Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 10.04.2006, RV/0798-W/05

Erlassung eines Bescheides gemäß § 201 BAO zur Festsetzung der Investitionszuwachsprämie

Entscheidungstext

BerufungsentscheidungDer unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Roland Schmidt WirtschaftstreuhandGmbH., gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 1. Bezirk betreffend Festsetzung der Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2002 entschieden: Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt, einem Wirtschaftsprüfer oder einem Steuerberater unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde die Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2002 - in Korrektur der am mit Wirkung vom auf dem Abgabenkonto der Bw. vorgenommenen Gutschrift in Höhe von € 70.437,05 - mit € 42.335,43 festgesetzt. Zur Begründung wurde auf die Niederschrift über die Nachschau gemäß § 144 BAO vom verwiesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom beantragte die Bw. die Aufhebung des Bescheides und verwies zur Begründung auf ein beiliegendes Rechtsgutachten des Institutes für Finanzrecht der Universität Wien. Der wesentliche Inhalt dieses Gutachtens ist:

Die Qualifikation einer Investitionszuwachsprämie als Selbstberechnungsabgabe ergebe sich nicht nur aus deren tatsächlicher verfahrensrechtlicher Geltendmachung, sondern darüber hinaus auf Grund des expliziten Verweises auf § 201 BAO in § 108 Abs. 5 EStG 1988 samt der dortigen Feststellung, dass auf die Gutschrift jene Bestimmungen der Bundesabgabenordnung anzuwenden seien, die für wiederkehrend zu erhebende, selbst zu berechnende Abgaben gelten würden. Daher sei § 201 BAO anzuwenden. Die heranzuziehende Fassung sei die letztgültige, somit jene des BGBl. I 2002/97.

Rechtsmögliche Grundlagen für die amtswegige bescheidmäßige Festsetzung seien die Ermessensnormen § 201 Abs. 2 Z 1 BAO und § 201 Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BAO.

Gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BAO könne eine amtswegige Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe dann erfolgen, wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs. 4 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden. Die "sinngemäße Anwendung" bedeute, dass anstelle des durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens, das Voraussetzung für die Wiederaufnahme sei, die Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages trete, Ritz, Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben, RdW 2003/48). Beim "Neuerungstatbestand" seien nach herrschender Lehre unter "Tatsachen" ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände gemeint. Weiters seien unter "Beweismittel" solche Mittel zu verstehen, die der Herbeiführung der Überzeugung vom Gegebensein oder Nichtzutreffen von Tatsachen, letztlich zur Herbeiführung eines Urteils über einen rechtsbedeutsamen Sachverhalt dienten. Die tragende Grundvoraussetzung für die Subsumtion unter den Neuerungstatbestand sei hierbei das "Neuhervorkommen" besagter Tatsachen und/oder Beweismittel. Konkret auf § 201 Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BAO bezogen sei somit als Voraussetzung für die amtswegige Festsetzung zu bestimmen, dass entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel der Abgabenbehörde anlässlich der Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages (trotzdem) noch nicht bekannt gewesen seien und dass diese Umstände nachträglich neu hervorkommen würden (vgl. Ritz, BAO-HB, 118).

Dies sei auch und insbesondere dann anzunehmen, wenn die entscheidungsrelevanten Tatsachen bei der Bekanntgabe der Selbstberechnung vom Abgabepflichtigen nicht offen gelegt worden seien (siehe Erlass des Bundesministeriums für Finanzen, "Richtlinien zur Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben" vom ).

Nunmehr sei die Deduktion dieser abstrakten Rahmenbedingungen auf den konkreten Sachverhalt vorzunehmen. Untersuche man das vorliegende, beim Finanzamt ordnungsgemäß mittels amtlichem Formular E 108e eingerechte "Prämienverzeichnis" unter gedanklicher Fixierung jener Feststellung in der Niederschrift über die Nachschau, es handle sich bei bestimmten Wirtschaftsgütern um nicht prämienbegünstigte Gebäudeinvestitionen, so ergebe sich folgende Sachlage. Die Qualifikation der betreffenden Wirtschaftsgüter als "nicht prämienbegünstigt" wäre bereits anhand der Einträge in das Prämienverzeichnis durchführbar gewesen. Konkret hätten sich die zu Differenzen führenden Beanstandungen auf folgende Einträge bezogen: "Planungskoordination Umbau", "Ausbesserungsarbeiten Malerei", "Maler- und Anstreicherarbeiten", "elektrischer Kleinlastenaufzug", "Zuleitung und Zähler", "Elektroinstallationen", "Belüftungsleitung", "Fußbodenheizung", "Fliesenlegerarbeiten", "Verlegung Steinbelag", "örtliche Bauaufsicht", "Lüftungs- und Klimaarbeiten", "Sperrmüllentsorgung", "Sanierung Kanal", "Sanierung Metalldecke" und "Baumeister & Trockenarbeiten". All diesen Einträgen in das Prämienverzeichnis sei gemeinsam, dass das Fehlen der gesetzmäßigen Voraussetzungen gemäß § 108e Abs. 2 EStG 1988 zur Erlangung einer Investitionszuwachsprämie bereits zum Zeitpunkt der Einreichung der entsprechenden Beilage zur Körperschaftsteuererklärung 2002 - somit im Juni 2003 - erkennbar gewesen sei.

Daher seien diese "Tatsachen" im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO ebenso bereits im Juni 2003 durch den steuerlichen Vertreter offen gelegt worden und könnten aus diesem Grunde keine im Wege der Nachschau im Oktober 2004 "neu hervorgekommenen Tatsachen" darstellen.

Deshalb sei auch kein Grund zur Wiederaufnahme gegeben, so dass die rechtliche Zulässigkeit einer amtswegigen Festsetzung nach § 201 Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BAO nicht vorgelegen sei. Durch eine Wiederaufnahme solle nämlich die Möglichkeit geschaffen werden, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung tragen zu können, nicht aber, bloß die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung offen gelegter Sachverhalte zu beseitigen (Stoll, BAO-Kommentar, 2931 mit Verweis auf ). Diese Ansicht werde auch durch die ständige Rechtsprechung des VwGH gestützt, wonach das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen sei, dass es darauf ankomme, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen sei, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln" beziehe sich damit auf den Wissensstand auf Grund der Abgabenerklärungen des jeweiligen Veranlagungsjahres (siehe hierzu jüngst - mit explizitem Verweis auf die ständige Rechtsprechung - ; ; ). In diesem Zusammenhang sei auch die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes zu sehen, dass die amtswegige Ermittlungspflicht nicht erst im Rahmen einer abgabenbehördlichen Überprüfung zum Tragen komme. Vielmehr werde durch §§ 161 ff BAO - unter der Überschrift "Prüfung der Abgabenerklärungen" und explizitem Verweis auf § 115 BAO - zweifelsfrei angeordnet, dass die Abgabenbehörde eben bereits die Abgabenerklärungen zu prüfen habe und, soweit nötig, durch schriftliche Aufforderung zu veranlassen habe, dass die Abgabepflichtigen unvollständige Angaben ergänzten bzw. Zweifel beseitigten. Wenn die Abgabenbehörde Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung hege, habe sie die Ermittlungen vorzunehmen, die sie zur Erforschung des Sachverhaltes für nötig halte (). Wenngleich im "Regelfall" des § 201 BAO auf die Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages kein formeller Feststellungsbescheid der Abgabenbehörde erfolge, so seien die grundlegenden Anforderungen der Offizialmaxime, in Ebenbürtigkeit zur Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht der Abgabepflichtigen, jedenfalls auch auf jene Fälle anzuwenden, in denen dem Antrag auf Zuerkennung einer Prämie "nur" durch Gutschrift auf dem entsprechenden Abgabenkonto entsprochen werde. Eine "automatisierte" Gutschrift auf Grund des gänzlichen Entfalls eines Ermittlungsverfahrens würde nicht nur den §§ 114f BAO widersprechen, sondern auch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, da der Abgabepflichtige im Vertrauen auf das amtswegige Verfahren annehmen müsse, dass die Abgabenbehörde seine Erklärung vor einer entsprechenden Entscheidung überprüfen und auf eventuelle (offen gelegte) Mängel im Wege eines Bedenkenvorhaltes gemäß § 161 Abs. 2 BAO - unter Wahrung seines Parteiengehörs - hinweisen und eingehen würde. Ein Anliegen des Gesetzgebers bei Novellierung des § 201 BAO sei insbesondere die weitgehende Harmonisierung der Rechtswirkungen (insbesondere im Bereich des Rechtsschutzes) von Selbstberechnungen und Veranlagungsbescheiden gewesen (1128 BlgNR, 21. GP, 9). Im Zusammenwirken mit den vorstehenden Ausführungen über den Grundsatz von Treu und Glauben sei daher festzuhalten, dass eine Prüfung der eingereichten Abgabenerklärungen im Sinne einer Überprüfung, ob die zur Gewährung einer Investitionszuwachsprämie tatbestandsmäßigen Voraussetzungen vorlägen, jedenfalls vor der "Quasi-Rechtskraft" der Gutschriftsverbuchung zu erfolgen habe und nicht im Nachhinein durch einen vermeidbar gewesenen und daher unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechtssicherheit des Abgabepflichtigen (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, Bundesabgabenordnung, § 201, E-1-4).

Gemäß § 201 Abs. 2 Z 1 BAO könne die Festsetzung von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages erfolgen.

Am sei die Beilage zur Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2002 zur Geltendmachung einer Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 mittels amtlichem Formular E 108e ordnungsgemäß beim zuständigen Finanzamt eingebracht worden. Auf Grund der Bestimmung § 108e Abs. 5 EStG 1988, wonach die Gutschrift auf den Tag der Einreichung des Verzeichnisses zurückwirke, lasse sich folgern, dass jene Abgabenerklärung am beim Finanzamt eingelangt sei. Am sei nämlich die befristete Investitionszuwachsprämie 2002, "wirksam am ", auf dem Abgabenkonto der Bw. verbucht worden. Am sei der Bescheid über die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie für 2002 von Amts wegen erlassen worden. Dieser Bescheid sei am beim steuerlichen Vertreter eingelangt.

Daher sei die gesetzlich vorgeschriebene Jahresfrist bereits weit überschritten gewesen. § 201 Abs. 2 Z 1 BAO stelle somit keine rechtsmögliche Grundlage zur amtswegigen Festsetzung dar, so dass ein Abstellen des Bescheides vom auf diesen Tatbestand rechtswidrig wäre.

Weiters seien für Festsetzungen nach der Ermessensnorm § 201 Abs. 2 BAO die Regeln für eine abgabenbehördliche Ermessensübung heranzuziehen (vgl. hier insbesondere Stoll, Ermessen, 137ff und 184ff). Im vorliegenden Fall sei insbesondere auf die Pflicht der Behörde hinzuweisen, im Rahmen der Bescheidbegründung auch Ausführungen über die getroffene Ermessensübung anzustellen, nicht zuletzt um die nachfolgende Überprüfung durch den VwGH zu gewährleisten (). Eine derartige Begründung fehle insofern, als sich diese nicht in der Niederschrift über die Nachschau finde, geschweige denn in der Bescheidbegründung selbst, welche lediglich einen Verweis auf besagte Niederschrift enthalte. Dieses Faktum sei bereits - isoliert betrachtet - Grund genug um eine Kassation des Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof wegen Verfahrensmängel anzunehmen.

Zusammenfassend sei festzustellen, dass das Vorliegen teilweise nicht prämienbegünstigter Wirtschaftsgüter bereits zum Zeitpunkt der Einreichung der entsprechenden Beilage zu Körperschaftsteuererklärung für 2002 der Abgabenbehörde bekannt sein hätte müssen, da die betreffenden Einträge im Prämienverzeichnis ordnungsgemäß die Offenlegungspflicht gemäß § 119 BAO erfüllt hätten. Nach heutigem Erkenntnisstand stünden die fehlenden Voraussetzungen im Sinne des § 108e Abs. 2 EStG 1988 hinsichtlich der fraglichen Verzeichniseinträge außer Streit. Im Juni 2003 seien diese jedoch von der steuerlichen Vertretung nach bestem Wissen und Gewissen als prämienbegünstigt angesehen worden, da der objektive Wissensstand hinsichtlich der Definition von Gebäuden im Jahr 2002, dem ersten Jahr der Investitionszuwachsprämie, durchaus Zweifel offen gelassen habe. Es sei auch ein klarstellender Erlass der Finanzverwaltung zu dieser Frage erst nach der Einreichung des Prämienverzeichnisses durch die steuerliche Vertretung ergangen (Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom , RdW 2003/463). Durch die ordnungsgemäße Offenlegung hätte die Abgabenbehörde bereits bei Einreichung der entsprechenden Abgabenerklärung bestehende Bedenken aufgreifen müssen. Statt dessen sei die Investitionszuwachsprämie in voller beantragter Höhe am dem Abgabenkonto der Bw. gutgeschrieben worden. Durch die zitierte klare und ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe daher im vorliegenden Fall kein Zweifel am Nichtvorliegen eines "Neuerungstatbestandes" und somit der grundlegenden Rechtswidrigkeit des Bescheides vom hinsichtlich der Heranziehung von § 201 Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BAO als Festsetzungstatbestand. Auf Grund der Überschreitung der gesetzlichen Jahresfrist im gegenständlichen Fall sei § 201 Abs. 2 Z 1 BAO keine rechtsmögliche Bescheidgrundlage. Zudem sei auf die gravierenden formalen Fehler des streitigen Bescheides aufmerksam zu machen. So müssten nicht nur (als in gebundener Verwaltung zu prüfende Voraussetzung) die zur Wiederaufnahme führenden Tatsachen, sondern vielmehr deren konkretes "Neuhervorkommen" in der Bescheidbegründung dargelegt werden (Ritz, BAO-HB, 118). Weiters fehle es zur Gänze an der notwendigen Begründung der spezifischen Ermessensübung, obwohl der gesamte § 201 Abs. 2 BAO unstrittig Ermessensbestimmungen beinhalte.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Bw. wendet sich gegen die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2002 in Höhe von € 42. 335,43 mit dem angefochtenen Bescheid vom . Die Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2002 war zuvor in der von der Bw. gemäß dem zusammen mit der Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2002 beim Finanzamt eingereichten Prämienverzeichnis in Höhe von € 70.437,05 am mit Wirkung vom am Abgabenkonto gutgeschrieben worden.

Gemäß § 108e Abs. 1 EStG 1988, BGBl.Nr. 400/1988 idF BGBl. I Nr. 155/2002, kann für den Investitionszuwachs bei prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern eine Investitionszuwachsprämie von 10 % geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass die Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8) abgesetzt werden.

Gemäß § 108e Abs. 2 EStG 1988 sind prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter ungebrauchte körperliche Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens. Nicht zu den prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern zählen:

- Gebäude,

- Geringwertige Wirtschaftsgüter, die gemäß § 13 abgesetzt werden,

- Personen- und Kombinationskraftwagen, ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge sowie Kraftfahrzeuge, die zu mindestens 80 % der gewerblichen Personenbeförderung dienen.

- Wirtschaftsgüter, die nicht in einer inländischen Betriebsstätte verwendet werden, die der Erzielung von Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 dient. Dabei gelten Wirtschaftsgüter, die auf Grund einer entgeltlichen Überlassung überwiegend im Ausland eingesetzt werden, nicht als in einer inländischen Betriebsstätte verwendet.

Gemäß § 108e Abs. 3 EStG 1988 ist der Investitionszuwachs bei prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern die Differenz zwischen deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Kalenderjahre 2002 und 2003 und dem Durchschnitt der Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter der letzten drei Wirtschaftsjahre, die vor dem bzw. dem enden. Dabei gilt Folgendes:

1. Erstreckt sich die Anschaffung oder Herstellung prämienbegünstigter Wirtschaftsgüter auf mehrere Jahre, sind in die Ermittlung des durchschnittlichen Investitionszuwachses die jeweils zu aktivierenden Teilbeträge der Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit einzubeziehen. Ändern sich nachträglich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, ist die Investitionszuwachsprämie im Jahr der Änderung entsprechend anzupassen.

2. Von der Summe aller Anschaffungs- oder Herstellungskosten der prämienbegünstigten Wirtschaftsgüter sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten jener Wirtschaftsgüter, für die die Begünstigung nach § 10c Abs. 2 oder § 108d Abs. 2 Z 2 geltend gemacht wurde, abzuziehen. Der Investitionszuwachs ist höchstens in Höhe der Differenz prämienbegünstigt.

Gemäß § 108e Abs. 4 EStG 1988 ist der Steuererklärung ein Verzeichnis der Investitionszuwachsprämie des betreffenden Jahres anzuschließen (§§ 42, 43). Das Verzeichnis hat die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und die daraus ermittelte Investitionszuwachsprämie zu enthalten. Das Verzeichnis gilt als Abgabenerklärung.

Gemäß § 108e Abs. 5 EStG 1988 ist die sich aus dem Verzeichnis ergebende Prämie auf dem Abgabenkonto gutzuschreiben, es sei denn, es ist ein Bescheid gemäß § 201 BAO zu erlassen. Die Gutschrift wirkt auf den Tag der Einreichung des Verzeichnisses zurück. Sowohl die Prämie als auch eine Prämiennachforderung bzw. Rückforderungsansprüche auf Grund einer geänderten Bemessungsgrundlage gemäß Abs. 3 gelten als Abgabe vom Einkommen im Sinne der Bundesabgabenordnung und des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes. Auf die Gutschrift sind jene Bestimmungen der Bundesabgabenordnung anzuwenden, die für wiederkehrend zu erhebende, selbst zu berechnende Abgaben gelten. Die Prämie ist zu Lasten des Aufkommens an veranlagter Einkommensteuer zu berücksichtigen.

Die Gutschrift der Investitionszuwachsprämie auf dem Abgabenkonto der Bw. erfolgte am und wirkte gemäß § 108e Abs. 5 EStG 1988 auf den Tag der Einreichung des Prämienverzeichnisses, den , zurück.

Entsprechend der in § 108e Abs. 5 EStG 1988 vom Gesetzgeber getroffenen Anordnung, dass auf die Gutschrift jene Bestimmungen der Bundesabgabenordnung anzuwenden sind, die für wiederkehrend zu erhebende, selbst zu berechnende Abgaben gelten, ist der § 201 BAO anzwenden (siehe auch Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar, 3. überarbeitete Auflage, § 201, Tz. 5).

Von der Bw. wurde die Anwendung des § 201 BAO, BGBl.Nr. 194/1961 idF BGBl. I Nr. 97/2002 auf den berufungsgegenständlichen Sachverhalt geltend gemacht.

Gemäß § 323 Abs. 11 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002, ist § 201 BAO in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 97/2002 erstmals auf Abgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem entstanden ist.

Demnach hat die rechtliche Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes mit der Beantwortung der Frage nach dem Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches betreffend die eine Steuerbegünstigung darstellende Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2002 zu beginnen.

Die Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 ist zwar zu Lasten der veranlagten Einkommensteuer zu berücksichtigen, stellt aber selbst weder Einkommensteuer noch eine Sonderform derselben dar und ist vom Veranlagungsverfahren klar abgetrennt. In diesem Sinne gilt auch das Prämienverzeichnis als Abgabenerklärung für die Investitionszuwachsprämie.

Im dritten Satz des § 108e Abs. 5 EStG 1988 ist zwar normiert, dass sowohl die Prämie als auch eine Prämiennachforderung bzw. Rückforderungsansprüche auf Grund einer geänderten Bemessungsgrundlage gemäß Abs. 3 als Abgabe vom Einkommen im Sinne der Bundesabgabenordnung und des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes gelten.

Diese Bestimmung könnte für sich allein betrachtet betreffend den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches die Maßgeblichkeit des § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO nahe legen, wonach der Abgabenanspruch bei der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, entsteht. Da Steuerbefreiungen und Steuerbegünstigungen im Hinblick auf die zeitliche Komponente in der Regel gleich zu behandeln sind wie der Abgabenanspruch (Anspruch des Staates gegenüber einem Abgabepflichtigen), wäre aus dieser Perspektive der Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches betreffend die von der Bw. für das Jahr 2002 geltend gemachte Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 mit Ablauf des Jahres 2002 anzunehmen.

Eine solche isolierende, die übrigen in § 108e EStG 1988 getroffenen Anordnungen ignorierende, Betrachtungsweise wäre jedoch verfehlt. Dies deshalb, da aus der im zweiten Satz des § 108e Abs. 5 EStG 1988 getroffenen Anordnung, dass die Gutschrift der Investitionszuwachsprämie auf den Tag der Einreichung des Prämienverzeichnisses zurück wirkt im Kontext mit der im vierten Satz des § 108e Abs. 5 EStG 1988 getroffenen Anordnung, dass auf die Gutschrift jene Bestimmungen der Bundesabgabenordnung anzuwenden sind, die für wiederkehrend zu erhebende, selbst zu berechnende Abgaben gelten, eindeutig die Absicht des Gesetzgebers zur Konstruktion der Investitionszuwachsprämie nach dem Muster einer Selbstberechnungsabgabe zum Ausdruck kommt.

Daher kann nicht angenommen werden, dass der Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches betreffend die Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 nach dem Willen des Gesetzgebers ident sein soll mit jenem betreffend die zu veranlagende Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer gemäß § 4 Abs. 2 lit. a) Z 2 EStG 1988.

Der Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches betreffend die von der Bw. für das Jahr 2002 geltend gemachte Investitionszuwachsprämie war demnach der , so dass § 201 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 anzuwenden ist, worin normiert ist:

§ 201 Abs. 1 BAO: "Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist".

§ 201 Abs. 2 BAO: "Die Festsetzung kann erfolgen,

1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,

2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,

3. wenn kein selbst berechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs. 4 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden, oder

4. wenn sich die Selbstberechnung wegen Widerspruchs mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union als nicht richtig erweist".

§ 201 Abs. 3 BAO: "Die Festsetzung hat zu erfolgen,

1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist, oder

2. wenn bei sinngemäßer Anwendung der §§ 303 bis 304 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag der Partei vorliegen würden".

§ 201 Abs. 4 BAO: "Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen".

Die Erlassung des angefochtenen Bescheides über die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG für das Jahr 2002 mit € 42.335,43 wurde vom Finanzamt vorgenommen, da die von der Bw. mit Prämienverzeichnis vom beantragte Höhe dieser Prämie von € 70.437,05 tatsächlich unrichtig war.

Die Feststellung der Unrichtigkeit des Betrages laut Prämienverzeichnis erfolgte anlässlich einer bei der Bw. durchgeführten Nachschau gemäß § 144 BAO. Wie aus der Niederschrift über diese Nachschau vom zu entnehmen ist, wurde von der Bw. die Investitionsprämie gemäß § 108e EStG für nicht prämienbegünstigte Gebäudeinvestititonen in Höhe von € 28.101,62 geltend gemacht.

Diese Tatsache wird von der Bw. nicht bestritten, wobei sie sich auf die zum Zeitpunkt der Erstellung des Prämienverzeichnisses herrschende Unklarheit betreffend die Interpretation des § 108e EStG 1988 beruft.

Die Bw. ist nicht bereit, den ihr mittels Gutschrift mit Wirkung vom vom Finanzamt gewährten - jedoch nach materiellem Recht nicht zustehenden - Betrag an Investitionszuwachsprämie in Höhe von € 28.101,62 der Republik Österreich zurückzuzahlen und stützt sich dabei auf die im Sachverhaltsteil dieser Berufungsentscheidung dargestellte verfahrensrechtliche Argumentation.

Es ist nun zu prüfen, ob die Erlassung des angefochtenen Bescheides vom über die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2002 gemäß § 201 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 zulässig war.

§ 201 BAO regelt die erstmalige Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben mit Abgabenbescheid. Die Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe ist unter anderem zulässig, wenn sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Eine Selbstberechnung ist "nicht richtig", wenn sie objektiv rechtswidrig ist. Eine solche Rechtswidrigkeit kann etwa Folge einer unrichtigen Rechtsauffassung oder der (teilweisen Nichtoffenlegung abgabenrechtlich relevanter Umstände (z.B. Bemessungsgrundlagen sein.

Unbeachtlich für die Anwendbarkeit des § 201 ist, ob die Selbstberechnung überhöht oder zu niedrig erfolgt ist oder ob den Abgabepflichtigen an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung ein Verschulden trifft (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar, 3. überarbeitete Auflage, § 201, Tz 7 bis 9).

Da gemäß § 201 Abs. 2 Z 1 BAO die Festsetzung von Amts wegen nur innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages zulässig ist, kommt diese Bestimmung als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid nicht in Betracht.

Dies deshalb, da von der Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages mit Prämienverzeichnis am bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides am bereits mehr als ein Jahr vergangen war.

§ 201 Abs. 2 Z 3 BAO könnte nur dann eine Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid darstellen, wenn die Voraussetzungen des § 303 Abs. 4 BAO gegeben gewesen wären. Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht wurden, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Wie die Bw. zu Recht vorbringt wurde im Prämienverzeichnis vom eine vollständige Offenlegung der von der Bw. als prämienbegünstigt angesehenen Wirtschaftsgüter vorgenommen. Die einzelnen Gegenstände bzw. Leistungen, für die die Investitionszuwachsprämie geltend gemacht wurde, sind im Prämienverzeichnis in einer für jedermann verständlichen Weise beschrieben. Die verwendeten Bezeichnungen "Planungskoordination Umbau, Ausbesserungsarbeiten Malerei, Maler- und Anstreicherarbeiten, elektrischer Kleinlastenaufzug, Zuleitung und Zähler, Elektroinstallationen, Belüftungsleitung, Fußbodenheizung, Fliesenlegerarbeiten, Verlegung Steinbelag, örtliche Bauaufsicht, Lüftungs- und Klimaarbeiten, Sperrmüllentsorgung, Sanierung Kanal, Sanierung Metalldecke, Baumeister & Trockenarbeiten" sind unmissverständlich, da es sich dabei um Begrifflichkeiten des allgemeinen Sprachgebrauches handelt, deren Inhalt allgemein bekannt ist.

Daher hätte die bescheiderlassende Behörde anhand der Einträge im Prämienverzeichnis erkennen können, dass hinsichtlich dieser Gegenstände bzw. Leistungen von der Bw.

eine Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 für nicht nach dieser Bestimmung prämienbegünstigte Investitionen beantragt wurde.

Ob die Vornahme der Gutschrift betreffend die Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2002 in der mit Prämienverzeichnis vom beantragten Höhe von € 70.437,05 mit Wirkung vom durch die bescheiderlassende Behörde auf Grund der Unterlassung der Überprüfung des Prämienverzeichnisses oder auf Grund eines Irrtums betreffend die materielle Rechtslage erfolgte, ist für die Beurteilung der verfahrensrechtlichen Zulässigkeit einer Bescheiderlassung gemäß § 201 Abs. 2 Z. 3 BAO unerheblich.

Da die von § 303 Abs. 4 BAO geforderte Voraussetzung eines Neuerungstatbestandes bei objektiver Betrachtung im gegenständlichen Fall nicht vorlag, kann die darauf abstellende Rechtsnorm § 201 Abs. 2 Z 3 BAO keine zulässige Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid bilden.

Wie sich aus der dargestellten rechtlichen Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes zweifelsfrei ergibt, wurde der angefochtene materiell-rechtlich richtige Bescheid über die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2002 ohne verfahrensrechtliche Grundlage erlassen.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 108e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Investitionszuwachsprämie
Prämienverzeichnis
Gutschrift
Abgabenanspruch
Selbstberechnungsabgabe
Festsetzungsbescheid
Neuerungstatbestand

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at