Vorsteuerabzug für eine Leichenhalle.
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/15/0174 eingebracht. Mit VwGH-Erk. v. , Zl. 2008/15/0174, als unbegründet abgewiesen (Serie - erledigt im gleichen Sinn: VwGH-Erk. , Zl. 2006/15/0220).
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Rechtssätze | |
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RV/0180-L/05-RS1 | Wenn die Gebühren für die Benutzung einer Leichenhalle laut Landesgesetz bzw. einer hiezu ergangenen Verordnung hoheitlich vorzuschreiben sind, ändert eine dagegen verstoßende Vorschreibung nichts am hoheitlichen Charakter. Für die Errichtung einer solchen Leichenhalle steht daher kein Vorsteuerabzug zu. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der GR, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Linz vom betreffend Umsatzsteuer 1996 und 1997 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die berufungswerbende Gemeinde betreibt eine kommunale Bestattungsanlage. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass sie in den Jahren 1996 und 1997 eine Einsegnungshalle errichtet und von deren Errichtungs- und Erhaltungskosten Vorsteuern geltend gemacht hat. Sämtliche Einnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb des Friedhofs, wie Grab- und Öffnungsgebühren, Totengräbergebühren und die Benützungsgebühren der Leichenhalle sind von der Gemeinde vereinnahmt worden.
In rechtlicher Hinsicht vertrat der Prüfer die Ansicht, im Hinblick auf die Bestimmung des § 30 Abs. 2 des Oö.Leichenbestattungsgesetzes 1985 sei eine Gemeinde, wenn sie selbst den örtlichen Friedhof betreibt, zur Errichtung einer Leichenhalle verpflichtet. Der Betrieb der Einsegnungshalle stelle somit einen Teil des Hoheitsbetriebes "Friedhof" dar. Da Körperschaften des öffentlichen Rechtes nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig sind, sei ein Vorsteuerabzug gemäß § 12 UStG 1994 nicht zulässig und unterlägen die entsprechenden Umsätze auch nicht der Umsatzsteuer.
Die dagegen erhobene Berufung wurde mit der Begründung abgewiesen, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den Gemeinden und den Benützern kommunaler Friedhöfe gemäß § 34 Abs. 3 Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 öffentlich-rechtlicher Natur seien. Die Gestattung der Benützung der Leichenhalle sei daher auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erfolgt. Überdies sei die Gestattung der Benützung einer Leichenhalle auch deswegen dem Hoheitsbereich zuzurechnen, weil diese Tätigkeit den Gemeinden schon rein inhaltlich eigentümlich und vorbehalten sei. Friedhöfe dürften nach § 30 leg. cit. nur von Gemeinden, Gemeindeverbänden oder von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften betrieben werden. Die zum Steiermärkischen Leichenbestattungsgesetz 1952 ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 88/15/0038) sei zum einen auf Grund der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, zum anderen deshalb unmaßgeblich, weil die Leichenhalle gegenständlich nicht an den örtlichen Bestatter vermietet, sondern unmittelbar den Angehörigen der Verstorbenen zur Verfügung gestellt werde.
Über die dageben eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt.
Nach § 2 Abs. 3 UStG 1994 sind Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.
Gemäß § 2 Abs. 1 KStG 1988 ist ein Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts jede Einrichtung, die wirtschaftlich selbständig ist und ausschließlich oder überwiegend einer nachhaltigen privatwirtschaftlichen Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewicht und zur Erzielung von Einnahmen oder im Falle des Fehlens der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr von anderen wirtschaftlichen Vorteilen und nicht der Land- und Forstwirtschaft dient. Nach Abs. 5 leg. cit. liegt eine privatwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 nicht vor, wenn die Tätigkeit überwiegend der öffentlichen Gewalt dient (Hoheitsbetrieb). Als Hoheitsbetriebe gelten u.a. Friedhöfe.
Die Gemeinde beruft sich in ihrer Beschwerde u.a. auf (die in ihren Fall günstigeren) Regelungen des Gemeinschaftsrechts. Aus Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG (im Folgenden: RL) ergebe sich, dass es unzulässig sei, die streitgegenständliche Überlassung einer Leichenhalle als hoheitliche Tätigkeit der Gemeinde zu qualifizieren.
Nach Art. 4 Abs. 1 und 2 der RL gilt als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit als Erzeuger, Händler oder Dienstleistender ausübt.
Nach Art. 4 Abs. 5 der RL gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Die Mitgliedstaaten können die Tätigkeiten der vorstehend genannten Einrichtungen, die nach Art. 13 oder 28 von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.
Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der RL um solche, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung ausüben. Dies ist der Fall, wenn die Ausübung dieser Tätigkeit das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen umfasst; nicht dazugehören Tätigkeiten, die sie unter den gleichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftstreibende (vgl. EuGH vom14. Dezember 2000, Rs. C-446/98, Slg. I-11435, Randnr. 17 und 23). Unerheblich ist, ob die Tätigkeit in Wahrnehmung von Aufgaben besteht, die aus Gründen des Gemeinwohls durch Gesetz zugewiesen und geregelt sind (vgl. , I-06537, Randnr. 28, und vom , Rs. C-408/97,Slg. I-06417, Randnr. 27). Ausschlaggebend sind die konkreten Ausübungsmodalitäten der Tätigkeiten. Soweit Art. 4 Abs. 5 der RL die Behandlung der Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige davon abhängig macht, dass diese "im Rahmender öffentlichen Gewalt" tätig werden, schließt sie eine solche Behandlung für Tätigkeiten aus, die diese Einrichtungen nicht als Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts, sondern als Rechtssubjekte des Privatrechts ausüben. Das einzige Kriterium, das eine sichere Unterscheidung dieser beiden Arten von Tätigkeiten ermöglicht, ist folglich die nach dem nationalen Recht anwendbare rechtliche Regelung, wobei es Sache des nationalen Gerichts ist, die fragliche Tätigkeit anhand dieses Kriteriums zu beurteilen (vgl. und 129/88, Slg. 03233, Randnr. 15, und vom , Rs. C-4/89, Slg. I-01869, Randnr. 10 und 12; sowie zusammenfassend Lange, Juristische Personen des öffentlichen Rechts als Unternehmer im Umsatzsteuerrecht, UR 2000, 1ff).
Die Rechtsansicht der belangten Behörde, eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit der Gemeinde liege hinsichtlich der im Beschwerdefall strittigen Tätigkeit nicht vor, beruht auf der ausdrücklichen Annahme, die Rechtsbeziehungen zwischen den Gemeinden und den Benützern kommunaler Friedhöfe seien öffentlich-rechtlicher Natur. Die Gestattung der Benützung der Leichenhalle erfolge auf öffentlich-rechtlicher Grundlage.
Damit hat sie die Rechtslage verkannt.
Nach § 34 Abs. 3 des Oö. Leichenbestattungsgesetzes 1985, LGBl. Nr. 40/1985, sind die Rechtsbeziehungen zwischen den Inhabern und den Benützern der Friedhöfe unbeschadet der Bestimmungen des Art. 15 des Staatsgrundgesetzes, RGBl. Nr. 142/1867, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger und des Art. 12 des Gesetzes RGBl. Nr. 49/1868, durch den die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden, privatrechtlicher Natur.
Aber auch der zweite Begründungsansatz der belangten Behörde vermag den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen. Dass die fragliche Tätigkeit der Gemeinde "rein inhaltlich eigentümlich und vorbehalten" ist, ist ein Umstand, der es nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH nicht erlaubt, Personen des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige zu behandeln, weil es auf den Gegenstand und die Zielsetzung der Tätigkeit der öffentlichen Einrichtung nicht ankommt (vgl. die Urteile des Gerichtshofes in den Rechtssachen C-408/97 sowie 231/87 und 129/88).
Indem die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Ob die gegenständliche Leistung der Gemeinde unter eine von Art. 13 oder 28 der RL erfasste steuerbefreite Tätigkeit (insbesondere Art. 13 Teil B lit. b der RL) mit der Rechtsfolge subsumiert werden könnte, dass Österreich gemäß Art. 4 Abs. 5 der RL berechtigt wäre, die Tätigkeit als im Rahmen der öffentlichen Gewalt erbracht zu behandeln, war im Beschwerdefall schon mangels konkreter Feststellungen zum Inhalt der von der Gemeinde mit den "Benützern des Friedhofs" geschlossenen privatrechtlichen Vereinbarungen nicht zu beurteilen.
Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass die Behandlung der Gemeinde als Nichtsteuerpflichtige hinsichtlich der im Beschwerdefall strittigen Betätigung im Hinblick auf Art. 4 Abs. 5 letzter Satz iVm Art. 18 Teil B lit. b der RL (Vermietung und Verpachtung von Grundstücken) nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, werden weiters Feststellungen darüber zu treffen sein, ob aus der Sicht des österreichischen UStG die strittige Betätigung in einen allgemeinen (aus der Betrachtung des österreichischen Rechts nicht unternehmerischen) Friedhofsbetrieb eingebettet ist oder, wenn dies nicht der Fall ist, ob die Tätigkeit der Gemeinde unter die Bestimmung des § 2 Abs. 3 letzterSatz UStG 1994 fällt, wonach die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften stets als unternehmerische Tätigkeit gilt. Dabei ist auch anzumerken, dass sich der innergemeinschaftliche Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken nicht notwendig mit dem im UStG 1994 verwendeten Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken deckt (vgl. zum innergemeinschaftlichen Vermietungsbegriff das hg. Erkenntnis vom , 99/15/0041, sowie zur innerstaatlichen Begriffsbestimmung die bei Ruppe, UStG 19942, Tz. 357 zu § 6 angeführte hg. Rechtsprechung).
Im fortgesetzten Verfahren verwies die Berufungswerberin zunächst auf eine Entscheidung des UFS Feldkirch vom , GZ. RV/0035-F/06, nach welcher die Überlassung einer Leichenhalle sowohl nach nationalem Recht als auch nach Gemeinschaftsrecht als unternehmerische Tätigkeit zu qualifizieren sei. In der Folge legte die Berufungswerberin über diesbezüglichen Vorhalt Gebührenvorschreibungen sowie die diesen zugrundeliegende Verordnung vor.
Das Finanzamt nahm zu diesen Unterlagen wie folgt Stellung:
Wie sich aus den vorgelegten Gebührenvorschreibungen unter anderem betreffend die Benützung der Einsegnungshalle (Leichenhalle; Hallengebühr) ergibt, wird (auch) für die berufungsgegenständlichen Jahre für die Benützung der Leichenhalle eine Gebühr nach der Verordnung des Gemeinderates der Berufungswerberin vom betreffend die Gebühren für den Friedhof (Friedhofsgebührenordnung) Zahl: Fin-250-1978 geändert durch die Verordnung vom , Zahl: 817-1995-G, vorgeschrieben.
Diese Friedhofsgebührenordnung ist von ihrer Rechtsqualität eine Verordnung, die aufgrund einer Ermächtigung gemäß § 14 Abs. 3 lit d Finanzausgleichsgesetz 1973, BGBl Nr. 445/1972 (bzw. betreffend die Änderung im Jahr 1995: § 15 Abs. 3 Z 5 Finanzausgleichsgesetz 1993, BGBl Nr. 30/1993) im Rahmen des freien Beschlussrechtes der Gemeinden gemäß § 7 Abs. 5 F-VG 1948 (vgl. Doralt/Ruppe, Band II4, Rz 352) von der Berufungswerberin erlassen wurde. In § 5 dieser Verordnung ist folgendes vorgesehen:
"Die Benützung der Leichenhalle zur Aufbewahrung wird (sanitätspolizeiliche oder ärztliche Anordnung ausgenommen) vorläufig freigestellt. Für Erhaltungs- und Amortisationszwecke wird jedoch für jede Bestattung, gleichviel ob die Leiche in der Leichenhalle aufbewahrt wird oder nicht, eine Gebühr von 160,00 S erhoben."
Die Benützung der Leichenhalle (für die Aufbewahrung des Leichnams samt Verabschiedung des Verstorbenen durch die Angehörigen) erfolgt demnach zweifelsfrei im Rahmen des nichtunternehmerischen Bereiches der Berufungswerberin, nämlich des Friedhofsbetriebs, weil nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung die objektiven Verhältnisse eine wirtschaftliche und räumliche Einbettung in den Friedhofs"betrieb" ergeben. Auch der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom , 2000/14/0203, ausdrücklich ausgesprochen, dass dann, wenn die Benutzung der Leichenhalle in den Friedhofsbetrieb eingebettet sein sollte, diese Benutzung in den nichtunternehmerischen Bereich der den Friedhof betreibenden Körperschaft des öffentlichen Rechts fällt. Genau ein solcher Fall liegt hier vor.
Dies zeigt sich auch daran eindeutig, wenn man sich die konkrete Abrechnung der Leistungen der Berufungswerberin gegenüber den Nutzungsberechtigten einer Grabstelle vor Augen führt. Die Abrechung wird als Gebührenvorschreibung (aufgrund der zitierten Verordnung) bezeichnet, in dem alle Leistungen des Friedhofsbetriebes ausgewiesen sind. Darunter fallen die Grabgebühren, die Graböffnungsgebühr, die Totengräbergebühr und die Hallengebühr. Nach der Verkehrsauffassung stellt sich daher die Benutzung der Leichenhalle nicht im Rahmen des Bestattungsunternehmens erfolgt dar, sondern als Teil des nichtunternehmerischen Friedhofsbetriebes.
Überdies ergibt sich nach Ansicht des Finanzamtes aus den Bestimmungen des OÖ Leichenbestattungsgesetzes, LGBl Nr. 40/1985, dass die Nutzung der Leichenhalle selbst hoheitlicher Natur ist, weil insoweit die Vorschrift des § 34 Abs. 3 erster Satz leg.cit. gar nicht einschlägig ist, sondern die in § 16 OÖ LeichenbestattungsG getroffene Regelung. Aus der darin enthaltenen Regelung, dass eine Aufbahrung des Verstorbenen außerhalb der Leichenhalle nur mit Zustimmung des Bürgermeisters zulässig ist und diese Zustimmung mit Bescheid zu erteilen ist, ergibt sich nämlich, dass das Nutzungsverhältnis (zwischen Berufungswerberin und den Angehörigen) hoheitlicher Natur ist.
Zum anderen ist auch § 34 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. in die diesbezüglichen Betrachtungen einzubeziehen. Die darin enthaltene Regelung, wonach abgabenrechtliche Vorschriften hierdurch nicht berührt werden, hat nämlich zur Konsequenz, dass die Vorschreibung der Entgelte für die Nutzung des Friedhofes (auch der Leichenhalle) hoheitlich (mittels Bescheid) erfolgt und daher die Nichtbezahlung der Entgelte (ohne zivilrechtliche Einklagung) zwangsweise durchgesetzt werden kann (vgl. §§ 48 Abs. 2, 176 OÖ LAO, LGBl Nr. 107/1996 sowie § 2 Abs. 2 AbgEO). Die Rechtsbeziehungen zwischen den Inhabern der Grabstelle und der Berufungswerberin betreffend die Nutzung des Friedhofes sind daher in Wahrheit doch öffentlich-rechtlicher Natur, sodass § 34 Abs. 3 1. Satz OÖ LeichenbestattungsG keinen Anwendungsbereich hat.
Die Berufungswerberin gab hiezu folgende Äußerung ab:
Die Abrechnung erfolgte nicht in Bescheidform, zumal den Abrechnungsbelegen die gesetzlichen Bescheidmerkmale (vgl § 71 OÖ LAO) fehlen. Maßgeblich für die umsatzsteuerliche Beurteilung ist die tatsächliche Ausgestaltung der Leistungsbeziehungen. Diese sind im gegenständlichen Fall privatrechtlicher Natur. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob eine Vorschreibung von Abgaben möglich ist, da tatsächlich keine bescheidmäßige Abgabenvorschreibung erfolgt ist. Selbst wenn die Berufungswerberin mit dieser privatrechtlichen Form der Gebührenvorschreibung gegen ein Landesgesetz verstoßen würde, würde das nichts ändern, zumal im Abgabenrecht abgabenrechtliche Fragen nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt zu beurteilen sind. Der VwGH hat in zwei Erkenntnissen die Einstufung einer Leichenhalle durch eine Gemeinde als hoheitliche Tätigkeit verworfen (vgl -F/06).
Eine Einbettung der Nutzung der Leichenhalle in den Friedhofsbetrieb liegt nicht vor. Entsprechende objektive Umstände werden auch vom Finanzamt nicht genannt. Daraus, dass (aus verwaltungsökonomischen Gründen) mehrere Leistungen auf einer Rechnung angeführt werden und alle Leistungen der USt unterworfen werden(!), könnte uE (im Gegensatz zum Finanzamt Linz) vielmehr der Schluss gezogen werden, dass hinsichtlich aller Leistungen eine unternehmerische Tätigkeit vorliegt (privatwirtschaftliche Handlungsmodalitäten). Zur Begründung der Auffassung des Finanzamtes ist dieser Umstand jedenfalls nicht geeignet.
Aus Regelungen über die Genehmigung einer Aufbahrung von Verstorbenen außerhalb der Leichenhalle (§ 16 OÖ LeichenbestattungsG) kann für die umsatzsteuerliche Beurteilung der Leistungsbeziehung nichts gewonnen werden (so auch -F/06).
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung erwogen:
Ob eine Tätigkeit "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" im Sinne des Art. 4 Abs. 5 der RL und damit nicht vorsteuerabzugsberechtigt ausgeübt wird, komme nach den Ausführungen des VwGH (in gefestigter Rechtsprechung des EuGH) auf die konkreten Ausübungsmodalitäten der Tätigkeit an. Kriterium seien die nach nationalem Recht anwendbaren rechtlichen Regelungen.
Laut § 34 Abs. 3 erster Satz OÖ. Leichenbestattungsgesetz 1985 sind die Rechtsbeziehungen zwischen den Inhabern und den Benutzern der Friedhöfe zwar privatrechtlicher Natur. Andererseits bestimmt § 34 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit., dass abgabenrechtliche Vorschriften hiedurch nicht berührt werden. In Verbindung mit der gegenständlichen Verordnung betreffend die Friedhofsgebühren hat dies zur Konsequenz, dass u.a. die Hallengebühr hoheitlich vorzuschreiben ist.
Überdies wird die Hallengebühr (von ursprünglich 160,00 S) nach der angeführten Verordnung unabhängig davon eingehoben, ob die Leichenhalle benutzt wird oder nicht. Die Gebühr ist also kein Entgelt für die Benutzung der Leichenhalle, sondern ein pauschaler, hoheitlich vorzuschreibender Betrag.
Auch die tatsächliche Vorschreibung u.a. der Hallengebühr wird als Gebührenvorschreibung bezeichnet. Dies spricht jedenfalls nicht für das Vorliegen privatrechtlicher Rechtsbeziehungen. Selbst wenn die Vorschreibungen (wie in der Berufung vertreten) nicht alle Bescheidmerkmale enthalten und darüber hinaus den Vermerk aufweisen, dass im vorgeschriebenen Betrag ein Betrag von xy an Mehrwertsteuer enthalten ist, ändert dies am hoheitlichen Charakter nichts, weil sonst jedwede hoheitliche Tätigkeit beliebig in eine privatrechtliche umgewandelt werden könnte. Bei Nichtbezahlung wäre auch kein gerichtlicher Exekutionstitel zu erwirken, weil die Gebührenschuld ja aufgrund der besagten Verordnung entsteht (vgl. auch die diesbezüglichen Ausführungen des Finanzamtes).
Die fraglichen Rechtsbeziehungen sind daher doch öffentlich-rechtlicher Natur.
Abgesehen davon, dass schon deswegen eine als unternehmerisch zu wertende Vermietung und Verpachtung nicht vorliegt, ist die Überlassung der Halle auch in den Friedhofsbetrieb eingebettet. In den Gebührenvorschreibungen ist nämlich die Hallengebühr zusammen mit all jenen Gebühren (wie Grabgebühren, Graböffnungsgebühren und Totengräbergebühren) ausgewiesen, die für eindeutig hoheitliche Tätigkeiten eingehoben werden. Da wie bereits ausgeführt eine (beliebige) Umwandlung von hoheitlichen Tätigkeiten in privatwirtschaftliche durch bloße formale Gestaltung nicht möglich ist, lässt dies (anders als in der Berufung vertreten) nicht darauf schließen, dass alle Tätigkeiten privatwirtschaftlich sind, sondern geradezu auf das Gegenteil.
Daher unterliegen die gegenständlichen Gebühren weder der Umsatzsteuer noch steht der begehrte Vorsteuerabzug zu.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 2 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 12 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 4 Abs. 5 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, RL 77/388/EWG, ABl. Nr. L 145 vom S. 1 |
Schlagworte | Leichenhalle Vorsteuerabzug öffentliche Gewalt |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at