Dienstgeberbeitrag zur Sozialversicherung als Vorleistung nach dem EnAbgVG
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2004/17/0068 eingebracht. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom .
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
RV/0314-L/03-RS1 | Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung sind keine Vorleistungen iSd. § 1 Abs. 1 Z 2 EnAbgVG. Ein Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne kommt zwischen Dienstgeber und Sozialversicherungsträger nicht zustande, weil das Sozialversicherungsverhältnis kein Vertrag zugunsten Dritter ist. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der
unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch
Fa. Plan Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und
Steuerberatungsgesellschaft, gegen die Bescheide des Finanzamtes Linz betreffend
Festsetzung des Vergütungsbetrages nach dem
Energieabgabenvergütungsgesetz für die Jahre 1999, 2000 und 2001
entschieden:
Die
Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide
bleiben unverändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß
§ 291
der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht
zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen
nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den
Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die
Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich
bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die
Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich
bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer
unterschrieben sein.
Gemäß
§ 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das
Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung
(Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu
erheben.
Entscheidungsgründe
1. Die Bw. beantragte die Festsetzung der
Energieabgabenvergütung für die Jahre 1999 (gesamt 51.933,32 €),
2000 (gesamt 57.810,66 €) und 2001 (gesamt 60.191,13 €).
Anlässlich einer vom November 2002 bis März 2003 durchgeführten
Betriebsprüfung, wurden die als Vorleistungen geltend gemachten
Sozialversicherungsbeiträge (Dienstgeberbeiträge des Arbeitgebers)
nicht als Abzugsposten bei der Vergütungsberechnung anerkannt. Die
Vorleistungen wurden daher im Jahr 1999 um 2.581.000 S, im Jahr 2000 um
2.446.000 S und im Jahr 2001 um 2.471.000 S gekürzt, was zu einer
Minderung der Vergütung um 9.033 S (für 1999), um 8.560 S
(für 2000) und um 8.648 S (für 2001) führte. Für das
Jahr 1999 erfolgte dem gemäß eine Wiederaufnahme des Verfahrens zur
Festsetzung des Vergütungsbetrages in Höhe von 51.276,86 €.
In den Folgejahren wurden die Vergütungsbeträge wie folgt
festgesetzt:
2000 mit 57.188,58 €
2001 mit 59.562,65 €
2. Gegen die Bescheide über die Festsetzung der
Energieabgabenvergütung für die Jahre 1999 bis 2001 je vom
legte die Bw. mit Schreiben vom
Berufung ein:
Sie stellte den Antrag die Sozialversicherungsbeiträge
als Vorleistungen im Sinne des Energieabgabenvergütungsgesetzes anzusetzen.
Die Energieabgabenvergütung sei insoweit
"gedeckelt", als ein Betrag rückerstattet werde, der 0,35% des
Nettoproduktionswertes (abzüglich eines Selbstbehaltes von 5.000 S)
übersteige. Der Nettoproduktionswert werde definiert als Unterschied
zwischen den Umsätzen des Unternehmens iSd § 1 Abs. 1
und 2 UStG 1994 und den an das Unternehmen erbrachten Umsätzen
(Vorleistungen) iSd § 1 Abs. 1 und 2 UStG 1994.
Fraglich sei, ob es sich bei den
Sozialversicherungsbeiträgen um Vorleistungen iSd
§ 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 handle. Dazu müssten
Umsätze von einem Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens an das
Unternehmen des Berufungswerbers erbracht worden sein.
(a) Beim gesetzlichen Pflichtversicherungsverhältnis
handle es sich um eine Leistungs/Gegenleistungsbeziehung kraft Gesetzes. Die
Steuerbarkeit eines Umsatzes gemäß
§ 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 werde dadurch nicht
ausgeschlossen.
(b) Die Tätigkeit der Träger der
Sozialversicherung und ihrer Verbände gelte gemäß
§ 2 Abs. 4 UStG 1994 als gewerbliche oder berufliche
Tätigkeit. Dass die Umsätze der Sozialversicherungsträger unecht
von der Umsatzsteuer befreit seien, stehe der Charakterisierung als
Vorleistungen nicht entgegen.
(c) Nach Ruppe (§ 6 Rz 85 UStG 1994)
sei Leistungsinhalt bei den Versicherungsträgern die Einräumung von
Versicherungsschutz. Die Gegenleistung bestehe in den verrechneten
Beiträgen.
(d) Zu prüfen sei daher nur mehr, ob die Leistung der
Sozialversicherungsträger (die im Versicherthalten der Dienstnehmer
besteht) gegenüber dem Dienstgeber oder den einzelnen Dienstnehmern
erfolge.
Schließe der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer eine
private Versicherung für seine Dienstnehmer als Begünstigte ab, dann
sei unzweifelhaft die Leistung der Versicherungsanstalt gegenüber dem
Arbeitgeber erbracht worden (dieser habe den Versicherungsschutz nur besorgt).
Entscheidend für die Frage, wem die Leistung des Versicherungsunternehmens
zugerechnet werden müsse, sei daher, wer Versicherungsnehmer und nicht wer
Begünstigter sei. Der Versicherungsnehmer sei derjenige, der die
Prämien schulde. Im Umsatzsteuerrecht sei derjenige der
Leistungsempfänger, der sich zivilrechtlich die Leistung ausbedungen habe.
Wer wirtschaftlich mit der Zahlung des Entgeltes belastet werde, sei nicht
relevant. Anders sei der Fall gelagert, wenn der Arbeitnehmer
Versicherungsnehmer sei und nur die Prämie vom Arbeitgeber bezahlt werde
(Leistung des Arbeitgebers als Entgelt von dritter Seite).
Dieselben Grundsätze müssten auch für die
gesetzliche Sozialversicherung gelten. Nach dem ASVG sei Schuldner der
Versicherungsbeiträge der Dienstgeber, es liege eine Leistungsbeziehung
zwischen dem Versicherungsträger und dem Dienstgeber vor. Dieser besorge
den Versicherungsschutz aufgrund der gesetzlichen Verpflichtungen des ASVG. Der
Dienstgeber schulde Dienstgeber - und Dienstnehmerbeiträge, komme es
bei einer Prüfung der Krankenkasse zu einer Beitragsnachzahlung, sei ein
Regress ausgeschlossen. Diese sozialversicherungsrechtliche Regelung könne
auch zivilrechtlich nicht ausgeschlossen werden. Im Bereich der
Pensionsversicherung stünden Leistungen nur zu, wenn die Beiträge
wirksam entrichtet worden seien. Eine Nachentrichtung sei nur für fünf
Jahre möglich. Sollte es zu einem Pensionsverlust beim Dienstnehmer kommen,
sehe sich der Dienstgeber umfangreichen zivilrechtlichen
Schadenersatzansprüchen gegenüber dem Dienstnehmer ausgesetzt. Im
Bereich der Unfallversicherung gelte für einen Dienstgeber ein weitgehender
Haftungsausschluss.
Die genannten Argumente sprächen für einen
Leistungsaustausch zwischen Versicherungsträger und Dienstgeber.
3. Mit Schreiben vom wurde die Berufung dem
Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
Über
die Berufung wurde erwogen:
1. Die Berechnung der Energieabgabenvergütung ist in
§ 1 Energieabgabenvergütungsgesetz wie folgt geregelt:
Abs. 1: Die Energieabgaben auf Erdgas und elektrische
Energie sind für ein Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) auf Antrag insoweit zu
vergüten, als sie (insgesamt) 0,35% des Unterschiedsbetrages zwischen (1.)
Umsätzen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 des
Umsatzsteuergesetzes 1994 und (2.) Umsätzen im Sinne des
§ 1 Abs. 1 Z 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes
1994, die an das Unternehmen erbracht werden, übersteigen
(Nettoproduktionswert).
Abs. 2: (1.) Als Umsätze im Sinne von
Abs. 1 Z 2 gelten auch Umsätze, die, wären sie im
Inland erbracht worden, Umsätze im Sinne des § 1
Abs. 1 Z 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994 wären. (2.)
Nicht als Umsätze im Sinne von Abs. 1 Z 2 gelten
Umsätze aus der Gestellung von Arbeitskräften.
2. Strittig ist im vorliegenden Fall ausschließlich,
ob durch die Zahlung von Dienstgeberbeiträgen (in Verbindung mit der Abfuhr
der Arbeitnehmeranteile) eine Leistungsbeziehung im umsatzsteuerrechtlichen Sinn
zwischen Dienstgeber und Sozialversicherung entsteht, die Grundlage für
eine Anerkennung der Dienstgeberbeiträge als Vorleistung nach
§ 1 Abs. 1 Z 2 Energieabgabenvergütungsgesetz (in
den Vergütungsjahren 1999, 2000 und 2001) sein könnte.
Zunächst ist ergänzend festzuhalten, dass ein
Leistungs/Gegenleistungsverhältnis wie von der Bw. angenommen auf Seiten
der Versicherungsträger entsprechende Auswirkungen hätte: In
§ 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994 sind jene Umsätze der SVT
und ihrer Verbände von der Umsatzsteuerpflicht befreit, die untereinander
und an die Versicherten (und deren Angehörige) erbracht werden.
"Versicherte" sind jene Personen die nach § 4 ASVG
pflichtversichert sind, dazu gehört jedenfalls nicht der Dienstgeber.
Würde dieser tatsächlich mit den SVT in ein Leistungsverhältnis
eintreten, wären die Leistungen aber nach
§ 6 Abs. 1 Z 9c steuerbar und steuerbefreit, also
in die Umsatzsteuererklärungen aufzunehmen. Derartige steuerbefreite
Umsätze wurden von den Versicherungen bisher aber nicht erklärt.
3. Der Unabhängige Finanzsenat schließt sich aus
folgenden Gründen der Rechtsansicht der Finanzbehörde an, wonach eine
Leistungsbeziehung gemäß
§ 1 Abs. 1 Z 1
und 2 UStG 1994 zwischen Dienstgeber und Sozialversicherung nicht gegeben
ist:
(a) Der Argumentation der Bw. liegt die Rechtsansicht
zugrunde, der Dienstgeberbeitrag sei Gegenleistung für die an den
Dienstgeber erbrachte Leistung der Sozialversicherung (weil der Arbeitgeber
quasi die Versicherungsleistung für den Dienstnehmer besorge). Zu fragen
ist daher, ob der Dienstgeberbeitrag tatsächlich einem
Leistungs/Gegenleistungsverhältnis entspringt oder vielmehr einer sozialen
Verpflichtung, die nicht mit einer "Gegenleistung" des SVT
einhergeht.
(b) Argumente dafür, dass ein Leistungsverhältnis
zwischen SVT und Arbeitgeber nicht vorliegt, ergeben sich zunächst aus dem
Wesen des Sozialversicherungsrechtes selbst:
(1) Die Gesamtheit der zwischen den SVT, den Versicherten
und gegebenenfalls bestimmten Dritten bestehenden sozialversicherungsrechtlichen
Rechte und Pflichten bilden ein öffentlich-rechtliches
Rechtsverhältnis, das auch als
sozialversicherungsrechtliches
Schuldverhältnis bezeichnet wird. Dieses gliedert sich in das
Sozialversicherungsverhältnis und das Leistungsverhältnis. Das
Sozialversicherungsverhältnis
umfasst alle mit der Beitragspflicht zusammenhängenden Rechte und Pflichten
der "Beteiligten". Die drei Grundformen sind das
Pflichtversicherungsverhältnis, das freiwillige
Sozialversicherungsverhältnis und das Formalversicherungsverhältnis.
Das Leistungsverhältnis ist jener
Teil des Schuldverhältnisses, der die mit der Erbringung von
Sozialversicherungsleistungen zusammenhängenden Rechte und Pflichten
regelt.
(2) Für den gegenständlichen Fall
maßgeblich ist das Pflichtversicherungsverhältnis (dieses betrifft in
erster Linie die Kranken, - Unfall und Pensionsversicherung).
Beginn, Bestand und Ende der
Versicherungspflicht hängen grundsätzlich nicht vom Willen der
Beteiligten ab. Die Pflichtversicherung kommt demnach nicht erst durch
Rechtsgeschäft (Vertrag oder Antrag), sondern schon durch Erfüllung
eines vom Beteiligtenwillen unabhängigen, gesetzlichen Tatbestandes
zustande. Man spricht vom Institut der Pflichtversicherung
(ex-lege-Versicherung, ipso-iure-Versicherung). Auch eine Kenntnis des SVT von
Beginn, Bestand und Ende der Sozialversicherungspflicht ist nicht notwendig. Das
entsprechende Versicherungsverhältnis besteht
meldeunabhängig (Ausnahme:
Leistungsverluste in der Pensionsversicherung bei Meldeverzug).
Dienstgeber haben Meldepflichten (§ 33 ff. ASVG),
Beitragspflichten (§ 51 Abs. 3 ASVG) und sind
Beitragsschuldner (§ 58 Abs. 2 und 3 ASVG). Zudem haben sie
besondere Rechte, wie den Abzug der Arbeitnehmerbeiträge vom Lohn
(§ 60 ASVG) oder die Sonderstellung in der Unfallversicherung
(§ 333 ASVG). Die Dienstgeber sind daher zu den am
Versicherungsverhältnis Beteiligten zu zählen, ohne dass deshalb schon
zwischen Versicherten und Dienstgebern ein öffentlich-rechtliches
Rechtsverhältnis bestünde. Den Versicherten steht im
sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnis die SVT gegenüber
(Kreijci, Das Sozialversicherungsverhältnis, 2.2.3.1. A: Die Dienstgeber
und 2.2.4.1: Rechtsnatur der Sozialversicherungsträger).
Die Pflichtversicherung
ist unabhängig von der Anmeldung oder
Beitragszahlung. Sie beginnt mit dem Tag
des Beginnes der versicherungspflichtigen Tätigkeit (und zwar mit
tatsächlichem Arbeitsbeginn), bei Heimarbeitern mit dem Tag des Beginnes
der Beschäftigung (§ 10 ASVG).
Der Sozialversicherungsbeitrag steht zum gebotenen
Sozialversicherungsschutz in keinem individuellen
Äquivalenzverhältnis, weder subjektiv, noch objektiv. Dh. die dem
Einzelnen auferlegte Beitragshöhe entspricht grundsätzlich nicht dem
am Ausmaß des individuellen Versicherungsrisikos zu orientierenden Wert
des gebotenen Sozialversicherungsschutzes. Anders als die
Versicherungsprämien im Bereich der Privatversicherung hängt der
Sozialversicherungsbeitrag nicht davon ab, ob die Gefahr des Eintrittes eines
Versicherungsfalles groß oder klein ist. Das Sozialversicherungsrecht
verfolgt lediglich das Ziel, dass insgesamt die Summe der aufgebrachten
Beiträge den Gesamtaufwand der Sozialversicherung deckt. Insofern kann man
sagen, dass eine kollektive Äquivalenz zwischen Beitragsaufkommen und
Sozialversicherungsaufwand angestrebt wird. Diese Vorstellung kommt in der
Bezeichnung der Sozialversicherung als "Versicherung" zum Ausdruck.
Beitragspflicht und Beitragsschuld sind zu unterscheiden.
Die auf Versicherte und Dienstgeber entfallenden Beiträge schuldet allein
der Dienstgeber (mit Ausnahmen).
"Leistungsempfänger" sind jene Personen,
die abstrakt in den Genuss einer Leistung kommen können. Die
tatsächlichen Bezieher der Leistung (zB. auch nahe Verwandte) sind davon zu
unterscheiden.
(3) Aus der Gestaltung der Pflichtversicherung im
Sozialversicherungsrecht ergibt sich, dass Vergleiche mit privatrechtlich
abgeschlossenen Versicherungen nicht zielführend sind.
Das Sozialversicherungsrecht kennt keinen
Versicherungsnehmer. Es kennt nur Beteiligte am
Sozialversicherungsverhältnis und potentielle Leistungsempfänger sowie
tatsächliche Leistungsbezieher. Zwar besteht ein (unabdingbarer)
funktioneller Zusammenhang zwischen Beitrag und Versicherungsleistung insofern,
als die Regelung einer Beitragsleistung des Dienstgebers ohne einen auch nur
theoretisch möglichen Leistungsanspruch unzulässig ist (siehe die
Entscheidung des in Pkt 3. (c)). Die
Beitragsleistung des Dienstgebers ergibt sich aber aus seiner gesetzlich
angeordneten Beteiligtenstellung und vermittelt diesem keinen Leistungsanspruch,
die Zahlung erfolgt fremdnützig zugunsten der Arbeitnehmer. Der Dienstgeber
"besorgt" auch nicht den Versicherungsschutz für den
Dienstnehmer, das Versicherungsverhältnis entsteht vielmehr unabhängig
von Anmeldung und Beitragszahlung. Der Aufbau eines automatischen
Versicherungsschutzes, der nicht vom Willen der Beteiligten abhängt, ist
charakteristisch für ein sozialversicherungsrechtliches
Schuldverhältnis. Die Tatsache, dass der Dienstgeber Schuldner der
Beiträge ist, ändert daran nichts.
Verpflichtungen des Dienstgebers sind Ausfluss
der umfassenden sozialen Mitverantwortung für seine Arbeitnehmer und nicht
Ergebnis einer Leistungs/Gegenleistungsverpflichtung. So hat auch der
VfGH in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass in der Sozialversicherung
der Versorgungsgedanke im Vordergrund steht, während der
Versicherungsgedanke in der Ausprägung der Vertragsversicherung
zurückgedrängt sei (; ,
G 25/65).
Ein allfälliger Vergleich mit
Privatversicherungsverhältnissen ist daher unzutreffend. Im
Privatversicherungsbereich kann der Dienstgeber unbestritten
Versicherungsleistungen für seine Dienstnehmer "besorgen", er
wird damit zum Versicherungsnehmer. Kernpunkt der Pflichtversicherung ist aber
gerade der Umstand, dass die Beteiligten keinen Einfluss auf das
Versicherungsverhältnis haben sollen. Lediglich die Dienstgeber- und
Dienstnehmerstellung als solches kann autonom "erzeugt" werden.
Sobald aber der Arbeitnehmer in die Dienstnehmerstellung eintritt, unterliegt
das sozialversicherungsrechtliche Schuldverhältnis nicht mehr seiner
Disposition (oder der des Dienstgebers).
Die Lehre bestätigt in diesem Punkt die Rechtsansicht
der Finanzverwaltung, wonach ein Leistungsaustauschverhältnis zwischen
Arbeitgeber und SVT nicht gegeben ist: Die Sozialversicherung muss jeden
Dienstnehmer, der die gesetzlichen Voraussetzungen der ex-lege-Versicherung
erfüllt, in die Versicherung aufnehmen, auch wenn für ihn keine
Beiträge bezahlt werden. Die Leistungspflicht ist nicht an die
Beitragseinnahmen geknüpft. Der Leistungsaustausch verläuft vielmehr
wie folgt:
Arbeitnehmer (Arbeitsleistung): Arbeitgeber (gegen Entgelt
und Dienstgeberbeiträge)
Arbeitnehmer (Anwartschaft): SVT
(Sozialversicherungsbeitragsforderung).
Das Sozialversicherungsverhältnis ist ein
Austauschverhältnis zwischen Dienstnehmer und Versicherung,
kein Vertrag zugunsten Dritter
(nämlich zugunsten der Dienstnehmer) zwischen Dienstgeber und Versicherung
(s. dazu Souhrada, SozSi 1995, 747).
(4) Auch die im Pensionsversicherungsrecht bestehenden
Leistungseinschränkungen bei Nichtzahlung der Beiträge ändern
daran nichts:
Im Sozialversicherungsrecht besteht eine
Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 68 ASVG), sofern Dienstnehmer
nicht gemeldet wurden oder unrichtige Angaben über die beschäftigten
Personen gemacht wurden. Die Dienstgeberbeiträge können daher im Falle
der absichtlichen (oder versehentlichen) Nichtanmeldung nur für einen
Zeitraum von fünf Jahren rückwirkend nachgefordert werden.
Während die Nichtanmeldung im Bereich der Kranken- und Unfallversicherung
für die zurückliegenden Zeiträume keine weiteren Auswirkungen
nach sich zieht, ergeben sich in der Pensionsversicherung Nachteile für den
Pflichtversicherten. Gemäß
§ 225 ASVG gelten als Zeiten
einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nur Zeiten von dem Tag an,
an dem die Anmeldung beim SVT eingelangt ist und für Zeiten vor diesem Tag,
soweit Beiträge wirksam (§ 230 ASVG) entrichtet wurden und das
Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen noch
nicht verjährt war (§ 68 ASVG). Erfolgt die Anmeldung des
Dienstnehmers allerdings binnen sechs Monaten ab Beginn des
Beschäftigungsverhältnisses, so werden Beitragszeiten unabhängig
von der Beitragsentrichtung anerkannt (Shubshizky, Leitfaden zur
Sozialversicherung, S. 210).
In der Pensionsversicherung werden daher bei
verspäteter Meldung für Zeiten vor dem Nachentrichtungszeitraum
mangels Möglichkeit der Nachforderung keine Versicherungszeiten erworben,
was im Pensionsfall Auswirkungen auf die Pensionshöhe hat. Hat der
Dienstgeber die Anmeldung schuldhaft unterlassen, kann der Dienstnehmer ihn auf
Ersatz des Schadens klagen ( 9 Ob A 21/92).
Daraus ergibt sich aber ebenfalls kein
Leistungsverhältnis zwischen Dienstgeber und SVT: Das
Sozialversicherungsverhältnis wird
auch hier im Zeitpunkt des Arbeitsbeginnes des Dienstnehmers begründet.
Erfolgt die rechtzeitige Anmeldung binnen sechs Monaten nach
Beschäftigungsbeginn, so hat die Beitragsentrichtung keinen Einfluss auf
die Pensionszeiten. Lediglich das
Leistungsverhältnis erfährt
eine Einschränkung bei nicht rechtzeitiger
Anmeldung und zusätzlicher anschließender Nichtzahlung der
Beiträge. Dies ist aber nur eine Folgewirkung der Verletzung der
Anmeldungspflicht. Es besteht daher auch in diesem Bereich der
Sozialversicherung grundsätzlich kein direkter Zusammenhang zwischen der
Beitragszahlung und der Pensionsleistung, da bereits die Anmeldung genügt,
um die Leistungsanwartschaft in Gang zu setzen. Das bezeichnete
Versicherungsverhältnis wird auch hier nicht vom Dienstgeber für den
Arbeitnehmer "besorgt", sondern besteht seit der ersten Tätigkeit des
Dienstnehmers, der SVT erbringt die Pensionsversicherungsleistung nicht für
den Arbeitgeber (an den Dienstnehmer).
(5) Im Bereich der Pensions,- Kranken- und
Unfallversicherung kommt daher schon aus den obgenannten Gründen ein
Leistungsaustausch zwischen SVT und Dienstgeber (im Ausmaß der
Dienstgeberbeiträge) nicht zustande.
(c) Zu verweisen ist des weiteren auf Lehre und
Rechtsprechung zur Frage der sozialen Verantwortung und zum pauschalierten
Dienstgeberbeitrag für geringfügig Beschäftigte:
Bereits im Erkenntnis VfSlg. 3670/1960 wurde vom
Höchstgericht dargelegt, der Kompetenztatbestand
"Sozialversicherungswesen" sei nach dem Stand der einfachen
Gesetzgebung zum zu ermitteln. Den damals geltenden
Gesetzen sei es zu eigen gewesen, dass der Eintritt der
Sozialversicherungspflicht an die Aufnahme eines
Beschäftigungsverhältnisses angeknüpft habe, dass Dienstgeber und
Dienstnehmer aufgrund des ex lege entstandenen Versicherungsverhältnisses
zur Leistung von Beiträgen verpflichtet gewesen seien und dass der
Dienstnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalles bestimmte Leistungen erhalte.
Der Sozialversicherung sei es daher eigentümlich, dass auch die Dienstgeber
zur Beitragsleistung herangezogen würden. Maßnahmen dieser Art seien
zweifellos sozialversicherungsrechtliche Maßnahmen. Auch wenn man die
Vorschriften über die Dienstgeberbeiträge auf die Auffassung des
Gesetzgebers über eine Verpflichtung der Dienstgeber zurückführe,
an der Linderung eines sozialen Übelstandes mitzuwirken, so könne doch
nicht verkannt werden, dass ein solcher Gedanke innerhalb der Sozialversicherung
nur in einem beschränkten Umfang, der für dieses Sachgebiet typisch
sei, verwirklicht werde. Der nach dieser Auffassung im Unternehmerbeitrag
verkörperte Gedanke einer sozialen Verantwortung gehe über den vom
Unternehmer geschaffenen Unternehmensbereich nicht hinaus.
In § 53a ASVG wurde die Beitragspflicht des
Dienstgebers für geringfügig Beschäftigte geregelt. In den von
dieser Norm erfassten Fällen bestand zwar eine Verpflichtung des
Arbeitgebers zur Zahlung eines Dienstgeberbeitrages, damit war aber nicht
zwingend (sondern nur im Falle der Selbstversicherung des Beschäftigten
nach § 19a ASVG) eine Versicherungspflicht geregelt
Teile der Lehre hielten diese Regelung unter Verweis auf
VfSlg 3670 für verfassungswidrig (Schrammel, AsoK 1997, 333): Die These,
dass Angehörige gesellschaftlicher Gruppen eine soziale Verantwortung
für die Angehörigen (gemeint: für alle) der Gruppe hätten,
sodass zur Aufbringung der Mittel alle beizutragen hätten, die der
gesellschaftlichen Gruppe angehörten, sei vom VfGH verworfen worden.
Möge sich auch im Dienstgeberbeitrag der Gedanke einer sozialen
Mitverantwortung verkörpern, bestehe diese aber nur für den vom
Unternehmer selbstgeschaffenen Bereich. Der Dienstgeberanteil sei nach Meinung
des VfGH ein Teil des Gesamtbeitrages, der nach dem Arbeitsentgelt der bei dem
Dienstgeber Beschäftigten berechnet werde. In der Beitragspflicht der
Unternehmer werde somit der Gedanke einer uneingeschränkten kollektiven
Verantwortung innerhalb eines Berufsstandes nicht
verwirklicht. Im pauschalierten
Dienstgeberbeitrag für geringfügig Beschäftigte drücke sich
dagegen eine Verantwortung der Dienstgeber aus, die über den
Unternehmensbereich hinausreiche, da bei fehlender Versicherung der eigenen
Beschäftigten dieser Beitrag ausschließlich der Finanzierung von
Leistungen an Versicherte anderer Unternehmen diene. Dies sei daher keine
Maßnahme der Sozialversicherung.
Das Höchstgericht hob im Jahr 2002 Teile des
§ 53a ASVG als verfassungswidrig auf (): In jenen Fällen, in denen die in § 53a
Abs. 1 Z 2 ASVG normierte Beitragsverpflichtung des Dienstgebers
einen insgesamt nur geringfügig beschäftigten Dienstnehmer erfasse,
komme ein Versicherungsverhältnis (beinhaltend einen zumindest theoretisch
möglichen Leistungsanspruch) nicht zustande. Weder ex lege durch die
Aufnahme der Beschäftigung, noch unter Vorbehalt der vom Dienstgeber
tatsächlich erbrachten Beitragsleistung, sondern zunächst
überhaupt nicht. Ein Versicherungsverhältnis scheine vielmehr in
solchen Fällen nur durch die Aufnahme einer Selbstversicherung
gemäß
§ 19 ASVG durch den Dienstnehmer zu entstehen.
Mangels Entstehung eines Versicherungsverhältnisses nehme der VfGH an, dass
die genannte Regelung nicht dem Kompetenztatbestand des
Sozialversicherungswesens zuzurechnen sei. Die Normierung einer Beitragspflicht
des Dienstgebers ohne (vorangehendes oder) gleichzeitiges Entstehen eines
Sozialversicherungsverhältnisses, dh. das Versicherthalten des
Dienstnehmers gegen den Eintritt bestimmter Versicherungsfälle, könne
nicht als Fortentwicklung des Rechtes innerhalb des Begriffsinhaltes des
Kompetenztatbestandes "Sozialversicherungswesen" verstanden werden.
Auch auf den Kompetenztatbestand "Abgabenwesen"
könne sich die bezeichnete Norm nicht stützen, weil die Beiträge
den Sozialversicherungsträgern zufließen würden und nicht den
Gebietskörperschaften.
Aus den obigen Ausführungen geht hervor, dass die
Beitragsleistung nicht Teil einer
Leistungs/Gegenleistungsbeziehung, sondern Teil
der sozialen Mitverantwortung des Dienstgebers ist, beschränkt auf seine
eigenen Dienstnehmer. Sobald die Beitragsvorschreibung den Bereich der
eigenen Arbeitnehmer des Dienstgebers überschreitet und damit zur
Finanzierungsleistung für Arbeitnehmer anderer Unternehmen wird, kann sie
auch durch den Hinweis auf die bestehende soziale Verantwortung des Arbeitgebers
nicht mehr gerechtfertigt werden, weil diese nur eine eingeschränkte
Reichweite hat. Die Beitragszahlung ist zwar funktionell mit einer
Versicherungsleistung an den Dienstnehmer gekoppelt. Aus diesem Grund war
nämlich § 53a verfassungswidrig. Dies beinhaltet aber keinen
Leistungsanspruch des Dienstgebers. Wäre tatsächlich der Arbeitgeber
auch Leistungsempfänger oder "Versicherungsnehmer", so
hätten die Überlegungen des VfGH in eine andere Richtung gehen
müssen. Diesfalls wäre
nämlich zu prüfen gewesen, ob ein
theoretisch möglicher Leistungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber
entstanden ist. Dass der VfGH eine derartige Überlegung gar nicht
anstellte und die vorliegende Judikatur immer nur von einer
Beitragsleistung in Verbindung mit den
Versicherungsansprüchen der Arbeitnehmer spricht, ist ein deutlicher
Hinweis darauf, dass der Dienstgeber durch die Beitragszahlung nicht als
Leistungsempfänger in den Versicherungsvertrag eintritt.
(d) Dasselbe gilt aber auch für jenen Bereich im
Sozialversicherungsrecht, der noch am ehesten einem
Leistungs/Gegenleistungsverhältnis nahe kommt, nämlich der Ablöse
der Haftungsverpflichtung im Unfallversicherungsrecht:
§ 333 ASVG normiert folgendes: Der Dienstgeber
ist dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung
am Körper infolge eines Arbeitsunfalles oder durch eine Berufskrankheit
entstanden ist, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall (die
Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht hat (Abs. 1). Hat der Dienstgeber
den Arbeitsunfall (die Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht, so
vermindert sich der Schadenersatzanspruch des Versicherten oder seiner
Hinterbliebenen um die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
In den erläuternden Bemerkungen zu
§ 333 ASVG (Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung,
Nr. 613 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VII.
GP, zu §§ 332 bis 337) heißt es dazu unter anderem: "
Es handelt sich hier um die rechtspolitisch bedeutsame Frage, in welcher Weise
das Sozialversicherungsrecht in die Gesamtrechtsordnung eingefügt werden
kann (121). Die Sonderregelung über die Haftung des Dienstgebers
gegenüber dem Dienstnehmer wie auch gegenüber den
Versicherungsträgern bei Arbeitsunfällen hat ihren Grund darin, dass
die gesetzliche Unfallversicherung entsprechend ihrer historischen Wurzel
gleichzeitig als Ablöse der Unternehmerhaftpflicht konstruiert ist. Dem
Versicherten gegenüber ist der Unternehmer praktisch von jeder Haftung
befreit, da die Haftungsvoraussetzung des Vorsatzes kaum eintreten wird. Dem
Versicherungsträger gegenüber ist der Dienstgeber bei leichter
Fahrlässigkeit auch von jeder Haftung befreit; nur bei grober
Fahrlässigkeit ist eine Haftung gegenüber dem Versicherungsträger
zugelassen" (122).
Die Lehre spricht vom sogenannten
Dienstgeberhaftungsprivileg und der "Ablösefunktion der
Unfallversicherung": § 333 ASVG befreie den Dienstgeber vom
Ersatz des Schadens, welchen er dem Versicherten am Körper infolge eines
Arbeitsunfalles fahrlässigerweise zugefügt habe. Durch diese
Sonderregelung würden sämtliche aus dem Arbeitsunfall oder der
Berufskrankheit sich ergebenden Schadenersatzansprüche
(einschließlich Schmerzengeld und Verdienstentgang) gegen den Dienstgeber
und dessen Gleichgestellte abschließend geregelt und damit
Personenersatzansprüche ausgeschlossen. Dem geschädigten Versicherten
verblieben lediglich die Ansprüche auf Leistungen der gesetzlichen
Sozialversicherung, insbesondere auf die im § 173 ASVG
aufgezählten Leistungen der Unfallversicherung. Fast allen
Schadenersatzansprüchen nach ABGB seien Leistungen der Unfallversicherung
zuzuordnen, Ausnahmen bildeten nur das Schmerzengeld des
§ 1325 ABGB und die Verhinderung besseren Fortkommens nach
§ 1326 ABGB. Da die Dienstgeber die Beiträge zur
Unfallversicherung alleine zu tragen hätten, sei es gerechtfertigt, sie von
nahezu sämtlichen privatrechtlichen Ersatzansprüchen zu befreien. Die
Schlechterstellung der Versicherten durch eine geringere Sozialrente, werde
durch die Vorteile einer Entschädigung ohne Rücksicht auf die
Verschuldensfrage ausgeglichen. Aus dem Umstand, dass der Dienstgeber mit seinen
Beiträgen die Versicherungsleistungen an seine Dienstnehmer bezahle, lasse
sich wohl eine Haftungsfreistellung in Höhe dieser Leistungen ableiten
(Bodendorfer, ZAS 1985, 43).
Abgesehen davon, dass auch das Finanzierungsargument
("der Dienstgeber kauft sich mit den Beiträgen von der Haftpflicht
frei") zur Begründung des Dienstgeberhaftpflichtprivilegs alleine
nicht ausreicht (Fabschitz, RdW 1990, 17), liegt aus folgenden Gründen ein
umsatzsteuerrechtliches Leistungs/Gegenleistungsverhältnis nicht
vor:
(1) § 1 Abs. 1 des
Energieabgabenvergütungsgesetzes lautet: Die Energieabgaben auf Erdgas und
elektrische Energie sind für ein Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) auf Antrag
insoweit zu vergüten, als sie (insgesamt) 0,35% des Unterschiedsbetrages
zwischen (1.) Umsätzen im Sinne des
§ 1 Abs. 1 Z 1 und 2 des UStG 1994 und (2.)
Umsätzen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2
des UStG 1994, die an das Unternehmen erbracht werden, übersteigen
(Nettoproduktionswert).
Der "Nettoproduktionswert" ist damit Teil der Definition
der Vorleistungen (Zi 2). Die erläuternden Bemerkungen zum
Strukturanpassungsgesetz 1996 führen dazu folgendes aus: "Der
Nettoproduktionswert wird auf folgende Art definiert: Differenz zwischen den vom
Unternehmen erbrachten umsatzsteuerbaren Leistungen, wobei die Umsätze aus
der Veräußerung von Anlagegütern abzuziehen sind und dem Einsatz
von Waren im Sinne von § 127 BAO. Beide Werte sind für den
Unternehmer ohne größeren Aufwand festzustellen".
Die im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung
mögliche Vorleistung wäre die Freistellung des Unternehmers von
zivilrechtlichen Haftungen.
Zwar ist der ursprünglich in der Regierungsvorlage zum
Strukturanpassungsgesetz 1996 enthaltene Verweis auf den Einsatz von Waren im
Sinne des § 127 BAO im endgültigen Gesetzestext nicht mehr
enthalten, der als Vorleistungen nur reine Warenlieferungen vorgesehen hatte
(insoweit sind auch die erläuternden Bemerkungen überholt). Ungeachtet
dessen können (bei Heranziehung der Betriebswirtschaftslehre) Elemente des
Nettoproduktionswertes (der als solcher auch im Gesetzestext erwähnt wird)
nur die zumindest im weiteren Sinn dem Produktionsprozess dienenden Leistungen
sein (nach der Verwaltungspraxis werden auch die mit einem Produktionsprozess
nicht in Verbindung stehenden Anlagenveräußerungen nicht in die
Berechnung miteinbezogen). Die sonstige Leistung einer Haftungsfreistellung
würde nicht dazu gehören, da diese in keiner Weise mit dem
Produktionsprozess in Zusammenhang gebracht werden kann.
Dasselbe Ergebnis ist auch aus dem zu diesem Zeitpunkt
innerstaatlich noch anwendbaren § 2 des
Energieabgabenvergütungsgesetzes (EnAbgVG) abzuleiten. In Abs. 1 der
bezeichneten Bestimmung wird festgelegt, dass nur jene Unternehmen einen
Vergütungsanspruch haben, deren Schwerpunkt in der Herstellung von
körperlichen Wirtschaftsgütern bestehe. Das Vergütungsgesetz
stellte somit im Entstehungszeitpunkt auf Produktionsunternehmen ab. Der
Nettoproduktionswert von Produktionsunternehmen unterscheidet sich aber vom Wert
anderer Industriezweige. Zwar wurde mittlerweile § 2 Abs. 1
EnAbgVG von ) und VfGH (Erkenntnis vom
, B 2251/97) für nicht anwendbar erklärt (diese Frage ist
nach der Entscheidung des wieder offen,
wonach seit der Genehmigung einer rückwirkenden Notifikation durch die
Kommission § 2 Abs. 1 EnAbgVG wieder anwendbar sei), der
§ 1 des EnAbgVG blieb aber weiterhin aufrecht und wurde auch durch die
innerstaatliche Gesetzgebung nicht angepasst. An dem durch die Beschränkung
auf bestimmte Unternehmen eingeschränkten Anwendungsbereich des
Nettoproduktionswertes hat sich demgemäss nichts geändert.
Vom Unabhängigen Finanzsenat wird aus den genannten
Gründen bezweifelt, dass die sonstige Leistung der Befreiung von einer
allfällig eintretenden Haftungsverpflichtung (Einräumung von
Versicherungsschutz) unter den Tatbestand des
§ 1 Abs. 1 Z 2 EnAbgVG (Vorleistung) subsumiert
werden kann, da die bezeichnete Gesetzesbestimmung den Nettoproduktionswert
definiert und die mögliche "Leistung" der Haftpflichtbefreiung mit dem Sinn
dieser gesetzlichen Regelung nicht in Übereinstimmung gebracht werden kann.
(2) Selbst bei einer weiten Auslegung des EnAbgVG scheitert
ein Leistungsaustausch am Leistungsbegriff des UStG 1994:
Für die Leistung "Einräumung von
Versicherungsschutz" ist zunächst ein leistender Unternehmer
erforderlich. In § 2 Abs. 4 UStG 1994 ist geregelt, dass die
Tätigkeit der SVT und ihrer Verbände als gewerbliche oder berufliche
Tätigkeit anzusehen ist, sodass die Unternehmereigenschaft
vorliegt.
Weiters bedarf es einer "Leistung" der
Sozialversicherung an den Dienstgeber (als Oberbegriff der Lieferung oder
sonstigen Leistung). Leistung ist ein willentliches Verhalten einem anderen
gegenüber mit eigenständigem wirtschaftlichen Gehalt, wenn der andere
dafür Einkommen aufwendet. Notwendig ist ein
Leistungswille, wobei die
Umsatzsteuerpflicht nicht ausgeschlossen ist, wenn die Leistung aufgrund
gesetzlicher oder behördlicher Anordnung erfolgt oder kraft gesetzlicher
Vorschrift bewirkt wird. Das Gesetz verlangt eine
Leistungsbereitschaft, dh. eine sonstige
Leistung, die darin besteht, auf Abruf eine im Vorhinein definierte Leistung zu
erbringen und eine Gegenleistung (wobei
auch hiereine
öffentlich-rechtliche Grundlage kein Hindernis darstellt). Zudem ist
Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung
nicht erforderlich. Die Gegenleistung muss sich aber auf eine konkrete
Leistung beziehen.
Zentraler Punkt des Leistungsbegriffes ist die
innere Verknüpfung von Leistung und
Gegenleistung (Ruppe, UStG 1994, § 1, Rz 63 ff.). Selbst wenn die im
vorangehenden Absatz geforderten Leistungsmerkmale alle als erfüllt
anzusehen sind, ist der geforderte innere Zusammenhang im gegenständlichen
Fall nicht gegeben: Die Lehre unterscheidet zwischen dem leichter herstellbaren
kausalen Zusammenhang und der strengeren finalen Verknüpfung. Beim
kausalen Zusammenhang wird eine
ursächliche Verbindung zwischen Leistung und Gegenleistung gefordert.
Insbesondere der Verwaltungsgerichtshof bezieht sich in seiner Rechtsprechung
teilweise auf den kausalen Zusammenhang und wendet dabei die conditio sine qua
non-Regel an: Wäre die Leistung erbracht worden, hätte man sich die
Gegenleistung weggedacht? BFH und EuGH stellen dagegen auf den
finalen Zusammenhang ab. Nach der
Rechtsprechung des BFH liegt ein Leistungsaustausch nur vor, wenn die Leistung
auf den Erhalt der Gegenleistung gerichtet ist und die gewollte Gegenleistung
damit ausgelöst wird (BFH , BStBl II 495). Nach der Rechtsprechung
des EuGH wird eine Leistung nur dann gegen Entgelt erbracht, wenn ein
Rechtsverhältnis zwischen Leistendem und Empfänger besteht, in dessen
Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden und die vom Leistenden
empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die
erbrachte Leistung bildet. Dh. die Leistungen müssen in einem inneren
Zusammenhang und in gegenseitiger Abhängigkeit stehen (, RS "Tolsma").
Eine finale Verknüpfung zwischen Haftungsbefreiung und
Dienstgeberbeitragszahlung besteht unzweifelhaft nicht, da eine gegenseitige
Abhängigkeit der "Leistungen" (nämlich Dienstgeberbeitragszahlung und
Haftungsbefreiung bzw. Versicherungsleistung an die Dienstnehmer) nicht gegeben
ist. Es liegt aber nicht einmal ein kausaler Zusammenhang vor: Sowohl die
Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Unfallversicherung (zur Erbringung
entsprechender Leistungen an die Arbeitnehmer) als auch die
Dienstgeberhaftpflichtbegünstigung bestehen ab Beginn des
Dienstverhältnisses. Die Haftpflichtbegünstigung besteht auch bei
Nichtentrichtung des Dienstgeberbeitrages. Im Falle einer nachträglichen
Aufdeckung der Schwarzbeschäftigung von Arbeitnehmern durch eine
Prüfung der Gebietskrankenkasse, welche aufgrund verschiedenster
Umstände zu einem völligen Ausfall der Dienstgeberbeiträge
führt, ist die Begünstigung nicht beeinträchtigt (siehe auch
Shubshizky, Leitfaden zur Sozialversicherung, S. 210). Weder der verunfallte
Dienstnehmer, noch eine am Unfallgeschehen beteiligte Person können den
Dienstgeber zivilrechtlich belangen, auch wenn dieser weder eine Meldung
erstattet hat, noch die Beiträge bei ihm einbringlich sind, da die Haftung
ab Beginn des Dienstverhältnisses schon ex lege entfällt. Die Zahlung
der Dienstgeberbeiträge ist somit nicht kausal für die Befreiung des
Dienstgebers von der zivilrechtlichen Haftung.
Aus denselben Gründen liegt auch kein Entgelt von
dritter Seite vor: Entgelt ist gemäß
§ 4
Abs. 2 Z 2 UStG 1994 auch, was ein anderer als der Empfänger
dem Unternehmer für die Lieferung oder sonstige Leistung gewährt. Auch
in diesem Fall muss aber genauso der Entgeltlichkeitszusammenhang mit der
konkreten Leistung gegeben sein, dh. die Zahlung muss für die Lieferung und
sonstige Leistung erfolgen (als Gegenleistung für eine bestimmte Leistung
des Unternehmers). Der Aufwand muss getätigt werden damit entweder der
Abnehmer die Leistung erhält oder weil der Unternehmer eine bestimmte
Leistung erbringt (Ruppe, UStG 1994, § 4, Rz 109 ff.). Es wurde aber
bereits klargestellt, dass zwischen Dienstgeberbeitragszahlung und
Haftungsbefreiung (bzw. Versicherungsleistung) ein kausaler Zusammenhang nicht
besteht, es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Beitragszahlung
eine Gegenleistung für eine (bestimmte) Haftungsbefreiung darstellt.
Zwischen Dienstgeberbeitrag und Dienstgeberhaftungsprivileg
besteht zwar ein funktioneller, aber kein kausaler Zusammenhang. Auch in diesem
Teilbereich kommt daher kein Leistungs/Gegenleistungsverhältnis zwischen
Dienstgeber und SVT zustande.
(e) Auch sonstige Einwendungen greifen nicht:
Die Entgeltfortzahlung im Krankeitsfall und die Erstattung
dieser Zahlungen durch den Sozialversicherungsträger hat den
Dienstgeberbeitrag zur Sozialversicherung nicht berührt. Die Finanzierung
dieser Erstattung durch den SVT erfolgte (bis zum )
gemäß
§ 13 EFZG durch eigene Beiträge der
Arbeitgeber, die für jeden Arbeitnehmer einen Entgeltfortzahlungsbeitrag
von 2,8% an einen Fonds zu leisten hatten (ab gibt es
diese Erstattung nicht mehr). Der Beitrag des Dienstgebers zur
Krankenversicherung ist demzufolge kein Entgelt für die
Erstattungsleistungen der SVT.
In § 60 ASVG sind die
Regressmöglichkeiten des Dienstgebers bezüglich der
Arbeitnehmerbeiträge (die grundsätzlich vom Entgelt des Dienstgebers
abziehbar sind) insofern eingeschränkt, als der Abzug bei sonstigem Verlust
spätestens bei der auf die Fälligkeit des Beitrages
nächstfolgenden Entgeltzahlung ausgeübt werden muss (es sei denn, dass
die nachträgliche Entrichtung vom Dienstgeber nicht verschuldet ist). Dies
bedeutet aber lediglich, dass der Dienstgeber umgehend die Beitragsanteile des
Dienstnehmers geltend machen muss. Eine Leistungsbeziehung zum SVT kommt durch
diese Regelung nicht zustande.
(f) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das
Sozialversicherungsrecht als solches nicht in der Form konzipiert ist, dass
zwischen Dienstgeber und SVT ein Vertrag zugunsten Dritter (nämlich der
Dienstnehmer) zustande kommt. Es liegt lediglich eine Beitragszahlung des
Dienstgebers infolge seiner sozialen Verantwortung für die Dienstnehmer
vor. Zwischen Beitrag und Leistung besteht nicht einmal ein kausaler
Zusammenhang. Eine Umdeutung dieser eindeutig gesetzlich geregelten Gestaltung
in ein privatversicherungsrechtsähnliches Verhältnis ist
(umsatzsteuerrechtlich) nicht möglich. Die SVT sind auch nicht als
Zusammenschluss der Dienstgeber (Dienstgebergenossenschaft) in der Form
aufzufassen, dass diese Beiträge als "Mitglied" bezahlen, um
Versicherungsleistungen zu erhalten. Auch wenn derartige Vereinigungen am Anfang
des Sozialversicherungswesens gestanden sein mögen, so haben sie mit der
derzeitigen gesetzlichen Konzeption der Sozialversicherung nichts zu
tun.
Umsätze aus Versicherungsverhältnissen betreffen
zudem Aufwendungen für den abstrakten Versicherungsschutz, nicht die
konkreten Versicherungsleistungen. Geld- und Sachleistungen sind nur
Folgewirkungen aus dem Versicherungsverhältnis, ebenso wie der
allfällige Entfall von Haftungen. Kommt das
Leistungs/Gegenleistungsverhältnis im Bereich des abstrakten
Versicherungsschutzes nicht zustande, so kann der Entfall von Folgewirkungen
nicht als Argument für das Entstehen eines Leistungsverhältnisses
dienen. Hinzu kommt dass der Begriff des Nettoproduktionswertes eng zu fassen
ist und die von der Bw. behaupteten Umsätze darin nicht enthalten sind.
Die Berufung war aus den genannten Gründen
vollinhaltlich abzuweisen.
Linz,
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 Z 2 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996 |
Schlagworte | Energieabgabenvergütung Vorleistung Dienstgeberbeitrag |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at