Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSS vom 11.05.2004, RV/0350-S/03

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten

Entscheidungstext

BerufungsentscheidungDer unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Mag.Peter Zivic, gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land betreffend Familienbeihilfe ab Jänner 1998 entschieden: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Mit Schreiben vom stellte der steuerliche Vertreter des Bw einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für seine in Bosnien-Herzegowina lebenden Kinder und begründete diesen wie folgt:

"Mit Rücksicht auf die derzeit beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängigen und noch nicht entschiedenen Verfahren betreffend die Gewährung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag auch für mj.Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, wird hiemit zwecks Wahrung der fünfjährigen Antragsfrist des § 10 Abs.3 FLAG 1967 die Gewährung von Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag zugunsten des Bw. für seine mj. Kinder, R.D. und R.K. fristwahrend beantragt.

Der gegenständliche fristwahrende Antrag möge bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in dieser Angelgenheit bzw. als allfällige Reaktion auf eine solche Entscheidung bis zu einer künftigen Entscheidung des österreichischen Gesetzgebers einstweilen liegen gelassen und nicht weiter bearbeitet werden, zumal dieser Antrag lediglich im Hinblick auf die fünfjährige Antrags- und Verjährungsfrist des § 10 Abs.3 FLAG 1967 fristwahrend bereits jetzt, zu einem Zeitpunkt, wo die Entscheidung noch offen ist und man sohin noch nicht weiß, ob auch für sich ständig im Ausland aufhaltende mj.Kinder eine Familienbeihilfe und ein Kinderabsetzbetrag zu gewähren sein wird, gestellt."

Das Finanzamt wies den Antrag bescheidmäßig ab und führte begründend aus, dass nach § 5 Abs. 4 FLAG für Kinder die sich ständig im Ausland aufhalten, grundsätzlich kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, sofern es nicht entsprechende zwischenstaatliche Regelungen gebe. Das Abkommen über die Soziale Sicherheit mit der Republik Bosnien-Herzegowina sei mit gekündigt worden ( BGBl.Nr. 347/1996). Hiedurch sei die Rechtsgrundlage für die Gewährung von Familienbeihilfe für sich ständig in Bosnien-Herzegowina aufhaltende Kinder ab weggefallen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte könne im Hinblick auf die im § 311 BAO normierte Entscheidungspflicht der Abgabenbehörden nicht abgewartet werden.

Die gegen diesen Abweisungsbescheid erhobene Berufung begründete der steuerliche Vertreter wie folgt:

"Der Bw. bzw. sein Dienstgeber zahlen gemäß § 41 FLAG von der sog.Beitragsgrundlage, die sich aus dem Arbeitslohn des Bw zusammensetzt, in gleicher Weise 4,5 vH in den Familienlastenausgleichfonds ein, wie bei einem Dienstnehmer, dessen Kinder sich im Inland aufhalten.

Der Bw. unterliegt mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Österreich auch der gleichen Lohn- und Einkommensteuer wie ein Dienstnehmer, dessen Kinder sich im Inland aufhalten. Während der Bw. allein auf Grund der Tatsache, dass sich seine Kinder nicht im Inland, sondern im Ausland aufhalten, für diese Kinder aus dem Familienlastenausgleichsfonds weder eine Familienbeihilfe, noch aus den Einnahmen aus der Lohn- bzw.Einkommensteuer einen Kinderabsetzbetrag (gemäß § 33 Abs.4 Z 3 a EStG 1988), sohin keinerlei Familienleistung erhält, erhält ein vergleichbarer Dienstnehmer, dessen Kinder sich im Inland aufhalten, sowohl die Familienbeihilfe, als auch den Kinderabsetzbetrag.

Ob diese unterschiedliche Behandlung von dem Einkommensteuergesetz 1988 einerseits und dem Familienlastenausgleichsgestz 1967 andererseits unterliegenden Dienstnehmern, je nachdem, ob sich deren Kinder im Inland oder im Ausland aufhalten, verhältnismäßig und sachlich gerechtfertigt ist, bildet derzeit den Gegenstand zumindest eines Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (Beschwerde Nr.37460/02, Cirkovic./.Österreich).

Da der Bw. nach wie vor die Rechtsansicht vertritt, dass der im österreichischen Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und Einkommensteuergesetz 1988 normierte Ausschluss vom Anspruch auf Familienbeihilfe und auf den Kinderabsetzbetrag für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, EMRK-widrig ist, wird beantragt, wobei es aus Zeit- und Kostengründen sinnvoll erscheint, die diesbezügliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte abzuwarten, der vorliegenden Berufung Folge zu geben".

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab.

Die Entscheidung des Gerichtshofes für Menschenrechte in der seitens des Bw angeführten Rechtssache ist am ergangen. Dem steuerlichen Vertreter des Bw. wurde dabei mitgeteilt, dass die Beschwerde für unzulässig erklärt worden sei. Soweit die Beschwerdepunkte in seine Zuständigkeit fielen, sei der Gerichtshof auf Grund aller zur Verfügung stehenden Unterlagen zu der Auffassung gelangt, dass die Beschwerde keinen Anschein einer Verletzung der in der Konvention oder ihren Zusatzprotokollen garantierten Rechte und Freiheiten erkennen lasse.

Mit Schreiben vom 10.Oktober stellte der steuerliche Vertreter einen Antrag auf Entscheidung

über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs.1 lit.a Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre minderjährigen Kinder.

Gemäß § 5 Abs.4 FLAG 1967 besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

§ 50g Abs.2 FLAG 1967 lautet:

§ 5 Abs.4 idF des Bundesgesetzes BGBl.Nr. 201/1996 tritt an dem der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl.Nr.201/1996 folgenden Tag in Kraft. Soweit bestehende Staatsverträge die Gewährung von Familienbeihilfe für Kinder vorsehen, die sich ständig in einem anderen Staat aufhalten, ist § 5 Abs.4 idF des Bundesgesetzs BGBl.Nr. 297/1995 weiter anzuwenden, bis völkerrechtlich anderes bestimmt ist.

Durch BGBl. I 142/2000 hat der Absatz 4 des § 5 FLAG 1967 mit Wirkung ab die Bezeichnung "Absatz 3" erhalten.

Somit besteht nach der geltenden Rechtslage Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten nur insoweit, als dies bestehende Staatsverträge vorsehen. Zufolge der von österreichischer Seite mit vorgenommenen Kündigung des Abkommens über Soziale Sicherheit zwischen der Republik Österreich und den Staaten des ehemaligen Jugoslawien, darunter auch Bosnien-Herzegowina, besteht für Kinder, die sich ständig in den entsprechenden Staaten aufhalten, seit kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr.

Unbestritten steht fest, dass die Kinder des Bw., für welche die Gewährung von Familienbeihilfe beantragt wurde, sich im maßgeblichen Zeitraum ständig im Ausland (Bosnien-Herzegowina) aufhielten. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 5 Abs.4 FLAG 1967 bzw. § 5 Abs.3 1967 ab 2001 in Verbindung mit der Tatsache, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum kein Abkommen, das die Gewährung der Familienbeihilfe für die im Ausland lebenden Kinder vorsieht, in Kraft ist, besteht im gegenständlichen Fall kein Anspruch auf Familienbeihilfe, was vom Bw. auch nicht bestritten wird.

Den Berufungsausführungen, wonach die derzeit bestehende Rechtslage jedoch nicht verhältnismäßig und sachlich nicht gerechtfertigt und somit EMRK-widrig sei, ist entgegenzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof bereits mit Erkenntis vom , B 2366/00 festgestellt hat, dass eine gesetzliche Regelung, die den Anspruch auf eine der Familienförderung dienende Transferleistung an eine Nahebeziehung des anspruchvermittelnden Kindes zum Inland bindet und hiebei auf dessen Aufenthalt abstellt, als solche keine verfassungsrechtlichen Bedenken erweckt. Für den Standpunkt des Bw. wird auch durch den in der Berufung geltend gemachten Umstand nichts gewonnen, dass die Finanzierung der beantragten Leistungen zu einem erheblichen Teil durch zweckgebundene, von der Lohnsumme bemessene Beiträge der Arbeitgeber erfolgt, weil sich daraus keinesfalls ableiten lässt, dass es sich bei der Familienbeihilfe um eine Art Versicherungsleistung handelt, auf deren Gewährung durch Beitragsleistung Anspruch erworben würde ().

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass auch österreichische Staatsbürger von der einschränkenden Bestimmung des § 5 Abs.4 (bzw.Abs.3)FLAG 1967 erfasst sind. Auch ihnen erwächst kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland, z.B. in der Republik Bosnien-Herzegowina aufhalten. Solcherart liegt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes somit auch eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit nicht vor ( VwGH v., 2000/15/0204).

Da zwischenzeitlich auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in einem nach Angaben des Bw gleichgelagerten Fall ergangen ist und über die Beschwerde abschlägig entschieden wurde, konnte von einem weiteren Eingehen auf die diesbezüglichen Berufungsausführungen abgesehen werden.

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang noch, dass der Unabhängie Finanzsenat ausschließlich auf Basis der geltenden Gesetze zu entscheiden hat. Er ist nicht berufen über allfällige Verfassungswidrigkeiten von Gesetzesbestimmungen zu befinden.

Da auf Grund der Bestimmung des § 5 Abs.4 (bzw.Abs.3) FLAG 1967 für den streitgegenständlichen Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe für die beiden Kinder R.D. und R.K. besteht, war die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Salzburg,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Familienbeihilfe
ständiger Aufenthalt im Ausland

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at