Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.08.2023, RV/6100126/2023

Nichtvorliegen des vom Finanzamt angenommenen Wiederaufnahmegrundes bei einer gem § 201 Abs 2 Z 3 BAO erfolgten amtswegigen Grunderwerbsteuerfestsetzung


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Miterledigte GZ:
RV/6100359/2021
RV/6100378/2021
RV/6100379/2021

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag.Dr. Thomas Leitner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Karin Sonntag, Imbergstraße 17, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Grunderwerbsteuerfestsetzung gemäß § 201 BAO für Kaufvertrag vom mit ***Verkäuferin1***, Erfassungsnummer ***1***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit am von Frau ***Verkäuferin1*** mit Herrn ***Bf1*** (im Folgenden bezeichnet als "beschwerdeführende Partei") abgeschlossenem Kaufvertrag erwarb die beschwerdeführende Partei im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung noch unbebaute Grundstücke und Grundstücksteile um einen Gesamtkaufpreis von 87.000,00 Euro und wurde von der Urkundenverfasserin die Grunderwerbsteuer für diesen Erwerbsvorgang selbstberechnet, wobei der Grunderwerbsteuerbemessung der vorgenannte Kaufpreis zugrunde gelegt wurde.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Österreich (im Folgenden bezeichnet als "belangte Behörde") gemäß § 201 BAO die Grunderwerbsteuer betreffend den oa Grundstückserwerb gegenüber der beschwerdeführenden Partei mit 11.651,50 Euro fest, wobei zusätzlich zum Kaufpreis für die Liegenschaft Baukosten im Betrag von 245.900,00 Euro als Gegenleistung iSd § 5 GrEStG angesetzt wurden. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass Gegenstand des Erwerbes kein unbebautes Grundstück, sondern ein Grundstück mit zu errichtendem Gebäude gewesen sei. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass bereits vor Abschluss des Kaufvertrages über die Liegenschaft ein Werkvertrag über die Errichtung eines Gebäudes unterzeichnet worden sei.

Am wurde von der beschwerdeführenden Partei gegen den vorgenannten Bescheid rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht und wurde die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt; dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass der beschwerdeführenden Partei Bauherreneigenschaft zukomme. Weiters stellte die beschwerdeführende Partei unter anderem die Anträge, die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen, auf Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die belangte Behörde legte die Bescheidbeschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und unterblieb die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung.

Mit Eingabe der beschwerdeführenden Partei vom wurde der gestellte Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurückgenommen.

Mit wurden den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorläufige Sachverhaltsfeststellungen und eine vorläufige rechtliche Würdigung vorgehalten. Demnach liege der vom Finanzamt im Beschwerdefall angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor und sei der angefochtene Bescheid aus diesem Grund aufzuheben. Im Hinblick auf das im Abgabenverfahren geltende Überraschungsverbot wurde den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Möglichkeit gegeben, dazu Stellung zu nehmen.

Mit Stellungnahme vom gab die belangte Behörde dem BFG daraufhin bekannt, dass die dargestellten Feststellungen und die daraus folgende rechtliche Beurteilung korrekt seien und als zutreffend zur Kenntnis genommen würden.

Mit Stellungnahme vom gab die beschwerdeführende Partei dem BFG ebenfalls bekannt, dass die dargestellten Feststellungen und die daraus folgende rechtliche Beurteilung korrekt seien und als zutreffend zur Kenntnis genommen würden und wurde das Beschwerdevorbringen ausdrücklich entsprechend erweitert.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Am unterfertigten Frau ***Verkäuferin1*** als Verkäuferin und die beschwerdeführende Partei als Käufer eine Kaufvertragsurkunde. Kaufgegenstand waren dem Inhalt der Vertragsurkunde zufolge folgende Grundstücke bzw Grundstücksanteile:

"- das unbebaute Grundstück GST-NR ***2***, derzeit inneliegend in der EZ ***3***, KG ***4*** ***Ortsteil1***, BG ***Ort1***, im Ausmaß von 290 m2

- das unbebaute Grundstück GST-NR ***5***, derzeit inneliegend in der EZ ***3***, KG ***4*** ***Ortsteil1***, BG ***Ort1***, im Ausmaß von 15 m2

- ein ideeller Anteil von 1/5 am unbebauten Grundstück GST-NR ***6***, derzeit inneliegend in der EZ ***3***, KG ***4*** ***Ortsteil1***, BG ***Ort1***, im Ausmaß von 944 m2

- ein ideeller Anteil von 1/5 am unbebauten Grundstück GST-NR ***7***, derzeit inneliegend in der EZ ***3***, KG ***4*** ***Ortsteil1***, BG ***Ort1***, im Ausmaß von 41 m2

- ein ideeller Anteil von 1/15 am unbebauten Grundstück GST-NR ***8***, inneliegend in der EZ ***10***, KG ***4*** ***Ortsteil1***, im Ausmaß von 648 m2

- ein ideeller Anteil von 1/30 am unbebauten Grundstück GST-NR ***9***, inneliegend in der EZ ***11***, KG ***4*** ***Ortsteil1***, im Ausmaß von 150 m2"

Laut Punkt III. der Vertragsurkunde erwarb die beschwerdeführende Partei den oben beschriebenen Kaufgegenstand um den Gesamtkaufpreis von 87.000,00 Euro.

Am unterfertigte die beschwerdeführende Partei als Auftraggeber einen "Bauwerkvertrag für ein ausgebautes Haus gemäß Bau- und Leistungsbeschreibung" mit der ***Bauunternehmen1*** als Auftragnehmerin. Laut der Beschreibung des Bauvorhabens auf den ersten beiden Seiten des Bauwerkvertrages iVm § 1 des Bauwerkvertrages war Vertragsgegenstand die Errichtung eines Massivhauses "verb. Fl. 56m2, ca. 125m2inkl.TR" der Marke "***Marke1**" am Bauort ***Ortsteil2***, ***Ort2*** sowie die örtliche Bauleitung hierfür. Als Gegenleistung für die nach diesem Vertrag von der ***Bauunternehmen1*** zu erbringenden Leistungen wurde ein pauschaler Fixpreis bzw "Pauschalfixpreis" von 245.900,00 Euro inklusive 20% MwSt vereinbart.

Die Grunderwerbsteuer für den oa Grundstückserwerb durch die beschwerdeführende Partei wurde von der Verfasserin der Kaufvertragsurkunde im Betrag von 3.045,00 Euro selbstberechnet, wobei der Grunderwerbsteuerbemessung der laut Punkt III. des Kaufvertrages vom von der beschwerdeführenden Partei geschuldete Kaufpreis von 87.000,00 Euro zugrunde gelegt wurde.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Grunderwerbsteuer betreffend den von der beschwerdeführenden Partei mit Frau ***Verkäuferin1*** abgeschlossenen Kaufvertrag vom gemäß § 201 BAO im Betrag von 11.651,50 Euro fest, wobei in der Bescheidbegründung wie folgt ausgeführt wurde:

"Die Festsetzung erfolgt gemäß § 201 Abs. 2 Zi 3 BAO, da bei sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden. Die Feststellungen in derAußenprüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmensind, bzw. im Abgabenverfahren (laut nachstehender Begründung) stellen für das Abgabenverfahren neuhervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel dar, deren Kenntnis allein oder in Verbindung mit densonstigen Ergebnissen des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt bzw. zueiner anderen Abgabenerhebung als jener im Zuge der Selbstberechnung geführt hätte.

Die Festsetzung gemäß § 201 BAO erfolgt unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der Ermittlungen imAbgabenverfahren bzw. der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich darausergebenden Gesamtauswirkung.

Bei der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessensabwägung war dem Prinzip derRechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit(Parteieninteresse an der Rechtskraft) einzuräumen. Auch können die steuerlichen Auswirkungen unterdem Gesichtspunkt der Verwaltungsökonomie nicht bloß als geringfügig bezeichnet werden. Daher wardem Gesetzeszweck, mittels einer Erlassung eines rechtmäßigen Sachbescheides ein den gesetzlichenVorschriften entsprechendes Steuerergebnis zu erzielen, Rechnung zu tragen.

Die (weitere) Begründung ergeht gesondert."

In der gesondert ergangenen Bescheidbegründung der belangten Behörde vom wurde wie folgt ausgeführt:

"(...).

Die Erledigung weicht von Ihrem Begehren aus folgenden Gründen ab: Die Grunderwerbsteuer für die mit Kaufvertrag übertragene Liegenschaft wurde mit einer Bemessungsgrundlage von € 87.000,00 selbst berechnet.

Gemäß § 5 GrEStG ist die Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis, einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen.

Diese sonstigen Leistungen können also auch an Dritte erbracht werden, insbesondere an einen vom Veräußerer verschiedenen Errichter eines Gebäudes auf dem Grundstück. Voraussetzung für die Einbeziehung der Baukosten ist, dass die Errichtung des Gebäudes mit dem Grundstückserwerb in einer finalen Verknüpfung steht (, 0282).

Steht der Erwerb eines Grundstückes und der Erwerb eines Gebäudes in einem derart engen sachlichen Zusammenhang, dass ein einheitlicher Vorgang gegeben ist, so sind sowohl der Kaufpreis für das Grundstück als auch der Werklohn für die Errichtung des Gebäudes in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen.

Ist der Grundstückserwerber an ein bestimmtes, durch die Planung des Verkäufers oder eines mit diesem zusammenarbeitenden Organisators vorgegebenes Gebäude gebunden, dann ist ein Kauf mit - herzustellendem - Gebäude anzunehmen, selbst wenn über dessen Herstellung gesonderte Verträge abgeschlossen werden ().

Wenn Grundstückskäufer auf Grund eines ihnen vorgegebenen Vertragsgeflechts in ein bereits fertig geplantes Bauprojekt eingebunden werden, sind auch die Baukosten zur Gegenleistung zu zählen. Dass in einem solchen Zusammenhang das Vertragswerk in mehreren Urkunden auf mehrere Vertragspartner aufgespaltet wird, vermag daran nichts zu ändern (, 0040).

Gegenständlich wurde der Werkvertrag über die Errichtung des Gebäude bereits vor Abschluss des Kaufvertrag (sic!) über die Liegenschaft unterzeichnet. Daraus ergibt sich, dass Gegenstand des Erwerbes kein ,unbebautes' Grundstück, sondern ein Grundstück mit zu errichtendem Gebäude war.

Daher bilden der Kaufpreis und Baukosten die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer.

Die Festsetzung der Abgabe erfolgt gemäß § 201 Abs. 2 Zi 3 BAO auf Basis des beim Selbstberechner durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfungsverfahrens. Der Umstand, dass die Selbstberechnung der Abgabe vom Kaufpreis inklusive Baukosten hätte erfolgen müssen, stellt für die Abgabenbehörde eine nach erfolgter Selbstberechnung neu hervorgekommene Tatsache dar.

(...)"

2. Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs 1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises. Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde im übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Die obigen, von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht bestrittenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den aktenkundigen Unterlagen. Anhaltspunkte dafür, dass der Bauwerksvertrag vom abweichend von den in den Vertragsurkunden erfolgten Datumsangaben bereits vor dem Kaufvertrag vom unterfertigt worden wäre, liegen nicht vor. Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

§ 201 Abs 1 BAO lautet: "Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist."

Nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO kann die Festsetzung - wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung im Sinne des Abs 1 der Bestimmung als "nicht richtig" erweist - erfolgen, "wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden". Die Vorschrift hat insoweit den Zweck, einen "Gleichklang mit der bei einem durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren geltenden Rechtslage" herbeizuführen (vgl , unter Hinweis auf AB 1128 BlgNR 21. GP 9).

Nach § 303 Abs 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei, bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde (vgl ).

Gemäß § 279 Abs 2 BAO hat das Bundesfinanzgericht außer in hier nicht interessierenden Fällen des Abs 1 immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl ; , 2012/15/0030, mwH).

Aufgabe des Bundesfinanzgerichts bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist es daher, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Bundesfinanzgericht den vor ihm bekämpften Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben (vgl nochmals ).

Gleiches gilt für eine amtswegige Festsetzung nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO und ist im Beschwerdefall somit entscheidend, ob und gegebenenfalls welche für das Finanzamt seit der Selbstbemessung neu hervorgekommenen Umstände seitens des Finanzamts dargetan wurden, die als Wiederaufnahmegrund geeignet sind (vgl ; , Ro 2016/15/0012).

Tatsachen im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung allein oder iVm dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften (vgl , mwN).

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Beschwerdefall als neu hervorgekommene Tatsache (Wiederaufnahmegrund) den Umstand herangezogen, "dass die Selbstberechnung der Abgabe vom Kaufpreis inklusive Baukosten hätte erfolgen müssen". Darin ist allerdings nach der Maßgabe der oa Rsp des VwGH keine Tatsache im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO zu erblicken, sondern bringt die belangte Behörde lediglich zum Ausdruck, dass sich die bekanntgegebene Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer der von ihr vorgenommenen rechtlichen Beurteilung zufolge iSd § 201 Abs 1 BAO als nicht richtig erweist (vgl in diesem Zusammenhang zB , wonach neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung keine Tatsachen sind).

Zwar wird in der vorliegenden Bescheidbegründung auch ein mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängender tatsächlicher Umstand - nämlich, dass der Werkvertrag über die Errichtung des Gebäudes bereits vor Abschluss des Kaufvertrages über die Liegenschaft unterzeichnet worden sei - angesprochen (vgl in diesem Zusammenhang bspw ), auf den die belangte Behörde ihre oa rechtliche Beurteilung stützt. Allerdings sind an das Erwiesensein von Tatsachen, die als Wiederaufnahmegründe in Betracht kommen, dieselben Anforderungen zu stellen, wie an andere Tatsachen, die der Besteuerung zugrunde zu legen sind (vgl zB , mwH). Wie aus den unter Punkt 2 erfolgten Ausführungen des erkennenden Verwaltungsgerichts hervorgeht, kann das Vorliegen der von der belangten Behörde genannten Tatsache im Beschwerdefall nicht als erwiesen angenommen werden und ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit im Beschwerdefall Rechtsfragen zu lösen waren, folgt das Bundesfinanzgericht der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 Abs. 2 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise









ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100126.2023

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