Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.09.2019, RV/6100238/2011

Weder im Bescheid über die vorgenommene Wiederaufnahme des Verfahrens noch in dem Bericht der Prüfung, wurden Gründe für die vorgenommene Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend selbstzuberechnender Abgaben gemäß § 201 BAO angeführt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter M, in der Beschwerdesache der B, Adresse, vom vertreten durch T, Adresse, gegen die Bescheide des Finanzamtes A vom , betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) sowie die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für das Jahr 2009 und den Haftungsbescheid betreffend Lohnsteuer für das Jahr 2009 zu Recht erkannt:

I.

Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) für das Jahr 2009 wird gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) stattgegeben.

II.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

III.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

IV.

Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrages (DB) für das Jahr 2009 wird gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) stattgegeben.

V.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

VI.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

VII.

Der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid betreffend Lohnsteuer für das Jahr 2009 wird gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) stattgegeben.

VIII.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

IX.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahren vor der Abgabenbehörde erster Instanz

Die Abgabenbehörde erster Instanz führte bei der Beschwerdeführerin im Jahr 2010 eine GPLA-Prüfung über die Jahre 2007 bis 2009 durch und erließ in der Folge unter anderem Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) sowie die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für das Jahr 2009.

In der Begründung der Bescheide wurde auf den (Prüf) Bericht vom verwiesen. Dieser Prüfbericht enthielt neben der Darstellung der eingesehenen Unterlagen folgende „Feststellungen“:

„Sachverhaltsdarstellung

Ausbezahlter Lohn für eine versicherungspflichtige Tätigkeit nach § 4 (2) ASVG lt. Erhebung bzw. niederschriftlicher Einvernahme abgerechnet:

W, VNR 1***

Sachverhaltsdarstellung

Ausbezahlter Lohn für eine versicherungspflichtige Tätigkeit nach § 4 (2) ASVG lt. Erhebung bzw. niederschriftlicher Einvernahme abgerechnet:

W, VNR 1***

Ausbezahlter Lohn für eine versicherungspflichtige Tätigkeit nach § 4 (2) ASVG lt. Erhebung bzw. niederschriftlicher Einvernahme abgerechnet:

G, VNR 2***

Ausbezahlter Lohn für eine versicherungspflichtige Tätigkeit nach § 4 (2) ASVG lt. Erhebung bzw. niederschriftlicher Einvernahme abgerechnet:

G, VNR 2***

Ausbezahlter Lohn für eine versicherungspflichtige Tätigkeit nach § 4 (2) ASVG lt. Erhebung bzw. niederschriftlicher Einvernahme abgerechnet:

W, VNR 1***

Ausbezahlter Lohn für eine versicherungspflichtige Tätigkeit nach § 4 (2) ASVG lt. Erhebung bzw. niederschriftlicher Einvernahme abgerechnet:

W, VNR 1***

Ausbezahlter Lohn für eine versicherungspflichtige Tätigkeit nach § 4 (2) ASVG lt. Erhebung bzw. niederschriftlicher Einvernahme abgerechnet:

W, VNR 1***“

Im August 2010 nahm die Abgabenbehörde erster Instanz die Beschwerdeführerin in Anwendung des § 82 EStG 1988 durch die Erlassung eines Haftungsbescheides für die Lohnsteuer des Jahres 2009 in Anspruch. In der Begründung des Bescheides wurde auf den Bericht der GPLA Prüfung vom verwiesen.

Dieser Prüfbericht enthielt neben der Darstellung der eingesehenen Unterlagen sowie der vorhin angeführten „Feststellungen“ folgende Begründung für die Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin als Haftende:

„Die Heranziehung zur Haftung gemäß § 82 Einkommensteuergesetz (EStG) iVm § 202 Abs. 1 und § 224 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) wurde im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäß § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände getroffen. Dem Gesetzesbegriff „Billigkeit“ ist dabei die Bedeutung „berechtigte Interessen der Partei“, dem Gesetzesbegriff „Zweckmäßigkeit“ ist insbesondere die Bedeutung „öffentliches Anliegen an der Einhebung der abgaben“ beizumessen. Im Hinblick darauf, dass die Arbeitgeberhaftung eine für den praktischen Vollzug des Lohnsteuerverfahrens unerlässliches Element darstellt und die im vorliegenden Fall festgestellten Fehlberechnungen und Einbehaltungsdifferenzen nicht bloß von geringem Ausmaß sind, waren bei der Ermessensübung dem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Abgabenerhebung der Vorzug zu geben und die die gegenständlichen Haftungsheranziehung bescheidmäßig auszusprechen.“

Ausführungen dazu, welcher der verschiedenen in § 201 BAO genannten Gründe für die Erlassung der Bescheide gemäß § 201 BAO maßgebend war, bzw. welche für das Finanzamt seit der Selbstbemessung neu hervorgekommenen Umstände, die als Wiederaufnahmegrund geeignet sind und für die amtswegige Festsetzung gegenständlicher Selbstbemessungsabgaben ausschlaggebend waren und die Beschwerdeführerin deshalb zur Haftung herangezogen wurde, finden sich weder in den auf Grund der GPLA Prüfung ergangenen Bescheiden noch im Bericht.

Gegen diese Bescheide wurde von der steuerlichen Vertretung berufen und unter anderem Folgendes ausgeführt:

„Die Pflichtige ist im Fliesenlegergewerbe sowohl im Privatbereich als auch im gewerblichen Objektbereich tätig. Zu den Auftraggebern zählen sowohl Bauträger, gewerbliche Betriebe, Wohnungserrichtungsgesellschaften, als auch Privathaushalte.

Bei der GPLA Prüfung kam es von Seiten des Prüfers zur Feststellung, dass mit Fliesenlegerarbeiten betraute Einzelunternehmer als Dienstnehmer hätten angemeldet werden müssen und in Folge die Lohnabgaben abgeführt hätten werden müssen.

Konkret handelte es sich dabei um 2 Auftragnehmer, welche für die Pflichtige im Rahmen eines Werkvertrages tätig waren. Im gegenständlichen Fall liegen keine Dienstverhältnisse vor, sondern jeweilige Werkverträge. Die Subunternehmer wurden fallweise eingesetzt, je nach Auftragslage des Unternehmens und hatten die Aufgabe ein bestimmtes Werk zu vollbringen. Es war keine bestimmte Arbeitszeit vorgegeben, auch wurden keine Werkzeuge beigesteuert, dies als Kriterium für das Vorliegen eines Werkvertrages (siehe GZ FSRV/0050-W/08).

Die angeführten Personen Herr W und Herr G sind selbständige Unternehmer. Herr W führt sein Unternehmen in Deutschland seit 1999, Herr G führt sein Unternehmen seit 2006 in Deutschland. Beide Unternehmer sind in Deutschland krankenversichert und beim Finanzamt als steuerpflichtige Gewerbetreibende geführt.

Ein Werkvertrag liegt vor, wenn die Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt besteht, wobei es sich um eine im Vertrag im Vorhinein individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handeln muss. Die Verpflichtung aus dem Werkvertrag besteht darin, die genau umrissene Leistung (in der Regel bis zu einem bestimmten Termin) zu erbringen. Das Interesse des Vertragsverpflichteten ist auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essenziell ist ein „gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden können. Mit der Erbringung der Leistung endete das Werkvertragsverhältnis, danach wurde das Werk auch jeweilig abgerechnet. Es liegen von diesen Personen Rechnungen mit Firmenbriefpapier (Firmenstempel), fortlaufende Rechnungsnummer, UID Nummer vor, auch diese lassen auf eine selbständige Tätigkeit (siehe obige angeführte UFS-Entscheidung) schließen.

Beide Einzelunternehmen waren mit der Durchführung der Regiearbeiten (einzelne Fliesenlegerarbeiten in verschiedenen Projekten) beauftragt und haben diese durchgeführt und in Rechnung gestellt. Sie haben die an sie beauftragten Regiearbeiten im weisungsfreien Rahmen ihrer Tätigkeit als Unternehmer ohne wirtschaftlich von der Pflichtigen abhängig zu sein, ausgeführt. Darüber hinaus haften sie nach den gewährleistungsrechtlichen Bestimmungen für die von ihnen erbrachten Arbeiten. Anders als Dienstnehmer schulden sie aufgrund der Vereinbarung nicht ihre Tätigkeit, sondern den vereinbarten Erfolg. Sie waren auch nicht verpflichtet die Tätigkeit selbst auszuführen, sondern waren berechtigt sich durch ihre eigenen Dienstnehmer oder Subunternehmer vertreten zu lassen.

Die Unternehmer haben die Arbeiten ausschließlich mit eigenen Betriebsmitteln (Werkzeuge, wie Fliesenschneider, Spachteln, Hammer) ausgeübt. Sie sind im Gegensatz zu Dienstnehmern der Pflichtigen mit ihren eigenen betrieblich genutzten Fahrzeugen zur Baustelle angereist und haben dort die Fliesenlegerarbeiten mit eigenen Handwerkzeugen ausgeübt. Im Übrigen verfügen beide Unternehmer auch über eine Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug der Bauleistungen gem. § 48 (1) 1 EStG, Abgrenzungskriterium zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag ist, dass beim Dienstvertrag die rechtlich begründete freie Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers wesentlich ist. Es kommt also auf die Bereitschaft zu Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit an.

Genau dies ist jedoch schon deshalb nicht der Fall, da beide Unternehmer berechtigt waren, sich vertreten zu lassen, sie waren auch persönlich nicht weisungsgebunden, sie mussten lediglich ihr Werk erbringen. Eine Tätigkeit, die jemand nicht im Rahmen eines

Unterordnungsverhältnisses ausübt, ist als selbständige Tätigkeit anzusehen ( mit Hinweis auf das , veröffentlicht in der Sammlung der Rechtsprechung 2001, Seite I -08615).

Für eine unternehmerische Tätigkeit spricht, dass der Arbeitende das entsprechende wirtschaftliche Risiko tragen will, indem er z.B. losgelöst vom konkreten Auftrag spezifische Betriebsmittel anschafft, werbend am Markt auftritt, auch sonst über eine gewisse unternehmerische Struktur verfügt und seine Spesen in die dem Auftraggeber verrechneten Honoraren selbst einkalkuliert, wie dies bei einer Pauschalabgeltung in der Regel der Fall ist (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom Zlen.2009/09/0287,0287,0288 mwN).

Die beiden Unternehmen arbeiten generell sowohl in Deutschland als auch in Österreich für verschiedene Auftraggeber. Die Aufträge wurden im obigen Zeitraum nach Stunden abgerechnet, wie es in der Fliesenlegerbranche auch üblich ist. Im Fliesenlegergewerbe wird entweder nach qm oder nach Stunden abgerechnet. Gerade bei Mosaikfliesenarbeiten, wo die beiden Unternehmer spezialisiert sind, wird immer in Stunden abgerechnet, da eine qm Abrechnung zu keinem gerechten Honorar führen würde.

Im Fliesenlegergewerbe ist es üblich meist zu zweit oder zu dritt zu arbeiten, die beiden Unternehmer kommen aus unterschiedlichen Gegenden in Deutschland, sie haben teilweise bei manchen Baustellen zusammen, jeder allerdings auf eigene Rechnung gearbeitet. Fakturiert wurde immer dann, wenn ein Werk, das geschuldet war, erfüllt war.

In der Anlage werden folgende Unterlagen vorgelegt:

Eidesstättige Erklärung der beiden Unternehmer

Freistellungsbescheinigungen

Nachweis über UID Nummer

Gewerbeanmeldung

Bestätigung über Krankenversicherung

Es werde daher die Stattgabe der Berufung beantragt.“

An die Beschwerdeführerin erging ein Ersuchen um Ergänzung verbunden mit der Aufforderung folgende weitere Unterlagen vorzulegen:

  • „Die zwischen der Fa. B HANDELS GmbH und W bzw. G abgeschlossenen Leistungsverträge im Original.

  • Alle an die Fa. B HANDELS GmbH von W bzw. G ausgestellten (Stundenab-(Rechnungen im Original.

  • Die Eintragungen über die Tätigkeiten/Anwesenheiten von W bzw. G im jeweiligen Bautagebuch (ggf. als Subunternehmer) im Original.

  • Abnahmeprotokoll der erbrachten Leistungen von W bzw. G durch die Fa. B HANDELS GmbH im Original.

  • Der gesamte Schriftverkehr zwischen der Fa. B HANDELS GmbH und W bzw. G VOR Vertragsabschluss, insbesondere die von beiden Herren eingereichten Leistungsangebote bzw. der Kostenvoranschläge im Original.

  • Art, Umfang, Beschreibung, Zeitrahmen und Kostenvereinbarung (geordnet nach Bauprojekten) der Ausübung aller jeweils vereinbarten "Regiearbeiten zwischen der Fa. B HANDELS GmbH und W bzw. G (= Gesamtaufstellung aller erbrachten Leistungen).

  • Wie oft ließen sich W bzw. G bei Ihrer Tätigkeit tatsächlich vertreten? Hatten Sie eigenen Mitarbeiter zur Leistungserbringung und welche bzw. wie viele waren dies?

Sollten einzelne der angeforderten Unterlagen nicht vorliegen, wird um einen kurzen Hinweis und eine Begründung in der Beantwortung ersucht. Alle Originaldokumente werden umgehend kopiert und mittels Rückscheinbrief zurück übersendet.“

Die steuerliche Vertretung ersuchte in der Folge um Fristverlängerung, da im Oktober 2010 wegen verhängter Verwaltungsstrafen der Bezirkshauptmannschaft C-Umgebung gegen X, indem diesen als vertretungsbefugter Geschäftsführer der Beschwerdeführerin Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit von W und G für die Beschwerdeführerin zur Last gelegt worden seien, eine Verhandlung beim Unabhängigen Verwaltungssenat stattfinden werde.

Dem Ergänzungsersuchen wurde offenbar dadurch entsprochen, dass, wie den im Verwaltungsakt der Abgabenbehörde erster Instanz abgelegten und daher dem Bundesfinanzgericht vorliegenden,

  • Kopien von Kontoblättern aus dem Rechenwerk der Beschwerdeführerin für G für den Zeitraum August bis Dezember 2009 sowie von

  • Kopien der von G an die Beschwerdeführerin erstellten Rechnungen unter anderem unter Anführung der einzelnen Bauvorhaben bei denen G tätig war, sowie

  • Kopien von Kontoblättern aus dem Rechenwerk der Beschwerdeführerin für W für den Zeitraum August bis Dezember 2009 sowie

  • Kopien der von W an die Beschwerdeführerin erstellten Rechnungen unter anderem unter Anführung der einzelnen Bauvorhaben bei denen W tätig war,

    zu entnehmen ist.

    Dem vorgelegten Verwaltungsakt der Abgabenbehörde erster Instanz ist weiters die Kopie einer von einem KIAB Team aufgenommenen Niederschrift vom mit G betreffend des Verdachtes der Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bzw. des allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes abgelegt, in der unter anderem Folgendes niederschriftlich festgehalten wurde:

    „Sachverhalt:

    Im Zuge einer Kontrolle nach dem AuslBG und ASVG am , Kontrollbeginn

    11:22 Uhr, wurden im EG des Bürogebäudes der Fa. F (Neubau) in E, die deutschen STA W, geb. ***, bei Fliesenlegerarbeiten und G, geb. ***, beim Schneiden von Fliesen angetroffen. Beide geben an selbständig zu sein und für die Fa. B-GmbH, Adresse, tätig zu sein.

    Aussage der Auskunftsperson:

    Seit wann arbeiten sie und W für die Fa. B bzw. seit wann arbeiten sie auf der Baustelle in E, Fa. F?

    Antwort:

    Wir (W und G) arbeiten als selbständige Fliesenleger seit ca. 8 Wochen für die Fa. B. Seit 3 Wochen (dies ist nunmehr die 4. Woche) arbeiten wir auf der Baustelle in E. Vorher haben wir zusammen auf einer Baustelle in Deutschland (K) gearbeitet.

    Sie wurden bei Fliesenverlegearbeiten im Erdgeschoß angetroffen, wobei sie an der Fliesenschneidemaschine und W beim Fliesenverlegen betreten wurden. Arbeiten sie immer zusammen bzw. vom wem stammt das Werkzeug (wie Fliesenschneidemaschine, Rührwerkzeuge Spachtel etc.)?

    Antwort:

    Wir arbeiten immer zusammen, zumindest seit wir für die Fa. B tätig sind. Das vorgefundene Werkzeug gehört zum Teil W und zum Teil mir.

    Hinsichtlich ihrer Angabe, dass sie beide zusammenarbeiten, wie ist das zu verstehen?

    Antwort:

    Wir machen die übernommenen Arbeiten gemeinsam. Einmal lege ich die Fliesen, dann macht W die Hilfsarbeiten wie Anrichten von Kleber, Schneiden von Fliesen etc. oder auch umgekehrt.

    Wer hat die Fliesen bzw. den Kleber besorgt?

    Antwort:

    Die Fliesen und der Kleber sind von der Fa. B.

    Wie sind sie heute auf die Baustelle gekommen?

    Antwort:

    Für den Zeitraum unserer Tätigkeit auf der Baustelle in E sind W und ich in D wohnhaft. Von dort sind wir heute mit dem Auto von W auf die Baustelle gefahren.

    Wie erfolgt die Abrechnung mit der Fa. B?

    Auf der Baustelle hier in E wird mit der Fa. B auf Regiestundenbasis abgerechnet. Der Stundenlohn beträgt 25,-- € netto pro Person.

    Darüber wird wöchentlich abgerechnet, wobei sowohl ich als auch W eine Rechnung stellt – ohne Umzusteuer. Die Rechnungslegung erfolgt von mir unter Anführung meiner deutschen Steuernummer.

    Wieviele Stunden arbeiten sie wöchentlich?

    Antwort:

    Zwischen 40 und 50 Stunden.

    Gibt es darüber einen Werkvertrag?

    Antwort:

    Nein. Wir haben mit Y die durchzuführenden Arbeiten, wie auch die Entlohnung dafür nur mündlich vereinbart.

    Auf der Baustelle wurden auch noch Arbeiter der Fa. B (im Keller) angetroffen. Wird mit diesen zusammengearbeitet bzw. wie erfolgte die Arbeitseinteilung bzw. wer hat diese gemacht?

    Antwort:

    Es erfolgt keine Zusammenarbeit mit den Arbeitern der Fa. B. Herr X hat uns gesagt welche Fliesenverlegearbeiten wir zu machen haben. Er informiert sich auch über den wöchentlichen Baufortschritt und überprüft dabei auch unsere Arbeiten.

    Haben sie oder W Stundenaufzeichnungen zu führen?

    Antwort:

    Nein. Aufgrund seiner Überprüfung der Arbeiten sind unsere Stunden, welche wir in Rechnung stellen, glaubwürdig.

    Wer ist ihr Ansprechpartner bei der Fa. B?

    Antwort:

    Y

    Wer übernimmt die Haftung (event. Haftrücklas) für ihre durchgeführten Arbeiten?

    Antwort:

    Meines Erachtens übernimmt die Fa. B die Haftung für die Arbeiten. Zumindest wird uns kein Haftrücklass abgezogen.

    Wie viele Abrechnungen haben sie mit der Fa. B schon gemacht?

    Antwort:

    Zwischen 7 und 8. Für die Baustelle in E wurden bisher 3 Rechnungen von mir gestellt – ebenso W.

    Wie lange werden sie und W noch auf der Baustelle In E arbeiten?

    Antwort:

    Ca. bis Ende November 2009

    Besitzen sie bzw. W einen Gewerbeschein?

    Antwort:
    Sowohl ich als auch W besitzen einen deutschen Gewerbeschein, lautend auf Fliesenlegen und bauübliche Arbeiten. X wurde auch der für Deutschland notwendige Freistellungnachweis gezeigt."

Im vorgelegten Verwaltungsakt befinden sich auch Kopien von Tätigkeitsnachweisen des W für die 33. und 34. Kalenderwoche des Jahres 2009 sowie die Kopie eines mit zwischen dem Vertreter der B GmbH (X) und W abgeschlossenen Werkvertrages für die komplette Verlegung von Bodenfliesen für das BVH Gesundheitszentrum….

Dem vorgelegten Verwaltungsakt der Abgabenbehörde erster Instanz ist weiters

  • die Kopie eines Strafantrages einer Abgabenbehörde an die Bezirkshauptmannschaft Z gegen die Beschwerdeführerin vertreten durch X sowie

  • das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z gegen X und die Kopie

  • des Erkenntnisses Unabhängigen Verwaltungssenates C vom , indem der Berufung gegen die verhängten Verwaltungsstrafen stattgegeben und das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gegen X eingestellt wurde,

zu entnehmen.

Die Berufung wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Finanzsenat mit Vorlagebericht vom vorgelegt.

Im Vorlagebericht ist unter anderem Folgendes ausgeführt:

„Das im Lohnsteuerakt befindliche Ersuchen um Ergänzung vom bzgl. der Berufung vom wurde mündlich durch Herrn GF X und seinen Steuerberater T am zwischen 8.30 und 9.00 Uhr im Dienstzimmer von Amtsbeauftragter (***) eingehend erläutert.

Im Rahmen dieser Erläuterung wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

  • Die an die Fa. B. von W bzw.

G ausgestellten (Stundenab-) Rechnungen im Original.

Die vorgelegten Unterlagen wurden kopiert und liegen dem Akt bei.

  • Bzgl. des gesamten Schriftverkehrs zwischen der Fa. B. und W bzw. G vor Vertragsabschluss wurde auf das Straferkenntnis des UVS C vom **.**.2011 und die dort gemachten Angaben und Würdigungen verwiesen.

  • Bzgl. der tatsächlich vorgekommen Vertretung von W bzw. G bei ihrer Tätigkeit, ob sie eigene Mitarbeiter hatten und welche/wie viele dies waren wurde ebenfalls auf das Straferkenntnis des UVS C vom **.**.2011 und die dort gemachten Angaben und Würdigungen verwiesen.

  • Bzgl. des abverlangten Leistungsvertrages zwischen der Fa. B. und W bzw. G wurde auf den seit 2010 bestehenden schriftlichen Werkvertrag verwiesen. Für frühere Zeiträume wurden die Werkverträge — nach Angabe — mündlich abgeschlossen.

  • Für die sonstigen Anforderungen aus dem oa. Ersuchen um Ergänzung konnten keine Unterlagen vorgelegt werden.

Ohne Aufforderung wurden die folgenden Unterlagen vorgelegt:
-           Kontoblätter über Kreditorenkonten für G und W der Fa. B.
-           Tätigkeitsnachweis von W für die 32. und 34. Kalenderwoche.

-           Für die sonstigen Anforderungen aus dem oa. Ersuchen um Ergänzung konnten keine Unterlagen vorgelegt werden.

Für das Finanzamt A stellt sich der Sachverhalt nach Würdigung dergestalt dar:
Der UVS C entschied durch die Einzelbeamtin Dr. H mit **.**.2011 auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gem. § 45 Abs. 1 Z 1 VStG, welches aufgrund der Verwirklichung des Tatbestandes § 111 Abs. 1 und 2 ASVG von der Bezirkshauptmannschaft C mit mit Straferkenntnis abgeschlossen worden war.

In der Begründung zur Einstellung durch den UVS wurde folgende argumentative Abwägung vorgenommen:

  • Beide Beschäftigte (G und W) sind seit mehreren Jahren für verschiedene Auftraggeber selbständig tätig, in Deutschland versichert, dort steuerpflichtig und zum Gewerbe gemeldet, zudem mit eigenen Betriebsmitteln ausgestattet. Es wurde auf einen Jahresumsatz, Kundenstamm, Büroräumlichkeiten, Angestellte und einen Webauftritt verwiesen. Insgesamt kann daher mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nicht ausgeschlossen werden, dass bei beiden Beschäftigten wesentliche Betriebsmittel vorliegen.

  • Es konnte mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nicht ausgeschlossen werden, dass die Tätigkeit beider Beschäftigter (G und W) ohne fachliche und personelle Aufsicht mit eigenen Betriebsmitteln gewährleistungspflichtig gegenüber der Fa B. erbracht worden waren und sich diese dabei auch durch Dritte vertreten lassen konnten.

  • Es gibt keinen Hinweis darauf, dass beide Beschäftigte (G und W) in persönlicher Arbeitspflicht tätig gewesen sind oder es eine Arbeitsteilung gab. Eine der Weisungs- und Kontrollbefugnis der Fa. B. als Dienstgeber unterliegende Verpflichtung zur kontinuierlichen persönlichen Arbeitsleistung kann nicht mit Sicherheit angenommen werden.

  • Dass die Arbeitsleistung nicht auf Quadratmeter-, sondern auf Regiestundenbasis nach Arbeitsabschnitten von einer Woche/zehn Tagen in Rechnung gestellt wurde, schließt einen mündlichen Werkvertrag nicht aus, und damit ebenfalls nicht aus, dass die beiden Beschäftigten (W und G) zur Bewerkstelligung des Fliesenlegergewerkes in genau bestimmten Räumlichkeiten und damit zu einer in sich abgeschlossenen, von vornherein individualisierten Tätigkeit verpflichtet gewesen waren, die mit Erbringung des vereinbarten Leistungsergebnisses als Endprodukt beendet sein sollte.

Die gesamte Begründung ist naturgemäß auf das Verwaltungsstrafrecht zugeschnitten und hat daher darüber abzuhandeln, ob eine Strafbarkeit des gesetzten Verhaltens in einer Weise vorliegt, die jeden vernünftigen Zweifel an der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes ausschließt. Nach Ansicht des UVS C war dies hier nicht der Fall.

Folgendes wurde vom UVS C jedoch auch in der vorliegenden Einstellung vom **.**.2011 zugestanden:

Es gab für den Zeitraum 2009 keinen (schriftlichen) Werkvertrag. Und auch G räumte bei der Niederschrift am ein, dass die durchzuführenden Arbeiten vereinbart wurden. In einem Werkvertrag werden die Arbeiten jedoch gerade nicht vereinbart, sondern eben nur der am Ende der Leistungserbringung stehende Erfolg, siehe auch UFSS GZ RV/0700-S/08 vom :

Die Verpflichtung aus einem Werkvertrag besteht darin, die genau umrissene Leistung zu erbringen. Das Interesse des Bestellers bzw. die Vertragsverpflichtung des Werkbestellers sind auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essenziell ist ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werkes beurteilt werden können.

Es kann unter diesem Aspekt unter fremden Unternehmern ausgeschlossen werden, dass ein Werkvertrag in solcher (nämlich formloser) Form überhaupt abgeschlossen würde. Auch der Werknehmer hätte zudem keine Absicherung im Falle der unbegründeten Nichtinanspruchnahme seines Leistungsangebotes durch den Werkgeber. Insbesondere war Herr G in seiner Befragung am der Meinung, dass die Fa. B die Haftung für die durchgeführten Arbeiten von den beiden Beschäftigten (G und W) zu tragen hätte, was deutlich gegen das Vorliegen eines Werkvertrages spricht und typisch für ein Dienstverhältnis ist.

Dass die Abrechnung der beiden Beschäftigten mit der Fa. B. zum einen nach Stunden bzw. pauschal und zum anderen ohne erkennbare Abgrenzung von Teilleistungen, sondern in letztlich willkürlich gewählten Zeitabständen erfolgte tut in dieser Betrachtung ein Übriges. Werkverträge zeichnen sich durch einen klaren Leistungsgegenstand und ggf. Werkabschnitte aus, beides kann im gegebenen Fall nicht vorgelegen haben. Die Aussage von Herrn X über das Vorliegen einer Erfolgshaftung ist zumindest im Jahr 2009 mit den ausgestellten Rechnungen der beiden Beschäftigten (G und W) nicht in Einklang zu bringen. Denn diese Rechnungen rechnen über die geleistete Arbeitszeit und eben nicht über den Erfolg ab.

Es wurde in der Begründung der Einstellung vom **.**.2011 auch darauf hingewiesen, dass die Herstellung eines Werkes als eine in sich geschlossene Einheit bei Arbeiten auf einer Baustelle idR nicht angenommen wird, was zumindest die Frage aufwirft, welche konkreten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens es zuließen, dass es am Ende doch eine von vornherein individualisierte Tätigkeit gegeben haben soll.

Es lag eine organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung der beiden Beschäftigten (G und W) in den Leistungsablauf der Fa. B. vor. Die Fliesenlegerarbeit wurde von Hr. X qualitativ kontrolliert und der Baufortschritt überwacht. Auch wenn Hr. X eine konkrete Arbeitseinteilung verneinte (was bei gerade 2 Personen kaum erforderlich sein dürfte), ist doch offensichtlich, dass eine persönlich, im Abhängigkeitsverhältnis zu erbringende Tätigkeit vorlag. Hr. X rechnete aus dem Baufortschritt sogar die abzurechnenden Stunden heraus: Aufgrund seiner Überprüfung der Arbeiten sind unserer Stunden, welche wir in Rechnung stellen, glaubwürdig.

Es dürfte ausgesprochen ungewöhnlich sein, dass ein Werkvertragsnehmer die Berechtigung seines Honoraranspruches vom Werkgeber (während der Werkerbringung) überprüfen lässt, wenn es nicht genau auf diese Stunden und damit auf eine dauerhaft erbrachte Leistung ankäme.

Herr W arbeitete 2009 zwischen KW 32 – KW 35, KW 38 – KW 40 und KW 42 – 51 und Herr G arbeitete 2009 zwischen KW 32 – KW 35 und KW 38 – 50 für die Fa. B. an verschiedenen Baustellen, wobei sich die Anzahl der geleisteten Stunden durchaus nahe an der gesetzlich bestimmten Arbeitszeit für das Baugewerbe bewegte. Beide Beschäftigte waren in den nämlichen Wochen täglich (und von morgens bis abends) beschäftigt, was eher für das Vorliegen eines nichtselbständigen Dienstverhältnisses spricht, als für einen – nur das Endresultat schuldenden – Werkvertragsnehmer.

Der UFS wird daher ersucht eine Würdigung für das Abgabenverfahren über das Vorliegen eines Werkvertrages oder eines Dienstvertrages der beiden Beschäftigten G und W vorzunehmen.

Aus Sicht des Finanzamtes A sprechen die Verwendung eigener Betriebsmittel bei beiden Beschäftigen (G und W) und die wohl vorliegende Tätigkeit für mehrere verschiedene Auftraggeber im Laufe des Kalenderjahres 2009 für das Vorliegen einer Subunternehmerstellung und damit das Vorliegen eines Werkvertragsverhältnisses.

Jedoch sprechen die oa. erheblichen Gründe für die Annahme eines nichtselbständigen Dienstverhältnisses. Der Erfassung im Steuerrecht bzw. in der Sozialversicherung als Unternehmer kann bei der Beurteilung des Sachverhaltes keine Bedeutung zukommen, da diese Einstufungen erst Ausfluss der korrekten Würdigung als Werkvertragsnehmer oder nichtselbständiger Dienstnehmer sein können, nicht jedoch umgekehrt.“

Verfahren vor dem Unabhängigen Finanzsenat – dem Bundesfinanzgericht

Mit übermittelte die steuerliche Vertretung per E-Mail im Anhang eine Kopie des Berichtes der GKK C vom unter anderem den Zeitraum 2009 betreffend in dem unter anderem Abbuchungen von SV Beiträgen auf Grund einer nachträglich erfolgten Vorlage von Entsendebestätigungen für G und W vorgenommen worden sind, an den zuständigen Referenten des Unabhängigen Finanzsenates.

Dem Vertreter der Abgabenbehörde erster Instanz wurde der Bericht der GKK übermittelt und um Stellungnahme gebeten.

In Beantwortung des Ersuchens teilte der Vertreter der Abgabenbehörde erster Instanz mit, dass durch das offenbar der GKK vorgelegte Formular E 101 nachgewiesen worden sei, dass die beiden Beschäftigten in Deutschland sozialversichert gewesen seien und daher die Bemessungsgrundlagen der Sozialversicherungsbeiträge um die auf Grund der GPLA erhöhten Sozialversicherungsbeiträge für G und W verringert worden seien und dadurch eine Nachverrechnung in Österreich ausgeschlossen worden sei. Dies habe aber keine Auswirkung auf das gegenständliche Beschwerdeverfahren in dem die Frage, ob jemand selbständig oder unselbständig tätig sei, strittig sei.

Mit Beschluss vom wurde das gegenständliche Verfahren – nach vorheriger Aufforderung zur Stellungnahme, ob überwiegende Interessen der Beschwerdeführer gegen eine Aussetzung des Verfahrens, wegen einer beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen gleichen Rechtssache entgegenstehen würden –, in Anwendung des § 271, Abs. 1 BAO bis zum Ausgang des beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. Ra 2014/15/0058 schwebenden Verfahrens bzw. bis zum Ausgang der mit Revisionen zu den Geschäftszahlen RV/6100782/2014 und RV/6100809/2014 des Bundesfinanzgerichtes, Außenstelle C eingebrachten Revisionen ausgesetzt.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Gemäß § 323, Abs. 37 BAO treten u.a. die §§ 243 bis 291, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 14/2013, mit in Kraft und sind, soweit sie Beschwerden betreffen, auch auf alle an diesem Tag unerledigten Berufungen und Devolutionsanträge anzuwenden.

Gemäß § 323, Abs. 38 BAO sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130, Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes für die Behandlung dieses Rechtsmittels (Beschwerde) ist somit gegeben.

A) Festgestellter Sachverhalt

Der vorhin dargestellte Verfahrensgang gibt den der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt wieder. Er ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen im Berufungs-bzw. Beschwerdeverfahren und ist unstrittig.

B) Rechtslage

I. Bescheidung über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) für das Jahr 2009,

I.I Keine Zuordnung zu einer der sechs Fallgruppen des § 201, Abs. 2 und 3 BAO

Gemäß § 201 Abs. 1 BAO … muss ... bei Abgaben, bei denen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung durch den Abgabepflichtigen anordnen oder gestatten … nach Maßgabe des Abs. 3 … von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, der Abgabenbehörde keinen selbst berechneten Betrag bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Angeordnete“ Selbstberechnungen sehen § 43 FLAG (Dienstgeberbeitrag), vor.

(Ritz, BAO6, § 201 Tz. 4)

Die in Beschwerde gezogenen Bescheide unterliegen somit den Bestimmungen des §§ 201 ff BAO.

Gemäß § 201, Abs. 2, Z 3 BAO kann zB die Festsetzung erfolgen, wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.

Gemäß § 303, Abs. 1, lit. b BAO kann ein Verfahren wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und … die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Dabei ist maßgebend, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (zB VwGH 23.2.2010, 2006/15/0314; 29.7.2010, 2006/15/0006; 31.5.2011, 2009/15/0135; 19.9.2013, 2011/15/0157). (Ritz, BAO6, § 303 Tz. 24)

Gemäß § 43, Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) gelten für den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen die Bestimmungen über den Steuerabzug vom Arbeitslohn sinngemäß.

Der Dienstgeberbeitrag ist somit vom Arbeitgeber selbst zu berechnen und abzuführen (Selbstberechnungsabgabe).

Im Beschwerdefall ist die Nacherhebung der Dienstgeberbeiträge für das Jahr 2009 strittig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates (UFS) und des Bundesfinanzgerichts hat das Finanzamt bei der Festsetzung einer Abgabe nach § 201 BAO jene Sachverhaltselemente zu benennen und den sechs Fallgruppen des § 201, Abs. 2 und 3 BAO zuzuordnen, welche die erstmalige Festsetzung der Abgabe rechtfertigen. Dies kann weder im Verfahren vor der Abgabenbehörde erster Instanz, wie zB durch Erlassung einer Berufungsvorentscheidung oder, wie im gegenständlichen Verfahren durch die Erstellung eines ausführlichen Vorlageberichtes anlässlich der Vorlage der Berufung an den Unabhängigen Finanzsenat (ab 2014 an das Bundesfinanzgericht), in dem erstmals die Gründe für die vorgenommene Wiederaufnahme dargelegt wurden, noch im Rechtsmittelverfahren bzw. im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (siehe Ritz BAO6, § 307, Rz 3 und dort angeführte Rechtsprechung sowie vgl. und die dort wiedergegebene Judikatur des UFS des BFG und des Verwaltungsgerichtshofes).

Da die belangte Behörde diese Zuordnung in ihrem mit Berufung angefochtenen Bescheid nicht vorgenommen hat, sind bereits aus diesem Grund die angefochtenen Bescheide ersatzlos zu beheben.

Hinzu kommt, dass der der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in seinem Erkenntnis vom , Ra 2014/15/0058, u.a. Folgendes feststellte:

„17 Die Festsetzung gemäß § 201 BAO kann demnach dann, wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung im Sinne des Abs. 1 der Bestimmung als "nicht richtig" erweist, gemäß Abs. 2 Z 3 erfolgen, "wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden". Die Vorschrift hat insoweit den Zweck, einen "Gleichklang mit der bei einem durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren geltenden Rechtslage" herbeizuführen (vgl. nochmals , sowie vom , unter Hinweis auf den Bericht des Finanzausschusses zum Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl. I Nr. 97/2002, 1128 BlgNR 21. GP 9).

18 Die sprachlichen Anpassungen durch das FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, und das VwG-AnpG-BMF, BGBl. I Nr. 70/2013, sollten dabei ausweislich der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der "Neuregelung des Wiederaufnahmsrechts in der BAO" Rechnung tragen (vgl. zum FVwGG 2012 2007 BlgNR 24. GP 16 sowie zum VwG-AnpG-BMF 2196 BlgNR 24. GP 8). Damit wurde der schon vom Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz betonte "Gleichklang mit der bei einem durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren geltenden Rechtslage" weiterverfolgt.

19 Aus diesem vom Gesetzgeber statuierten Gleichklang ergibt sich - wie das Bundesfinanzgericht richtig erkannt hat - auch eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Wiederaufnahme auf Festsetzungen gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO.

20 Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Wendung "im abgeschlossenen Verfahren" beruht erkennbar auf einem Redaktionsversehen. Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist - wie schon nach der Regelung vor dem FVwGG 2012 - die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (Ritz, BAO5 § 303 Tz 24). Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. ).

21 Mit dem FVwGG 2012 erfolgte eine Harmonisierung der Wiederaufnahme von Amts wegen mit jener auf Antrag (vgl. auch diesbezüglich die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 2007 BlgNR 24. GP 22). Nicht geändert wurde aber insbesondere, dass der Wiederaufnahmeantrag u.a. die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird, zu enthalten hat (§ 303a lit. b BAO idF vor FVwGG 2012; § 303 Abs. 2 lit. b BAO idF FVwGG 2012).

22 Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei, bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde (vgl. ).

23 Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat sohin - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Damit setzt aber diese Bestimmung voraus, dass diese Tatsachen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits bekannt geworden sind. Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Gleiches gilt spiegelbildlich für die Wiederaufnahme von Amts wegen, bei der die - für die Behörde - neu hervorgekommenen Tatsachen im Wiederaufnahmebescheid anzuführen sind.

24 Gemäß § 279 Abs. 2 BAO hat das Bundesfinanzgericht außer in hier nicht interessierenden Fällen des Abs. 1 immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. mit weiteren Hinweisen ).

25 Aufgabe des Bundesfinanzgerichts bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist es daher, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wiederaufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Bundesfinanzgericht den vor ihm bekämpften Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben (vgl. nochmals ).

26 Entscheidend ist im Revisionsfall einer amtswegigen (Neu)Festsetzung nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO somit, ob und gegebenenfalls welche für das Finanzamt seit der Selbstbemessung neu hervorgekommenen Umstände seitens des Finanzamts dargetan wurden, die als Wiederaufnahmegrund geeignet sind.

28 Mit Bescheid vom hat das Finanzamt die Forschungsprämie 2006 sodann mit einem niedrigeren Betrag festgesetzt. Dabei hat das Finanzamt seinen (Neu)Festsetzungsbescheid gemäß § 201 BAO mit einem Verweis auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung vom begründet. Dass ein solcher Verweis grundsätzlich zulässig ist, entspricht ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. , sowie vom , 2012/15/0172).

29 Das Finanzamt hat vor diesem Hintergrund zu Recht darauf hingewiesen, dass das Bundesfinanzgericht seiner amtlichen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen ist und keine näheren Feststellungen zur Frage eines vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmetatbestands und sodann diesbezüglicher Wiederaufnahmegründe getroffen hat.“

Da nach §  201, Abs 2, Z 3 BAO die Festsetzung der selbst zu berechnenden Abgabe nur zulässig ist, wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen, gab das Bundesfinanzgericht im angesprochenen Fall der Berufung/Beschwerde Folge und hob die Kürzung der Forschungsprämie auf. Das Finanzamt habe nämlich nicht dargelegt, welcher Wiederaufnahmetatbestand und welche Wiederaufnahmegründe seinem Bescheid zugrunde lägen.

Aufgrund der Amtsrevision hob der VwGH mit dem angeführten Erkenntnis vom , Ra 2014/15/0058, diese Entscheidung auf. Das Bundesfinanzgericht hatte seine Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung verletzt. Der VwGH betonte, das Finanzamt habe in der Begründung seines nach § 201 BAO erlassenen Bescheides auf die Niederschrift zur Schlussbesprechung verwiesen. Das Bundesfinanzgericht hätte daher prüfen müssen, ob sich aus diesem Verweis ergibt, ob das Finanzamt tatsächlich einen Wiederaufnahmetatbestand herangezogen hat bzw. welcher Wiederaufnahmetatbestand es gewesen ist, und ob für das Finanzamt Tatsachen neu hervorgekommen sind bzw. welche konkreten (neu hervorgekommenen) Tatsachen dies gewesen sind und ob solche neu hervorgekommenen Umstände „seitens des Finanzamtes dargetan wurden" (Zorn in RdW 2016, 857).

Im vorliegenden Beschwerdefall hat das Finanzamt in der Begründung seiner nach § 201 BAO erlassenen Bescheide vom auf den Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom verwiesen.

Daher ist nach dem zitierten Erkenntnis des , auch im Beschwerdefall zu prüfen, ob sich aus diesem Verweis ergibt, ob das Finanzamt tatsächlich einen Wiederaufnahmetatbestand herangezogen hat bzw. welcher Wiederaufnahmetatbestand es gewesen ist, und ob für das Finanzamt Tatsachen neu hervorgekommen sind bzw. welche konkreten (neu hervorgekommenen) Tatsachen dies gewesen sind und ob solche neu hervorgekommenen Umstände „seitens des Finanzamtes dargetan wurden".

Während im Fall, des Erkenntnisses vom , Ra 2014/15/0058, zugrunde lag, dass das Finanzamt in seinem Festsetzungsbescheid auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung verwies, in der die Gründe für die Festsetzung der Forschungsprämie gemäß § 201 BAO (offenbar hinreichend) angeführt gewesen sind, ist im gegenständlichen Prüfbericht vom als Text lediglich „ausbezahlter Lohn für eine versicherungspflichtige Tätigkeit nach § 4 (2) ASVG lt. Erhebung bzw. niederschriftlicher Einvernahme nicht abgerechnet“ angeführt. Beschrieben wird damit keine (neue) Tatsache, sondern eine Vorgangsweise der Abgabenbehörde erster Instanz aus der nicht erkennbar ist, auf welchen Sachverhalt sich diese bezieht bzw. welche konkreten (neu hervorgekommenen) Tatsachen dies gewesen sind.

Insofern unterscheidet sich die Verfahrenssituation des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens von jener, die im Fall des Erkenntnisses vom , Ra 2014/15/0058, zu beurteilen war.

Geht aber – wie im gegenständlichen Fall – weder aus den bekämpften Bescheiden noch aus den Bericht der Prüfung hervor, auf welche Wiederaufnahmegründe das Finanzamt die Festsetzung nach § 201 BAO gestützt hat, so muss das Bundesfinanzgericht diese Bescheide ersatzlos beheben ().

I.II Bescheidmäßige Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) für das Jahr 2009

Beim Dienstgeberbeitrag handelt es sich grundsätzlich um eine Selbstbemessungsabgabe, welche vom Arbeitgeber zu berechnen und abzuführen ist, ohne dass die Abgabenbehörde erster Instanz in diesen Vorgang eingebunden ist. Eine bescheidmäßige Festsetzung des Dienstgeberbeitrages ist daher nur in Ausnahmefällen vorgesehen bzw. möglich (siehe § 201, Abs. 1 bis 3 BAO).

§ 201, Abs 4 BAO räumt die Möglichkeit ein, mehrere Abgaben innerhalb derselben Abgabenart für ein Kalenderjahr zusammengefasst festzusetzen. Diese Vorschrift nimmt vor allem darauf Bedacht, dass bei den meisten Selbstbemessungsabgaben die Abgabe für den einzelnen Abgabenfall oder für jene (kurzen, zumeist Monats-) Zeiträume zu entrichten ist, in denen der Sachverhalt konkretisiert, mithin die Abgabenschuld entstanden ist. Wenn daher die bescheidmäßige Festsetzung von Selbstbemessungsabgaben geboten ist, so kann die Festsetzung in einem Bescheid mehrere Abgaben derselben Abgabenart umfassen und es muss nicht je Abgabenfall oder je Bemessungszeiteinheit (zum Beispiel Kalendermonat) je ein Bescheid ergehen. Bei einer zusammengefassten Festsetzung ergeht also ein Bescheid für mehrere Abgabenfälle oder mehrere Zeiträume (Stoll, BAO 2125f, Ritz BAO5, TZ 44f zu § 201, Schwaiger in SWK 22/2010, S 695).

Die zusammengefasste Festsetzung mehrerer Abgaben nach § 201, Abs 4 BAO ist von einem sogenannten Sammelbescheid zu unterscheiden. Unter Sammelbescheiden versteht man die formularmäßige Zusammenfassung mehrerer (isoliert rechtskraftfähiger) Bescheide. Die essentiellen Spruchbestandteile sind in einem Sammelbescheid für sich gesondert anzuführen und dementsprechend gesondert anfechtbar. Demgegenüber ist bei einer zusammengefassten Festsetzung nur eine einheitliche Beurteilung möglich (vgl. Schwaiger in SWK 22/2010, S 695, Ritz, BAO5, TZ 8 zu § 198, , ). Die Zusammenfassung der Festsetzung mehrerer Abgaben erfordert (aufgrund des Vorliegens eines einheitlichen Spruchs), dass für jede dieser Abgaben die Voraussetzungen für eine Festsetzung vorliegen (Ritz, BAO5, § 201, Tz 44).

Bescheide über die Festsetzung von DB und DZ für mehrere Monate sind zusammengefasste Festsetzungen. Die Zusammenfassung der Festsetzung mehrerer Abgaben erfordert (aufgrund des Vorliegens eines einheitlichen Spruchs), dass für jede dieser Abgaben die Voraussetzungen für eine Festsetzung vorliegen (Ritz, BAO5, § 201, Tz 44).

Im gegenständlichen Verfahren ist betreffend das Jahr 2009 ein Bescheid über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) sowie des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ) „für das Jahr 2009“ ergangen. Es handelt sich daher bei diesen Bescheiden um eine zusammengesetzte Festsetzung für sämtliche Monate des Jahres 2009.

Der Begründung des Bescheides (Bericht der Außenprüfung) ist aber zu entnehmen, dass die getroffenen Feststellungen offenbar nur die Monate August, September, Oktober, November und Dezember des Jahres 2009 betroffen haben, aber nicht die Monate Jänner, Februar, März, April, Mai, Juni und Juli 2009.

In den angefochtenen Bescheiden sind daher offenbar auch Abgaben enthalten, für die keine Berechtigung zur Festsetzung bestanden hat.

Da ein Bescheid über eine zusammengesetzte Festsetzung nach § 201, Abs 4 BAO nur einheitlich beurteilt werden kann, sind diese Bescheide auch aus diesem formalrechtlichen Grund aufzuheben (; , RV/0547-S/12).

II. Haftungsbescheid Lohnsteuer für das Jahr 2009

Aufgrund des angenommenen Sachverhalts kommt verfahrensgegenständlich die Anwendung des § 202, Abs. 1 BAO nur in Verbindung mit § 201, Abs. 2, Z 3 BAO (Vorliegen von Wiederaufnahmegründen) in Betracht. Die belangte Behörde hat in dem angefochtenen Bescheid nicht dargelegt, welcher Wiederaufnahmegrund ihrer Ansicht nach vorliegt. Einzig infrage kommender Wiederaufnahmegrund ist nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts daher der Neuerungstatbestand des § 303, Abs.1, lit b BAO.

Der Gesetzgeber bezweckte mit der Neufassung des § 201 BAO eine Harmonisierung der Rechtswirkungen von Selbstberechnungen und von Veranlagungsbescheiden.

Wie in Ritz, BAO5, § 201, Tz 3, dargestellt, entspricht die erstmalige Festsetzung des § 201, Abs 2, Z 3 BAO bei Veranlagungsbescheiden der Wiederaufnahme nach § 303 BAO. Die angestrebte Harmonisierung ist jedoch nur dann in vollem Umfang zu erreichen, wenn nicht nur § 303 BAO an sich, sondern auch die dazu ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung auf § 201, Abs 2, Z 3 BAO uneingeschränkt angewendet wird. Somit ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch im Anwendungsbereich des § 201, Abs 2, Z 3 BAO die Nichtdarlegung der maßgeblichen Tatsachen oder Beweismittel in der Bescheidbegründung weder durch einen Vorlagebericht noch im Rechtsmittelverfahren sanierbar.

In der Begründung eines Haftungsbescheides sind unter anderem die Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme darzulegen. Dies erfordert laut Ritz, BAO5, § 202, Tz 6, im Fall der sinngemäßen Anwendung des § 201, Abs 2, Z 3 beim Neuerungstatbestand die

Darlegung, welche Tatsachen oder Beweismittel für die Abgabenbehörde neu hervorgekommen sind.

Hat die Abgabenbehörde erster Instanz die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt oder liegt der von der Abgabenbehörde erster Instanz angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor, muss das Bundesfinanzgericht den vor ihr angefochtenen Wiederaufnahmebescheid der Abgabenbehörde erster Instanz ersatzlos beheben ().

Da verfahrensgegenständlich die Bestimmung des § 201, Abs 2, Z 3 BAO und in weiterer Folge auch die Bestimmung des § 303 BAO über die Wiederaufnahme des Verfahrens sinngemäß anzuwenden sind und die Abgabenbehörde erster Instanz weder in ihrem im Abgabenverfahren erstellten Bescheid noch in der Begründung dieses Bescheides einen Wiederaufnahmegrund – und demnach auch nicht die neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel – genannt hat, war der Haftungsbescheid betreffend Lohnsteuer für das Jahr 2009 ersatzlos zu beheben.

C) Erwägungen

Der angefochtenen Bescheide betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) sowie der Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ) und des Haftungsbescheides betreffend Lohnsteuer für das Jahr 2009 waren daher ersatzlos aufzuheben.

D) Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da über die im gegenständlichen Fall zu beurteilende Rechtsfrage, ob im Anwendungsbereich des § 201 Abs. 2 Z 3 BAO die Nichtdarlegung des Wiederaufnahmegrundes im angefochtenen Bescheid zu dessen Aufhebung durch das Bundesfinanzgericht führen muss, im Sinne der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden wurde, war die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.

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Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 201 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Selbstbemessungsabgaben
Wiederaufnahme
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.6100238.2011

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at