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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.09.2023, RV/7103687/2022

Geschäftsführerhaftung, Nachweis der Gleichbehandlung wurde nicht angetreten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die durch den damaligen Vertreter ***RA-alt***, eingebrachte Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***xxxx***, nach der am in Abwesenheit des Beschwerdeführers und in Anwesenheit des Amtsbeauftragten ***AB*** und der Schriftführerin ***S*** durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folg kurz Bf. genannt) als Haftungspflichtiger gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***XY*** GmbH, im Ausmaß von 317.203,98 Euro in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Der Haftungsbetrag setzt sich wie folgt zusammen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag [Euro]
Bescheid vom
Umsatzsteuer
2016
228,07
Umsatzsteuer
03/2016
26.041,19
Umsatzsteuer
07/2016
26.673,80
Umsatzsteuer
08/2016
2.098,01
Umsatzsteuer
09/2016
8.393,31
Umsatzsteuer
10/2016
23.083,49
Umsatzsteuer
11/2016
5.305,73
Umsatzsteuer
12/2016
17.986,81
Umsatzsteuer
03/2017
19.732,26
Umsatzsteuer
04/2017
19.717,07
Umsatzsteuer
06/2017
3.659,84
Umsatzsteuer
09/2017
2.889,80
Umsatzsteuer
10/2017
48.846,08
Umsatzsteuer
03/2018
13.282,49
Umsatzsteuer
04/2018
5.585,20
Umsatzsteuer
10/2018
3.081,18
Lohnsteuer
09/2016
7.277,85
Lohnsteuer
12/2016
9.861,54
Lohnsteuer
08/2017
6.634,88
Lohnsteuer
09/2017
10.295,25
Lohnsteuer
10/2017
4.798,29
Lohnsteuer
11/2017
5.204,30
Lohnsteuer
09/2018
1.964,78
Lohnsteuer
10/2018
2.114,18
Lohnsteuer
11/2018
2.737,28
Kammerumlage
04-06/2016
181,57
Kammerumlage
01-03/2017
73, 04
Kammerumlage
04-06/2017
50,25
Kammerumlage
07-09/2018
72,90
Dienstgeberbeitrag
09/2016
1.862,64
Dienstgeberbeitrag
12/2016
3.670,42
Dienstgeberbeitrag
08/2017
1.480,74
Dienstgeberbeitrag
09/2017
2.162,56
Dienstgeberbeitrag
10/2017
1.354,31
Dienstgeberbeitrag
11/2017
1.869,99
Dienstgeberbeitrag
09/2018
875,05
Dienstgeberbeitrag
10/2018
897,54
Dienstgeberbeitrag
11/2018
1.381,50
Zuschlag zum DB
09/2016
165,57
Zuschlag zum DB
12/2016
326,26
Zuschlag zum DB
08/2017
144,46
Zuschlag zum DB
09/2017
210,98
Zuschlag zum DB
10/2017
132,13
Zuschlag zum DB
11/2017
182,44
Zuschlag zum DB
09/2018
89,75
Zuschlag zum DB
10/2018
92,06
Zuschlag zum DB
11/2018
141,69
Pfändungsgebühr
2018
3.070,05
Barauslagenersatz
2018
0,70
Stundungszinsen
2018
4.206,30
Säumniszuschlag 1
2016
3.485,79
, , , , , , ,
Säumniszuschlag 1
2017
4.711,51
, , , , , , , , , , , ,
Säumniszuschlag 1
2018
611,23
,; ,;
Säumniszuschlag 2
2015
107,71
,
Säumniszuschlag 2
2016
1.438,59
, , , , , ,
Säumniszuschlag 2
2017
1.435,84
, , , , ;
Säumniszuschlag 2
2018
222,71
Säumniszuschlag 3
2015
669,09
, ,
Säumniszuschlag 3
2016
1.438,59
, , ,
Säumniszuschlag 3
2017
895,34
, , , , ,
SUMME:
317.203,98

Zur Begründung wurde ausgeführt:

1., Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet würden.

2., Gemäß § 9 Abs. 1 leg.cit. hafteten die in § 80 Abs. 1 leg. cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten.

3., Gemäß § 1298 ABGB obliege dem, der vorgebe, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei, der Beweis.

4., Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergebe sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet hätten werden können.

5., Der Bf. sei von ***Datum1*** bis zur Insolvenzeröffnung unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der GesmbH also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

6., Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für aushaftende Umsatzsteuer sei folgendes festzuhalten:

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 72 habe der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg. cit., selbst zu berechnen habe. Der Unternehmer habe eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für folgende Zeiträume - siehe Haftungsbescheid - sei die Umsatzsteuer gemeldet, festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet worden.

7., In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers sei, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hättten, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe (,0038). Demnach hafte der Geschäftsführer für die nichtentrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

8., Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer sei festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1972 bzw. 1988 der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Es wäre die Pflicht des Bf. gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen.

Der Bf. hingegen habe die Abfuhr der angeführten fälligen Lohnsteuerbeträge unterlassen. Es werde in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 leg. cit. für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen würden, verpflichtet sei, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag, zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken (vgl. Erk. des . ZI. 84/13/0085).

9., Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral seien, sei es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen habe können, dass die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet würden, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. In der Regel werde nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche. Außerdem treffe den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO) die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgabenpflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen habe. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer habe daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem habe er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe (vgl. Erk. des ZI. 84/13/0198; vom , ZI. 85/17/0035 und vom , ZI. 87/14/0148). Da der Bf. seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der o.a. Gesellschaft uneinbringlich seien, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

10., Die vom Haftungspflichtigen ins Treffen geführten Gründe könnten nicht als haftungsbefreiend anerkannt werden, weil dieser im obgenannten Zeitraum als vollverantwortlicher Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen gewesen sei.

11., Letztlich werde auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche erstrecken würden. Ebenso seien Zwangs- u. Ordnungsstrafen im Wege der Geschäftsführerhaftung geltend zu machen.

12., Im Ermittlungsverfahren habe der Bf. bekanntgeben, dass Mittel zur anteilsmäßigen Befriedigung sämtlicher Gläubiger vorhanden gewesen seien. Der Bf. habe jedoch für den relevanten Zeitraum keine oder nur unzureichende Zahlungen für Selbstbemessungsabgaben geleistet. Laut eigenen Angaben habe er während dieser Zeit diverse Gläubiger (Lieferanten, Banken, Löhne, Krankenkassen) teilweise oder zur Gänze befriedigt - ein Gleichbehandlungsnachweis sei bis dato nicht vorgelegt worden. Somit habe der Bf. seine Pflichten gegenüber der Abgabenbehörde verletzt und es habe wie im Spruch entschieden werden müssen.

13., Die Schuldhaftigkeit sei damit zu begründen, dass durch das pflichtwidrige Verhalten des Bf. als Vertreter der Gesellschaft die Uneinbringlichkeit eingetreten sei.

14., Die Vermögenslosigkeit der Firma ***XY*** GesmbH sei daraus ersichtlich, dass das am ***Datum2*** beim Landesgericht ***LG*** eröffnete Konkursverfahren mit Beschluss vom ***Datum3*** nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben worden sei. Die Gesellschaft sei gemäß § 1 AmtsLG aufgelöst.

******

In der dagegen mit Schriftsatz vom form- und fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde ausgeführt:

"Über das Vermögen der Hauptschuldnerin wurde mit Beschluss des LG ***LG*** am ***Datum4*** ein Insolvenzverfahren eröffnet. Die geltend gemachten Lohnabgaben für 11/2018 konnten vom Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin nicht mehr bezahlt werden, da bei Fälligkeit der Abgaben bereits ein Insolvenzeröffnungsantrag gestellt war und eine Zahlung eine anfechtbare Gläubigerbevorzugung dargestellt hätte. Soweit die Fälligkeit von Nebengebühren überhaupt erst nach Insolvenzeröffnung eingetreten ist, kann den Beschwerdeführer überhaupt keine Haftung treffen, da ihm als Geschäftsführer eine Bezahlung nach Insolvenzeröffnung nicht mehr möglich ist.

Zudem hat der Beschwerdeführer ab Erkennen der Zahlungsschwierigkeiten seines Unternehmens im Jahr 2018 sämtliche Gläubiger gleich behandelt. Ein entsprechender Gleichbehandlungsnachweis für das Jahr 2018 wird vom Beschwerdeführer noch beigebracht werden. Leider hat sich dessen Erstellung auf Grund der lange zurückliegenden Zeiträume und der laufenden Ausgangsbeschränkungen infolge der COVID Lockdowns verzögert. Der Beschwerdeführer wird sich bemühen, in den nächsten Wochen einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Den Beschwerdeführer kann daher nur insoweit eine Haftung treffen, als die Finanzbehörde gegenüber anderen Gläubigern schlechter gestellt wurde.

Auch hinsichtlich der Abgabenrückstände für die Jahre 2016 und 2017 trifft den Beschwerdeführer kein Verschulden hinsichtlich des geltend gemachten Gesamtbetrages. Der Beschwerdeführer war auf Grund einer schweren Erkrankung, die mit fortlaufenden Spitalsaufenthalten verbunden war, nicht in der Lage, die Geschäfte des Unternehmens zu führen. Faktisch wurden die Geschäfte von einer Mitarbeiterin geführt. Hätte der Beschwerdeführer Kenntnis der wirtschaftlichen Situation gehabt, hätte er bereits zuvor einen Insolvenzantrag gestellt. Ihn trifft daher kein Verschulden am aufgelaufenen Beitragsrückstand.

Über die Haftung des Geschäftsführers ist im Rahmen des § 224 BAO als Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu entscheiden.

Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Haftung eines Vertreters im gegenständlichen Verfahren eines Vertreters einer juristischen Person - sind:

a) Abgabenforderung(en) gegen den Vertretenen,

b) die Stellung als Vertreter der juristischen Person,

c) die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung(en) beim Vertretenen,

d) eine Pflichtverletzung des Vertreters der juristischen Person,

e) dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und

f) die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit

Zudem ist es stRspr des VwGH, dass die Begründung von Haftungsbescheiden nicht nur das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen darzulegen hat, sondern auch die Ermessensübung zu begründen hat (vgl. z.B. , AW 96/17/0316). Eine Begründung über die Ermessensausübung ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, sodass ein ergänzendes Vorbringen zur Ermessensausübung vorbehalten bleibt. Bei Ausübung des Ermessens über den Umfang der Haftung sind jedenfalls die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und sein Verschulden am aufgelaufenen Beitragsrückstand zu prüfen. Seine Krankengeschichte und die Auswirkungen der laufenden Spitalsaufenthalte auf seine Geschäftsführertätigkeit kann der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme darlegen. Zudem wird der Beschwerdeführer auch noch ergänzende Urkunden zu seiner Krankengeschichte vorlegen. Auf Grund seiner Erkrankung ist der Beschwerdeführer zudem aktuell arbeitslos. Er erhält vom AMS monatlich rund EUR 600,00.

Auf Grund seines Alters und seiner chronischen Erkrankung ist auch keine Verbesserung der Einkommenslage zu erwarten. Diese Faktoren sind jedenfalls bei der Ermessensausübung über den Umfang der Haftung zu berücksichtigen.

Beweis für das gesamte Vorbringen:

PV des Beschwerdeführers
Vorzulegender Gleichbehandlungsnachweis
Vorzulegender Gesundheitsakt
Weitere Beweise ausdrücklich vorbehalten

Der Beschwerdeführer stellt somit den Antrag, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen und den erlassenen Haftungsbescheid ersatzlos zu beheben.

******

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde gemäß § 260 Abs. 1 BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurück und führte aus, dass der mit Rückscheinkuvert RSb an den im Haftungsvorerhebungsverfahren bekannt gegebenen bevollmächtigten steuerlichen Vertreter (Schreiben vom ) zuzustellende Bescheid am von einem Angestellten (Unterschrift nicht leserlich) der Kanzlei persönlich übernommen worden sei.

Die Rechtskraft des Haftungsbescheides sei somit am eingetreten.

Die mit Schriftsatz vom , beim Finanzamt Österreich Postfach 260, eingelangt am , eingebrachte Beschwerde sei demzufolge als verspätet zurückzuweisen gewesen.

*********

Dagegen brachte der rechtsfreundliche Vertreter mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein und führte zur Begründung aus:

"Die Zurückweisung der Beschwerde ist rechtswidrig erfolgt. Es ist zwar richtig, dass der bekämpfte Bescheid der 1. Instanz am dem anwaltlichen Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt wurde, jedoch endet die Frist am an einem Sonntag. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder den Karfreitag, so ist der nächste Werktag, der letzte Tag der Frist. Die Beschwerde wurde vom Vertreter des Beschwerdeführers am mit eingeschriebener Postsendung an das Finanzamt Österreich übermittelt. Für die rechtzeitige Erhebung des Rechtsmittels ist die Postaufgabe wesentlich. Die Beschwerde wurde daher fristgerecht erhoben, die Zurückweisung ist rechtswidrig.

(…)

Beschwerde gegen die Grundlagenbescheide USt 2016, 2017 und 2018 samt Nebenforderungen.

Der Beschwerdeführer erhebt im Haftungsverfahren gegen die oben genannten Grundlagenbescheide für USt 2016, 2017 und 2018 Beschwerde. Da die Grundlagenbescheide USt 2017 und 2018 dem Haftungsbescheid nicht angeschlossen waren, beantragt er zudem vorab die Zustellung der entsprechenden Bescheide. Inhaltlich wird ausgeführt, dass die festgestellten Umsätze auf Grund von Forderungsausfällen, die auch die spätere Insolvenz der Hauptschuldnerin verursacht haben, zu berichtigen sind. Entsprechende Urkunden wird der Beschwerdeführer noch nachreichen. "

*****

Mit Bericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte u.a. aus, dass bei neuerlicher rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes festgestellt worden sei, dass die Beschwerde rechtzeitig eingebracht worden und damit die Zurückweisung zu Unrecht erfolgt sei.

*****

Am erging durch das Bundesfinanzgericht folgender Beschluss:

"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. 2013/16/0016).

Der Vertreter haftet für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (vgl. 2013/16/0220).

Dabei kommt es für den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht nur auf die liquiden Mittel zum Fälligkeitstag an, die den an diesem einen Tag jeweilig fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen sind, weil eine derartige Betrachtung für nur einen einzigen Tag im Monat ohne Berücksichtigung der vorhandenen liquiden Mittel für die Zeiträume nach der Fälligkeit der Abgaben keinen Nachweis über eine Gläubigergleichbehandlung geben kann.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Heranziehung des Vertreters zur Haftung, dass zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und der Uneinbringlichkeit der Forderung ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang besteht, wenn der Vertreter bei oder nach Fälligkeit der Verbindlichkeit Mittel für die Bezahlung - gegebenenfalls nach gleichmäßiger Aufteilung der Zahlungsmittel auf alle Verbindlichkeiten - zur Verfügung hatte und nicht, wenn auch nur anteilig, für die Abgabentilgung Sorge getragen hat (vgl. 2006/15/0248; , 96/15/0053; , 95/14/0034; jeweils mwN).

Der Gleichbehandlungsnachweis ist somit für jede Abgabe ab dem jeweiligen Fälligkeitstag bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens zu erbringen.

Die Liquiditätsaufstellung hat für den genannten Betrachtungszeitraum folgende Angaben zu enthalten:

1.Eine Auflistung der im jeweiligen Betrachtungszeitraum bestandenen und neu entstandenen Verbindlichkeiten, in Gegenüberstellung mit

2.einer Auflistung aller Zahlungen (inklusive Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes bzw. Zug-um-Zug Geschäfte) und sonstigen Tilgungen im Betrachtungszeitraum und

3.einer Aufstellung der liquiden Mittel ab dem jeweiligen Fälligkeitstag bis zum Tag der Konkurseröffnung

Eine korrekte Aufstellung der Verbindlichkeiten, der neu entstandenen Verbindlichkeiten sowie deren Abstattungsbeträge hat nach den jeweiligen Fälligkeiten alle Gläubiger - einzeln und mit Angabe des Namens zu erfolgen - und Beträge zu enthalten (z.B. Miete, Pacht, Gas, Strom, Wasser, Versicherungen, Löhne und Gehälter, Gebietskrankenkasse, Finanzamt, etc.).

Weiters hat die Liquiditätsaufstellung eine Quotenberechnung zu enthalten. Die Liquiditätsaufstellung muss für das BFG rechnerisch nachvollziehbar und aussagekräftig sowie durch entsprechende Unterlagen belegt sein.

Die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Säumniszuschlagsbescheide werden in Kopie beigelegt. Diesen kann der jeweilige Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Säumniszuschläge entnommen werden.

Zum Antrag auf Zustellung der Umsatzsteuerbescheide 2017 und 2018 ist festzustellen, dass (u.a.) haftungsgegenständlich von der GmbH selbst gemeldete Umsatzsteuervorauszahlungen aus den genannten Jahren sind. Demgemäß liegen keine bescheidmäßigen Festsetzungen vor.

Dieser Vorhalt ist binnen vier Wochen ab dessen Zustellung zu beantworten."

*****

Trotz mehrerer Fristverlängerungen - zuletzt bis - wurde der Vorhalt (Beschluss) nicht beantwortet.

*****

Am erging eine Ladung zu der für anberaumten mündlichen Verhandlung.

Am gab der rechtsfreundliche Vertreter des Bf. die Auflösung der Vollmacht bekannt.

Am teilte der Bf. dem Bundesfinanzgericht mit Mail mit, dass er die Ladung vom bisherigen Vertreter erhalten habe und ersuchte um Verschiebung des Verhandlungstermins, da er um eine neue anwaltliche Vertretung bemüht sei. Weiters sei er durch eine Krankheit derzeit beeinträchtigt.

Nach Abberaumung des Verhandlungstermins erging am eine Ladung zu der für anberaumten mündlichen Verhandlung.

Der Bf. ist zum anberaumten Verhandlungstermin trotz ausgewiesener Ladung unentschuldigt nicht erschienen, weshalb der Richter den Beschluss auf Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Bf. fasste.

Nach kurzer Zusammenfassung des bisherigen Verfahrensganges durch den Richter verwies der Amtsbeauftragte auf die Stellungnahme der belangten Behörde im Vorlagebericht. Weitere Beweisanträge wurden nicht gestellt.

Das Erkenntnis wurde in der Verhandlung verkündet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Rechtzeitigkeit der Beschwerde

§ 97 Abs. 1 BAO lautet:

Erledigungen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;

b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung.

§ 108 BAO lautet:

Abs. 1: Bei der Berechnung der Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der für den Beginn der Frist maßgebende Tag nicht mitgerechnet.

Abs. 2: Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.

Abs. 3: Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

Abs. 4: Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet.

§ 109 BAO lautet:

Wird der Lauf einer Frist durch eine behördliche Erledigung ausgelöst, so ist für den Beginn der Frist der Tag maßgebend, an dem die Erledigung bekanntgegeben worden ist (§ 97 Abs. 1).

§ 245 Abs. 1 BAO lautet:

Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat. Enthält ein Bescheid die Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, so wird die Beschwerdefrist nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt. Dies gilt sinngemäß, wenn ein Bescheid auf einen Bericht (§ 150) verweist.

Der Haftungsbescheid vom wurde mit RSb-Brief versendet, der von der rechtsfreundlichen Vertretung des Bf. am übernommen wurde. An diesem Tag begann gemäß § 109 BAO die Beschwerdefrist von einem Monat zu laufen und endete gemäß § 108 Abs. 3 und 4 BAO am Montag, dem .

Postaufgabetag der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom war der .

Da die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden (§ 108 Abs. 4 BAO), wurde die Beschwerde somit rechtzeitig eingebracht, die mit Beschwerdevorentscheidung vom erfolgte Zurückweisung erweist sich somit als rechtswidrig.

2. Haftung

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Geltendmachung einer Haftung nach § 9 BAO sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (), die Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ().

I. Vorliegen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen:

Gemäß der vorliegenden Kontoabfrage haften die mit Haftungsbescheid vom geltend gemachten Abgabenschuldigkeiten nach wie vor unberichtigt am Abgabenkonto aus.

Diese beruhen teils auf bescheidmäßigen Festsetzungen (auf Seite 2-4 dieses Erkenntnisses wird verwiesen), teils wurden diese durch die Gesellschaft gemeldet, jedoch nicht entrichtet.

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid - oder betreffend Lohnsteuer ein Haftungsbescheid nach § 82 EStG 1988 (vgl. dazu ) - voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an den Abgabenbescheid (Haftungsbescheid) zu halten. Die Verschuldensprüfung hat dabei von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (vgl. bis 0031, mwN).

Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so gibt es keine Bindungswirkung. Ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist in diesem Fall als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden. Diese Beurteilung kann mit Berufung und auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden, womit dem zur Haftung Herangezogenen der Rechtsschutz gewahrt bleibt.

Dem Vorbringen, dass die festgestellten Umsätze auf Grund von Forderungsausfällen zu berichtigen sein werden, ist entgegenzuhalten, dass für die Jahre 2017 und 2018 von der GmbH ausschließlich selbst gemeldete Umsatzsteuervorauszahlungen haftungsgegenständlich sind. Entsprechende Urkunden zum Nachweis der Behauptung des Bf. bzgl. der Forderungsausfälle wurden entgegen der Ankündigung, dass diese nachgereicht würden, nicht vorgelegt.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Bestimmung des § 16 UStG 1972 bzw. UStG 1994 allgemein die ex nunc-Wirkung der Berichtigung anordnet. Die Änderungen führen nicht zu einer Berichtigung der ursprünglichen Steuerfestsetzung, sondern sind erst im Zeitraum der Änderung zu berücksichtigen (vgl. Ruppe, UStG3, § 16 Tz. 66).

In der (nachträglichen) Berichtigung von Umsatzsteuer (§ 16 Abs 3 UStG 1972), für die der Geschäftsführer einer GmbH zur Haftung herangezogen worden war, ist kein Wiederaufnahmsgrund betreffend das Haftungsverfahren zu erblicken. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Minderung des Abgabenanspruches, der durch Abgabenbescheid festzustellen ist und sich nach (zusammengefasster) Verbuchung und Verrechnung (§ 213 f BAO) unmittelbar auf die Höhe des Haftungsbetrages auswirkt (vgl. ).

II.) Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin

Mit Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom ***Datum2*** wurde über das Vermögen der ***XY*** GmbH der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Mit Beschluss des Gerichtes vom ***Datum3*** wurde der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben und in der Folge die Firma am ***Datum5*** im Firmenbuch gelöscht.

Die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten sind daher bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.

III.) Stellung des Bf. als Vertreter

Laut Firmenbuchauszug vertrat der Bf. die Gesellschaft ab ***Datum6*** die GmbH als handelsrechtlicher Geschäftsführer mit eineqr weiteren Person, seit ***Datum1*** selbstständig. Der Bf. zählt somit zum Kreis der im § 80 Abs. 1 BAO genannten gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, welche - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - gemäß § 9 BAO zur Haftung herangezogen werden können.

IV.) Schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. als Geschäftsführer

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Daraus ist abzuleiten, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Außerdem trifft den Haftenden die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht wie den Abgabepflichtigen, sodass er für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat.

Demzufolge hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. , mwN).

Für die Haftung nach § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung ().

Weder die Frage, ob den Geschäftsführer ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH trifft, noch andere als abgabenrechtliche Pflichten - etwa die Pflicht, rechtzeitig einen Konkursantrag zu stellen oder ein Ausgleichsverfahren zu betreiben - sind für die Haftung gemäß § 9 BAO von Bedeutung (, 0109, RS 1; , RS 5; , RS 7).

Der Geschäftsführer haftet jedenfalls für Abgabenschulden, die im Zeitraum seiner Geschäftsführertätigkeit fällig wurden. Für Abgabenschuldigkeiten, die nach der Beendigung der Funktion fällig wurden, besteht in der Regel keine Haftung, da er für die Entrichtung nicht mehr verantwortlich ist.

Sämtliche Fälligkeitszeitpunkte der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten fallen in den Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit des Bf.

Der Bf. führt ins Treffen, dass die Lohnabgaben 11/2018 nicht mehr bezahlt hätten werden können, da bei Fälligkeit dieser Abgabenschuldigkeiten bereits ein Insolvenzantrag gestellt gewesen sei und eine Zahlung eine anfechtbare Gläubigerbevorzugung dargestellt hätte.

Dem ist entgegenzuhalten, dass nach § 2 Abs. 2 IO erst durch Eröffnung des Konkurses das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehörte, dessen freier Verfügung entzogen wurde.

§ 69 IO lautet auszugsweise:

(1) Auf Antrag des Schuldners ist das Insolvenzverfahren sofort zu eröffnen. Die vom Schuldner an das Gericht erstattete Anzeige von der Zahlungseinstellung gilt als Antrag. Im Beschluss auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist jedenfalls das Vorliegen der Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit zu begründen.

(2) Liegen die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 66 und 67) vor, so ist diese ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber sechzig Tage nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu beantragen. Schuldhaft verzögert ist der Antrag nicht, wenn die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung sorgfältig betrieben worden ist.

(2a) Bei einer durch eine Naturkatastrophe (Hochwasser, Lawine, Schneedruck, Erdrutsch, Bergsturz, Orkan, Erdbeben, Epidemie, Pandemie oder ähnliche Katastrophe vergleichbarer Tragweite) eingetretenen Zahlungsunfähigkeit verlängert sich die Frist des Abs. 2 auf 120 Tage.

(3) Die Verpflichtung nach Abs. 2 trifft natürliche Personen, die persönlich haftenden Gesellschafter und Liquidatoren einer Handelsgesellschaft und die organschaftlichen Vertreter juristischer Personen. ..."

Ein Verbot an den Gemeinschuldner oder dessen organschaftlichen Vertreter, mit Stellen des Konkursantrages jegliche Zahlungen einzustellen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Vielmehr hat der Gemeinschuldner unter Beachtung der Gläubigergleichbehandlung den Betrieb bis zur Konkurseröffnung fortzuführen (vgl. ).

Für die Frage, ob andere andrängende Gläubiger gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt worden sind, ist nicht bedeutsam, ob oder inwieweit vom Abgabepflichtigen geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung rechtsunwirksam oder anfechtbar gewesen wären (vgl. etwa die in Ritz, Kommentar zur BAO6, unter Rz 11 ff zu § 9 BAO wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Der Vertreter haftet für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (vgl. ).

Dabei kommt es für den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht nur auf die liquiden Mittel zum Fälligkeitstag an, die den an diesem einen Tag jeweilig fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen sind, weil eine derartige Betrachtung für nur einen einzigen Tag im Monat ohne Berücksichtigung der vorhandenen liquiden Mittel für die Zeiträume nach der Fälligkeit der Abgaben keinen Nachweis über eine Gläubigergleichbehandlung geben kann.

Mit Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht den Bf. auf, einen Gleichbehandlungsnachweis zu erstellen und vorzulegen.

Einen Gleichbehandlungsnachweis hat der Bf. trotz dieser Aufforderung und mehreren Fristverlängerungen nicht vorgelegt.

Da der Bf. den Nachweis der Gleichbehandlung in Bezug auf die Entrichtung der Abgabenforderungen bei Fälligkeit nicht angetreten hat, kommt eine quotenmäßige Einschränkung der Haftung nicht in Betracht.

Soweit der Bf. mit dem vermeintlichen Verbot von Zahlungen nach Stellen des Insolvenzantrages behauptete, es seien keinerlei Zahlungen mehr erfolgt, hat er damit eingestanden, das Gebot quotenmäßiger Befriedigung der offenen Forderungen insoweit nicht beachtet zu haben. Daraus folgt, dass der Bf. mit dieser Vorgangsweise die dem Abgabengläubiger gegenüber bestehende Pflicht zur zumindest anteiligen Tilgung der Abgabenforderungen verletzt hat (vgl. ).

Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es nicht auf die geleisteten Zahlungen, sondern auf die zur Zahlung der Abgabenschuldigkeiten zum Fälligkeitstag zur Verfügung gestandenen Mittel ankommt (vgl. Zl. 2006/13/0110, mwN).

Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gelten aber ohnedies Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; , 2000/15/0168), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Wird Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen. Nach der durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 91/13/0037, 0038, ausdrücklich aufrecht erhaltenen ständigen Rechtsprechung des VwGH fällt es nämlich einem Vertreter im Sinne der §§ 80ff BAO als Verschulden zur Last, wenn er Löhne auszahlt, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht an das Finanzamt entrichtet.

Soweit der Bf. vorbringt, dass er aufgrund einer schweren Erkrankung, die mit fortlaufenden Spitalsaufenthalten verbunden gewesen sei, nicht in der Lage gewesen sei, die Geschäfte des Unternehmens zu führen, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ) zu verweisen:

"Behauptet ein Geschäftsführer, er sei etwa durch Krankheit an der Erfüllung seiner Verpflichtungen gehindert worden, so schließt dies ein Verschulden an der Verletzung seiner Pflichten nicht aus, da der Geschäftsführer - wie auch in anderen Fällen, in denen er nicht in der Lage ist, die Geschäftsführerfunktion ordnungsgemäß auszuüben bzw. die Umstände, welche zu der Behinderung führen, zu beseitigen - dazu verhalten ist, diese Funktion zurückzulegen. Welcher Zeitraum zwischen dem Erkennen der Behinderung bzw. der Ergebnislosigkeit der Bemühungen, diese zu beseitigen und dem Rücktritt haftungsrelevant ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (Hinweis Ritz, Bundesabgabenordnung, Rz 17 zu § 9 BAO und die dort zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Die Betrauung Dritter (z. B. Angestellter) mit abgabenrechtlichen Pflichten reicht für sich nicht aus, um eine Behinderung an der Ausübung der Geschäftsführerfunktion zu beseitigen, da der Geschäftsführer das Personal in solchen Abständen zu überwachen hat, die es ausschließen, dass ihm die Verletzung abgaberechtlicher Verpflichtungen, insbesondere die Verletzung abgaberechtlicher Zahlungsverpflichtungen verborgen bleiben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 97/14/0080). "

Unbestritten ist, dass der Bf. seit Jahren an einer Erkrankung leidet. Er hat jedoch nicht dargelegt, aus welchen entschuldbaren Gründen ihm trotz Überwachung der Mitarbeiter die Verletzungen der abgabenrechtlichen Pflichten unverschuldet verborgen geblieben sind, bzw. er - soferne ihm die Überwachung nicht möglich war - unter diesen Umständen die Geschäftsführerfunktion nicht zurückgelegt hat, zumal die faktische Geschäftsführung durch die Mitarbeiter auch ohne Mitwirkung des Bf. diesen von seinen Kontroll- und Überwachungspflichten als Geschäftsführer nicht befreit. Dass er aus gesundheitlichen Gründen am Rücktritt von seiner Geschäftsführungsfunktion gehindert war, lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.

Im gegenständlichen Haftungsverfahren hat der Bf. keine triftigen Gründe vorgebracht, aus denen ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre.

Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung des Bf. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().

5.) Kausalzusammenhang:

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

6.) Ermessen:

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensübung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Laut Firmenbuchauszug war der Bf. im haftungsgegenständlichen Zeitraum alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft, somit der einzige in Betracht kommende Haftende im Sinne der § 9 Abs. 1 BAO, und können diese Abgabenschulden bei der Gesellschaft nicht mehr eingebracht werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist die Behörde daher in Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens nicht rechtswidrig vorgegangen.

Die Vermögenslosigkeit bzw. geringes Einkommen des Bf. stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (vgl. ).

1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung basiert auf der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und hatte die Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen im Einzelfall und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 109 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 69 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103687.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at