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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 23.03.2007, RV/0713-W/07

Begünstigte Besteuerung nicht entnommener Gewinne gemäß §11a EStG bei Einkünften aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwalt

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., Rechtsanwalt, geb. xx.xxx.19xx, 1xxx Wien, S-Straße, vertreten durch Dkfm. Dr. Franz Klein, beeideter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, 1080 Wien, Pfeilgasse 16/23, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Einkommensteuer 2004 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (im Folgenden mit Bw. bezeichnet) erzielte für das Jahr 2004 aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 127.689,02 €, die durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs 1 EStG ermittelt wurden. Infolge des damit verbundenen Wechsels der Gewinnermittlung von § 4 Abs 3 EStG auf § 4 Abs 1 EStG ermittelte der Bw. zum einen Übergangsgewinn in Höhe 14.845,91 €.

Bei der Einreichung der Einkommensteuererklärung 2004 beantragte der Bw. unter der Kennziffer 793 für den Betrag in Höhe von 65.418,62 € die Begünstigung gemäß § 11a EStG für die mit dem Hälftesteuersatz zu versteuernden nicht entnommenen Gewinne, der wie folgt ermittelt wurde:


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Bezeichnung:
Betrag:
laufender Gewinn:
€ 112.843,11
Entnahmen:
- € 47.424,49
Differenz:
€ 65.418,62

Nach den Ausführungen in dem Begleitschreiben vom sei die Gewinnermittlung von § 4 Abs 3 EStG auf § 4 Abs 1 EStG umgestellt worden, weswegen die begünstigte Besteuerung des nicht entnommenen Gewinnes in Höhe von 65.418,62 € gemäß § 11a EStG beantragt werde.

Im Zuge der Veranlagung des Bw. zur Einkommensteuer 2004 wich das Finanzamt von der eingereichten Erklärung insoweit ab, als die vom Bw. beantragte Tarifbegünstigung für nicht entnommene Gewinne für den Betrag von 65.418,62 € nicht gewährt wurde. Die Einkommensteuer für das Jahr 2004 wurde mit einem Betrag von 55.594,81 € festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Bestimmung des § 11a EStG nur auf natürliche Personen, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, anzuwenden sei.

Mit Eingabe vom erhob der Bw. gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 das Rechtsmittel der Berufung, da die Bestimmung des § 11a EStG als verfassungswidrig erachtet werde. Insbesondere sei die Einschränkung des Personenkreises auf natürliche Personen, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb ermittelten, auch diskriminierend. In der Berufung wurde die Aufhebung des Bescheides und die erklärungsgemäße Veranlagung unter Berücksichtigung des Hälftesteuersatzes gemäß § 11a EStG beantragt.

Mit dem Inkrafttreten des Unternehmensgesetzbuches zum werde nicht mehr zwischen einem Bauern, einem Gewerbetreibenden, etc. differenziert, sondern lediglich klargestellt, dass es sich um Unternehmer handle. Unternehmer seien Leute, die selbständig wirtschaftlich tätig seien. Auch die Angehörigen der freien Berufe hätten künftig die Möglichkeit sich in das Firmenbuch eintragen zu lassen.

Auch Angehörige der freien Berufe müssten mittlerweile gewaltige Investitionen tätigen, um ihren Beruf überhaupt ausüben zu können. So sei etwa mit aufwendigen EDV-Anlagen, teuren Datenbanken oder einer teuren Fachbibliothek ein hoher finanzieller und persönlicher Aufwand verbunden. Dieser Aufwand müsse regelmäßig fremdfinanziert werden. Der Bw. werde daher gegenüber einem Installateur, der sich eine Werkzeugkiste auf Kredit kaufe, diskriminiert. Eine Differenzierung zwischen den Einkünften aus selbständiger Arbeit und den Einkünften aus Gewerbebetrieb erweise sich auch deshalb als verfassungswidrig, weil die Übergänge zwischen den beiden Einkunftsarten fließend seien.

Die gegenständliche Berufung wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt. Sowohl die Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit als auch die Berechnung des Übergangsgewinnes wurden von der Amtspartei weder sachlich noch ziffernmäßig beeinsprucht.

Mit Berufungsentscheidung vom , GZ. RV/0624-W/06, wurde die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 mit der Begründung abgewiesen, dass die Begünstigung des § 11a EStG gemäß dem Gesetzeswortlaut nicht Steuerpflichtigen mit Einkünften aus selbständiger Arbeit zustehe.

Gegen die Berufungsentscheidung vom , GZ. RV/0624-W/06, wurde mit eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof wegen Gleichheitswidrigkeit der Bestimmung des § 11a EStG erhoben.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Feber 2007, Zl. B 854/06, wurde die Berufungsentscheidung vom , GZ. GZ. RV/0624-W/06, wegen Anwendung eines als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzes aufgehoben.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 11a EStG 1988 idF BGBl I 124/2003 können natürliche Personen, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbetrieb durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, ausgenommen Übergangsgewinne (§ 4 Abs 10) und Veräußerungsgewinne (§ 24), bis zu dem in einem Wirtschaftsjahr eingetretenen Anstieg des Eigenkapitals, höchstens jedoch 100.000 €, mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 37 Abs 1 EStG versteuern (begünstigte Besteuerung). Der Höchstbetrag von 100.000 Euro steht jedem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum nur einmal zu. Der Anstieg des Eigenkapitals ergibt sich aus jenem Betrag, um den der Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne und Veräußerungsgewinne, die Entnahmen (§ 4 Abs 1) übersteigt. Einlagen (§ 4 Abs 1) sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie betriebsnotwendig sind.

Bei Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind und die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, können nach Abs 2 leg.cit. nur die Gesellschafter die begünstigte Besteuerung im Sinne des Abs 1 in Anspruch nehmen. Der Betrag von 100.000 € (Abs 1) ist bei den Mitunternehmern mit einem der Gewinnbeteiligung entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Die begünstigte Besteuerung ist nicht zulässig, wenn der Mitunternehmer die Beteiligung in einem Betriebsvermögen eines Betriebes hält, für den der laufende Gewinn ganz oder teilweise unter Anwendung des Abs 1 begünstigt besteuert wird.

Nach Abs 7 leg.cit. ist der Anstieg des Eigenkapitals insoweit zu kürzen, als das Eigenkapital im Kalenderjahr 2003 außerhalb eines bei der Veranlagung 2004 zu erfassenden Wirtschaftsjahres sinkt. Dabei ist auf Entnahmen (§ 4 Abs 1) und betriebsnotwendige Einlagen (§ 4 Abs 1) des Kalenderjahres 2003, die außerhalb eines bei der Veranlagung 2004 zu erfassenden Wirtschaftsjahres anfallen, sowie den anteiligen Gewinn des Kalenderjahres 2003 abzustellen. Einlagen (§ 4 Abs 1) sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie betriebsnotwendig sind. Der anteilige Gewinn des Kalenderjahres 2003 ist wie folgt zu ermitteln: Der bei der Veranlagung 2003 zu erfassende Gewinn ist durch die Anzahl der Monate, für die dieser Gewinn ermittelt wurde, zu teilen (anteiliger Monatsgewinn). Der anteilige Monatsgewinn ist mit der Anzahl der Monate des Kalenderjahres 2003, die nicht einem bei der Veranlagung 2004 zu erfassenden Wirtschaftsjahr zuzurechnen sind, zu multiplizieren. Angefangene Monate gelten dabei als ganze Monate.

Mit Erkenntnis vom , Zl. G 151/06, hatte der Verfassungsgerichtshof hinsichtlich der Bestimmung des § 11a EStG die Worte "aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbetrieb" in § 11a Abs 1 EStG 1988 idF BGBl I 180/2004 als verfassungswidrig aufgehoben.

Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück, weswegen hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen ist, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zu Grunde gelegten Tatbestandes nicht mehr dem Rechtsbestand angehört hätte. Dem Anlassfall sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren.

Der vorliegende Fall ist nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Feber 2007, Zl. B 854/06, einem Anlassfall gleichzuhalten, da die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren mit begann, die vorliegende Beschwerde aber bereits mit eingelangt war.

Infolge der Aufhebung der Worte "aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbetrieb" in § 11a Abs 1 EStG 1988 idF BGBl I 180/2004 durch das Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis vom , Zl. G 151/06, kann die Versagung der Tarifbegünstigung des § 11a EStG nicht mehr auf den Umstand gestützt werden, dass der Bw. im Jahre 2004 als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt hatte.

Das proklamierte Ziel der Regelung des § 11a EStG ist die Förderung der Eigenkapitalbildung (vgl. Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu 21/ME XXII. GP, Z. 8). Der für die Inanspruchnahme der Tarifbegünstigung des § 11a EStG maßgebliche Eigenkapitalanstieg errechnet sich aus dem Gewinn abzüglich der Entnahmen eines Wirtschaftsjahres. Dabei dürfen nur betriebsnotwendige Einnahmen gegen die Entnahmen aufgerechnet werden (vgl. Zl. 89/14/0163).

Das Konzept der begünstigten Besteuerung nicht entnommener Gewinne entstammt der Forderung nach Rechtsformneutralität und soll Personenunternehmen die Möglichkeit geben, wie Kapitalgesellschaften Eigenkapital günstig zu thesaurieren.

Bei dem Gewinn nach § 11a EStG handelt es sich um den laufenden steuerlichen Gewinn des Wirtschaftsjahres (s. sinngemäß EStR 2000, Rz 401ff).

Im vorliegenden Fall hat der Bw. den begünstigten Besteuerung gemäß § 11a EStG zu unterziehenden Gewinn in Höhe von 65.418,62 € aus dem laufenden Gewinn von 112.843,11 € abzüglich der Entnahmen in Höhe von 47.424,49 € ermittelt.

Infolge der Aufhebung der Worte "aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbetrieb" in § 11a Abs 1 EStG 1988 mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. G 151/06, und dem Umstand, dass der Bw. einem Anlassfall gleichzuhalten ist, steht die Begünstigung des § 11a EStG auch dem Bw. zu.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe werden wie folgt ermittelt:


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Einkünfte aus selbständiger Arbeit Gesamtbetrag der EinkünfteSonderausgaben (§18 EStG 1988):Ihr Gesamtbetrag der Einkünfte übersteigt 50.900 €. IhreTopf-Sonderausgaben können daher nicht (mehr)berücksichtigt werden.
127.689,02 127.689,020
Einkommen
127.689,02
0% für die ersten 3.640 21% für die weiteren 3.630 31% für die weiteren 14.530 41% für die weiteren 29.070 50% für die restlichen 76.819,02
0,00 762,30 4.504,30 11.918,70 38.409,51
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
55.594,81
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
55.594,81
Gemäß § 33 EStG 1988 - 43,54% von 62.270,40 Gemäß § 37 EStG 1988 - 21,77% von 65.418,62
27.112,53 14.241,63
Einkommensteuer
41.354,16

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Besteuerung nicht entnommener Gewinne
fortgesetztes Verfahren
Einkünfte aus selbständiger Arbeit
Rechtsanwalt
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at