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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.08.2019, RV/4100588/2016

Gewinnerhöhende Auflösung unbewegter Spareinlagen bei Banken

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ER in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch SteuerlVertreter , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde FA vom , betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2014 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Das Einkommen beträgt Betrag1 EURO. Die festgesetzte Körperschaftsteuer beträgt Betrag2 EURO.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf) ist eine Bank. Im Jahr 2016 fand bei der Bf. eine Außenprüfung über die Jahre 2012 bis 2014 statt. Im darüber erstellen Bericht hielt der Prüfer Folgendes fest:

Die Großbetriebsprüfung hat im Zuge der Außenprüfung jenen Einlagenstand der Spareinlagen ermittelt, welcher zum Stichtag (das ist jener Tag an welchem der Prüfungszeitraum endet) seit 30 Jahren und länger unbewegt ist.
Dies deshalb, da eine Verbindlichkeit dann nicht mehr passiviert werden darf, wenn sie keine wirtschaftliche Belastung mehr darstellt. Dies ist auch dann der Fall, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr damit zu rechnen ist, dass der Gläubiger seine Forderung noch geltend macht.
Dies ist laut GBP bei Spareinlagen, welche 30 Jahre und länger unbewegt sind, gegeben und verweist diesbezüglich auf die Judikatur des .
Die GBP löst deshalb zum folgenden Bilanzstichtag die Verbindlichkeiten gegenüber Kunden in folgender Höhe auf:
             EUR 134.794,69"

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ im wiederaufgenommenen Verfahren einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2014.

Dagegen erhob die Bf. Beschwerde. Zur Begründung führte sie Folgendes aus:

Die [Bf] unterliegt als [Bank] den unternehmensrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften, dies auch unter Bezugnahme des § 43 BWG. Gemäß § 5 EStG sind in diesem Falle die unternehmensrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung maßgebend. Die Aufnahme von Verbindlichkeiten in die Bilanz ist nach unternehmensrechtlichen Grundsätzen vorzunehmen, wobei Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung des Höchstwertprinzips mit ihren Rückzahlungsbeträgen anzusetzen sind.
Auch im UGB-Kommentar Straube Tz. 13 zu § 196 UGB wird u. a. angeführt:
„Der Begriff der Verbindlichkeit ist gesetzlich nicht definiert. Er erfasst nach hA nicht nur Verbindlichkeiten im rechtlichen Sinn, die einklagbar sind, sondern auch solche, bei denen aus faktischen Umständen trotz fehlender Erzwingbarkeit die Erfüllung nicht abgelehnt werden kann (z.B. die an sich verjährte Forderung eines wichtigen Kunden, vgl Kozikowski/Schubert in Beck Bil-Komm).
Ist eine Verbindlichkeit bereits verjährt, so muss sie nicht mehr ausgewiesen werden, wenn der Wille besteht, von der Einrede der Verjährung Gebrauch zu machen. Soll zum Beispiel aus Gründen der guten Geschäftsbeziehung und der öffentlichen Wirkung nicht die Verjährung eingewendet werden, muss die Verbindlichkeit weiter mit ihrem vollen Betrag bilanziert werden, obwohl keine durchsetzbare rechtliche Verbindlichkeit besteht (Stefaner, im Hamerle/ZöchlinglFraberger, Aktuelles Bilanzierungshandbuch für die Praxis).
Eine derartige faktische Verpflichtung zur Begleichung einer rechtlich nicht mehr einklagbaren Schuld liegt im Rahmen von Sparguthaben vor. Aus der Sicht der betreffenden [Bank] (bzw. aller [Banken]) ist es faktisch unumgänglich, derartige unbewegte Sparguthaben evident zu halten und auch bereits verjährte Sparguthaben an den Kunden oder Rechtsnachfolger des Kunden tatsächlich auszuzahlen. Die Einrede der Verjährung und die damit verbundene Weigerung, das verjährte Sparguthaben auszuzahlen, wäre für das betreffende Institut mit gravierenden negativen Folgen verbunden. Die damit einhergehende Wahrnehmung in der Öffentlichkeit wäre für den ganzen Sektor sehr negativ. Eine Weigerung der Auszahlung würde zu einer negativen Berichterstattung in den Medien führen. In Zeiten, in denen Konsumentenrechte immer mehr an Bedeutung gewinnen und vielfach eine breite mediale Resonanz erfahren, kann ein einzelner Anlassfall eine massive Schädigung der öffentlichen Darstellung des gesamten Sektors bewirken.
Daher besteht für jede einzelne [Bank] eine absolute faktische Verpflichtung, bei verjährten Sparguthaben auf die Einrede der Verjährung zu verzichten und das Sparguthaben auf Verlangen des Kunden oder seines Rechtsnachfolgers auszuzahlen.
Hinsichtlich der Einlagensicherung ist zu bemerken, dass auch verjährte Einlagen gesicherte Einlagen darstellen und die Kreditinstitute auch für diese Einlagen die entsprechenden Zahlungen an die Einlagensicherungssysteme und (gesetzlich vorgeschriebenen) Fonds zu leisten haben.
Diese Vorgehensweise ist auch aus steuerrechtlicher Sicht geboten (vgl. dazu Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke: Einkommensteuergesetz, § 6 Anm. 68): Eine verjährte Schuld ist weiterhin bilanziell als solche auszuweisen, wenn der Steuerpflichtige beispielsweise aus geschäftlichen Rücksichten von einer möglichen Verjährungseinrede nicht Gebrauch machen will. Diese Absicht muss aus dem Verhalten des Steuerpflichtigen erkennbar sein (, ) und manifestiert sich nach der Judikatur des VwGH gegenüber der Außenwelt erst „durch entsprechende Ausbuchung im Rechenwerk" ().
Die Absicht von den Verjährungseinreden keinen Gebrauch zu machen, ist aus dem Verhalten der [Banken] eindeutig erkennbar. Durch die [Bf] werden laufend Sparguthaben an Kunden ausbezahlt, für die bereits Verjährung eingetreten ist. Ein vom VwGH geforderter nach außen in Erscheinung tretender Akt, der den Willen, die verjährte Schuld nicht mehr zu tilgen, hinreichend dokumentiert (Ausbuchung im Rechenwerk), erfolgte zu keiner Zeit.
Es ist daher ersichtlich, dass immer wieder derartig unbewegte Sparkonten seitens der Kunden angefordert und diese durch die [Bf] auch ausbezahlt werden. Von der Einrede der Verjährung wird in keinem Fall Gebrauch gemacht.
Die Verbindlichkeiten aus den verjährten Spareinlagen sind daher weiterhin bilanziell als solche auszuweisen, da die [Bf] von einer Verjährungseinrede aus geschäftlichen Rücksichten jedenfalls keinen Gebrauch machen wird und diese Absicht aus dem Verhalten der Bf auch eindeutig erkennbar ist.
Schon im Jahre 2003 wurde von Universitätsprofessor Dr. Peter Quantschnigg unsere Vorgangsweise bestätigt.
Weiters weisen wir auf die geltenden Grundsätze des „Nachholverbots" und der „periodengerechte Gewinnermittlung" hin. Diese Grundsätze (vlg. Jakom, EStG Kommentar, 2016, Rz. 216 zu § 4, unter Verweis auf Rz. 647, 648 EStR und Judikatur) stehen unseres Erachtens dem Ansinnen der abgabenbehördlichen Außenprüfung, einen Gesamtbetrag in einem Jahr (2014) aufzulösen, entgegen.

Maßgeblichkeit der Unternehmensbilanz
Da es im angeführten Sachverhalt keine zwingenden steuerlichen Vorschriften gibt, die von den unternehmensrechtlichen Vorschriften abweichen, kann eine Auflösung nicht bloß für steuerliche Zwecke vorgenommen werden. Es müsste die Bilanz berichtigt werden. Eine steuerliche Bilanzberichtigung ist aber nicht möglich, da die erstellte Bilanz den Erfordernissen des § 5 EStG (Maßgeblichkeitsprinzip) entspricht.Außerdem wurden diese Bilanzen von den Bankprüfern mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen.

Willkürliche Ermittlung des Auflösungsbetrages
Die pauschale Auflösung der am seit 30 Jahren unbewegten Sparguthaben und zusätzlich der seit 10 Jahren unbewegten Sparguthaben unter € 100,--, die auf Sammelkonten verbucht sind, erscheint willkürlich und entspricht nicht den von der abgabenbehördlichen Außenprüfung selbst genannten Grundsätzen.
Aufgrund dieser Argumente ersuchen wir Sie höflich um Aufhebung bzw. Korrektur des Körperschaftsteuerbescheides 2014. Eine steuerliche Zurechnung der verjährten Spareinlagen soll nicht erfolgen.
Abschließend weisen wir auf die bereits laufenden Rechtsmittelverfahren bei weiteren Banken […] aufgrund von identischen Feststellungen hin. An den in diesen Verfahren vorgebrachten Argumenten wird auch in der vorliegenden Beschwerde festgehalten.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt:

In der Bilanz der Bank wurde unter der Position „Einlagen" (Passiva) – Einlagen Sparbücher ausgewiesen, welche über einen sehr langen Zeitraum (dreißig Jahre und mehr) nicht mehr bewegt wurden. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit der Einlösung zu rechnen ist und verringert die Verbindlichkeit (vgl. , 96/14/0141; BFH ; I R 3/95), was zu einer Erhöhung des Jahresgewinnes führt. Die Korrektur wurde kumulativ für den Bilanzstichtag 31/12/2014 in Form einer außerbilanzmäßigen Hinzurechnung vorgenommen.
Der BFH (siehe oben angeführtes Erkenntnis) stellt bei der Bilanzierungsfähigkeit und Bilanzierungspflicht darauf ab, ob mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit der Geltendmachung durch die Gläubiger nicht mehr zu rechnen ist. Im gleichen Sinne erkennt auch der VwGH (siehe oben), dass „Verbindlichkeiten nicht mehr bilanziert werden dürfen, wenn mit dem Versuch der Durchsetzung der Forderung durch den Gläubiger praktisch nicht mehr zu rechnen ist".
An der Bilanzierung von Verbindlichkeiten aus Spareinlagen wird auch vom BFH nicht gezweifelt, insoweit die o. a. allgemeinen Kriterien erfüllt werden. Im besonderen Fall von sog. „unbewegten Sparguthaben" lässt der BFH – abweichend vom Prinzip der Einzelbewertung - eine pauschale Bewertung gleichartiger oder annähernd gleichwertiger Verpflichtungen zu.
Somit wird in diesem speziellen Fall das Prinzip der Einzelbewertung zurückgestellt, zu Gunsten der besonderen pauschalen Bewertung. Das von der Beschwerdeführerin angeführte „Prinzip der Maßgeblichkeit" wird durch die speziellen Pauschalbewertungen bei „unbeweglichen Sparguthaben" nicht aufgehoben. Die kumulative Auflösung ist nach dem Urteil des BFH ebenfalls im gelten Recht gedeckt. Im besonderen Fall von unbewegten Sparguthaben ist die Durchführung des Periodenprinzips somit zulässig.
Das durch die Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Argument der „willkürlichen Auflösung" ist somit zurückzuweisen. Die Bewertung unbewegter Sparguthaben als nicht mehr bilanzierungsfähig hat keinerlei zivilrechtliche Auswirkung gegenüber den Gläubigern. Eine spätere Einlösung führt konsequenterweise zu einer steuerlichen Betriebsausgabe. Die (steuerliche) Auflösung bedingt nicht den automatischen Verzicht auf die Einrede der Verjährung.
Die Aussage in der Beschwerdeschrift, dass die gewählte Vorgangsweise von Dr. Quantschnigg im Jahr 2003 bestätigt wurde, kann seitens der Finanzverwaltung nicht verifiziert werden, da dazu keine näheren Aussagen getroffen wurden und somit keinerlei Verknüpfung mit der gegenständlichen Beschwerdeschrift erkennbar ist. Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.

Mit Schreiben vom stellte die Bf einen Vorlageantrag und reichte mit Schreiben vom , dazu noch folgende Begründung nach:

….Es wird nochmals betont, dass laut Rechtsprechung des VwGH verjährte Schulden solange als solche auszuweisen sind, als der Steuerpflichtige aus z.B. geschäftlichen Rücksichten von einer möglichen Verjährungseinrede nicht Gebrauch machen will (, ). Das trifft auf die Bf jedenfalls zu, da auch Sparguthaben ausbezahlt werden, hinsichtlich derer bereits Verjährung eingetreten ist. Wie aus den EStR hervorgeht, vertritt auch das BMF selbst unmissverständlich diese Position (EStR Rz 2421 idF Wartungserlass 2015).
Als Replik auf die Begründung zur Beschwerdevorentscheidung wird vorgebracht, dass eine „pauschale Bewertung gleichartiger oder annähernd gleichwertiger Verpflichtungen" - welche laut dem FA [..] aufgrund eines Urteils des deutschen BFH im geltenden Recht gedeckt sei - mit dem zwingend anzuwendenden Prinzip der Einzelbewertung gem. § 201 Abs. 2 Z 3 UGB in Konflikt gerät. Ein Abweichen von diesem Prinzip ist gem. § 201 Abs. 2 letzter Satz UGB (In der für den maßgeblichen Veranlagungszeitraum geltenden Fassung (also vor RAG 2014)) nur bei Vorliegen besonderer Umstände zulässig. Eine pauschale Wertberichtigung von Verbindlichkeiten ist dem österreichischen UGB dem Grunde nach fremd. Eine Übertragung der Grundsätze des vom FA [..] zitierten BFH-Urteils auf das österreichische Rechnungslegungsrecht ist aus unserer Sicht nicht möglich. Aufgrund des von der Bank anzuwendenden Maßgeblichkeitsprinzips schlägt dies auch auf die steuerrechtliche Gewinnermittlung durch.
Darüber hinaus wird festgehalten, dass, wenngleich ein Abweichen vom Prinzip der Einzelbewertung und die Vornahme einer pauschalen Bewertung von Verbindlichkeiten als solche problematisch bzw. rechtlich nicht gedeckt sind, der Verweis darauf als Begründung für die Vorgehensweise seitens des FA […] unpassend ist, da dem Grunde nach keine pauschale Bewertung durch das FA […] erfolgte.
Eine „pauschale Bewertung" durch das FA […] könnte lediglich darin erblickt werden, dass pauschal alle - und somit konkret identifizierbare - Spareinlagen aufgelöst wurden, die per 30 Jahre und länger unbewegt waren. Diese Vorgehensweise steht aber im klaren Widerspruch zur schon zitierten Rechtsprechung des VwGH wonach verjährte Verbindlichkeiten erst dann aufzulösen sind, wenn seitens des Abgabepflichtigen die Absicht besteht, von der Verjährungseinrede Gebrauch zu machen. (Siehe dazu auch Marschner, in Jakom EStG9 (2016), § 4 Rz 114: „Eine verjährte Schuld ist weiterhin bilanziell als solche auszuweisen, wenn der StPfl zB aus geschäftlichen Rücksichten von einer möglichen Verjährungseinrede nicht Gebrauch machen will") Seitens der [Bf] besteht aber weder hinsichtlich der betroffenen Spareinlagen, noch im Allgemeinen die Absicht, von der Verjährungseinrede Gebrauch zu machen. Wie schon in der Beschwerdebegründung ausgeführt, wäre eine solche Vorgehensweise seitens der [Bf] mit verheerenden Imageschäden verbunden.
Aufgrund dieser Argumente ersuchen wir um Aufhebung bzw. Korrektur des Körperschaftsteuerbescheides 2014 im Sinne unserer Beschwerde vom .

Im Vorlagebericht wiederholte das Finanzamt im Wesentlichen seine Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung.

Im fortgesetzten Beschwerdeverfahren richtete das Bundesfinanzgericht am noch folgenden Vorhalt an die Bf:

In gegenständlicher Beschwerdesache haben Sie unter anderem vorgebracht, dass die Weigerung, verjährte Sparguthaben zur Auszahlung zu bringen, breite mediale Resonanz erfahren und die öffentliche Wahrnehmung aller [Banken] schwer beschädigen würde.
Folglich sei es gängige Praxis, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten und auf Verlangen des Kunden oder seines Rechtsnachfolgers auch verjährte Sparguthaben in jedem Fall auszuzahlen.
Derartige Auszahlungen seien in der Vergangenheit regelmäßig getätigt worden. Vor dem Hintergrund dieses Vorbringens werden Sie ersucht, eine Aufstellung für die Jahre 2003 - 2013 zu übermitteln, aus welcher sich (für jedes einzelne Jahr) Folgendes ergibt:
- Gesamtstand der im jeweiligen Jahr formal verjährten Sparguthaben bei der [Bf] zum Jahresende
- Gesamthöhe der im jeweiligen Jahr trotz eingetretener Verjährung seitens der [Bf] tatsächlich ausbezahlter Spareinlagen

Mit Schreiben vom beantwortete die Bf. diesen Vorhalt wie folgt:

In Beantwortung Ihres Ergänzungsauftrages vom betreffend die Auszahlung tatsächlich verjährter Spareinlagen seitens der [Bf] übermitteln wir Ihnen die auf der folgenden Seite ersichtliche Tabelle.
Vorausschickend möchten wir Sie darüber informieren, dass eine vollständige Bereitstellung der von Ihnen angeforderten Informationen – trotz intensiver Bemühungen, auch unter Einbringung des für uns zuständigen Rechenzentrums der [Bank] – von uns leider nicht ermöglicht werden konnte (diese Einschränkung gilt nicht für die am telefonisch angeforderten Informationen, siehe dazu weiter unten).
Es werden bzw. wurden dem Grunde nach keine bankinternen Aufzeichnungen geführt, die den aktuellen Stand verjährter Spareinlagen bzw. die Auszahlung derselben dokumentieren würden. Die in der Beschwerdebegründung angeführte Aussage, wonach regelmäßig verjährte Spareinlagen ausbezahlt werden, wurde einerseits vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Geschäftspolitik getroffen, wonach in keinem Fall bei der Vorlage verjährter Spareinlagen von der Einrede der Verjährung Gebrauch gemacht wird. Andererseits ist es aus der Erfahrung der täglichen Geschäftspraxis bekannt, dass immer wieder Spareinlagen vorgelegt – und von uns ausgezahlt – werden, deren Umsatz bzw. letzte Vorlage länger als 30 Jahre zurückliegen.
Betreffend die Auswertung des Bestands an bzw. der Auszahlung von verjährten Spareinlagen sind zwei Kategorien von Spareinlagen zu unterscheiden.

  • Spareinlagen < 50 EUR

  • Spareinlagen > 50 EUR

Spareinlagen die einen Saldo unter EUR 50 ausweisen, werden nach einer gewissen Zeit ohne Umsatz (zehn Jahre) auf ein sog. „ Sammelkonto“ umgebucht. Das heißt, die einzelnen Spareinlagen sind nicht mehr auf einem separaten Konto verbucht, sondern werden gemeinsam mit anderen Spareinlagen unter EUR 50 auf ein gemeinsames Konto umgebucht. Die Zusammensetzung dieses Sammelkontos wird in weiterer Folge mit außerbücherlichen Aufzeichnungen dokumentiert.
Spareinlagen über EUR 50 werden niemals auf ein Sammelkonto umgebucht, sondern verbleiben bis zur Realisierung auf einem separaten Konto.
Betreffend die angeforderten Informationen ist es nun so, dass hinsichtlich der ersten Kategorie (Spareinlagen < 50 EUR) aufgrund der zur Verfügung stehenden außerbücherlichen Dokumentationen, die sehr lange Zeit zurückreichen, zumindest eine teilweise Rekonstruktion Ihrer Anforderung möglich war.
Aufgrund der Aufzeichnungen hinsichtlich der realisierten Spareinlagen, die sich bereits auf einem Sammelkonto befanden, ist das Datum des letzten Umsatzes vor der Realisierung bekannt, sodass jene Auszahlungen herausgefiltert werden konnten, die zum Zeitpunkt der Auszahlung bereits verjährt waren:
Der aktuelle Bestand an verjährten Spareinlagen zu einem gewissen Stichtag konnte leider nicht mehr eruiert werden. Aus diesem Grund werden die Auszahlungen von verjährten Spareinlagen dem jeweiligen Saldo des Sammelkontos gegenübergestellt. Dieser Saldo ist naturgemäß ungleich höher, als die zu den damaligen Zeitpunkten bereits verjährten Spareinlagen.

Hinsichtlich der zweiten Kategorie, also der Spareinlagen über 50 EUR, ist es leider technisch nicht möglich, eine Darstellung im Sinne Ihrer Anforderungen zu erstellen.
Zum einen ist es in technischer Hinsicht nicht möglich, zu einem gewissen Zeitpunkt in der Vergangenheit den Bestand an damals verjährten Spareinlagen zu ermitteln. Diese Information hätte zum damaligen Zeitpunkt weggespeichert werden müssen, was aber nicht erfolgte. Eine nachträgliche Konstruktion dieser Informationen ist auf Basis der zur Verfügung stehenden Datensätze nicht möglich.
Zum anderen ist es auch nicht möglich, aus allen Spareinlagen-Realisierungen der Vorjahre jene herauszufiltern, welche im Zeitpunkt der Realisierung bereits verjährt waren.
Eine solche Information könnte nur dadurch ermittelt werden, indem bei sämtlichen Realisierungen der Vorjahre, der letzte Umsatz bzw. die letzte Vorlage ermittelt wird, der vor der Realisierung stattgefunden hat. Diese Daten sind entweder nur bis zu einem zeitlichen beschränkten Horizont rekonstruierbar, der hinsichtlich der Beurteilung für die Verjährung aber keinesfalls ausreichend ist. Zum anderen besteht eine absolute technische Hürde hinsichtlich der erstmaligen elektronischen Erfassung der Daten (1978). Spareinlagen, die beispielsweise im Jahr 2003 bereits verjährt waren, müssen als letzten Umsatz einen Zeitraum vor 1974 aufweisen. Da zu diesem Zeitpunkt noch keine elektronische Erfassung existierte, ist eine Auswertung mit technischen Mitteln leider nicht möglich.
Wir ersuchen Sie um Ihr Verständnis und stehen für weitere Rückfragen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.

Telefonisch mitgeteilte Erweiterung des Ergänzungsauftrags

Wie von Ihnen am telefonisch mitgeteilt wurde, soll mit Verweis auf das bereits in der Steiermark ergangen BFG-Urteil betreffend die verjährten Spareinlagen eine Aufstellung übermittelt werden, aus welcher jene Spareinlagen ersichtlich sind, die innerhalb des Prüfungszeitraums aufgrund der 30jährigen Unbewegtheit in die Verjährung „hinein gewachsen“ sind.
Diese Information kann nachstehender Tabelle entnommen werden:

Die Prüfung betraf den Zeitraum 2012 bis 2014. Die Auflistung zeigt jene Spareinlagen, welche in den Jahren 1982, 1983 und 1984 die letzten Umsätze aufweisen. Dementsprechend ist die Verjährung in den Jahren 2012, 2013 und 2014 eingetreten. 

Mit Schreiben vom gab die Großbetriebsprüfung dazu folgende Stellungnahme ab:

Zum 1. Teil des Vorhaltes bestätigt die GBP die bestehende Problematik der ziffernmäßig exakten Ermittlung der unbewegten Sparguthaben auf einen längeren Zeitraum bei einigen Banken. Die GBP sieht aber den Sachverhalt als erwiesen an, dass bei Sparguthaben welche seit mindestens 30 Jahren unbewegt sind, mit einer Inanspruchnahme kaum mehr zu rechnen ist und somit die Verbindlichkeiten, so wie sie in der Bilanz dazu abgebildet sind, nicht mehr Bestand haben.
Es kann auch davon ausgegangen werden, dass die Bf., falls sich ein Kunde nach 30 Jahren und länger mit dem Sparbuch bei der Bank meldet, von der Verjährungseinrede keinen Gebrauch macht. Diese Fälle, dass sich der Kunde noch meldet, sind aber eben als minimal anzusehen, womit nach Ansicht der GBP die Verbindlichkeit in der Bilanz zum Stichtag keinen Bestand hat. Daher wurden diese in der durchgeführten Außenprüfung mit dem letzten Bilanzstichtag des Prüfungszeitraumes ertragswirksam aufgelöst. Dies geschah auch im Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen, da die Banken bei einer exakten periodengerechten Abgrenzung bei der Ermittlung bereits für jedes Jahr des Prüfungszeitraumes (größere Banken weisen 5 Jahre Prüfungszeitraum aus) mit erheblichen Arbeits- und Ermittlungsaufwendungen beschäftigt sind.
Mittlerweile ist ein BFG-Erkenntnis zu dieser steuerlichen Thematik des BFG AS Graz unter GZ. RV/2100053/2017 ergangen.
Im Wesentlichen bestätigt dieses Erkenntnis die Rechtsansicht der GBP, dass die Verbindlichkeiten für 30 Jahre und länger unbewegter Spareinlagen, steuerlich, ausgenommen geringfügiger Auszahlungen, nicht gerechtfertigt sind. Jedoch verweist dieses auf eine periodengenaue Abgrenzung bei der ertragswirksamen Auflösung in der Weise, dass in jedem Jahr einzeln zu ermitteln sei, welcher Teil der Sparbuch-Verbindlichkeiten genau seit 30 Jahren in der Bilanzperiode 1.1. -31.12. d.J. unbewegt ist.
Der GBP wurde mitgeteilt, dass das zuständige Finanzamt keine Revision erhoben hat. In der Fachliteratur wurde zB im „SWK-Heft Nr. 28, , Seiten 1245ff“ über das Erkenntnis und die daraus zu ziehenden Konsequenzen, nämlich, der Aufrollung der nicht verjährten Jahre, berichtet. Der GBP ist ebenso bekannt, dass das zuständige Finanzamt per Vorhalt die Fakten und Zahlen, wie im Artikel beschrieben, im cit. BFG AS Graz- Fall erhoben hat, und die darauf folgenden Jahre ermittelt und per Bescheid festgesetzt hat.
In der Praxis stellt dies demzufolge, wie bereits in der Vorhaltbeantwortung der Bf. beschrieben, eine technische Herausforderung für die Banken dar, da künftig neben den noch nicht verjährten Jahren, jährlich die Werte zu erheben sind und zusätzlich wie im cit. Fachartikel ausgeführt, für die Werte davor, eine Wurzelberichtigung gem. § 4 Abs 2 EStG zu erheben ist.
Conclusio:
Die Beantwortung des Vorhalts der Bf. zeigt, dass die Auszahlungen und somit realisierter Sparguthaben, welche 30 Jahre und länger unbewegt waren, als sehr geringfügig anzusehen sind. Auch wird teilweise auf Schwierigkeiten in der Ermittlung der Zahlen hingewiesen.
Die GBP sieht sich durch das Erkenntnis des BFG AS Graz GZ. RV/4100588/2016 [richtig RV/2100053/2017] bestätigt, dass die Verbindlichkeit für Sparguthaben, welche 30 Jahre und länger unbewegt sind, aufzulösen sind. Das BFG AS Graz verweist aber im Gegensatz zum angefochtenen Bescheid, welcher auf Grundlage des Abschlussberichtes der GBP erlassen wurde, auf eine periodengenaue Ermittlung bei der Erhebung von Sparguthaben, welche genau 30 Jahre unbewegt sind.

Diese Stellungnahme wurde der Bf. mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht. Eine Gegenäußerung unterblieb.

Mit Schreiben (Email) vom , wurde den Verfahrensparteien vom Bundesfinanzgericht noch Folgendes vorgehalten:

Nach den Angaben der Bf. im Schreiben vom hatte das „Sammelkonto“ in den Jahren 2003 bis 2013 einen durchschnittlichen Stand von rund 57.950,00 EURO. Demgegenüber erfolgten in diesem Zeitraum Auszahlungen verjährter Spareinlagen von rund 360,00 EURO. Dies sind 0,62% der am Sammelkonto durchschnittlich befindlichen Spareinlagen. Weiters wurde bekannt gegeben, dass im Streitjahr 2014 Spareinlagen im Betrag von 3.760,60 EURO in die Verjährung hineingewachsen sind. Folgt man den Ausführungen im Erkenntnis RV/2100053/2017 dann wäre von den im Streitjahr neu verjährten Spareinlagen in Höhe von 3.760,60 EURO ein Prozentanteil von 99,38% (100% abzüglich 0,62%) und somit ein Betrag von 3.737,28 EURO im Streitjahr gewinnerhöhend aufzulösen.
Der vom Finanzamt angezogene § 4 Abs. 2 EStG erscheint im Beschwerdefall nicht anwendbar, da das Streitjahr 2014 offenbar nicht das letzte nicht verjährte Jahr darstellt. Nach der dem Gericht bekannten Aktenlage ist derzeit auch die Körperschaftsteuer des Jahres 2013 noch nicht verjährt.

Von Seiten der Bf und des Finanzamtes wurden dazu keine weiteren Stellungnahmen mehr abgegeben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt:

Die Bf hatte in ihrer Bilanz zum unter der Passivposition „Einlagen“ Sparbucheinlagen ausgewiesen, die 30 Jahre und länger nicht mehr bewegt wurden. Die lange unbewegten Sparbucheinlagen, die kleiner als 50,00 EURO waren, wurden auf einem Sammelkonto zusammengefasst. Auf diesem Sammelkonto befinden sich allerdings nicht nur verjährte (also 30 Jahre und länger unbewegte) Einlagen sondern auch all jene kleinen Sparbucheinlagen, die länger als 10 Jahre nicht bewegt wurden. Der gesamte Stand der verjährten  Spareinlagen zum betrug 134.794,69 EURO. Der durchschnittliche Stand des Sammelkontos in den Jahre 2003 bis 2013 betrug rund 57.950,00 EURO und von diesem Sammelkonto wurden in diesem Zeitraum 360,28 EURO an verjährten Einlagen ausbezahlt. Im Jahr 2014 sind Spareinlagen in der Höhe von 3.760,60 EURO in die Verjährung hineingewachsen.

Beweiswürdigung

Diese getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sind unstrittig.

Rechtsgrundlagen

Für das streitgegenständliche Veranlagungsjahr 2014 galten die folgenden Regelungen bezüglich des bilanziellen Ausweises von Verbindlichkeiten und die Bewertung von Wirtschaftsgütern:

§ 196 UGB idF BGBl 475/1990 lautet:

Vollständigkeit, Verrechnungsverbot

§ 196. (1) Der Jahresabschluß hat sämtliche Vermögensgegenstände, Rückstellungen, Verbindlichkeiten, Rechnungsabgrenzungsposten, Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

        (2) Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite, Aufwendungen dürfen nicht mit Erträgen, Grundstücksrechte nicht mit Grundstückslasten verrechnet werden.

§ 6 Z 2 lit a und Z 3 EStG 1988  idF BGBl. I Nr. 112/2012 lauten:

§ 6. Für die Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens gilt folgendes:

[...]

2. a) Nicht abnutzbares Anlagevermögen und Umlaufvermögen sind mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Ist der Teilwert niedriger, so kann dieser angesetzt werden. Bei Wirtschaftsgütern, die bereits am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zum Betriebsvermögen gehört haben, kann der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren den Teilwert auch dann ansetzen, wenn er höher ist als der letzte Bilanzansatz; es dürfen jedoch höchstens die Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt werden. Eine pauschale Wertberichtigung für Forderungen ist nicht zulässig. Zu den Herstellungskosten gehören auch angemessene Teile der Materialgemeinkosten und der Fertigungsgemeinkosten.

3. Verbindlichkeiten sind gemäß Z 2 lit. a zu bewerten [...]

§ 4 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 105/2014 lautet:

(2) Die Vermögensübersicht (Jahresabschluss, Bilanz) ist nach den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu erstellen. Nach Einreichung der Vermögensübersicht beim Finanzamt gilt Folgendes:

          1. Eine Änderung der Vermögensübersicht ist nur mit Zustimmung des Finanzamts zulässig (Bilanzänderung). Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Änderung wirtschaftlich begründet ist.

          2. Entspricht die Vermögensübersicht nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden Vorschriften dieses Bundesgesetzes, ist sie zu berichtigen (Bilanzberichtigung). Kann ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden, gilt Folgendes:

                – Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann von Amts wegen oder auf Antrag eine Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- oder Abschlägen vorgenommen werden.

                – Die Fehlerberichtigung ist im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche Auswirkungen haben kann.

                – Die Nichtberücksichtigung von Zu- oder Abschlägen gilt als offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 293b der Bundesabgabenordnung.

Streitpunkte

Die strittige Frage ist, ob die vom Finanzamt vorgenommene gewinnerhöhende Auflösung von Spareinlagen in Höhe von 134.794,69 EURO dem Grunde und der Höhe nach rechtens war oder nicht.

Mit der Frage der gewinnerhöhenden Auflösung von Spareinlagen bei Banken hat sich das Bundesfinanzgericht bereits in seinem Erkenntnis  auseinandergesetzt und dazu Folgendes ausgeführt:

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ergibt sich aus der die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen berücksichtigenden Auslegung des § 4 Abs 1 und des § 6 Z 3 EStG 1988 die zwingende einkommensteuerrechtliche Regelung, dass im Betriebsvermögen, welches für die steuerliche Gewinn­ermittlung maßgeblich ist, nur solche negative Wirtschaftsgüter berücksichtigt werden dürfen, die mit einer Belastung des Steuerpflichtigen verbunden sind. (stRSpr:VwGH 23.10.2013, 2009/13/0175 ; VwGH 23.05.2013, 2010/15/0146 ; VwGH 13.09.2006, 2002/13/0108 , VwGH 05.06.2003, 99/15/0219 ; VwGH 25.09.2001, 95/14/0098 ; VwGH 27.9.2000, 96/14/0141 )

Es entspricht ja bereits den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, dass Verbindlichkeiten nicht bilanziert werden dürfen, wenn mit dem Versuch der Durchsetzung der Forderung durch den Gläubiger praktisch nicht mehr zu rechnen ist (VwGH wie oben unter Hinweis auf Nowotny in Straube, HGB II 2 , § 196 Rz 16).

Eine verjährte Schuld ist [..] erst dann abzuschreiben, wenn Gewissheit besteht, dass von der Verjährungseinrede Gebrauch gemacht wird und der Verjährungsgegner keinen Unterbrechungstatbestand geltend machen kann.( VwGH 27.09.2000, 96/14/0141 oder VwGH 1.12.1992, 92/14/0148 ).

Hat sich der Steuerpflichtige entschlossen, von der Einrede der Verjährung nicht Gebrauch zu machen, dann ist die Verbindlichkeit weiterhin mit dem geschuldeten Betrag auszuweisen (VwGH 12.1.1993, 89/14/0188 ), es sei denn, es steht fest, dass der Gläubiger die Schuld nicht mehr einfordern wird (VwGH 13.9.2006, 2002/13/0108 ).

Auf Basis dieser rechtlichen Überlegungen gelangte das Bundesfinanzgericht im Verfahren RV/2100053/2017 sodann zur Ansicht, dass Sparbücher, die seit 30 Jahren nicht mehr bewegt wurden, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr eingelöst werden und daher grundsätzlich eine gewinnerhöhende Auflösung geboten sei. Das Finanzamt habe aus den vorgelegten Listen entnehmen können, dass Sparguthaben, die länger als 30 Jahre unbewegt waren, tatsächlich nicht mehr eingelöst werden.

Dieser grundsätzlichen Beurteilung in der Sache RV/2100053/2017 schließt sich der erkennende Richter an. Sie steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH vom , I R 3/95) und wird auch in der Literatur vertreten. So führt Mayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (14. Lfg 2010) Verbindlichkeiten Rz 271, zu diesem Thema Folgendes aus:

Nach VwGH dürfen nur solche negativen Wirtschaftsgüter berücksichtigt werden, die mit einer Belastung des Stpfl verbunden sind, damit also nicht etwa Verbindlichkeiten, mit deren Geltendmachung durch den Gläubiger „nicht mehr zu rechnen“ ist, auch wenn die Verbindlichkeit rechtlich noch besteht (E , 96/14/0141, 2001, 237; E , 2002/13/0108, 2007, 207). Der BFH verlangt, dass mit einer Inanspruchnahme „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechnen ist“ (BStBl 1989 II 359 zu Einlösungsverpflichtungen aus Gutscheinmünzen; BStBl 1996 II 470 zu seit mehr als 30 Jahren nicht mehr bewegten Sparguthaben). Eine unterschiedliche Auffassung zwischen VwGH und BFH ist wohl nicht abzuleiten, weil der VwGH ergänzend auf die unternehmensrechtlichen Grundsätze verweist und im Sachverhalt eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit vorlag (E , 96/14/0141, 2001, 237, die Gläubigerin, eine GmbH & CoKG, wurde im Firmenbuch gelöscht und von einer Übertragung der Forderung auf einen Rechtsnachfolger war nicht auszugehen); Verbindlichkeiten sind daher auszubuchen, wenn sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllt werden müssen (ebenso EStR 2000 Rz 2422).

Sparguthaben, die seit langer Zeit nicht mehr bewegt worden sind, dürfen in der Bankbilanz entsprechend den Erfahrungssätzen nicht mehr als Verbindlichkeit ausgewiesen werden (Doralt/Lochmann, RdW 2008, 613); denn maßgeblich ist nicht, ob die Forderung verjährt ist, sondern ob mit ihrer Geltendmachung noch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist. Handelt es sich beim passivierten Betrag um einen Gesamtbetrag gleichartiger oder annähernd gleichartiger Verpflichtungen, ist eine Herausschätzung des Teiles, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr geltend gemacht wird, geboten (BFH, BStBl 1996 II 470; der BFH hat keine Bedenken, dass 0,25 % des Gesamtbetrages der Spareinlagen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr geltend gemacht wird).

Der Argumentation des Finanzamtes, wonach die Ausbuchung der 30 Jahre und länger unbewegten Spareinlagen nicht auf Grund des Eintrittes der Verjährung erfolgte, sondern wegen der nahezu an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, dass diese Spareinlagen niemals mehr behoben werden, ist daher zu folgen. Würde es hingegen nur auf die Verjährung ankommen, müsste berücksichtigt werden, dass die Bf auf Grund ihrer Geschäftspolitik und dem zu erwartenden Imageschadens nicht von ihrem Recht der Verjährungseinrede Gebrauch machen würde.

Darüber hinaus sprach das Bundesfinanzgericht im Verfahren RV/2100053/2017 aber auch aus, dass nach dem Grundsatz des Nachholverbotes für die gewinnerhöhende Auflösung nur von jenen Guthaben auszugehen sei, die im Streitjahr genau 30 Jahre keine Kontobewegung mehr aufweisen. Die Wertminderung sei in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem sie eingetreten sei.

Auch dieser Beurteilung schließt sich der erkennende Richter an. Sie entspricht dem Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies Folgendes:

Bei der gewinnerhöhenden Auflösung der Spareinlagen ist von jenen Sparguthaben auszugehen, die im Streitjahr 2014 genau 30 Jahre lang unbewegt sind. Dazu brachte die Bf. vor, dass es sich dabei um 16 Stück Spareinlagen des Jahres 1984 mit einem Kapitalsaldo von 3.760,60 handelt, die „auf Grund der 30jährigen Unbewegtheit“ in die Verjährung hineingewachsen seien. Dieses Vorbringen blieb von Seiten des Finanzamtes unbestritten.

Es wäre nun Sache der Bf. nachzuweisen, dass im allgemeinen 30 Jahre unbewegte Sparguthaben (teilweise) in der Folge eingelöst wurden. Die Bf. brachte dazu zunächst in ihrer Beschwerde allgemein vor, dass immer wieder derartig unbewegte Sparkonten seitens der Kunden angefordert und diese durch die Bf auch ausbezahlt würden. Von der Einrede der Verjährung werde in keinem Fall Gebrauch gemacht. Dieses Vorbringen wurde über Vorhalt des Gerichtes insofern abgeschwächt, als im Schriftsatz vom ausgeführt wurde, dass es keine bankinternen Aufzeichnungen gäbe, die Auszahlungen verjährter Spareinlagen dokumentieren würden. Die Aussage in der Beschwerde, wonach regelmäßig verjährte Spareinlagen ausgezahlt würden, gehe auf die grundsätzliche Geschäftspolitik, dass verjährte Spareinlagen ausgezahlt würden, und auf die tägliche Geschäftspraxis, dass immer wieder derartige Sparbücher der Bank vorgelegt würden, zurück. Hilfsweise gab die Bf. bekannt, dass Spareinlagen mit einem Einlagenstand von weniger als 50,00 EURO nach 10 Jahren ohne Umsatz auf einem Sammelkonto erfasst (umgebucht) würden. Der durchschnittliche Stand dieses Sammelkontos in den Jahren 2003 bis 2013 beträgt als Ergebnis einer tabellarischen Darstellung der Bf. rund 57.950,00 EURO. Demgegenüber betrugen die Auszahlungen von verjährten Spareinlagen in diesen Jahren rund 360,00 EURO. Der Saldo des Sammelkontos sei aber ungleich höher als die zu den damaligen Zeitpunkten verjährten Spareinlagen. Hinsichtlich der Spareinlagen über 50,00 EURO könnten mangels entsprechender Aufzeichnungen keinerlei Angaben bezüglich der Einlösung verjährter Sparguthaben gemacht werden.

Angesichts dieser Sachlage erscheint es gerechtfertigt, das Verhältnis der in den Jahren 2003 bis 2013 getätigten Auszahlungen verjährter Spareinlagen (Ausbuchungen) in Höhe von rund 360,00 EURO zum Durchschnittsstand des Sammelkontos von rund 57.960,00 EURO als Basis für die Bemessung der Wahrscheinlichkeit einer Einlösung mehr als 30 Jahre unbewegter Spareinlagen heranzuziehen. Dieses Verhältnis beträgt 0,62%. Das ziffernmäßig nicht konkretisierte Vorbringen der Bf, dass sich auf dem Sammelkonto nicht nur mehr als 30 Jahre unbewegte Sparbücher sondern bereits mehr als 10 Jahre unbewegte Spareinlagen befänden, veranlasst das Gericht aber - anders als im Vorhalt vom ausgeführt - diesen Prozentsatz pauschal auf 1% anzuheben. Die Wahrscheinlichkeit, dass mehr als 30 Jahre unbewegte Spareinlagen nicht mehr eingelöst werden, beträgt im gegenständlichen Streitfall daher 99%. Somit bemisst sich der im Streitjahr 2014 gewinnerhöhend auszubuchende Betrag der Verbindlichkeiten mit 3.722,99 EURO (99% von 3.760,60 EURO).

Diese pauschale Art der Wertberichtigung der Spareinlagen (im Betrag von 3.760,60 EURO) erscheint gerechtfertigt, zumal es sich hier um gleichartige bzw. annähernd gleichartige Verpflichtungen handelt (genau 30 Jahre unbewegte Spareinlagen). Die Bf. verweist in ihrer Beschwerde auf den Grundsatz der Einzelbewertung, übersieht aber, dass gleichartige Verbindlichkeiten einheitlich wertberichtigt werden können (vgl. nochmals BFH BStBl 1996 II 470 und Mayr a.a.O.). Dass diese Verbindlichkeiten in Höhe von 3.760,60 EURO trotz ihres gemeinsamen Bandes der 30jährigen Unbewegtheit im Streitjahr 2014 uneinheitlich zu betrachten wären, vermochte die Bf. nicht aufzuzeigen.

Eine Fehlerberichtigung gemäß § 4 Abs. 2 EStG, welche über den auf das Streitjahr 2014 entfallenden Betrag hinausgehen könnte, erscheint im Beschwerdefall nicht zulässig, da das Streitjahr 2014 offenbar nicht das letzte nicht verjährte Jahr darstellt. Nach der dem Gericht bekannten Aktenlage ist derzeit auch die Körperschaftsteuer des Jahres 2013 noch nicht verjährt. Diese Beurteilung wurde den Verfahrensparteien vorgehalten und blieb unbeanstandet.

Der Beschwerde war daher teilweise Folge zu geben.

Das Einkommen der Bf. wird dementsprechend wie folgt festgesetzt: Einkommen laut FA von Betrag3 EURO abzüglich Gewinnerhöhung unbewegter Spareinlagen lt. FA von 134.794,69 EURO zuzüglich Gewinnerhöhung unbewegter Spareinlagen laut ,99 EURO ergibt ein Einkommen laut BFG von Betrag1 EURO. Davon errechnet sich eine Körperschaftsteuer von Betrag4 EURO (25% von Betrag1 EURO). Abzüglich der einbehaltenen Steuerbeträge laut FA von Betrag5 EURO ergibt sich eine festgesetzte Körperschaftsteuer von gerundet Betrag2 EURO.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im vorliegenden Fall eine einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, wird die Revision zugelassen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
BFH , I R 3/95
BFG, RV/2100053/2017
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.4100588.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at