Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 20.02.2009, RV/3743-W/02

Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht in Österreich (Familienwohnort im Beschäftigungsland)

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vormals vertreten durch die Rechtsanwälte D&M, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes X. vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe für das Kind B. Y., geb. am 0.0.1994, für den Zeitraum vom Jänner 1999 bis Juli 2001 und von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für das Kind A. Y. , geb am 0.00.1989, für den Zeitraum vom September 1996 bis Juli 2001 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Im Zuge einer Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe gab die Berufungswerberin über Anfrage des Finanzamtes am bekannt, dass die Kinder bis zum Abschluss der Grundschulausbildung die Schule in Griechenland besuchen werden und die Bw. selbst sich sowohl in Griechenland als auch in Österreich aufhalte.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt die von der Berufungswerberin (im Folgenden Bw.) für das Kind B. Y. für den Zeitraum vom Jänner 1999 bis Juli 2001 bezogenen Beträge an Familienbeihilfe sowie die für das Kind A. Y. für den Zeitraum vom September 1996 bis Juli 2001 bezogenen Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen als zu Unrecht bezogen zurück. Das Finanzamt verpflichtete die Bw. gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 iVm § 33 Abs. 4 EStG 1988 den Rückforderungsbetrag in Höhe von € 9.987,06 (ATS 137.425) zurückzuzahlen und führte in der Begründung aus, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bw. nicht im Bundesgebiet befinde.

Die gegen den Rückforderungsbescheid eingebrachte Berufung begründete die Bw. wie folgt:

"Der zitierte Bescheid wird in seinem gesamten Inhalt und Umfang angefochten und beantragt, diesen ersatzlos zu beheben, sohin von der Rückforderung der Familienbeihilfe für die Jahre 1994 bis 2001 abzusehen.

Als Berufungsgrund wird geltend gemacht:

Unrichtige rechtliche Beurteilung:

Mangelnde Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme:

Hervorzuheben ist, dass das jeweils für die Berufungswerberin zuständige Finanzamt immer erst nach sorgfältiger Überprüfung der Berufungswerberin den Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages zuerkannt hat.

Die Berufungswerberin wurde immer aufgefordert Unterlagen zu übermitteln, damit überprüft werden könne, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe noch gegeben sind. Dabei hat die Berufungswerberin immer vollständige und wahrheitsgemäße Angaben gemacht, unter anderem auch immer mitgeteilt, wo der Wohnort des jeweiligen Kindes war, wo es in die Schule ging etc. Die Berufungswerberin hat daher nicht eine falsche oder irreführende Angabe gemacht. Nach (wohl sorgfältiger) Überprüfung erhielt die Berufungswerberin jeweils die Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe, welche Mitteilung jeweils angesichts des normativen Inhalts als Bescheid anzusehen ist. Wenn daher das jeweilige zuständige Finanzamt der Berufungswerberin die Familienbeihilfe zuerkennt, darf man nicht bei völlig unveränderter Sachverhaltsgrundlage nunmehr die Familienbeihilfe rückfordern. Die Voraussetzungen nach § 303 (4) BAO liegen daher nicht vor, eine Wiederaufnahme und daraus folgend eine Rückforderung ist nicht zulässig.

Überdies wird nachhaltig die Auffassung vertreten, dass die Benachteiligung der (österreichischen) Kinder, die nicht in Österreich ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen haben, gegenüber solchen bei denen diese Voraussetzung vorliegt nicht dem verfassungsrechtlich garantierten Gleichbehandlungsgebot entspricht. Insoweit ist auch die Begründung des Bescheides vom verfehlt, da es nicht auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen der Berufungswerberin, sondern ausschließlich der Kinder ankommt

Zu Unrecht hat die erste Instanz auch die Rechtslage bis nicht berücksichtigt.

§ 26 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 § 26. (1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen, soweit der unrechtmäßige Bezug nicht ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch den Dienstgeber oder eine auszahlende Stelle verursacht worden ist. Zurückzuzahlende Beträge können auffällige oderfällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden. Die Anrechnung ist durch das Finanzamt durchzuführen. Die Familienbeihilfenkarte ist zur Durchführung der Anrechnung dein Finanzamt zu überlassen.

Die Familienbeihilfe bis ist daher nicht rückforderbar, dass hier zweifelsfrei die auszahlende Stelle (FA) den "Falschbezug" verursacht hat.

Antrag auf Absehen von der Rückforderung: Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des liegt zweifelsfrei durch die Jetzige Rückforderung eine Verletzung von Treu und Glauben vor. Die Berufungswerberin hat immer die richtigen und vollständigen Angaben gemacht, aufgrund derer ihr der Bezug der Familienbeihilfe zugebilligt wurde. Aufgrund einer völlig unveränderten Sachlage nunmehr die - natürlich verbrauchten - Beträge zurückzufordern, ist sicherlich unbillig im Sinne des § 26 FamLAG

Die Berufungswerberin stellt daher ausdrücklich auch den Antrag im Sinne des § 26(4) FamLAG von der Rückforderung allenfalls zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe abzusehen."

Das Finanzamt legte die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt stellt sich aufgrund der vorliegenden Unterlagen bzw. den Angaben der Bw. im Zuge der Antragstellung für den strittigen Zeitraum wie folgt dar:

Die Bw. ist österreichische Staatsbürgerin, hat eine inländische Wohnadresse und ist in Österreich nicht erwerbstätig.

Der Kindesvater und Ehemann der Bw. ist griechischer Staatsbürger, wohnt in Griechenland und ist laut den Angaben der Bw. in Griechenland selbständig tätig.

Weder die Bw. noch ihr Ehegatte sind in Österreich bei einer öffentlich-rechtlichen Pensionsversicherungsanstalt versichert.

Die im Rückforderungszeitraum minderjährigen Kinder besuchen die Schule in Griechenland. Das jüngere Kind ist im Jahr 1994 auch in Griechenland geboren.

Laut den Angaben der Bw. auf dem Formular zur Überprüfung des Anspruches erfolgte die Kindererziehung in einem Haushalt mit dem anderen Elternteil.

Laut vorgelegtem Schreiben des Arbeitsministeriums - Amt für Beschäftigung der Arbeitskräfte, Ortsstelle K. vom ) hat der Ehemann der Bw. keine Familienbeihilfe für die Kinder erhalten.

Strittig ist im Berufungsfall, ob im Rückforderungszeitraum für die nicht erwerbstätige Berufungswerberin Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. Kinderabsetzbetrag in Österreich besteht, obwohl der Kindesvater (und Familienerhalter) seine selbständige Erwerbstätigkeit in Griechenland ausübt, die Kinder sich seit vielen Jahren in Griechenland aufhalten und auch die Pflichtschule in Griechenland besuchen.

Aufgrund des gegebenen Sachverhaltes im gegenständlichen Fall ist vorerst zu prüfen, welcher Mitgliedstaat nach EU- Recht (als unmittelbar anzuwendendes Recht) vorrangig die Familienleistungen zu erbringen hat. Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, (in der Folge VO Nr. 1408/71), gilt nach ihrem Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, welche Familienleistungen betreffen.

Unter Familienleistungen sind nach Art. 1 Buchstabe u sublit. i der VO Nr. 1408/71 alle Sach- oder Geldleistungen zu verstehen, die zum Ausgleich von Familienlasten im Rahmen der in Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h genannten Rechtsvorschriften bestimmt sind.

Familienbeihilfen sind nach Art. 1 Buchstabe u sublit. ii der VO Nr. 1408/71 regelmäßige Geldleistungen, die nach Maßgabe der Zahl und gegebenenfalls des Alters von Familienangehörigen gewährt werden.

Familienangehöriger ist nach Art. 1 Buchstabe f sublit. i der Verordnung Nr. 1408/71 jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, oder in den Fällen des Art. 22 Abs. 1 Buchstabe a und des Art. 31 in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet sie wohnt, als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet ist; wird nach diesen Rechtsvorschriften eine Person jedoch nur dann als Familienangehöriger oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder dem Selbständigen oder dem Studierenden in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird.

Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt, dass - vorbehaltlich hier nicht interessierender Sonderbestimmungen - Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates unterliegen. Soweit die hier nicht in Betracht kommenden Art. 14 bis 17 der zitierten Verordnung nicht etwas anderes bestimmen, gilt gemäß Art. 13 Abs. 2 Folgendes:

b) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt;

f) eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Art. 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften."

Personen, für die die VO 1408/71 gilt, unterliegen nach Art. 13 den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates. Nach den einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung ist jener Staat verpflichtet Familienleistungen zu zahlen, in dem (von einem Elternteil) die Beschäftigung ausgeübt wird. Es gilt somit das sogenannte Beschäftigungslandprinzip, wobei auch Selbständige von den Bestimmungen der VO 1408/71 erfasst sind.

Für den vorliegenden Fall hat Griechenland als Beschäftigungsland die Familienleistungen zu tragen, da der Kindesvater als Familienerhalter seine selbständige Beschäftigung in diesem Land ausübt. Da die Bw. in Österreich keiner Beschäftigung nachgeht und zudem durch den Schulbesuch der Kinder eindeutig auch das Wohnland der Kinder Griechenland ist, sind die existierenden Prioritätsregeln für den Fall der Kumulierung von Ansprüchen aufgrund der VO (Art.73 bzw. 76 der VO) nicht weiter heranzuziehen. Ob die Familienleistungen für die Kinder der Bw. in Griechenland tatsächlich beantragt wurden, bzw. ob aufgrund der innerstaatlichen Bestimmungen in Griechenland (z.B. durch Einkommensgrenzen) im konkreten Fall Anspruch auf Familienleistungen besteht, ist nicht relevant. Eine Benachteiligung aufgrund der Staatsbürgerschaft ist dadurch nicht gegeben, weil alle den Rechtsvorschriften Griechenlands unterliegenden Personen, unabhängig von der Staatsbürgerschaft, von den dortigen innerstaatlichen Bestimmungen betroffen sind.

Im Fall der Bw. als österreichische Staatsbürgerin ist jedoch auch ein möglicher Anspruch auf eine Ausgleichszahlung (§ 4 Abs. 2 FLAG 1967) nach den österreichischen innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu prüfen. § 4 Abs. 2 FLAG 1967 ordnet für den Fall des Zusammentreffens des inländischen Beihilfenanspruches mit einem Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe an, dass in Österreich ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung bis zur Höhe der (höheren) österreichischen Beihilfe besteht.

Diese Bestimmung setzt einen Beihilfenanspruch nach § 2 FLAG 1967 voraus (; , 2008/15/0002). Für diese Ausgleichszahlung muss demnach ein grundsätzlicher Anspruch nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 bestehen.

Nach § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder (lit.a) bzw. für volljährige Kinder unter den in lit.b leg.cit. näher definierten Voraussetzungen.

§ 2 Abs 8 FLAG 1967 in der im Berufungsfall anzuwendenden Fassung lautet:

"Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat."

Im Berufungsfall ist davon auszugehen, dass die Bw. im strittigen Zeitraum sowohl in Österreich als auch in Griechenland einen Wohnsitz hat. Bei Vorliegen eines Wohnsitzes sowohl im In- als auch im Ausland, muss die antragstellende Person für den Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 8 FLAG den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich haben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Unter persönlichen Beziehungen sind dabei all jene zu verstehen, die jemanden aus in seiner Person liegenden Gründen auf Grund der Geburt, der Staatszugehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigungen religiöser und kultureller Art, mit anderen Worten nach allen Umständen, die den eigentlichen Sinn des Lebens ausmachen, an ein bestimmtes Land binden. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bestehen im Regelfall die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man Tag für Tag mit seiner Familie lebt. Auch hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass die stärkste persönliche Beziehung eines Menschen im Regelfall zu dem Ort besteht, an dem er regelmäßig mit seiner Familie lebt, dass also der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein wird.

Da die Bw. selbst nicht berufstätig ist, ihre Kinder sich unbestritten bereits seit Jahren in Griechenland aufhalten und dort die Schule (Anmerkung: soweit bereits schulpflichtig) besuchen, ist davon auszugehen, dass die Bw. die stärkste persönliche Beziehung zum Ort des Aufenthaltes ihrer Familie hat. Damit ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bw. iSd § 2 Abs 8 FLAG 1967 als nicht in Österreich gelegen anzunehmen und dieser - auch im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung - ist die Bw. in der Berufung nicht entgegengetretenen

Fehlt es aber am Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet, so steht § 2 Abs 8 FLAG 1967 einem Familienbeihilfenanspruch entgegen. Daran vermag die Regelung des § 53 FLAG 1967 nichts zu ändern, da nach dieser Bestimmung zwar der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des EWR dem ständigen Aufenthalt in Österreich gleich zu halten ist, im gegenständlichen Fall steht jedoch das Fehlen des Mittelpunktes der Lebensinteressen der Bw. - und nicht wie in der Berufung vorgebracht das Fehlen des Mittelpunktes der Lebensinteressen der Kinder - dem Familienbeihilfenanspruch nach den nationalen Rechtsvorschriften entgegen.

Aus der Bestimmung des § 4 Abs 2 FLAG 1967 ist somit für den gegenständlichen Fall nichts zu gewinnen. Diese Bestimmung setzt nämlich, wie bereits erwähnt, einen Beihilfenanspruch nach § 2 FLAG 1967 voraus. (; , 2008/15/0002).

Zum Vorbringen der Bw., durch die Rückforderung sei eine unzulässige Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 Bundesabgabenordnung (BAO) erfolgt, ist auszuführen: Die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 4 BAO hat den Zweck, ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren, aus den im Gesetz erschöpfend aufgezählten Gründen aus der Welt zu schaffen und die Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen.

Die Gewährung der Familienbeihilfe setzt nach der Bestimmung des § 10 Abs. 1 FLAG 1967 eine Antragstellung voraus. Über solche Anträge hat das nach dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt der antragstellenden Person zuständige Finanzamt zu entscheiden, wobei gemäß § 13 FLAG 1967 ein Bescheid nur zu erlassen ist, insoweit einem Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist. Wie von der Bw. in der Berufung selbst darstellt, hat das Finanzamt der Bw. die Familienbeihilfe immer antragsgemäß gewährt und ein (den Antrag der Bw.) abweisender Bescheid wurde nicht erlassen.

Bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe hat das Wohnsitzfinanzamt jedoch gemäß § 3 Abs.1 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 246/1993, eine Mitteilung auszustellen. Die an die Bw. jeweils übersandten Mitteilungen über den Bezug der Familienbeihilfe stellen aus folgendem Grund keinen erstinstanzlichen Bescheid (iSd § 93 BAO) dar: Erledigungen einer Abgabenbehörde, die ihrem Inhalt nach die Erfordernisse einer "Bescheidqualität" im Sinne der Norm des § 93 BAO aufweisen bzw. erfüllen, sind durch nachfolgende Merkmale gekennzeichnet: die Bezeichnung als Bescheid, den Spruch des Bescheides mit der Angabe des Bescheidadressaten, die Begründung, die Rechtsmittelbelehrung sowie die Bezeichnung der bescheiderlassenden Behörde, das Ausstellungsdatum und die Unterschrift (Beglaubigung) desjenigen, der die Erledigung genehmigt hat. Die allgemein gehaltenen Informationsschreiben des Finanzamtes sind formlose Mitteilungen und entgegen dem Berufungsvorbringen nicht als Bescheid anzusehen.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 4 BAO soll ein bereits abgeschlossenes Verfahren wieder eröffnen, einen Prozess, der durch einen rechtskräftigen Bescheid bereits einen Schlusspunkt erreicht hat, erneut in Gang bringen ( vgl. und , 0165). Da die antragsgemäße Gewährung der Familienbeihilfe keinen ein erstinstanzlicher Bescheid zur Folge hatte, liegt durch die nunmehrige Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Beträge auch keine Wiederaufnahme iSd § 303 Abs. 4 BAO vor.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat nach § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 in der Fassung BGBl. I Nr. 8/1998 (mit Wirksamkeit ab ) die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Durch diese Bestimmung wird eine objektive Erstattungspflicht desjenigen begründet, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, ohne Rücksicht darauf, ob die bezogenen Beträge gutgläubig empfangen wurden oder ob die Rückzahlung eine Härte bedeutet. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig.

Der von der Bw. in der Berufung angesprochene gutgläubige Verbrauch der Beträge ist demnach rechtlich ohne Bedeutung, weil der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs. 1 FLAG (nach § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a letzter Satz EStG 1988 auch auf Kinderabsetzbeträge anzuwenden) ausschließlich darauf abstellt, ob der Empfänger die Beträge objektiv zu Unrecht erhalten hat (vgl. , ).

Auch das Vorbringen der Bw., sie habe den Sachverhalt dem Finanzamt mitgeteilt und das Finanzamt habe die Auszahlung der - nunmehr bei unverändertem Sachverhalt zurückgeforderten - Beträge vorgenommen, ist nicht geeignet, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass es nach der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 8/1998 gestalteten Rechtslage der Rückforderung nicht mehr entgegensteht, wenn der unrechtmäßige Bezug durch eine unrichtige Auszahlung durch das Finanzamt verursacht worden ist, weil seit der so geänderten Rechtslage das Finanzamt nicht mehr auszahlende Stelle im Sinne des § 26 FLAG angesehen werden kann (vgl. ; , 2002/13/0079). Nebenbei sei bemerkt, dass die Rückforderung nicht, wie in der Berufung angeführt, ab dem Jahr 1994, sondern nur für die im Spruch dieser Entscheidung angeführten Zeiträume erfolgte.

Soweit sich die Bw. auf eine Maßnahme nach § 26 Abs. 4 FLAG 1967 beruft, kann dies der Berufung zu keinem Erfolg verhelfen. Auf eine in § 26 Abs. 4 FLAG 1967 ermöglichte aufsichtsbehördliche Maßnahme der Oberbehörde besteht nämlich kein Rechtsanspruch ().

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Beschäftigungsland
Mittelpunkt der Lebensinteressen
VO 1408/71

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