Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.10.2023, RV/1100198/2023

Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Steuerpflicht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache *Bf*, *Bf1-Adr1*, Steuernummer *Bf1StNr*, vertreten durch die Dr. Achleitner Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Schweizer Straße 37, 6845 Hohenems, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (Bf.) erhielt im Jahr 2019 Pensionszahlungen von der Pensionsversicherungsanstalt und von der Schweizer Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) sowie einer Schweizer Pensionskasse.

2. In der Einkommensteuererklärung 2019 erklärte sie lediglich die im Zeitraum vom bis zum erzielten Pensionseinkünfte zur Einkommensteuer, und zwar die österreichischen Pensionseinkünfte mit 6.065,80 Euro und die Schweizer Pensionseinkünfte mit 15.696,56 Euro.

3. Demgegenüber setzte das Finanzamt im angefochtenen Bescheid die österreichischen Pensionseinkünfte mit 10.864,92 Euro und die Schweizer Pensionseinkünfte erklärungsgemäß mit 15.696,56 Euro an.

4. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wandte die Bf. ein, sie sei erst mit dem am vollzogenen Umzug von der Schweiz nach Österreich hier unbeschränkt steuerpflichtig, weshalb die österreichischen Pensionseinkünfte erst ab dem in Höhe von 6.065,80 Euro der österreichischen Einkommensteuer unterlägen.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt den angefochtenen Bescheid in der Weise zu Ungunsten der Bf. ab, dass es auch die Schweizer Pensionseinkünfte des ganzen Jahres, das waren 29.369,27 Euro, der Einkommensteuer unterwarf. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. Zur Begründung führte es aus, laut den Daten des Zentralen Melderegisters habe die Bf. bereits vom bis zum ihren Hauptwohnsitz in der *Bf-Adr2*, gehabt und sei am in die *Bf1-Adr1*, umgezogen. Die Bf. sei daher das ganze Jahr 2019 hindurch in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig gewesen, weshalb auch die Einkünfte des ganzen Jahres 2019 der österreichischen Einkommensteuer unterlägen.

6. Im Vorlageantrag vom wandte die Bf. gegen die Beschwerdevorentscheidung ein, die polizeiliche An- und Abmeldung nach den Bestimmungen des Meldegesetzes (§1 Abs. 1 MeldeG) sei nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung für das Vorliegen eines Wohnsitzes nicht entscheidend. Im Hinblick auf die Festlegung des tatsächlichen Wohnsitzes sei eine polizeiliche Meldung nur ein Indiz und sage nichts über den tatsächlichen Wohnsitz aus. Tatsächlich sei der Umzug von Österreich in die Schweiz bereits am erfolgt. Da die Bf. aber auf Grund von noch nicht vorliegenden Dokumenten und den Zuzugsbestimmungen der Schweiz nicht sofort ihren Hauptwohnsitz in die Schweiz anmelden habe können und ihren Wohnsitz in *Y* bereits am aufgegeben habe, habe sie vorübergehend ihren Wohnsitz bei ihrem Bruder in der *Bf-Adr2* angemeldet. Mit der Eheschließung am sei auch die Anmeldung in der Schweiz erfolgt. Somit sei die Bf. ab diesem Zeitpunkt in der Schweiz wohnhaft gewesen. Aus der vorgelegten Meldebescheinigung der Gemeinde *X* gehe hervor, dass die Bf. vom bis zum in *X* wohnhaft gewesen sei. Die Bf. habe ihren Wohnsitz von der Gemeinde *X* in die Gemeinde *XX*, beide Kanton St. Gallen, verlegt. Nachdem ihr Ehemann am verstorben sei, habe sich die Bf. im Juni 2019 entschieden, ihren Wohnsitz wieder nach Österreich zu verlegen. Die Bf. habe es übersehen, sich am von ihrem Wohnsitz in *XXX* wieder abzumelden. Tatsächlich aber habe sie nie ihren Wohnsitz in *XXX* gehabt. Somit habe sie ihren Wohnsitz vom September 1999 bis zu ihrem Umzug im Juni 2019 in der Schweiz gehabt und sei in diesem Zeitraum in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig gewesen.

7. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Finanzamt zur Entscheidung vor und beantragte, dieser stattzugeben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Die Bf. war vom bis zum in der Schweiz, Kanton St. Gallen, wohnhaft, und zwar zunächst vom bis zum in der Gemeinde *X* und ab bis in der Gemeinde *XX*, *Adr*. Seit ist sie in *Bf1-Adr1*, wohnhaft.

2. Die Schweizer Pensionseinkünfte des Jahres 2019 wurden für den Zeitraum vom bis zum der Schweizer Bundessteuer und der Kantonal- und Gemeindesteuer unterzogen.

2. Beweiswürdigung

1. Diese Feststellungen sind den von der Bf. vorgelegten Unterlagen (Meldebestätigungen, Schweizer Steuerbescheide) zu entnehmen. Sie sind zwischen den Parteien unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

1. Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Hat eine natürliche Person keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, unterliegt sie nur mit den in § 98 EStG genannten Einkünften der beschränkten Steuerpflicht.

Beim Wechsel von der unbeschränkten Steuerpflicht zur beschränkten Steuerpflicht und umgekehrt liegen zwei getrennte Steuerabschnitte vor, die getrennt zu veranlagen sind. Wird der Wohnsitz in Österreich aufgegeben oder in Österreich begründet, so tritt ein solcher Wechsel von der unbeschränkten Steuerpflicht zur beschränkten et vice versa ein.

2. Bezüge und Vorteile aus ausländischen Pensionskassen (§ 25 Z 2 lit. b EStG 1988), Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 25 Z 3 lit. a EStG 1988) sowie Pensionen einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht (§ 25 Z 3 lit. b EStG 1988), sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

3. Auch die Schweizer Einkommensteuergesetze - das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (Art. 3) sowie die Steuergesetze der Kantone wie etwa das Steuergesetz des Kantons St. Gallen (Art. 13) - knüpfen die unbeschränkte Steuerpflicht an den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt einer natürlichen Person.

4. Gemäß Artikel 18 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweizer Eidgenossenschaft und der Republik Österreich, BGBl. 1975/64 (DBA-Schweiz), dürfen Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Tätigkeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden. Gemäß Artikel 4 Abs. 1 DBA-Schweiz bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist.

5. Wie bereits zum Sachverhalt ausgeführt, hatte die Bf. ihren Wohnsitz vom bis zum in der Schweiz und anschließend in Österreich. Damit war sie bis zum in der Schweiz und für den Rest des Jahres in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Dementsprechend war auch nach dem DBA-Schweiz das Besteuerungsrecht anteilig nach diesen Jahresabschnitten der Schweiz und Österreich zuzuordnen.

6. Somit unterlagen der österreichischen Einkommensteuer die Pensionseinkünfte vom bis zum , und zwar die österreichischen Pensionseinkünfte mit 6.065,80 Euro und die Schweizer Pensionseinkünfte mit 15.696,56, insgesamt somit 21.762,36 Euro.

7. Der Beschwerde war daher stattzugeben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit diesem Erkenntnis wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung angesprochen. Die Revision an Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 25 Z 3 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 18 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
§ 25 Z 2 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 4 Abs. 1 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 25 Z 3 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100198.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at