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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 27.10.2011, RV/1960-W/04

Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO - mangelnde Begründung der Wiederaufnahmebescheide

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., gegen die Bescheide des Finanzamtes Baden Mödling betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 1997 bis 2000 sowie Einkommensteuer für die Jahre 1997 bis 2001 entschieden:

1) Der Berufung betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 1997 bis 2000 wird Folge gegeben.

2) Die Berufung betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1997 bis 2000 wird gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

3) Die Berufung betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2001 wird gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos erklärt.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) übermittelte seine Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1997 bis 2001, in welchen er seine Einkünfte jeweils mit Null bezifferte.

Das Finanzamt veranlagte den Bw. erklärungsgemäß und setzte die Einkommensteuer für die Jahre 1997 und 1998 zunächst vorläufig, für die Jahre 1999 und 2000 endgültig mit Null fest.

Mit Ergänzungsersuchen vom ersuchte das Finanzamt um Mitteilung darüber, wie der Bw. seit dem Jahr 1996 seine Lebenserhaltungskosten bestreite.

Mit Eingabe vom teilte der Bw. mit, dass er seine Lebenserhaltungskosten seit dem Jahr 1997 aus Darlehensrückzahlungen seiner Gesellschaften, der X GmbH, der Y AG sowie der Z GmbH bestreite. Diese Darlehen seien in den Jahren davor diesen Gesellschaften gewährt und aus dem damaligen Einkommen finanziert worden.

Insgesamt habe der Bw. im Jahr 1997 einen Betrag in der Höhe von ATS 1,075.000,-, im Jahr 1998 einen Betrag in der Höhe von ATS 3,231.000,-, im Jahr 1999 einen Betrag in der Höhe von ATS 2,177.000,- im Jahr 2000 einen Betrag in der Höhe von ATS 3,726.000,- und im Jahr 2001 einen Betrag in der Höhe von ATS 3,500.000,- erhalten.

Darüber hinaus habe der Bw. zwei Fahrzeuge, die er im Privatvermögen gehalten habe, um einen Gesamtbetrag in der Höhe von ATS 1,160.000,- verkauft. Des Weiteren habe der Bw. diverse Bausparverträge mit einem Gesamtwert in der Höhe von ATS 280.000,- aufgelöst.

In weiterer Folge verfügte das Finanzamt mit Bescheiden vom die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2000.

Mit Bescheiden desselben Datums erließ das Finanzamt neue (Einkommensteuer) Sachbescheide, in welchen die Darlehensrückzahlungen mit 9% verzinst und als Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzt wurden.

Ebenfalls mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2001 vorläufig in der Höhe von € 4.373,52 fest.

Mit Eingabe vom erhob der Bw. nach bewilligter Fristverlängerung Berufung sowohl gegen die Wiederaufnahmebescheide 1997 bis 2000 als auch die Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2001 und begründete dies damit, dass die Bescheide nur eine unzureichende Begründung für die festgesetzte Verzinsung enthalten würden. Gemäß dem Erkenntnis des , habe aus der Begründung hervorzugehen, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt sei, dass gerade der festgestellte Sachverhalt vorliege. Die betreffenden Erwägungen seien schlüssig darzulegen (); der bloße Hinweis auf durchgeführte Erhebungen reiche nicht aus ().

Vor allem bei Ermessensentscheidungen, wie dies hier bei der Festlegungen einer Verzinsung in überhöhtem Maße geschehen sei, seien die maßgebenden Umstände und Erwägungen, auf denen die Begründung basiere, nicht ausreichend begründet, sodass die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes nicht möglich sei. § 20 BAO bestimme, dass sich die Abgabenbehörde bei Entscheidungen nach ihrem Ermessen innerhalb der vom Gesetz vorgegebenen Grenzen bewegen müsse. Dabei seien nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit alle in Betracht kommenden Umstände zu berücksichtigen.

Aus der vorliegenden Begründung gehe jedoch nicht hervor, um welches Darlehen es sich handle. Die Begründung beziehe sich nur auf die im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung bei der Firma Z GmbH verlangten Unterlagen. In den betreffenden Jahren 1997 bis 2002 habe der Bw. jedoch kein Darlehen an die Firma Z GmbH gegeben. Es sei daher völlig unklar, auf Grund welcher Bemessungsgrundlage die festgesetzten Zinsen in der Höhe von 9% berechnet worden seien.

Gemäß Zinsstatistik der Österreichischen Nationalbank bewege sich der Durchschnittszinssatz von Kommerzkrediten in den Jahren 1997 bis 2002 zudem zwischen ca. 5% und 6% p.a. Daher seien die im Bescheid festgesetzten 9% jedenfalls als überhöht anzusehen.

Zusätzlich sei zu einem derartigen Sachverhalt folgendes festzuhalten:

Gewähre eine Körperschaft einem Anteilsinhaber oder einer dieser nahe stehenden Personen ein Darlehen ohne Verzinsung, so würden die Richtlinien zum Körperschaftsteuergesetz von einer verdeckten Gewinnausschüttung sprechen (siehe KStR zu § 8 Rz 902 ff). Folgende Faktoren, deren Fehlen Indizien für die Annahme einer verdeckten Ausschüttung seien, kämen dabei in Betracht:

1) kein bestimmter Rückzahlungstermin

2) Fehlen einer Rückzahlungsverpflichtung

3) keine Verzinsung des Darlehens.

Zinslose Gesellschafterdarlehen an einen Anteilsinhaber seien daher, wie im , bzw. im , judiziert worden sei, als nicht fremdüblich anzusehen und würden eine verdeckte Ausschüttung bewirken.

Analog dazu liege eine verdeckte Einlage vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person der Körperschaft einen Vermögensvorteil (zinsloses Darlehen) zuwende und diese Zuwendung ihre Ursachen im Gesellschafts- oder Naheverhältnis habe (siehe http//www.steuerlexikon-online.de/verdeckte einlagen.html). Wie bereits bei den verdeckten Gewinnausschüttungen im letzten Absatz näher erläutert worden sei, gelte dies auch bei den verdeckten Einlagen für eine dem Anteilsinhaber nahestehende Person. Eine verdeckte Einlage werde dabei auch ungeachtet einer anders lautenden (z.B. als Darlehen) oder auch allfälligen irreführenden Bezeichnung angenommen.

Diese eben dargelegte Rechtsansicht werde nicht nur in Österreich sondern auch in Deutschland vertreten.

Der Verzicht des Bw. auf eine Verzinsung des von ihm gegebenen Darlehens sei analog der oben dargestellten Rechtsansicht daher als Einlage zu werten.

Mit Eingabe vom hat der Bw. seine Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 zurückgenommen.

Über die Berufung wurde erwogen:

1) Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2000:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des § 303 Abs.1 lit. a und c BAO und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach der Bestimmung des § 307 Abs. 1 BAO ist mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden.

Wie jeder andere Bescheid bedarf auch der die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügende Bescheid einer Begründung. Diese hat einerseits die Wiederaufnahmegründe, also die Tatsachen und Beweise anzugeben, die neu hervorgekommen sind und muss andererseits auch die Qualifikation dieser Umstände als bedeutsam für den anders lautenden Spruch des neuen Sachbescheides darlegen. Darüber hinaus muss die Begründung auch die für die Ermessensentscheidung maßgebenden Umstände enthalten (siehe Ritz, BAO-Kommentar 2. Auflage, Rz 3 zu § 307 und die dort zitierte Judikatur, sowie Stoll, Bundesabgabenordnung, Kommentar, 2943, Orac 1994).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der maßgebliche Wiederaufnahmetatbestand im Spruch und sind die Wiederaufnahmegründe in der Begründung des Bescheides anzuführen (vgl. ; , 90/14/0262). Die Angabe der Wiederaufnahmegründe in der Begründung des die Wiederaufnahme verfügenden Bescheides ist schon deshalb notwendig, weil nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sich die Berufungsbehörde bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme richtenden Berufung auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann. Sie hat lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde erster Instanz angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen oder nicht (vgl. Ritz, BAO³, § 307 Tz 3 erster Absatz).

Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1997 bis 2000 wie folgt begründet:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gemäß § 303 Abs. 4 BAO, weil Tatsachen neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

Eine derartige Formulierung kann jedoch nicht als Begründung anerkannt werden, da sie nicht erkennen lässt, aus welchen Gründen das Finanzamt die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2000 verfügt hat. Weder wurden die "neu hervorgekommenen Tatsachen" noch das "sonstige Ergebnis des Verfahrens" dezidiert benannt noch wurde dargelegt, inwieweit diese geeignet gewesen wären, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen. Vielmehr wurde lediglich der Gesetzestext des § 303 Abs. 4 BAO wiedergegeben, ohne diesen auf den konkreten Sachverhalt anzuwenden.

Da aus den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden somit nicht nachvollziehbar ist, auf welche neu hervorgekommenen Tatsachen oder auf welches Ergebnis des Verfahrens bzw. auf welche Ermessensgründe sich die Wiederaufnahme der Verfahrens stützen, erfolgte die Wiederaufnahme durch das Finanzamt praktisch ohne Begründung.

Da die Rechtsmittelbehörde jedoch auf Grund obiger Ausführungen nicht befugt war, die fehlenden, vom Finanzamt in den bekämpften Bescheiden nicht ausgeführten Wiederaufnahmegründe durch neue zu ersetzen bzw. solche erstmals einzuführen, war spruchgemäß zu entscheiden und die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide des Finanzamtes ersatzlos zu beheben.

2) Einkommensteuer 1997 bis 2000:

Mit der ersatzlosen Aufhebung der Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1997 bis 2000 scheiden die vom Finanzamt in Verbindung mit den Wiederaufnahmeverfügungen neu erlassenen Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2000 gemäß § 307 Abs. 3 BAO aus dem Rechtsbestand aus und das Verfahren tritt wieder in die Lage zurück, in der es sich vor der Wiederaufnahme befunden hat.

Dies bedeutet konkret, dass die vor den bekämpften Verfahrenswiederaufnahmen in Geltung gestandenen Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2000 wieder in Rechtsbestand treten.

Gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO ist eine Berufung zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht zulässig ist.

Da mit Berufung nur Bescheide anfechtbar sind, ist eine solche auch unzulässig, wenn der Bescheid nicht mehr dem Rechtsbestand angehört (Ritz, a.a.O., § 273 Tz 2 und 6).

Demzufolge war die Berufung gegen die im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2000 daher als unzulässig geworden zurückzuweisen.

3) Einkommensteuer 2001:

Da der Bw. mit Anbringen vom seine Berufung gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2001 vom zurückgenommen hat, erklärt die Abgabenbehörde diesen gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos. Damit tritt der angefochtene Bescheid in formelle Rechtskraft und das Berufungsverfahren ist beendet.

Aus den dargelegten Gründen war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 273 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 256 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at