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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 10.10.2023, RV/6100261/2023

Unwirksamkeit einer eingeschränkten Zustellvollmacht

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger als Berichterstatter der Gerichtsabteilung 7013-1 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Dr.RA***, ***Adr-Dr.RA***, betreffend die Beschwerde vom gegen die als Bescheid intendierte Erledigung des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger für aushaftende Abgabenschulden der Firma ***XXX Gmbh***, beschlossen:

I)
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) als nicht zulässig zurückgewiesen.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Die Beschwerde des Beschwerdeführers ***Bf1*** (kurz Bf.) fällt in die Zuständigkeit des Fachgebietes FV 3 (Angelegenheiten der Abgabensicherung) und damit in die Zuteilungsgruppe 7007. Aufgrund des Antrages auf Senatsentscheidung wurde sie auf Basis der gültigen Geschäftsverteilung der Gerichtsabteilung 7013-1 zur Entscheidung zugewiesen.

Sie richtet sich gegen eine mit datierte und als Haftungsbescheid bezeichnete Erledigung des Finanzamtes Österreich (kurz FA), die z.H. des im Spruch genannten steuerlichen Vertreters zugestellt wurde.

Nach mehreren verunglückten Versuchen, den Bf. zur Haftung gem. § 9 BAO heranzuziehen, adressierte das FA einen mit datierten Haftungsbescheid an diesen persönlich. Diese Sendung wurde hinterlegt (Beginn der Abholfrist ).

Am berief sich der im Spruch genannte Anwalt in einer/einem "BEKANNTGABE EINER BEVOLLMÄCHTIGUNG, MITTEILUNG, ANTRAG" auf eine Vollmacht zum "Haftungsbescheid vom " und gab an, dem Bf. sei eine Mitteilung zugegangen, dass offensichtlich am ein Schriftstück an seine Privatadresse zugestellt werden sollte. Der Bf. sei von 31. Mai bis ca. berufsbedingt ortsabwesend gewesen und habe sich in diesem Zeitpunkt nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten, sodass die Voraussetzungen einer Hinterlegung im Sinne des § 17 ZustellG nicht gegeben gewesen seien. Der Einschreiter hat erst nach seiner Rückkehr an der Abgabestelle die Verständigung über die Hinterlegung vorgefunden und sich sofort mit der Hinterlegungsstelle in Verbindung gesetzt aber auch mit der Behörde, wobei ihm mittgeteilt worden sei, dass die Hinterlegungsfrist bereits abgelaufen ist, das Schriftstück zurückgestellt worden sei und somit als zugestellt gelte. Von Seiten des Finanzamtes Österreich sei telefonisch keine Auskunft erteilt worden.
Nachdem die Voraussetzungen der Hinterlegung nicht vorgelegen hätten und damit eine rechtswirksame Zustellung durch Hinterlegung nicht erfolgt sein könne, beantragte der Anwalt, "das Schriftstück welches mit Hinterlegungsanzeige vom an den Einschreiter zugestellt werden sollte, zu seinen Handen zuzustellen". Dabei teilte der Vertreter "ausdrücklich" mit und hielt fest, dass für die Zustellung dieses Schriftstückes "eine (eingeschränkte) Zustellvollmacht" erteilt worden sei.

Das FA untersuchte die Ortsabwesenheit in der Folge und forderte den Bf. mit Schriftsatz vom zur Vorlage von Beweismitteln auf. Dieser gab eine Erläuterung per Mail vom (übermittelt per Fax vom ) und brachte im Kern vor, er hätte am Pfingstwochenende Ende Mai 2023 einen heftigen Ehestreit mit seiner Frau gehabt und deshalb am Montag, den das gemeinsame Reihenhaus in ***Ort1*** verlassen. Die ersten Nächte habe er in seinem Büro in ***Ort2*** geschlafen und ab Ende der Woche sei er in der Wohnung seiner Tochter in ***Ort1*** untergekommen. Nachdem der erste Ärger zwischen ihm und seiner Frau verraucht gewesen sei, habe er sich mit ihr auf ein paar Wochen Abstand geeinigt und die kommenden Wochen weiterhin bei seiner Tochter geschlafen. In der Woche vom 19. bis habe er sich wieder mit seiner Frau versöhnt und ausgesprochen und sei am wieder zuhause eingezogen. Bei der Erledigung der angefallenen Post, habe er die Benachrichtigung einer Hinterlegung eines Schreiben gesehen und sei am nächsten Tag in der Früh sofort zur Postfiliale gegangen. Seine Frau könne den Vorfall bestätigen. Sein Mitarbeiter habe mitbekommen, dass er einige Tage im Büro geschlafen habe.

Das FA kam dem Antrag des steuerlichen Vertreters vom nach, adressierte den hier strittigen "Haftungsbescheid" vom an den Bf. z.H. des steuerlichen Vertreters und stellte ihn diesem zu.

Dagegen erhob dieser Anwalt namens des Bf. mit Schriftsatz vom eine Beschwerde, berief sich in seiner "BEKANNTGABE EINER BEVOLLMÄCHTIGUNG BESCHWERDE" in der "Finanzsache Haftungsbescheid " auf seine Vollmacht, beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat und verzichtete ausdrücklich auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung. Das FA kam dem nach und legte die Beschwerde mit an das Verwaltungsgericht vor.

Das Bundesfinanzgericht forderte den Bf. um Missverständnissen vorzubeugen und da ein Zustellversuch an einer aktenkundigen Anschrift misslungen war (Vermerk "verzogen") zur Bekanntgabe seiner Abgabestelle auf. Dem kam dieser mit Mail vom nach und bestätigte seinen Hauptwohnsitz als Abgabestelle.

Im Beschwerdeverfahren zum oben kurz erwähnten Haftungsbescheid vom hatte dieser steuerliche Vertreter gegenüber dem Bundesfinanzgericht mit Mail vom angegeben, er sei lediglich zur Einbringung dieser Beschwerde beauftragt worden. Mit Mail vom ergänzte er, dass er über keine schriftliche Vollmachtsurkunde verfüge, und führte schlussendlich in der mit Mail vom übermittelten (korrigierten) Stellungnahme vom wörtlich aus (Formatierung fett durch das Bundesfinanzgericht):

"Eingangs wird dezidiert festgehalten, dass sich das Vollmachtsverhältnis des BF zu Herrn RA ***Dr.RA*** ausschließlich auf das gegenständliche Beschwerdeverfahren gegen den zugrunde liegenden Haftungsbescheid vom bezieht. Der BF hat für steuerliche Angelegenheiten im Übrigen eine eigene steuerliche Vertretung in Form der ***Vertreter 2 GmbH*** mit dem Kanzleisitz in ***Anschrift 2***. Der Rechtsvertreter des BF würde sich niemals anmaßen, eine Vertretung in allgemeinen steuerlichen Angelegenheiten zu übernehmen, da er zugestanden, schlicht und einfach kein Steuerfachmann für derartige Dinge ist. Lediglich im Rahmen derartiger Haftungsverfahren, wie es gegenständlich vorliegt, kommt eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt in Betracht, wobei selbstverständlich auch dazu mit der steuerlichen Vertretung zusammenzuarbeiten ist.

Es wird sohin klargestellt, dass sich die Vollmacht des BF an seinen Rechtsvertreter ausschließlich auf das jeweilige exakt bezeichnete Verfahren (gegenständlich Verfahren gegen den Haftungsbescheid vom ) bezieht.

Das Verfahren der am eingebrachten Beschwerde der Beschwerdeführer […] und ***Bf1*** gegen die zugrunde liegenden Haftungsbescheide je vom wurde durch Erkenntnis des BFG jeweils in der Form abgeschlossen, dass der jeweils zugrunde liegende angefochtene Bescheid aufgehoben wurde. Damit ist auch das Vollmachtsverhältnis zwischen dem jeweiligen BF und ihrem Rechtsvertreter beendet.

Eine Anwaltsvollmacht ist im Zweifel einschränkend auszulegen. Keinesfalls kann für eine Behörde daraus eine allgemeine Zustellvollmacht abgeleitet werden. Im Übrigen war aus Sicht des BF mit dem damaligen Erkenntnis des BFG die Angelegenheit beendet, sodass es keinen Sinn macht, das Vollmachtsverhältnis weiter aufrecht zu belassen."

Das Bundesfinanzgericht kam im Kern bereits in zum Schluss, dass die von diesem Bf. erteilten Vollmachten an diesen Anwalt immer enden, sobald das davon betroffene Beschwerdeverfahren abgeschlossen ist und dass deshalb Haftungsbescheide, mit denen jeweils ein neues Verfahren angestoßen wird, mangels aufrechter Zustellvollmacht nicht an den steuerlichen Vertreter, sondern an den Bf. persönlich zuzustellen sind. Das wies für das aktuelle Verfahren darauf hin, dass das Vollmachtsverhältnis bezüglich des Haftungsbescheides vom am , an dem die Beschwerde vom Bundesfinanzgericht mit Beschluss zurückgewiesen wurde (), beendet war.

Damit konfrontiert, bestätigte der steuerliche Vertreter, die vom Bf. an ihn erteilten Vollmachten hätten sich immer nur auf ganz bestimmte Angelegenheiten bezogen. Folgerichtig seien den einzelnen Beschwerden zu den einzelnen Haftungsbescheiden immer eine "Bekanntgabe einer Bevollmächtigung" vorangestellt worden. Wenn dem Bf. ein Haftungsbescheid der Finanzverwaltung zugestellt worden sei, habe er in der Folge einen Termin mit der Kanzlei des steuerlichen Vertreters vereinbart und bei diesem Termin den Haftungsbescheid übergeben mit dem Auftrag, dagegen eine Beschwerde einzubringen. In diesem Zusammenhang sei jeweils mündlich eine (eingeschränkte) Vollmacht erteilt worden.

Der hier bekämpfte Haftungsbescheid vom sei ihm (dem steuerlichen Vertreter) im Original zugestellt und von ihm am elektronisch an den Bf. übermittelt worden. Darauffolgend habe es ein Telefonat zwischen dem Bf. und dem steuerlichen Vertreter gegeben, in dem diesem die Vollmacht bzw. der Auftrag zur Beschwerde erteilt worden sei. Deshalb sei in der Beschwerde vom wiederum eine "Bekanntgabe einer Bevollmächtigung" vorangestellt worden. Abschließend wurde betont, das Original des Haftungsbescheides vom befinde sich im Handakt des steuerlichen Vertreters. Dem Bf. sei das Original nicht übergeben worden.

Für das Bundesfinanzgericht existieren grundsätzlich keine Zweifel daran, dass der steuerliche Vertreter zur Einbringung der hier zu beurteilenden Beschwerde bevollmächtigt war, zu prüfen bleibt aber, ob mit dieser Beschwerde ein rechtlich existenter Bescheid bekämpft wurde. Das ist zu verneinen.

Bescheide werden gemäß § 97 Abs. 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung (z.B. ).

Der in diesem Verfahren strittige "Haftungsbescheid" wurde z.H. ***Dr.RA*** zugestellt, nachdem dieser eine solche Zustellung beantragt hatte. In diesem Antrag, in dem er sich im Übrigen nur auf eine Vollmacht zum bereits beendeten Haftungsverfahren aus 2022 bezog, betonte er ausdrücklich, dass "für die Zustellung dieses Schriftstückes eine (eingeschränkte) Zustellvollmacht" an ihn erteilt worden sei.

§ 103 Abs. 2 lit. a BAO normiert unmissverständlich, dass eine Zustellungsbevollmächtigung Abgabenbehörden und Verwaltungsgerichten gegenüber unwirksam ist, wenn sie ausdrücklich auf nur einige dem Vollmachtgeber zugedachte Erledigungen eingeschränkt ist, die im Zuge eines Verfahrens ergehen. Das ist hier ohne Zweifel der Fall.

Bei der Vollmacht, auf die sich ***Dr.RA*** im Antrag auf Zustellung des Haftungsbescheides berief, handelt es sich deshalb augenscheinlich nicht um eine wirksame Zustellvollmacht. Die Zustellung dieses Bescheides an ihn erfolgte zu Unrecht und blieb unwirksam. Da hier feststeht, dass der "Haftungsbescheid" auch nicht im Original an den Bf. weitergegeben wurde, scheidet zudem eine Heilung gem. § 7 ZustellG aus. Im Übrigen darf auf die Begründung in verweisen werden.

Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter sind gem. § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückzuweisen. Das gilt insbesondere für Bescheidbeschwerden gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (Ritz/Koran, BAO7, § 260 Tz 8 unter Hinweis auf ; , 93/17/0318; ).

Obliegt die Entscheidung über Beschwerden dem Senat, so können die dem Verwaltungsgericht gemäß § 269 BAO eingeräumten Rechte zunächst vom Berichterstatter ausgeübt werden. Diesem obliegt - wie hier - auch die Zurückweisung (§ 260 BAO) einer Beschwerde (§ 272 Abs. 4 BAO). Gemäß § 274 Abs. 3 Z 1 iVm Abs. 5 BAO kann im Falle einer solchen Zurückweisung von einer beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Das liegt im Ermessen und ist verfahrensökonomisch zweckmäßig. Eine Unbilligkeit des Absehens von der mündlichen Verhandlung ist nicht erkennbar. Daher wird das Ermessen dahingehend geübt, dass von der mündlichen Verhandlung abgesehen wird.

Damit war spruchgemäß zu entscheiden.

§ 103 Abs. 1 BAO sieht vor, dass im Einhebungsverfahren ergehende Erledigungen aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung wirksam dem Vollmachtgeber unmittelbar zugestellt werden können. Davon macht das Bundesfinanzgericht hier Gebrauch, um Zustellproblemen wie in den Vorverfahren aus dem Weg zu gehen. Gründe, die diese Vorgangsweise unbillig erscheinen lassen, sind nicht aktenkundig. Weitere Auslassungen über in diesem Verfahren möglicherweise existierende Zustellvollmachten sind damit entbehrlich.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt, nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.

Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 103 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100261.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at