Nichtvorlage von Gleichbehandlungsnachweisen, Nichtaufgliederung von Nebengebühren im Haftungsbescheid, Ermessen wegen langem Zeitabstand
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch A, B sowie die fachkundigen Laienrichter C und D in der Beschwerdesache des NN, ***Bf1-Adr*** vertreten durch V, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes 4/5/10 (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , Abgabenkontonummer x, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Vertreterin V, des Vertreters des Finanzamtes Österreich, V, sowie der Schriftführerin S abgehaltenen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Der Beschwerdeführer wird gemäß § 9 BAO zur Haftung für folgende Abgaben der X.GmbH herangezogen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe | Betrag laut Haftungsbescheid | Betrag neu | Ermessen 50% |
Umsatzsteuer 04/2009 | 7.668,85 | 7.668,85 | 3.834,43 |
Umsatzsteuer 12/2009 | 20.390,01 | 16.877,42 | 8.438,71 |
Umsatzsteuer 02/2010 | 4.134,45 | 3.422,21 | 1.711,11 |
Umsatzsteuer 03/2010 | 15.166,66 | 12.553,90 | 6.276,95 |
Umsatzsteuer 04/2010 | 12.714,65 | 10.524,30 | 5.262,15 |
Umsatzsteuer 06/2010 | 19.896,71 | 16.469,10 | 8.234,55 |
Körperschaftsteuer 2007 | 1.439,64 | 1.191,63 | 595,82 |
Körperschaftsteuer 01-03/2010 | 437,00 | 361,72 | 180,86 |
Körperschaftsteuer 04-06/2010 | 437,00 | 361,72 | 180,86 |
Lohnsteuer 12/2009 | 2.375,55 | 1.966,31 | 983,16 |
Lohnsteuer 04/2010 | 4.587,80 | 3.797,46 | 1.898,73 |
Dienstgeberbeitrag 04/2010 | 2.167,62 | 1.794,20 | 897,10 |
Zuschlag zum DB 04/2010 | 192,68 | 159,49 | 79,75 |
Lohnsteuer 08/2010 | 3.345,85 | 2.769,46 | 1.384,73 |
Dienstgeberbeitrag 08/2010 | 2.778,38 | 2.570,30 | 1.285,15 |
Zuschlag zum DB 08/2010 | 246,97 | 204.42 | 102,21 |
Verspätungszuschlag 11/2008 | 1.206,23 | 998,43 | 499,22 |
Verspätungszuschlag 10/2009 | 560,52 | 463,96 | 231,98 |
Verspätungszuschlag 11/2009 | 745,48 | 617,06 | 308,53 |
Verspätungszuschlag 02/2010 | 307,40 | 254,44 | 127,22 |
Stundungszinsen 2009 | 1.093,52 | 1.050,26 | 525,13 |
gesamt | 43.038,35 |
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) vertrat die X.GmbH seit ihrer Errichtung im Jahr 2006 bis Datum 1 als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer (Auszug Firmenbuch x).
Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum2, wurde über die X.GmbH ein Sanierungsverfahren eröffnet. Nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplanes (Quote 20%) wurde das Sanierungsverfahren mit dem Beschluss des Gerichtes vom Datum3 aufgehoben.
Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum4, wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum5 wurde der Konkurs nach der Schlussverteilung (Quote 2,62%) aufgehoben.
Die Gesellschaft wurde am Datum6 gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht (Auszug Firmenbuch x).
Mit dem Vorhalt des Finanzamtes vom wurde der Bf. in Kenntnis gesetzt, dass auf dem Abgabenkonto der X.GmbH im beigelegten Rückstandsausweis einzeln aufgelistete Abgabenrückstände in der Höhe von insgesamt 110.629,20 € unberichtigt aushaften, deren Einbringung bisher vergeblich versucht worden sei.
Der Bf. wurde ersucht bekannt zu geben, ob Mittel zur Verfügung standen, die die Entrichtung des Abgabenrückstandes ermöglicht hätten, und ob in dem Zeitraum, in dem der Bf. als Geschäftsführer für die Bezahlung der Abgaben verantwortlich war, Zahlungen an andere Gläubiger (Lieferanten, Löhne, Krankenkasse, etc.) geleistet wurden.
Da dieser Vorhalt unbeantwortet blieb, wurde der Bf. mit dem hier angefochtenen Bescheid vom für die aushaftenden, einzeln aufgelisteten Abgabenschuldigkeiten der X.GmbH im Ausmaß von 110.192,20 € in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.
Begründend wurde ausgeführt, der Bf. sei seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Durch das pflichtwidrige Verhalten des Bf. sei die Uneinbringlichkeit der Abgaben eingetreten.
In der gegen diesen Bescheid von der Rechtsvertreterin des Bf. eingebrachten Beschwerde vom wurde ausgeführt:
Der angefochtene Bescheid wird sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bekämpft, da dieser u.a. mit Rechtswidrigkeit behaftet ist.
Richtig ist, dass mein Mandant als Geschäftsführer der X.GmbH (in Folge Schuldnerin) tätig war.
Der Geschäftsführer haftet bei schuldhafter Verletzung der meinem Mandanten als Vertreter der Schuldnerin auferlegten Pflichten; dies ist laut Rechtsprechung des VwGH nur dann als erfüllt anzusehen, wenn der Vertreter bei oder nach Fälligkeit der Verbindlichkeiten Mittel für die Bezahlung - gegebenenfalls nach gleichmäßiger Aufteilung der Zahlungsmittel auf alle Verbindlichkeiten - zur Verfügung hatte und er nicht für die Abgabentilgung - wenn auch nur anteilig - Sorge getragen hat.
Der Vertreter darf Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen aus dem von ihm verwalteten Vermögen zu begleichenden Schulden ().
Die Schuldnerin war im Baubereich tätig. Laut den Informationen meines Mandanten hat die X.GmbH neben den laufenden Zahlungen auch aus den Projekten und Verkäufen von fertiggestellten Immobilien an das damals zuständige FA namhafte Beträge bezahlt (bsp. am EUR 30.000,00 und am EUR 32.593,72). Meinem Mandanten ist daher kein Verschulden zur Last zu legen, da er seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen im Umfang der Möglichkeiten der Schuldnerin nachgekommen ist.
Ob die genannten Zahlungen bei den laut FA offenen Abgaben berücksichtigt wurden, ist aufgrund des erlassenen Bescheides nicht feststellbar, zumal auch die im gegenständlichen Haftungsbescheid genannten Beträge nicht nachvollzogen werden können, da diese nicht mit jenen im Konkurs der X.GmbH angemeldeten Forderungen übereinstimmen.
Hinzukommt, dass aufgrund von nicht einbringlich machbaren (ebenfalls namhaften) Forderungen gegen die Y.GmbH - für die die X.GmbH arbeitete, die Vorsteuer berichtigt werden hätte müssen, welches jedoch vom damaligen Insolvenzverwalter der X.GmbH offenbar nicht mehr vorgenommen wurde.
Wie dem offenen Firmenbuch entnehmbar wurde über das Vermögen der Y.GmbH, FN y, das Konkursverfahren am LG Eisenstadt am Datum7 eröffnet. Es wurde lediglich eine Quote von 0,853223% ausgeschüttet. Der überwiegende Teil, der im Haftungsbescheid genannten Umsatzsteuern der Jahre 2009 und 2010 betrifft die nicht mehr einbringlich machbare Forderung gegen die Y.GmbH und müsste daher der "Grundlagenbescheid" bereits entsprechen berichtigt werden. Hiermit wird gleichzeitig Beschwerde gegen die den folgenden Abgaben zu Grunde liegender Bescheide:
U 04/2009, U 12/2009, U 02/2010, U 04/2010, U 06/2010
geltend gemacht, die auf null zu ändern bzw. ersatzlos zu beheben sind.
Festzuhalten ist weiters, dass im Konkursverfahren eine Sanierungsplanquote von 15 % ausbezahlt wurde. Eine bei der Schlussverteilung zu berücksichtigende Quote ist auf den Haftungsbetrag anzurechnen (u.a. ). Ob diese bei den Abgaben laut Haftungsbescheid berücksichtigt wurde, ist ebenfalls nicht bekannt und nicht nachvollziehbar.
Hinsichtlich der Nebenansprüche wird festgehalten, dass entsprechende Bescheide laut Information meines Mandanten nicht zugestellt wurden bzw. die Ausführungen im Bescheid zu dieser Haftungsinanspruchnahme bzw. in Kenntnissetzung der Abgabenfestsetzung nach ständiger Rechtsprechung des VwGH zu rudimentär und daher mit Rechtswidrigkeit behaftet ist.
Schließlich ist noch folgendes auszuführen:
Die Heranziehung zur Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen ist. Bei der Ermessensübung hat das FA unter anderem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Haftungspflichtigen sowie die Quotenzahlung im vorangegangenen Insolvenzverfahren zu berücksichtigen (vgl. etwa Ritz, BAO, § 7, TZ 5 ff sowie § 9 Tz 28).
Die Entscheidung nimmt aber weder auf die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse meines Mandanten Rücksicht, obwohl der Abgabenbehörde bekannt ist, dass mein Mandant über kein Vermögen verfügt (und lediglich ein Geschäftsführergehalt von EUR 2.000,-- netto bezieht), noch ist dem Bescheid zu entnehmen, in welcher Höhe die im Konkurs der Schuldnerin ausgezahlte Konkursquote bzw. Sanierungsplanquote angerechnet wurde.
Insbesondere ist auch langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits nicht beachtet worden, dies ist jedoch ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen hätte dürfen (siehe ).
Ermessensentscheidungen sind von der Behörde insoweit zu begründen, als dies die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn desGesetzes erfordert. Die Begründung des Bescheides hat die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen so weit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeitdes Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzeserforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , ZI. 2001/14/0083, mwN). Diesbezüglich sind keinerlei Erwägungen erfolgt.
Der gesamte Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit behaftet und ersatzlos zu beheben.
In eventu wird ausgeführt:
Gegenständlich betreffen die Abgaben den Zeitraum 2009 bis 2010. Die Abgaben für 2007und 2008 sind für meinen Mandanten nicht nachvollziehbar. Bereits am war dasKonkursverfahren eröffnet worden. Die Inanspruchnahme meines Mandanten erfolgt erst 7 Jahre später (bzw. 11 Jahre nach Entstehen der Abgabenschuld, falls die Bescheide für2007 und 2008 tatsächlichzugestellt wurden, welches bestritten wird).
Liegen keine besonderen Umstände vor, die eine so späte Inanspruchnahme des ehemaligenGeschäftsführers zur Haftung rechtfertigen können, ist die Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts lange verstrichener Zeit geradezu evident.
Bereits dem Erkenntnis des lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Haftungsbescheid (nur) 2,5 Jahre später erlassen wurde und die Reduzierung der Haftungsbeträge um 40 % als angemessen erachtet wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof (siehe auch die Ausführungen des BFG zu RV/7100467/2016)erachtet eine Haftungsreduktion in einem ähnlichwie im gegenständlichen Fall gelagertenSachverhalt im Ausmaß von 75% als angemessen, sodass sich die Haftung für die Abgaben wie folgt darstellen hätten müssen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart | Zeitraum | Betrag in Euro lt Bescheid | abzgl. 75 % |
U | Apr.09 | € 7.668,85 | € 1.917,21 |
U | Dez.09 | € 20.390,01 | € 5.097,50 |
U | Feb.10 | € 4.134,45 | € 1.033,61 |
U | Mär.10 | € 15.166,66 | € 3.791,67 |
U | Apr.10 | € 12.714,65 | € 3.178,66 |
U | Jun.10 | € 19.896,71 | € 4.974,18 |
L | 2008 | € 352,32 | € 88,08 |
L | Dez.09 | € 2.375,55 | € 593,89 |
L | Aug.10 | € 3.345,85 | € 836,46 |
K | 2007 | € 1.439,64 | € 359,91 |
K | 01 bis 03.2010 | € 437,00 | € 109,25 |
K | 04 bis 06.2010 | € 437,00 | € 109,25 |
DB | 2007 | € 21,11 | € 5,28 |
DB | 2008 | € 132,50 | € 33,13 |
DB | Apr.10 | € 2.167,62 | € 541,91 |
DB | Aug.10 | € 2.778,38 | € 694,60 |
DZ | 2007 | € 1,97 | € 0,49 |
DZ | 2008 | € 12,37 | € 3,09 |
DZ | Apr.10 | € 192,68 | € 48,17 |
DZ | Aug.10 | € 246,97 | € 61,74 |
L | Apr.10 | € 4.587,80 | € 1.146,95 |
€ 98.500,09 | € 24.625,02 |
Beantragt wurde die ersatzlose Behebung des bekämpften Haftungsbescheides, in eventu die Abänderung des Bescheides entsprechend der Ausführungen (Einschränkung der Haftungssumme auf 24.625,02 €).
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Die Haftung nach § 9 BAO sei eine Ausfallshaftung und betreffe auch die im Insolvenzverfahren nicht durch Quotenzahlung abgedeckten Konkursforderungen.
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei nur bestätigt worden, dass die Primärschuldnerin zahlungsunfähig gewesen sei. Der Bf. habe damit den ihm auferlegten Nachweis der Gleichbehandlung der Verbindlichkeiten nicht erbracht.
Die Behauptung der völligen Unkenntnis der haftungsgegenständlichen Abgaben sei nicht schuldbefreiend, weil die Bescheide im Haftungszeitraum den steuerlichen Vertretern des Bf. zugekommen seien.
Im Schriftsatz vom beantragte die Vertreterin des Bf. die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen und verwies auf das Vorbringen in der Beschwerde, mit dem sich das Finanzamt nicht auseinandergesetzt habe.
Ebenso wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch einen Senat beantragt.
In der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung führte die Vertreterin des Bf. aus, dieser sei Geschäftsführer der Z.GmbH gewesen, über die vor dem LG Korneuburg Ende 2022 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Die Bank, die der Z.GmbH Kredit gewährt hat, habe gegen den Bf. aus dem Titel Schadenersatz eine Klage über 400.000 € eingebracht. Derzeit sei der Bf. arbeitslos.
Im Ausgleichsverfahren der X.GmbH habe der Finanzplan nicht eingehalten werden können, von der angebotenen Ausgleichsquote in der Höhe von 20% wurden lediglich drei Teilbeträge zu je 5% entrichtet.
Der Vertreter des Finanzamtes führte aus, die Konkursquote der X.GmbH habe 2,43 % betragen; nach dem Konkursverfahren seien dem Finanzamt insgesamt 2,62 % der angemeldeten Forderungen überwiesen worden.
Zu den aus einer Lohnsteuerprüfung resultierenden Lohnabgaben 2007 und 2008 gab der Vertreter des Finanzamtes bekannt, dass im Jahr 2009 eine Lohnsteuerprüfung über die Jahre 2006 bis 2008 stattgefunden habe. Die im Haftungsbescheid angeführten Lohnabgaben 2007 und 2008 resultieren aus der Festsetzung der Lohnabgaben gegenüber der GmbH.
Zur Umsatzsteuer im Haftungsbescheid führte die Vertreterin des Bf. aus, dass die X.GmbH vor allem Leistungen für die Y.GmbH erbracht hat, über die im Jahr 2011 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Ein Großteil der Entgelte der X.GmbH wurde damit uneinbringlich. Ob die Umsatzsteuer korrigiert wurde, kann seitens der Vertreterin nicht festgestellt werden, da keine Unterlagen vorliegen.
Der Bf. führte aus, die X.GmbH sei im Besitz einer Liegenschaft in L gewesen. An dieser Liegenschaft sei das Finanzamt im Grundbuch an zweiter Stelle als Gläubiger mit 100.000 € gereiht gewesen. Im Zuge des Verkaufs der GmbH habe der Bf. auch die Liegenschaft mitverkauft, die der nachfolgende Geschäftsführer G zur Abdeckung der Verbindlichkeiten veräußert habe. Die Einnahmen aus dem Hausverkauf betrugen ca. 250.000 €. Da das Finanzamt aber nach der Entrichtung einer Barzahlung von 30.000 € im August 2010 aus dem Grundbuch wieder ausgeschieden sei, sei dem Finanzamt vom Kaufpreis nichts überwiesen worden. Dies sei sein Nachteil, weil der Haftungsbetrag andernfalls niedriger gewesen wäre.
Zur Ermessensentscheidung verwies die Vertreterin des Bf. auf dessen derzeitige prekäre wirtschaftliche Verhältnisse. Auf diese und den langen Zeitraum sei Bedacht zu nehmen. Beantragt wurde die Stattgabe der Beschwerde.
Der Vertreter des Finanzamtes gestand zu, dass der Zeitraum zwischen dem Ausgleichsverfahren und dem Haftungsvorhalt von vier Jahren bei der Ermessensentscheidung Berücksichtigung zu finden habe und beantragte, der Beschwerde insoweit teilweise stattzugeben.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Vertreterstellung
Nach der Aktenlage war der Bf. vom Datum8 bis Datum 1 Gesellschafter und alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der X.GmbH (Auszug aus dem Firmenbuch x).
Zu den Pflichten des Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft in jenem Zeitraum, in welchem er die Vertreterstellung innehatte, gehörten daher nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).
Uneinbringlichkeit der Abgaben
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus. Die Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (siehe mit Verweis auf Vorjudikatur).
Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin am Datum6 gemäß § 40 FBG von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht wurde (Auszug aus dem Firmenbuch x), weshalb eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten, soweit sie die im Konkursverfahren ausbezahlte Quote übersteigen, bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ausgeschlossen ist.
Höhe der Abgaben
Im Ausgleichsverfahren der X.GmbH wurde der Finanzplan nicht eingehalten. Von der angebotenen Ausgleichsquote in der Höhe von 20% wurden lediglich drei Teilbeträge zu je 5% entrichtet.
Dem Einwand in der Beschwerde, die Sanierungsplanquote von 15% sei bei den Haftungsbeträgen nicht berücksichtigt worden, kommt Berechtigung zu. Nach der Aktenlage wurde die im Zuge des Sanierungsverfahrens bezahlte Quote von 15% bei der Haftungsinanspruchnahme des Bf. nicht berücksichtigt.
Dass die Haftungsbeträge nicht mit den im Konkurs angemeldeten Forderungen übereinstimmen, erklärt sich daraus, dass das Finanzamt die Ausgleichsquote nicht anteilig auf alle angemeldeten Forderungen, sondern auf die ältesten aushaftenden Verbindlichkeiten verrechnet hat. So wurde u.a. der ursprüngliche Betrag der Umsatzsteuer 04/2009 von ursprünglich 26.547,67 € durch die Verrechnung mit den einbezahlten Quoten auf 7.668,85 € vermindert.
Da die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben auch durch den Haftungspflichtigen gemäß § 156 Abs. 1 IO nur in Höhe der Sanierungsplanquote erfolgen kann, wurde bei der Berechnung der Haftungsbeträge (ausgenommen der Umsatzsteuer 04/2009) die Quote nunmehr berücksichtigt.
Ebenso zu berücksichtigen ist die an das Finanzamt überwiesene Konkursquote von 2,62 % (wieder ausgenommen die Umsatzsteuer 04/2009, da die Konkursquote zur Gänze mit dieser Abgabe verrechnet wurde).
Einwendungen gegen die Höhe der Nebenansprüche
Gemäß § 7 Abs. 2 BAO erstrecken sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche (Säumniszuschläge).
Zu den Nebenansprüchen gehören gemäß § 3 Abs. 2 lit. d BAO insbesondere die die Stundungs- und Aussetzungszinsen, der Säumniszuschlag und die Kosten (Gebühren und Auslagenersätze) des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens, worunter gemäß § 26 AbgEO insbesondere Pfändungsgebühren und die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen (somit auch Postgebühren) fallen.
Im Spruch des Haftungsbescheides ist eine genaue Aufgliederung der Haftungssumme nach Abgabenart und Zeitraum vorzunehmen. Die Zusammenfassung gleicher Abgaben verschiedener Zeiträume ist nicht zulässig.
Eine Aufgliederung der im Haftungsbescheid angeführten Säumniszuschläge sowie der Einhebungsgebühren erfolgte nicht. Die Beträge der Abgaben sind nicht nachvollziehbar. Den Einwendungen gegen die in Haftung gezogenen Nebengebühren wird daher teilweise Rechnung getragen und die folgenden Nebengebühren aus dem Haftungsbetrag ausgeschieden: Pfändungsgebühr 2010 3.003,31 €, Barauslagenersatz 2010 8,50 € und Säumniszuschläge 1, 2 und 3 für 2008, 2009 und 2010 in der Höhe von 263,79 €, 482,49 €, 2.285,82 €, 119,28 €, 70,06 €, 797,51 €, 265,48 € und 482,72 €.
Nach der übereinstimmenden Aussage der Vertreterin des Bf. und des Vertreters des Finanzamtes lagen dem angefochtenen Haftungsbescheid die Körperschaftssteuerbescheide 2007 und 2010 und der Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages vom über 307,40 € bei.
Dem Haftungsbescheid nicht beigelegt wurden die Bescheide über die Festsetzung der Verspätungszuschläge 11/2008 vom , 10 und 11/2009 vom sowie der Bescheid über die Festsetzung von Stundungszinsen 2009 vom .
In der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid wurde vorgebracht, dass die Festsetzung der Nebengebühren vom Bf. nicht nachvollzogen werden könne. In der mündlichen Verhandlung präzisierte die Vertreterin des Bf. dieses Vorbringen insoweit, als keinerlei Unterlagen der Primärschuldnerin für den Haftungszeitraum vorhanden seien.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dann, wenn gegen die Primärschuldnerin noch kein Bescheid ergangen ist, sicherzustellen, dass dem in Anspruch genommenen Haftungspflichtigen, wenn schon nicht vom Bescheid über den Abgabenanspruch, so doch von den Voraussetzungen, Inhalten und Gründen, die ein Bescheid über den Abgabenanspruch hätte, Kenntnis verschafft wird (, mwN).
Im vorliegenden Fall wurden die angeführten Nebengebührenbescheide der Primärschuldnerin zugestellt; der Bf. war im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide der einzige Geschäftsführer der X.GmbH und hat daher von diesen Kenntnis erlangt. Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme des Bf. für diese Abgaben war daher nicht, ihm neuerlich durch Beilegung der entsprechenden Abgabenbescheide Kenntnis über den Abgabenanspruch zu verschaffen.
Dem Vertreter obliegt es im Übrigen auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen (, ). Im Haftungsverfahren kann daher nicht mit Erfolg eingewendet werden, die Unterlagen seien nicht mehr vorhanden, weil diese spätesten bei Erkennen der Zahlungspflicht vom Geschäftsführer zu sichern sind.
Die Haftungsinanspruchnahme für die Verspätungszuschläge 11/2008, 10 und 11/2009 und die Stundungszinsen 2009 bleibt daher aufrecht.
Einwendungen gegen die Lohnabgaben 2007 und 2008
Zu den aus einer Lohnsteuerprüfung resultierenden Lohnabgaben 2007 und 2008 gab der Vertreter des Finanzamtes im Zuge der mündlichen Verhandlung bekannt, dass im Jahr 2009 eine Lohnsteuerprüfung über die Jahre 2006 bis 2008 stattgefunden habe. Die im Haftungsbescheid angeführten Lohnabgaben 2007 und 2008 resultieren aus der Festsetzung der Lohnabgaben gegenüber der GmbH.
Die Abzugssteuerhaftungsbescheide wurden dem Haftungsbescheid nicht beigelegt. Eine Aufgliederung der Lohnabgaben auf die einzelnen Vorauszahlungszeiträume ist nicht erfolgt. Der Prüfbericht aus dem Jahr 2009 liegt nicht vor, weshalb eine Aufgliederung der Lohnabgaben auch auf diesem Weg nicht erfolgen kann.
Den Einwendungen gegen die in Haftung gezogenen Lohnabgaben 2007 und 2008 wird daher Rechnung getragen und die folgenden Abgaben aus dem Haftungsbetrag ausgeschieden: Lohnsteuer 2008 352,32 €, Dienstgeberbeitrag 2007 21,11 €, Dienstgeberbeitrag 2008 132,50 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2007 1,97 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2008 12,37 €.
Einwendungen gegen die Umsatzsteuer 04/2009, 12/2009, 02 bis 04/2009 und 06/2010
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob (und in welchem Umfang) ein Abgabenanspruch gegeben ist, nur dann als Vorfrage eigenständig im Haftungsverfahren nach § 9 BAO zu beantworten, wenn kein eine Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid vorangegangen ist (z.B. mwN). Geht einem Haftungsbescheid hingegen kein Abgabenbescheid voran, so ist die Frage, ob und in welchem Ausmaß ein Abgabenanspruch gegeben ist, als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden ().
Die im Haftungsbescheid angeführten Umsatzsteuern wurden dem Finanzamt von der Gesellschaft mittels Umsatzsteuervoranmeldungen bekannt gegeben. Eine bescheidmäßige Festsetzung der einzelnen Abgaben erfolgte nach der Aktenlage nicht.
Der Bf. bringt vor, dass aufgrund von nicht einbringlichen Forderungen ("der überwiegende Teil der im Haftungsbescheid genannten Umsatzsteuern der Jahre 2009 und 2010) gegenüber der Y.GmbH, über die am Datum7 das Konkursverfahren eröffnet wurde, die Vorsteuer hätte berichtigt werden müssen, was vom damaligen Insolvenzverwalter der X.GmbH "offenbar nicht mehr vorgenommen wurde". Die Umsatzsteuern seien auf "null zu ändern bzw. ersatzlos zu beheben".
Dazu ist auszuführen:
Hat sich gemäß § 16 Abs. 1 UStG 1994 die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so haben
1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und
2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist.
Der Zeitpunkt der Berichtigung ergibt sich aus § 16 Abs. 1 letzter Satz UStG. Die Vorschrift ordnet allgemein die ex nunc-Wirkung der Berichtigung an: eine Berichtigung der Umsatzsteuer auf Grund der Uneinbringlichkeit des Entgelts ist in dem Veranlagungszeitraum bzw. Voranmeldungszeitraum vorzunehmen, in dem die Uneinbringlichkeit eingetreten ist.
Über die Y.GmbH wurde mit dem Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom Datum7 das Konkursverfahren eröffnet. Die Vertreterin des Bf. brachte in der mündlichen Verhandlung vor, die Forderungen der X.GmbH seien dadurch uneinbringlich geworden. Hinweise, dass die Uneinbringlichkeit des Entgeltes bereits bei der Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen des Jahres 2009 und 2010 vorgelegen sind, wurden nicht vorgebracht.
Die gemeldeten Umsatzsteuern wären daher von der X.GmbH zu ihren jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten zu entrichten gewesen. Abgabenrechtliche Pflichten werden nicht erfüllt, wenn Abgaben, die zu entrichten gewesen wären, nicht entrichtet worden sind (vgl. ).
Eine (rückwirkende) Berichtigung der gemeldeten Umsatzsteuer im gegenständlichen Haftungsverfahren ist aufgrund der gesetzlich angeordneten ex-nunc Wirkung der Berichtigung nicht möglich.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nicht nur die erklärungsgemäße Veranlagung der Umsatzsteuer 2010 (Bescheid vom ) zu einem Guthaben von etwa 10.700 € führte, sondern auch die Umsatzsteuer 02/2011 antragsgemäß mit 46.338,84 € festgesetzt wurde (Berufungsvorentscheidung vom ), aus deren Verbuchung sich eine Abgabengutschrift in der Höhe von etwa 10.900 € ergab. Das Vorbringen, es seien keine Berichtigungen gemäß § 16 UStG 1994 vorgenommen worden wären, ist daher nach der Aktenlage nicht verifizierbar.
Die Höhe der von der Gesellschaft gemeldeten, in den Haftungsbescheid übernommenen Selbstberechnungsabgaben wurde vom Bf. nicht bestritten.
Beweislastumkehr
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters einer GmbH gehört insbesondere, dafür zu sorgen, dass die Abgaben im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit entrichtet werden.
Im Haftungsverfahren ist es Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (, , mwN).
Schuldhafte Pflichtverletzung
Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern - was sich aus dem Wort "insoweit" in § 9 BAO eindeutig ergibt - nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der (schuldhaften) Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht. Reichten somit die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, so erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (VwGH vS , 96/15/0049).
Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung bezieht sich auch auf Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind, eine Privilegierung von Gläubigern kann auch in der Barzahlung von Wirtschaftsgütern (Zug-um-Zug-Geschäfte) bestehen ().
Die Liquiditätsrechnung muss die in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben der GmbH zur Verfügung gestandenen Mittel, ihre offenen Verbindlichkeiten und die von ihr geleisteten Zahlungen enthalten ().
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lastet auf dem Vertreter auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (vgl. z.B. ).
Der Bf. wurde mit dem Vorhalt vom aufgefordert, bekannt zu geben, ob ihm Mittel zur Entrichtung von Abgaben zur Verfügung standen und ob bzw. welche anderen Verbindlichkeiten (etwa Lieferanten, Material, Löhne, Krankenkasse, Betriebskosten, etc.) entrichtet wurden. Dem Vorhalt wurde ein Rückstandsweis über die vollstreckbaren Abgabenschulden der GmbH beigelegt. Der Vorhalt blieb unbeantwortet.
In der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid wurde von der Vertreterin des Bf. vorgebracht, diesem könne keine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden, weil die GmbH nach ihren finanziellen Möglichkeiten an das Finanzamt namhafte Beträge (30.000 € am und 32.593,72 € am ) bezahlt habe.
Nach der Aktenlage wurde am auf das Abgabenkonto der X.GmbH eine Saldozahlung in der Höhe von 30.000 € geleistet (aushaftende Abgabenverbindlichkeiten zu diesem Zeitpunkt laut Buchungsabfrage: 198.867,42 €).
Die Entrichtung des Betrages von 32.593,72 € am ist hingegen nicht aktenkundig. Am , also zu einem Zeitpunkt, in dem der Bf. nicht mehr Geschäftsführer der X.GmbH war, wurde bei einem Gesamtsaldo von 242.676,56 € wiederum eine Saldozahlung von 30.000 € auf das Abgabenkonto der Gesellschaft einbezahlt.
Aus der Buchungsabfrage des Abgabenkontos ist ersichtlich, dass während der Geschäftsführertätigkeit des Bf. am Abgabenkonto in unregelmäßigen Abständen Saldozahlungen geleistet wurden, die jedoch ein stetiges Anwachsen des Rückstandes nicht verhindert haben (z.B. 3.000 € am , 3.000 € am , 13.132,65 € am , 4.000 € am , 4.000 € am ).
Hinsichtlich des Vorbringens, es sei laut Haftungsbescheid nicht feststellbar, ob die Zahlungen bei den offenen Abgaben berücksichtigt wurden, ist auf die allgemeinen Verrechnungsvorschriften gemäß §§ 213 ff. BAO zu verweisen. Demnach ist die Gebarung (Lastschriften, Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlass entstandenen Gutschriften) für wiederkehrend zu erhebende Abgaben und den zu diesen Abgaben zu erhebenden Nebenansprüchen für jeden Abgabepflichtigen in laufender Rechnung zusammengefasst zu verbuchen (§ 213 Abs. 1 BAO).
Gemäß § 214 Abs. 1 BAO sind Zahlungen und sonstige Gutschriften in den Fällen einer zusammengefassten Verbuchung der Gebarung auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen; an die Stelle des Fälligkeitstages hat der davon abweichende zuletzt maßgebliche gesetzlich zustehende oder durch Bescheid zuerkannte Zahlungstermin zu treten. Haben mehrere Abgabenschuldigkeiten denselben Fälligkeitstag oder denselben davon abweichenden Zahlungstermin und reicht ein zu verrechnender Betrag zur Tilgung aller gleichzeitig zu entrichtenden Abgabenschuldigkeiten nicht aus, so hat die Verrechnung bei demselben Zahlungstermin auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten und bei demselben Fälligkeitstag auf die früher verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu erfolgen. Die Verbuchung von Abgabenschuldigkeiten ist ohne unnötigen Aufschub und in einer von sachlichen Gesichtspunkten bestimmten Reihenfolge vorzunehmen.
Der am einbezahlte Betrag in der Höhe von 30.000 € wurde daher wie alle anderen Saldozahlungen gemäß § 214 BAO auf die ältesten Abgabenrückstände verrechnet.
Wie bereits ausgeführt, darf der Vertreter der Gesellschaft Abgabenschulden bei der Entrichtung nicht schlechter behandeln als andere Schulden (Gleichbehandlungsgrundsatz, ).
Dass die vorhandenen Mittel - solche muss es bei laufendem Geschäftsbetrieb gegeben haben - anteilig auch zur Befriedigung der Abgabenverbindlichkeiten verwendet wurden, ist aus unregelmäßig eingehenden Saldozahlungen am Abgabenkonto nicht ableitbar. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Jedenfalls erfordert der Nachweis eine detaillierte rechnerische Darstellung; der allgemein gehaltene Hinweis auf "namhafte an das zuständige Finanzamt gezahlte Beträge" genügt nicht.
Dass der Gesellschaft im Haftungszeitraum keine liquiden Mittel zur Verfügung standen, (etwa keine Löhne ausbezahlt, keine zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlichen Zahlungen geleistet wurden), wurde in der Beschwerde nicht vorgebracht. Waren demnach im Haftungszeitraum oder danach liquide Mittel vorhanden, hätte der Bf. darlegen müssen, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre.
In der mündlichen Verhandlung wurde ausgeführt, dass Gleichbehandlungsnachweise nicht erstellt werden können, weil die entsprechenden Aktenunterlagen nicht vorhanden sind. Der Bf. ist daher auch seiner Beweisvorsorgepflicht - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - nicht nachgekommen (siehe dazu ).
Da somit ein Nachweis seitens des Bf., dass die Abgabenverbindlichkeiten nicht schlechter behandelt wurden als die übrigen Verbindlichkeiten, nicht erbracht wurde, konnte das Finanzamt zu Recht von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bf. ausgehen. Nach der Rechtsprechung des VwGH haftet der Geschäftsführer in diesem Fall für die in Haftung gezogenen Abgaben zur Gänze ( mwN).
Die Ausführungen des Bf., aus dem Verkauf der Liegenschaft in L durch den nachfolgenden Geschäftsführer habe das Finanzamt keinen Anteil bekommen, weil es nach einer Einmalzahlung im August 2010 die Eintragung eines Pfandrechtes im Grundbuch wieder habe löschen lassen, ist einerseits nicht nachvollziehbar, weil, wie bereits oben ausgeführt, am , somit vier Monate nach der Bestellung des G zum Geschäftsführer, an das Finanzamt eine (weitere) Saldozahlung in der Höhe von 30.000 € überwiesen wurde, andererseits kann die von Zufälligkeiten abhängige (Nicht-) Abdeckung alter Verbindlichkeiten die schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben nicht exkulpieren.
Lohnsteuer 12/2009, 04/2010 und 08/2010
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (siehe , und die dort zitierte Vorjudikatur).
Nach der ständigen Rechtsprechung ist daher die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer jedenfalls einzubehalten und spätestens am Fälligkeitstag in voller Höhe zu entrichten. Jede vom Geschäftsführer vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stellt eine schuldhafte Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Abfuhr der darauf entfallenden Lohnsteuer ausreichen und auch abgeführt werden.
Die Auszahlung der Löhne und die Höhe der von der Gesellschaft gemeldeten Lohnabgaben wurde im Haftungsverfahren nicht bestritten.
Kausalität
Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtungen aus den Mittel der Gesellschaft Sorge zu tragen, so hat die Abgabenbehörde auch davonausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war (, , mwN).
Ermessen
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.
Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ein wesentliches Ermessenskriterium ist. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung zu § 9 BAO die Ansicht, dass den wirtschaftlichen Verhältnissen des Haftungsschuldners im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung keine Bedeutung zukommt. Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung ( mit Hinweis auf ). Diese kann auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (z.B. mit zahlreichen weiteren Judikaturnachweisen; ebenso ). Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen steht für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Eine allfällige persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben ist im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ().
Der Verwaltungsgerichtshof unterscheidet damit zwischen der Billigkeit bei der Geltendmachung der Haftung und der Billigkeit (persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit) bei der nachfolgenden Einhebung der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen.
Die Geltendmachung der Haftung ist eine Einhebungsmaßnahme (Ritz, BAO7, § 224 Tz 4), diese bezieht sich aber auf die Einhebung der Abgaben der Primärschuldnerin. Gegenüber dem Haftungsschuldner ist die Heranziehung zur Haftung noch keine Einhebungsmaßnahme, sondern eine Maßnahme, der Festsetzungscharakter zukommt. Gemäß § 7 Abs. 1 BAO wird er erst durch die Geltendmachung der Haftung zum Gesamtschuldner. Daran schließt sich das eigenständige Einhebungsverfahren der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen an.
Daraus folgt, dass eine Unbilligkeit im Zuge der Geltendmachung der Haftung daher nur insofern Berücksichtigung finden kann, als sie nicht in der Einhebung der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen liegt, sondern in der (vollen) Heranziehung zur Haftung läge, etwa weil die Haftung auch gegenüber (weiteren) Geschäftsführern ausgesprochen wurde oder ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits liegt, ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf ().
Im vorliegenden Fall war der Bf. im Haftungszeitraum der einzige handelsrechtliche Geschäftsführer der Gesellschaft, weshalb eine Einbringung der gegenständlichen Abgaben nur bei ihm möglich ist. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme die Einbringlichkeit der angeführten Abgaben erreicht werden und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits zweifellos ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Acht lassen darf ().
Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab ().
Im Erkenntnis Ra 2019/13/0046 hat der VwGH ausgeführt, dass der lange Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld (Haftung für Umsatzsteuer der Jahre 2003 bis 2006) und der Inanspruchnahme zur Haftung (Haftungsvorhalt November 2015) im Zuge der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen ist.
Im vorliegenden Fall wurde der Bf. im Jahr 2018 für Abgaben der Jahre 2009 und 2010 zur Haftung herangezogen, weshalb auch im vorliegenden Fall von einem solchen, im Zuge des Ermessens zu berücksichtigenden langen Zeitabstand auszugehen ist.
Der Senat hält daher eine Kürzung der Haftungsbeträge im Ausmaß von 50% für angemessen. Einer höheren Kürzung bzw. einer gänzlichen Abstandnahme von der Heranziehung des Bf. als Haftungspflichtigen steht die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles von Selbstbemessungsabgaben in beachtlicher Höhe entgegen.
Zur Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Beilagen für die Parteien: Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100623.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at