Kind ständig im Ausland
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Mag Peter Zivic, 1010 Wien, Weihburggasse 20, gegen den Bescheid des Finanzamtes X. betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind A. ab September 1998 und für das Kind B. ab März 2000 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom , stellte der Vertreter des Bw einen "fristwahrenden Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag" für die mj. Kinder des Bw. mit folgender Begründung:
"Mit Rücksicht auf die derzeit bei Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängigen und noch nicht entschiedenen Verfahren betreffend die Gewährung von Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträgen auch für mj. Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, wird hiermit zwecks Wahrung der fünfjährigen Antragsfrist des § 10 Abs. 3 des FLAG 1967 die Gewährung von Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag zugunsten des obgenannten Antragstellers für seine mj. Kinder ... fristwahrend beantragt.
Der gegenständliche fristwahrende Antrag möge bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in dieser Angelegenheit bzw. als allfällige Reaktion auf eine solche Entscheidung bis zu einer künftigen Entscheidung des österreichischen Gesetzgebers einstweilen liegengelassen und nicht weiterbearbeitet werden, zumal dieser Antrag lediglich im Hinblick auf die fünfjährige Antrags- bzw. Verjährungsfrist des § 10 Abs.3 FLAG 1967 fristwahrend bereits jetzt, d.h. zu einem Zeitpunkt, wo die Entscheidung noch offen ist und man sohin noch nicht weiß, ob auch für ständig sich im Ausland aufhaltende mj. Kinder eine Familienbeihilfe und ein Kinderabsetzbetrag zu gewähren sein wird, gestellt wird."
Das Finanzamt wies den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe mit Bescheid ab und führte begründend aus, dass nach § 5 Abs. 4 (3) FLAG 1967 für Kinder die sich ständig im Ausland aufhalten, grundsätzlich kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, sofern es nicht entsprechende zwischenstaatliche Regelungen gebe. Das entsprechende Abkommen über die Soziale Sicherheit, das diesbezügliche Regelungen beinhaltet habe, sei mit gekündigt worden. Hiedurch sei die Rechtsgrundlage für die Gewährung von Familienbeihilfe für sich ständig in aufhaltende Kinder ab weggefallen. Das Anbringen, den Antrag einstweilen fristwahrend liegen zu lassen, sei als bloße Anregung zu werten, da für die Behörden gemäß § 311 BAO Entscheidungspflicht bestehe.
Die gegen den Abweisungsbescheid erhobene Berufung begründete der Bw. wie folgt:
"Der Bw. bzw. sein Dienstgeber zahlen gemäß § 41 FLAG von der sog. Beitragsgrundlage, die sich auch aus dem Arbeitslohn des Berufungswerbers zusammensetzt, in gleicher Weise 4,5 v.H. in den Familienlastenausgleichsfonds ein, wie bei einem Dienstnehmer, dessen Kinder sich im Inland aufhalten. Der Bw. unterliegt mit seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Österreich auch der gleichen Lohn- bzw. Einkommensteuer, wie ein Dienstnehmer, dessen Kinder sich im Inland aufhalten.
Während der Bw. allein aufgrund der Tatsache, dass sich sein(e) Kind(er) nicht im Inland, sondern im Ausland aufhält (aufhalten), für diese(s) Kind(er) aus dem Familienlastenausgleichsfonds weder Familienbeihilfe, noch aus den Einnahmen aus der Lohn- bzw. Einkommensteuer einen Kinderabsetzbetrag (gemäß § 33 Abs.4 EStG 1988), sohin keinerlei Familienleistung, erhält, erhält ein vergleichbarer Dienstnehmer, dessen Kinder sich im Inland aufhalten, sowohl die Familienbeihilfe, als auch den Kinderabsetzbetrag.
Ob diese unterschiedliche Behandlung von dem Einkommensteuergesetz 1988 einerseits und dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 andererseits unterliegenden Dienstnehmern je nachdem, ob sich deren Kinder im Inland oder im Ausland aufhalten, verhältnismäßig und sachlich gerechtfertigt ist, ist beabsichtigt in einem Parallelfall im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof klären zu lassen.
Da der Bw. nach wie vor die Rechtsansicht vertritt, dass der im österreichischen Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und im Einkommensteuergesetz 1988 normierte Ausschluss vom Anspruch auf Familienbeihilfe und auf den Kinderabsetzbetrag für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, europarechtswidrig ist, wird beantragt - wobei es aus Zeit- und Kostengründen sinnvoll erscheint, eine diesbezügliche (Vorab)Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abzuwarten - der vorliegenden Berufung Folge zu geben und den angefochtenen (Abweisungs)Bescheid aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass dem Berufungswerber die beantragte Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für sein(e) Kind(er) im Ausland gewährt wird.
Mit Rücksicht auf die zahlreichen rechtlich gleich gelagerten Parallelfälle wird zwecks Vermeidung von Kosten und Zeitaufwand für unzählige inhaltlich gleiche (Parallel)- Beschwerden an den Verfassungs- bzw. den Verwaltungsgerichtshof angeregt, in einem dieser Fälle, in denen es jeweils um den Anspruch auf Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder geht, eine abweisende Berufungsentscheidung unter Hinweis auf die derzeitige Gesetzeslage zu fällen und die anderen Berufungsverfahren vorerst auszusetzen."
Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassen einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 2 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder sowie unter bestimmten Voraussetzungen für volljährige Kinder.
Anspruchsberechtigt ist grundsätzlich die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört (§ 2 Abs.2 leg.cit.). Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Eine Person, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz hat, hat gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn diese Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet hat und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
Aufgrund der Bestimmungen des § 3 FLAG 1967 (in der bis geltenden Fassung) besteht für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind und die sich noch nicht mindestens sechzig Kalendermonate ständig im Bundesgebiet aufhalten, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen. Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern und ist der Elternteil, der den Haushalt überwiegend führt nicht österreichischer Staatsbürger, genügt für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger ist.
Nach § 5 Abs. 4 FLAG 1967 in der durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 201/1996 gestalteten, ab dem geltenden Fassung besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten. Soweit bestehende Staatsverträge die Gewährung von Familienbeihilfe für Kinder vorsehen, die sich ständig in einem anderen Staat aufhalten, ist jedoch § 5 Abs.4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 297/1995 weiter anzuwenden ist, bis völkerrechtlich anderes bestimmt ist. (§ 50g Abs.2 FLAG 1967).
Durch BGBl. I 142/2000, Artikel 71, hat der Absatz 4 des § 5 FLAG 1967 mit Wirkung ab - ohne inhaltliche Änderung - die Bezeichnung "Absatz 3" erhalten.
Somit besteht nach geltender Rechtslage Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, nur insoweit, als dies bestehende Staatsverträge vorsehen.
Zufolge der von österreichischer Seite vorgenommenen Kündigung der Abkommen über soziale Sicherheit zwischen der Republik Österreich und den Staaten des ehemaligen Jugoslawien, BGBl. 289/1966 idF BGBl 81/1980 und BGBl. 269/1989 (Kündigungsbestimmungen mit im Verhältnis zur Bundesrepublik Jugoslawien BGBl. Nr. 345/1996, ehem. jugoslaw. Republik Mazedonien BGBl. Nr. 346/1996, Republik Bosnien-Herzegowina BGBl. Nr. 347/1996; mit im Verhältnis zur Republik Slowenien und Republik Kroatien BGBl. Nr. 351/1996) besteht für Kinder, die sich ständig in den entsprechenden Staaten aufhalten, ab (bzw. ) kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Im gegenständlichen Fall ist unbestritten, dass sich das Kind (die Kinder) des Bw. im strittigen Zeitraum weder im Bundesgebiet (noch in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes oder einem EU-Mitgliedsstaat ständig aufhält (aufhalten). Dass der Anspruch auf Familienbeihilfe und damit verbunden auch auf den Kinderabsetzbetrag nach der derzeitigen Gesetzeslage wegen der Ausschlussbestimmung des § 5 Abs. 4 FLAG 1967 (bzw. § 5 Abs. 3 FLAG 1967 idF BGBl. 142/2000) nicht besteht, wird vom Bw. nach den Ausführungen im Vorlageantrag auch nicht bestritten.
Zum Vorbringen des Bw., er erhalte nur aufgrund der Tatsache, dass sich sein(e) Kind(er) ständig im Ausland aufhält (aufhalten) keine Familienleistungen, ist auszuführen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungs- bzw. Verfassungsgerichtshofes Unterhaltslasten gegenüber Kindern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindern und daher bei dessen Einkommensbesteuerung zu berücksichtigen sind. (u.a. VwGH Erkenntnis vom , Zl.2000/15/0204). Eine Berücksichtigung dieser zwangsläufigen Belastungen kann im Wege von Transferzahlungen, insbesondere im Wege der Familienbeihilfe erfolgen (vgl VfGH B 1340/00 vom ). Die Vorschrift des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 (bzw. § 5 Abs. 4 FLAG 1967 idF BGBl. 201/1996) bewirkt, dass Personen, die im Ausland lebenden Kindern gegenüber zu Unterhaltsleistungen verpflichtet sind, die steuerliche Berücksichtigung der eingeschränkten Leistungsfähigkeit nicht im Wege von Transferleistungen erhalten. Laut Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erweckt eine gesetzliche Regelung, die den Anspruch auf eine der Familienförderung dienende Transferleistung an eine Nahebeziehung des anspruchsvermittelnden Kindes zum Inland bindet und hiebei auf dessen Aufenthalt abstellt, als solche keine verfassungsrechtliche Bedenken. Solches zu normieren, steht dem Gesetzgeber im Rahmen seiner rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit zu (VfGH B 2366/00 vom ).
Darauf hingewiesen sei, dass bei unbeschränkt steuerpflichtigen Personen, denen keine entsprechende Transferzahlung zukommt, die verfassungsrechtlich gebotene, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf Grund der Unterhaltsverpflichtung gegenüber minderjährigen Kindern entsprechende einkommensteuerliche Entlastung im Besteuerungsverfahren herbeigeführt werden kann (VwGH 2002/14/0050, ).
Durch den in der Berufung geltend gemachten Umstand, dass die Finanzierung der beantragten Leistungen zu einem erheblichen Teil durch zweckgebundene, von der Lohnsumme bemessene Beiträge der Arbeitgeber erfolgt, ist für die Berufung nichts gewonnen, weil sich daraus keinesfalls ableiten lässt, dass es sich bei der Familienbeihilfe um eine Art Versicherungsleistung handelt, auf deren Gewährung durch Beitragsleistung Anspruch erworben würde. Arbeitslöhne von Dienstnehmern, die keine Kinder haben, gehören z.B. ebenfalls zur Beitragsgrundlage.
Da österreichische Staatsbürger von den einschränkenden Bestimmungen des § 5 Abs. 4 (bzw. Abs. 3) FLAG 1967 ebenfalls erfasst sind - auch ihnen erwächst kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland außerhalb des Gemeinschaftsgebietes aufhalten - liegt auch eine Diskriminierung des Bw. nach der Staatsangehörigkeit nicht vor (vgl. ).
Nach der derzeitigen Rechtslage liegt für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, der Ausschließungsgrund des § 5 Abs. 4 (bzw. Abs. 3) FLAG 1967 vor. Es ist in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehen, einen Antrag auf Gewährung einer Leistung, deren Gewährung nach der geltenden Gesetzeslage nicht möglich ist, unbearbeitet zu lassen, bis sich eventuell die Gesetzeslage ändert.
Zur Anregung des Bw. anlässlich der Antragstellung, der Antrag möge bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) "einstweilen liegengelassen und nicht weiter bearbeitet werden" ist anzumerken, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die vom Bw. angeführte Beschwerde (Nr. 37460/02) gemäß Artikel 28 der Konvention für unzulässig erklärt hat, weil die Beschwerde keinen Anschein einer Verletzung der in der Konvention oder ihren Zusatzprotokollen garantierten Rechte und Freiheiten erkennen habe lassen.
Auch die Anregung des Bw., eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes abzuwarten, erscheint im gegenständlichen Fall nicht verständlich. Der Europäische Gerichtshof hat die Aufgabe, bei der Auslegung und der Anwendung der Europäischen Verträge für die Wahrung des Rechts zu sorgen. Er kann den Verstoß eines Mitgliedstaates gegen eine Verpflichtung des Vertrages oder des Sekundärrechts feststellen und erlässt auf Ersuchen eines einzelstaatlichen Gerichts auch Vorabentscheidungen zur Auslegung oder zur Gültigkeit von Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes. Ein Drittstaatsangehöriger ist vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO Nr. 1408/71) nicht erfasst und die Kinder des Bw. wohnen jedenfalls nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates. Somit kommen im Berufungsfall keine Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes zur Anwendung, deren Auslegung von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung sein könnte.
Da sich die Kinder des Bw. im gegenständlichen Fall unbestrittien ständig im Ausland aufhalten, schließt § 5 Abs. 4 (bzw. 3) FLAG 1967 den Anspruch auf Familienbeihilfe aus und damit verbunden besteht auch kein Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag. Angesichts dieses Umstandes erübrigt sich auch eine Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der weiteren Anspruchsvorausetzungen.
Durch die Entscheidung über die Berufung wird der verfassungsrechtliche Anspruch des Bw. auf den Zugang zu einem Höchstgericht und auf Überprüfung der Rechtssache nicht abgeschnitten und es ist auch dem Rechtsschutzbedürfnis des Bw. Rechnung getragen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte | ständig im Ausland Abkommen |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at