Zurückweisung eines Vorlageantrages mangels rechtswirksamer Zustellung einer Beschwerdevorentscheidung
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RV/3100286/2023-RS1 | Gemäß § 97 Abs 1 BAO werden Erledigungen der Abgabenbehörden dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind (). Beruft sich ein Rechtsvertreter in einer Beschwerde auf die ihm erteilte Vollmacht gemäß § 8 RAO und wird in weiterer Folge nicht ihm, sondern der Partei die Beschwerdevorentscheidung zugestellt, ist die Erledigung nicht wirksam geworden. Tritt keine Heilung des Zustellmangels durch tatsächliches Einlangen der Erledigung im Original beim Rechtsvertreter ein, ist das Bundesfinanzgericht auch nach Stellung eines Vorlageantrages mangels Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht zuständig geworden. Der Vorlageantrag ist als unzulässig zurückzuweisen. |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht beschließt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwalt Ing. Mag. Hamza Ovacin, Stadtstraße 33, 6850 Dornbirn betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Körperschaftsteuer 2016, Körperschaftsteuer 2017, Körperschaftsteuer 2018, Körperschaftsteuer 2019, Umsatzsteuer 2017, Umsatzsteuer 2018 und Umsatzsteuer 2019, Steuernummer ***BF1StNr1*** :
I. Der Vorlageantrag wird gem § 278 Abs 1 lit a BAO iVm § 264 Abs 4 lit e BAO als unzulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
I. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die beschwerdeführende Partei (in Folge kurz: bfP) ist ein im Vereinsregister eingetragener Verein mit Sitz in Innsbruck, welcher am errichtet wurde.
Im Rahmen einer Außenprüfung sind nach Ansicht des prüfenden Organs der Abgabenbehörde dem Prüfbericht vom zu entnehmende Tatsachen festgestellt worden, sodass eine Wiederaufnahme der Verfahren sowie eine Neufestsetzung hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Abgaben erforderlich wurden.
Die Abgabenbehörde folgte den Feststellungen des prüfenden Organs und erließ am die angefochtenen Bescheide und stellte diese zu Handen des Obmanns der bfP zu.
In weiterer Folge brachte nunmehr der rechtsfreundliche Vertreter der bfP rechtzeitig nach Fristverlängerung am Beschwerde gegen die Bescheide ein. In der Beschwerde hat sich der rechtsfreundliche Vertreter auf die ihn erteilte Vollmacht gem § 8 RAO berufen. Der rechtsfreundliche Vertreter betreibt seine Rechtsanwaltskanzlei in Dornbirn.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdevorentscheidung wurde wiederum dem Obmann der bfP zugestellt.
Schließlich brachte der rechtsfreundliche Vertreter der bfP am einen Vorlageantrag ein.
Die gegenständlichen Beschwerden wurden dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt. Im Vorlagebericht beantragte die Abgabenbehörde, den Vorlageantrag - wie bei den gleichgelagerten Fällen zu RV/7102423/2023 und RV/5100447/2023 - als unzulässig zurückzuweisen, da die Beschwerdevorentscheidungen mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht wirksam geworden seien.
Daraufhin ersuchte das Bundesfinanzgericht den rechtsfreundlichen Vertreter mit Beschluss vom binnen zwei Wochen bekannt zu geben, wann und auf welche Art und Weise er vom Inhalt der abgabenbehördlichen Erledigungen Kenntnis erlangt habe. Ferner möge er mitteilen, ob ihm die gegenständlichen Beschwerdevorentscheidungen tatsächlich im Original zugegangen sind. Falls dies zutreffe, werde um Aufklärung über den Zeitpunkt und die Methode dieser Zustellung gebeten. Der Beschluss wurde dem Empfänger am nachweislich zugestellt.
Der Vorhalt des Bundesfinanzgerichts blieb unbeantwortet.
Ergänzend wird festgestellt, dass der rechtsfreundliche Vertreter die gegenständlichen Beschwerdevorentscheidungen nicht im Original erhalten hat.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang insbesondere wem die Beschwerdevorentscheidungen zugestellt wurden, zum Sitz des Vereins und zur Kanzleianschrift des rechtsfreundlichen Vertreters ergeben sich zweifelsfrei aus den vorliegenden Bescheiden.
Die Feststellung, dass der rechtsfreundliche Vertreter die gegenständlichen Beschwerdevorentscheidungen nicht im Original erhalten hat, ist dem Umstand geschuldet, dass der Verein seinen Sitz in Innsbruck und der rechtsfreundliche Vertreter seine Kanzlei in Dornbirn hat. Es ist daher anzunehmen, dass die Bescheide dem rechtfreundlichen Vertreter elektronisch oder per Fax übermittelt wurden. Jedenfalls ergeben sich aus dem Akt auch keine gegenteiligen Anhaltspunkte. Der Aufforderung, hierzu Stellung zu nehmen, ist der rechtsfreundliche Vertreter nicht nachgekommen. Auch der Antrag der Abgabenbehörde auf Zurückweisung des Vorlageantrages wurde nicht kommentiert.
Dass der Beschluss des Bundesfinanzgerichtes dem rechtsfreundlichen Vertreter nachweislich zugestellt wurde, ergibt sich aus dem vorliegenden Rückschein. Insofern konnte das Bundesfinanzgericht diese Feststellung seiner Entscheidung bedenkenlos zu Grunde legen.
3. rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 83 Abs 1 BAO können sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche voll handlungsfähige Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.
Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten richten sich gemäß Abs 2 leg cit nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 85 Abs 2 leg cit von Amts wegen zu veranlassen.
§ 8 Abs 1 RAO bestimmt, dass die Berufung auf die Bevollmächtigung vor allen Gerichten und Behörden deren urkundlichen Nachweis ersetzt.
Eine gemäß § 8 Abs 1 RAO zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung erteilte Vollmacht erfasst auch eine Zustellvollmacht iSd § 9 ZustG ().
§ 9 ZustG lautet auszugsweise:
(1) Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).
(2) […]
(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung gemäß § 7 Abs 1 ZustG als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Gemäß § 97 Abs 1 BAO werden Erledigungen der Abgabenbehörden dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind (). Voraussetzung für eine Wirksamkeit der Erledigung ist neben der gesetzmäßigen Bezeichnung des Bescheidadressaten auch die Zustellung an den Adressaten (). Mangels Bekanntgabe der Bescheide an den rechtsfreundlichen Vertreter, sind die gegenständlichen Beschwerdevorentscheidungen nicht wirksam geworden.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes erst gegeben, wenn zuvor eine Beschwerdevorentscheidung erlassen wurde.
Das Bundesfinanzgericht ist daher aus vorstehenden Gründen nicht zuständig, weshalb der Vorlageantrag zurückzuweisen war.
II. Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100286.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at