Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.06.2018, RV/7102140/2018

Kein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe, wenn von den Eltern überwiegend Unterhalt geleistet wird

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Rudolf Wanke über die Beschwerde der A***** M*****, 1***** Wien, S*****gasse 56/11, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf, 1030 Wien, Marxergasse 4, vom , mit welchem der Antrag vom auf Familienbeihilfe für die im Februar 1995 ab September 2017 abgewiesen wurde, Sozialversicherungsnummer 3*****, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Antrag

Mit am beim Finanzamt persönlich überreichtem Formular Beih 1 beantragte die Beschwerdeführerin (Bf) A***** M***** Familienbeihilfe für sich selbst.

Die im Februar 1995 geborene Bf sei österreichische Staatsbürgerin, wohne in 1***** Wien, S*****gasse 56/11 und sei bei einem näher bezeichneten Arbeitgeber beschäftigt.

Weitere Angaben, etwa für welchen Zeitraum oder aus welchem Grund Familienbeihilfe beantragt werde, erfolgten auf dem Formular nicht.

Auf einem Beiblatt gab die Bf an, sie wohne alleine, Familienbeihilfe sei zuletzt von der Mutter Elisabeth M*****, 1***** Wien, S*****gasse 56/9, bezogen worden, habe Lebenshaltungskosten von monatlich 630 €, die sie durch Unterhaltsleistungen des Vaters (640 €) und der Mutter (50 €) sowie eigenes Einkommen (245 €) finanziere:

Beigefügt war eine Bestätigung eines Trägers des freiwilligen Sozialjahres im Auftrag der D***** Österreich (im Formular Beih 1 als Arbeitgeber genannt) vom , wonach Anspruchsberechtigte Elisabeth M*****, 1***** Wien, S*****gasse 56/9, und Teilnehmerin am Sozialen Jahr A***** M*****, 1***** Wien, S*****gasse 56/11, sei. Die freiwillige praktische Hilfstätigkeit gemäß § 7 FreiwG werde von bis in einem näher bezeichneten Kindergarten absolviert.

Ferner war eine weitere Bestätigung eines anderen Trägers im Auftrag der D***** Österreich vom beigefügt, in welcher das Feld "Angaben des Anspruchsberechtigten" freigelassen ist und Teilnehmerin am Sozialen Jahr A***** M*****, 1***** Wien, S*****gasse 56/11, sei. Die freiwillige praktischen Hilfstätigkeit gemäß § 7 FreiwG werde von bis im Bildungsbereich absolviert.

Lohnzettel

Das Finanzamt erhob, dass A***** M*****, 1***** Wien, S*****gasse 56/11, beim Arbeitgeber D***** Österreich von bis vollzeitbeschäftigt gewesen ist (steuerpflichtige Bezüge laut Kennzahl 245 für diesen Zeitraum: 968,50 €).

Abweisungsbescheid

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Bf vom auf Familienbeihilfe für sich selbst ab und begründete dies wie folgt:

Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Da Sie im Haushalt Ihrer Mutter leben, kann die Familienbeihilfe nicht gewährt werden.

Beschwerde

Mit Schreiben vom , am selben Tag beim Finanzamt eingelangt, erhob die Bf Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom :

Ich möchte Einspruch gegen den Abweisungsbescheid der Kinderbeihilfe von erheben, da ich seit in einer eigenen Wohnung lebe und nicht wie angegeben bei meiner Mutter.

Anbei schicke ich ihnen meinen Mietvertrag.

Beigefügt war ein (von bis befristeter) Mietvertrag vom über die 45 qm große, teilweise eingerichtete Wohnung in 1***** Wien, S*****gasse 56/11, der die Bf als Mieterin nennt (Hauptmietzins 272,10 €, Betriebskosten voraussichtlich 64,26 €, Gesamtmietzins inklusive USt 370,00 €).

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab:

Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört.

Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat und können somit für sich selbst Familienbeihilfe beziehen.

Vollwaisen haben gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen, das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und unter anderem am Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBI. I Nr. 17/2012, Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBI. I Nr. 17/2012, Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBI. I Nr. 17/2012, Europäischen Freiwilligendienst nach dem Beschluss Nr. 1719/2006/EG des Europaischen Parlaments und des Rates vom liber die Einfiihrung des Programms „Jugend in Aktion" im Zeitraum 2007 - 2013 teilnehmen.

Lt. Aktenlage absolvieren Sie von bis das Freiwillige Sozialjahr gemäß Freiwilligengesetz (in der Fassung BgBI. I Nr. 17/2012).

Sie leben in einem eigenen Haushalt und die Höhe Ihrer monatlichen Lebenshaltungskosten betragen durchschnittlich € 630,--. Finanziert werden diese durch ein eigenes Einkommen in Hohe von € 245,- sowie durch Unterhaltsleistungen der Kindesmutter (€ 50,--) und des Kindesvaters (€ 640,--).

Auf Grund dieses Sachverhalts liegt eine überwiegende Tragung der Unterhaltskosten durch den Kindesvater vor, weshalb gemäß der Bestimmungen der §§ 2 und 6 des FLAG 1967 kein Eigenanspruch des Kindes, sondern ein Anspruch des Kindesvaters vorliegt.

Ihre Beschwerde muss daher als unbegründet abgewiesen werden.

Die Beschwerdevorentscheidung wurde der Bf am zugestellt.

Vorlageantrag

Mit beim Finanzamt am eingelangtem Schreiben (Poststempel am eingescannten Kuvert unleserlich) stellte die Bf ersichtlich Vorlageantrag:

Ich möchte Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid bzgl. Kinderbeihilfe vom erheben.

Ich habe aus Unerfahrenheit unvollständige Angaben zu meinen Lebenshaltungskosten gemacht, die ich folgendermaßen korrigieren mochte:

400€ Miete

50€ Gas

20€ Strom

50€ (Telefon,Fernsehen,Internet)

300€ (Essen,Hygiene,Reinigungsmittel)

100€ (Kleidung, Schuhe, Gesundheit,Soziales)

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920€

Da ich Einnahmen von 930€ habe, habe ich leider keine finanziellen Mittel für Allfällige Reparaturkosten (Thermenwartung etc.)

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte unter anderem aus:

Sachverhalt:

Eigenantrag des Kindes, da dieses in einem eigenen Haushalt lebt.

Im Zuge des Verfahrens ergibt sich jedoch eine überwiegende Kostentragung durch den Kindesvater.

Beweismittel:

Einnahmen/Ausgaben-Aufstellung des Kindes;

Stellungnahme:

Es wird um Abweisung der Beschwerde ersucht, da eine überwiegende Kostentragung der Eltern vorliegt und damit die gesetzliche Voraussetzung des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 nicht erfüllt ist.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf A***** M***** leistet bei einem Träger der D***** Österreich von bis eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit gemäß § 7 FreiwG.

A***** M***** lebt seit dem Jahr 2016 in einer eigenen Wohnung in 1***** Wien, S*****gasse 56/11. Ihre Mutter wohnt im selben Haus in 1***** Wien, S*****gasse 56/9.

Die monatlichen Lebenshaltungskosten von A***** M***** betragen nach ihren eigenen Angaben im Vorlageantrag 920 € monatlich. Aufwendungen für allfällige Reparaturen sind darin nicht enthalten. Dass über den Betrag von 920 € monatlich hinaus im Beschwerdezeitraum Unterhaltskosten angefallen ist, steht nicht fest.

Nach den Angaben der Bf in der Beilage zum Formular Bei 1 leistete im Beschwerdezeitraum der Vater einen monatlichen Unterhalt von 640 € und die Mutter einen monatlichen Unterhalt von 50 €.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen stützen sich auf die eigenen Angaben der Bf im Verwaltungsverfahren. Die im Vorlageantrag genannten Unterhaltskosten liegen im Bereich des Existenzminimums. Diese wurden von der belangten Behörde auch nicht bestritten. Die Unterhaltskosten liegen zwar deutlich über dem derzeitigen Regelbedarfssatz von 555 € für volljährige Kinder (siehe die Übersicht bei Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 33 Anm. 100), sind aber im Hinblick auf die dargestellten Wohnungskosten durchaus glaubhaft.

Rechtsgrundlagen

§ 6 FLAG 1967 lautete i. d. F. BGBl. I Nr. 144/2015:

§ 6. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und

c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie

a) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind anzuwenden; oder

b) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird, oder

c) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen Beendigung des Präsenz- oder Zivildienstes und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes begonnen oder fortgesetzt wird, oder

d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden, oder

(Anm.: lit. e aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

f) In dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; Vollwaisen die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. Diese Regelung findet in Bezug auf jene Vollwaisen keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit. k gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden,

g) erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,

h) sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

i) das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,

j) das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; Vollwaisen, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

k) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und teilnehmen am

aa) Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

bb) Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

cc) Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

dd) Europäischen Freiwilligendienst nach dem Beschluss Nr. 1719/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Einführung des Programms „Jugend in Aktion“ im Zeitraum 2007 – 2013.

(3) Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) einer Vollwaise führt bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die der Vollwaise nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise bleiben außer Betracht:

a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,

b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,

c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse.

(4) Als Vollwaisen gelten Personen, deren Vater verstorben, verschollen oder nicht festgestellt und deren Mutter verstorben, verschollen oder unbekannt ist.

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Mit BGBl. I Nr. 156/2017 wurde ab am Ende vom § 6 Abs. 2 lit. b FLAG 1967 folgender Wortlaut eingefügt:

„das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem ehestmöglichen Beginn eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd für längstens drei Monate, oder“

und § 6 Abs. 2 lit. c FLAG 1967 neu gefasst:

„das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird, oder“

Überwiegende Unterhaltskostentragung

Familienbeihilfe steht gemäß § 2 FLAG 1967 grundsätzlich einem Elternteil, i. d. R. der Mutter (§ 2a FLAG 1967), zu.

Voraussetzung für einen sogenannten Eigenanspruch des Kindes gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 ist unter anderem, dass dem Kind die Eltern "nicht überwiegend Unterhalt leisten".

Nun ist unstrittig, dass die monatlichen Unterhaltskosten der Bf 920 € betragen und allein der Vater einen monatlichen Unterhalt von 640 € leistet.

Allein der Vater trug somit im Beschwerdezeitraum die Unterhaltskosten der Bf überwiegend.

Selbst unter Berücksichtigung allfälliger theoretisch möglicher notwendiger Einmalzahlungen wie für Wartung oder Reparatur der Gastherme liegen die durchschnittlichen monatlichen Unterhaltskosten jedenfalls unter dem doppelten Betrag der Unterhaltsleistungen der Eltern von 1.380 € ((640 + 50) * 2).

Die Anspruchsvoraussetzung des § 6 Abs. 5 FLAG 1967, dass dem Kind die Eltern "nicht überwiegend Unterhalt leisten", ist daher offenkundig (auch in Bezug auf die berichtigten Unterhaltskosten) nicht gegeben.

Das Gericht verkennt nicht, dass die Bf in prekären finanziellen Verhältnissen lebt und jede unvorhergesehene Aufwendung sie vor finanzielle Probleme stellt. Die Familienbeihilfe ist jedoch an bestimmte, hier nicht vorliegende, Voraussetzungen gebunden.

Im Einzelfall und nach individueller Prüfung können Menschen in einer Notlage im Wege der Sozialhilfe (Mindestsicherung) eine Förderung als Hilfe in besonderen Lebenslagen erhalten, zuständig ist hierfür im Fall der Bf der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, MA 40 - Sozialzentrum Walcherstraße (für die Bezirke 1, 2, 7, 8, 9, 14, 17 und 20), 1020 Wien, Walcherstraße 11, 1. Stock (vgl. https://www.wien.gv.at/amtshelfer/gesundheit/gesundheitsrecht/sozialhilfe/sonderbedarf.html).

Keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids

Beschwerde und Vorlageantrag vermögen daher keine Rechtswidrigkeit (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG) des angefochtenen Bescheids aufzuzeigen, die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

Nichtzulassung der Revision

Eine Revision ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn ein Erkenntnis von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die (ordentliche) Revision ist nicht zulassen, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Das Erfordernis für einen Eigenantrag einer "Sozialwaise", dass die Eltern nicht den überwiegenden Unterhalt leisten, ist im FLAG 1967 geregelt. Die Auslegung dieser Bestimmung ist im gegenständlichen Fall nicht strittig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7102140.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at