, nachgekommen. Es muss auch davon ausgegangen werden, dass der Großteil der Lieferanten bezahlt wurde. In der Beschwerde vom wird auch darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin die Mieten für das Geschäftslokal bezahlt habe.

Auch in der Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde nochmals darauf hingewiesen, dass es am Beschwerdeführer liegt, nachzuweisen, dass die der Primärschuldnerin zur Verfügung gestandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Eine Beschwerdevorentscheidung entfaltet Vorhaltscharakter (zB ). Einen Nachweis, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger hinsichtlich der haftungsrelevanten Zeiträume uneinbringlich geworden wäre, hat der Beschwerdeführer trotz mehrmaliger Aufforderung nicht erbracht.

Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass ein Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nur dann sinnvoll sein kann, wenn zum Fälligkeitstag der Abgaben auch Vermögen (liquide Mittel) vorhanden waren. In diesem Zusammenhang hat bereits die belangte Behörde im Vorlagebericht darauf hingewiesen, dass die Fälligkeit nachfolgender Abgaben nach dem Beschluss des Insolvenzgerichts, das Konkursverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht zu eröffnen, liegt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
SZB
2016
255,97
K
07-09/17
625,00
SZC
2016
255,97
K
10-12/17
625,00
 
 
 
1.761,94

Bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§§ 66 und 67 IO) ist auf Antrag ein Insolvenzverfahren zu eröffnen. Liegen die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 66 und 67) vor, so ist dieses ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber sechzig Tage nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vom Schuldner zu beantragen (§ 69 Abs 2 IO).
Mit Schriftsatz vom Datum**** beantragte die Primärschuldnerin die Eröffnung des Konkursverfahrens. Die Körperschaftsteuervorauszahlung für den Zeitraum 04-06/2017 war am , somit nach dem Antrag der Primärschuldnerin, fällig. Auf Grund der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit muss davon ausgegangen werden, dass auch für die Entrichtung der Körperschaftsteuervorauszahlung 04-06/2017 in Höhe von € 625,00 keine Mittel vorhanden waren. Der Beschwerde war somit teilweise Folge zu geben und die geltend gemachte Haftung um € 2.386,94 (€ 1.761,94 + € 625,00) zu reduzieren.

Nebenansprüche:
Die persönliche Haftung des Geschäftsführers erstreckt sich gemäß § 7 Abs 2 BAO auch auf Nebenansprüche iSd § 3 Abs 1 und 2 BAO. Stundungszinsen, Aussetzungszinsen und Säumniszuschläge zählen gemäß § 3 Abs 2 lit d BAO zu den Nebengebühren und sind somit Teil der Nebenansprüche (; zu Säumniszuschläge wegen Nichtentrichtung haftungsgegenständlicher Beträge an Umsatzsteuer und Lohnsteuer).

Ermessen:
Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer war alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin und war für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich.
Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftenden wie etwa dessen Vermögenslosigkeit stehen nach der Rechtsprechung in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung und können somit die Ermessensübung nicht beeinflussen (). Eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit der geltend gemachten Verbindlichkeiten beim Haftungspflichtigen schließt nämlich nicht aus, dass künftig neu hervor gekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen könnten (). Die Inanspruchnahme der Haftung in Ausübung des Ermessens ist mit dem derzeitigen, im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides vorhandenen Vermögen nicht begrenzt (). Aus der einschlägigen Judikatur des VwGH geht hervor, dass die derzeitige wirtschaftliche Situation des Bf. nicht hinderlich für die Geltendmachung der Haftung ist, da es nicht auszuschließen ist, dass der Bf. künftig wieder entsprechende Einnahmen bzw. entsprechendes Vermögen zur Begleichung der Haftungsabgaben haben wird ().
Soweit auf eine persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der Abgaben aufzeigt werden soll, ist darauf zu verweisen, dass ein solcher Umstand im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ist (). 

Ergebnis:
Im Ergebnis besteht die Haftung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer in folgendem Ausmaß zu Recht:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Haftungsbetrag laut Haftungsbescheid
     32.119,44
minus Fälligkeiten nach Zahlungsunfähigkeit
-     2.386,94
 
 
 
 
     29.732,50

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an den zitierten gesetzlichen Bestimmungen sowie der dazu angeführten Literatur. Die rechtlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme zur Haftung sind durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend geklärt. Es liegt hier keine zu klärende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Zulässigkeit einer Revision zu verneinen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 69 Abs. 2 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103753.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at