Universitätslehrgang als Berufsausbildung
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RV/0284-S/03-RS1 | Hochschul- bzw. Universitätslehrgänge stellen grundsätzlich kein ordentliches Studium dar. Es kann jedoch eine Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b erster Satz FLAG gegeben sein, wenn die volle oder überwiegende Zeit der Teilnehmer beansprucht wird, das Ablegen von Prüfungen für den Fortgang und Abschluss des Lehrgangs erforderlich ist, diese auch tatsächlich in angemessener Zeit abgelegt werden und eine Ausbildung für ein spezielles Berufsziel, dokumentiert etwa durch einen Titel, der als akademischer Grad anerkannt ist, erfolgt. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Ralf Schatzl und die weiteren Mitglieder Dr. Bruno Hübscher, Dr. Walter Zisler und Dr. Martin Neureiter über die Berufung der Bw, inXY, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum bis für das Kind S nach der am in 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die am geborene Tochter der Bw schloss im Oktober 2001 das Studium der Rechtswissenschaften ab.
Vom 1.1. - war die Tochter bei einer Wirtschaftstreuhändergesellschaft teilzeitbeschäftigt.
Vom 1.3. - war sie im Bundesdienst tätig (Vollbeschäftigung).
Vom - war sie wiederum bei der Wirtschaftstreuhändergesellschaft teilzeitbeschäftigt.
Im März 2003 stellte die Bw einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab 3/2003 für ihre Tochter, da diese Studentin an der Universität Salzburg sei. Dem Antrag war eine Studienbestätigung der Universität Salzburg vom beigelegt, wonach die Tochter "im Sommer-Semester 2003 als außerordentliche Studierende der Studienrichtung 992/Universitätslehrgang sowie 575/Ausbildung zum Wirtschaftsjuristen-MBL zur Fortsetzung gemeldet" ist.
Mit angefochtenem Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab und begründete dies damit, dass ein Anspruch nur dann bestehe, wenn ein ordentliches Studium an einer Universität, Akademie oder Fachhochschule betrieben werde.
Dagegen wurde fristgerecht Berufung erhoben und wie folgt eingewendet:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG bestehe Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Die Tochter habe eine Ausbildung zum Wirtschaftsjuristen besucht, d. h. sie sei durch den Besuch des Universitätslehrganges zum Wirtschaftsjuristen ausgebildet worden. Es seine Berufsausbildung gem. § 2 Abs. 1 lit. b erster Satz gegeben, da die volle oder überwiegende Zeit der Teilnehmer beansprucht werde, und das Ablegen von Prüfungen für den Fortgang und Abschluss des Lehrgangs erforderlich sei, diese auch tatsächlich in angemessener Zeit abgelegt werden und eine Ausbildung für ein spezielles Berufsziel erfolgen würde. Die Ausbildung zum Wirtschaftsjuristen sei ein solcher Hochschullehrgang, der ein spezielles Berufsziel verfolge und vom Zeitaufwand her mit einem ordentlichen Studium bzw. einer Fachhochschule vergleichbar sei; d. s. in 2 Semestern 35 Semesterstunden, 16 Prüfungen, 2 Hausarbeiten und eine Lehrgangsarbeit. Als Anspruchsvoraussetzungen bei einem ordentlichen Studium seien lediglich 8 Stunden vorgeschrieben. Des Weiteren habe die Tochter während des ordentlichen Studiums der Rechtswissenschaften kein Toleranzsemester in Anspruch genommen. Die Nichtgewährung der Familienbeihilfe für die Dauer des Universitätslehrganges sei daher grob gleichheitswidrig. Darüber hinaus verursache der Universitätslehrgang erheblich mehr Kosten als die Studiengebühren.
In der Berufung wurde die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab und begründete dies damit, dass die Tochter mit die eigentliche Berufsausbildung, das Studium der Rechtswissenschaften, beendet hätte und der Lehrgang der Weiterbildung in einem bereits erlernten Beruf diene. Es liege daher eine Berufsfortbildung vor, die nicht auf einer Fachschule erfolge.
Dagegen wurde fristgerecht der Antrag gestellt, die Berufung der Abgabenbehörde II. Instanz zur Entscheidung vorzulegen, und ergänzend vorgebracht, dass die Familienbeihilfe für ein Dissertationsstudium gewährt werde, dieses jedoch weit weniger eine Berufsausbildung, sondern vielmehr eine Weiterbildung als der Universitätslehrgang sei.
Mit Schriftsatz vom zog die Bw den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und legt ua. das Abschlussprüfungszeugnis ihrer Tochter vor. Die Tochter schloss den Lehrgang mit Auszeichnung ab.
Mit Fax vom wurde die Anmeldung an die Gebietskrankenkasse übermittelt, wonach die Tochter bei der Wirtschaftstreuhändergesellschaft ab durchschnittlich 3 Tage/15,00 Stunden pro Woche beschäftigt war.
Über die Berufung wurde erwogen:
Nach § 2 Abs. 1lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (kurz: FLAG) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Der Verwaltungsgerichtshof weist in seinem Erkenntnis vom , 87/13/0135, darauf hin, dass das Gesetz eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" nicht enthält. Unter diesen Begriff sind alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird. Ihren Abschluss findet eine Berufsausbildung jedenfalls mit dem Beginn der Ausübung eines bestimmten Berufes, auch wenn für den konkreten Arbeitsplatz noch eine spezifische Einschulung erforderlich sein mag, wie dies - ungeachtet der Qualität der vorangegangenen Berufsausbildung - regelmäßig der Fall sein wird. An dieser Begriffsumschreibung hat der VwGH auch in seinem Erkenntnis vom , 87/14/0031, und vom , 93/14/100, festgehalten.
Zur Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 90/13/0241, ausgeführt, es sei Ziel einer Berufsausbildung, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehöre regelmäßig auch der Nachweis einer ernstlichen Bemühung um diese Qualifikation. Das Ablegen vorgesehener Prüfungen sei essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Aus dem Erkenntnis geht zudem hervor, dass der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung für sich allein noch nicht ausreicht, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Der Besuch von allgemeinen, nicht auf eine Berufsausbildung ausgerichteten Seminaren, die dem Sammeln von Erfahrungen und dem Aneignen eines bestimmten Wissensstandes dienen, kann dagegen nicht als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 gewertet werden.
Hochschul- bzw. Universitätslehrgänge stellen grundsätzlich kein ordentliches Studium dar. Es kann jedoch eine Berufausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b erster Satz FLAG gegeben sein, wenn die volle oder überwiegende Zeit der Teilnehmer beansprucht wird, das Ablegen von Prüfungen für den Fortgang und Abschluss des Lehrgangs erforderlich ist, diese auch tatsächlich in angemessener Zeit abgelegt werden und eine Ausbildung für ein spezielles Berufsziel erfolgt. Dient der Lehrgang ausschließlich der Weiterbildung in einem bereits erlernten Beruf, liegt eine Berufsfortbildung vor, die nicht in einer Fachschule erfolgt und somit keinen Familienbeihilfenanspruch vermittelt.
Strittig ist, ob die Tochter der Bw nach Beendigung des ordentlichen Studiums und einer nicht ausbildungsbedingten zeitlichen Lücke noch weiter in Berufsausbildung gestanden hat, indem sie im Jahr 2003, konkret vom 17.1. - , an der Universität Salzburg den Universitätslehrgang - Ausbildung zu einem Wirtschaftsjuristen besuchte. Die Lehrveranstaltungen fanden fand jeweils am Freitag von 15.00 - 20.00 Uhr und am Samstag von 9.00 - 17.00 Uhr statt. Jede dieser zweitägigen Veranstaltungen wird laut Studienplan als eine Semesterstunde gewertet und umfasst 15 Unterrichtseinheiten a 45 Minuten. Insgesamt waren laut Studienplan 35 Semesterstunden/525 Unterrichtseinheiten, 16 Prüfungen, 2 Hausarbeiten und eine Lehrgangsarbeit zu absolvieren.
Das Fakultätskollegium der Rechtswissenschaftlichen Fakultät hat aufgrund gesetzlicher Verordnungsgermächtigung ab dem Studienjahr 2002 ein "Aufbaustudium für Juristen (Universitätslehrgang - Ausbildung zu einem Wirtschaftsjuristen) - Master of Business Law (M.B.L.) gem. § 23 UniStG" eingerichtet (vgl. Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu § 26 Universitäts-Studiengesetz - UniStG, BGBl. II Nr. 302/2002). Teilnahmeberechtigt sind nur Personen, die ein in- oder ausländisches Diplom- oder Masterstudium der Rechtswissenschaften erfolgreich absolviert haben. Die Aufnahme in den Universitätslehrgang setzt die Zulassung als außerordentlicher Studierender an der Universität Salzburg nach § 41 UniStG voraus (vgl. § 7 des Studienplans). Der durchgehende Besuch aller Lehrveranstaltungen aus den Pflichtfächern nach § 8 dieser Verordnung, der positive Erfolg aller Lehrveranstaltungsprüfungen gem. Z 2, die erfolgreiche Teilnahme an den Lehrveranstaltungen gem. Z 3, der positive Erfolg der schriftlichen Projektarbeit gem. Z 5 und der positive Erfolg der schriftlichen Master-Thesis gem. Z 6 berechtigen zum Abschluss des Lehrganges (§ 7 Z 8 des Studienplans). Erfolgreichen Absolventen des Lehrgangs wird gem. § 26 Abs. 1 UniStG der Mastergrad "Master of Business Law (M.B.L.)" verliehen (vgl. § 10 des Studienplans; siehe www.sbg.ac.at/studium/uni_lehrgaenge/wirtsch_jurist_mbl).
Die Lehrveranstaltungen wurden in lehrplanmäßiger Form abgehalten. Voraussetzung für die Post-Graduate-Ausbildung ist ein abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften. Die an die Teilnehmer dieser Ausbildung gestellten Anforderungen sind daher sehr hoch.
Aus dem Abschlussprüfungszeugnis ist ersichtlich, dass laufend Prüfungen stattgefunden haben und der Lehrgang mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen wurde. Pro Woche fanden 15 Unterrichtsstunden statt. Der erkennende Senat nimmt im Rahmen der freien Beweiswürdigung als erwiesen an, dass unter Berücksichtigung von Prüfungen und Vorbereitungen ein Zeitaufwand von mehr als 20 Stunden pro Woche für den Lehrgang anzunehmen ist. Dafür spricht auch das Beschäftigungsausmaß der Tochter (unter 40%) bei der Wirtschaftstreuhändergesellschaft. Die daraus bezogenen Einkünfte liegen unter der in § 5 FLAG normierten "Zuverdienstgrenze". Mit der Ausbildung wird ein Titel erworben, der als akademischer Grad anerkannt ist und einen weiteren Ausbildungsbereich (mit Schwerpunkt Betriebswirtschaft) neben der juristischen Ausbildung darstellt. Der von der Tochter der Bw absolvierte Universitätslehrgang ist daher als Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b erster Satz FLAG anzusehen.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte | Berufsausbildung Universitätslehrgang |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at