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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 23.08.2023, RV/6100268/2020

1. Schätzung auf Basis einer Hausdurchsuchung beim Getränkelieferanten 2. Absolute Verjährung Umsatzsteuer 3. Hinterziehungsverjährung und Vorfragenbeurteilung

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/15/0104.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Maria Luise Wohlmayr, den Richter Mag. Erich Schwaiger sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gottfried Warter MBA und Mag. Peter Lederer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Moore Salzburg GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Innsbrucker Bundesstraße 126, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom (eingebracht per Fax am ) gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme der Umsatz- und Einkommensteuerverfahren 2010 bis 2012 sowie betreffend die Umsatz- und Einkommensteuer 2010 bis 2012 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Helene Premm zu Recht erkannt:

I)
Die Beschwerde wird hinsichtlich der Bescheide über die Wiederaufnahme der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerverfahren 2010 bis 2012 als unbegründet abgewiesen.

II)
Die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2012 werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Umsatz- und Einkommensteuern sind dem als Anlage F angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

III)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Spruchteile I) bis II) ist
gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

I. Verfahrensgang

Die Beschwerde fällt in die Zuständigkeit der Fachgebiete FE 6 und FU 5 und damit in die Zuteilungsgruppe 7001. Aufgrund des Antrages auf Senatsentscheidung wurde sie auf Basis der gültigen Geschäftsverteilung der Gerichtsabteilung 7013-1 zur Entscheidung zugewiesen.

Gem. § 323b Abs. 1 BAO trat das Finanzamt Österreich für seinen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des am zuständig gewesenen Finanzamtes.

  1. 2009

Die hier bekämpften Bescheide für 2009 ergingen mit (Zustellung mit RSb am ) im Zuge bzw. nach Durchführung einer Außenprüfung gem. § 99 FinStrG (Schlussbesprechung ) für die Jahre 2009 bis 2019. Im Zuge dieser Außenprüfung erfolgte am eine Akteneinsicht.

Dagegen erhob die steuerliche vertretene Beschwerdeführerin (kurz Bf.) mit Schriftsatz vom (Postaufgabe ) Beschwerde, beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat und eine Beschwerdevorentscheidung zu unterlassen sowie die Beschwerde unmittelbar dem Verwaltungsgericht vorzulegen.
Dem kam das Finanzamt (kurz FA) mit nach.

  1. 2010 bis 2012

Mit ergingen Bescheide, mit denen die Umsatz- und Einkommensteuerverfahren 2010 bis 2012 wiederaufgenommen und in der Folge diese Abgaben neu festgesetzt wurden.

Diese Bescheide wurden von der steuerlich vertretenen Beschwerdeführerin (kurz Bf.) mit bekämpft. Auch für diese Jahre wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat und die Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung beantragt. Dem kam das Finanzamt (kurz FA) mit nach.

Schon am informierte das FA das Bundesfinanzgericht davon, dass gegen die Bf. ein Finanzstrafverfahren eingeleitet worden und bereits eine mündliche Verhandlung geplant sei. Am wurde vom FA das Protokoll über die fortgesetzte Hauptverhandlung vom im Strafverfahren vor dem Landesgericht Salzburg gegen den Getränkelieferanten (***Lieferant M*** bzw. ***Lieferant M***) übermittelt. Daraus geht hervor, dass die Zeugin ***Zeugin S*** vernommen wurde (siehe unten) und die Hauptverhandlung am fortgesetzt werden sollte.

Am teilte das FA über Nachfrage mit, dass das Finanzstrafverfahren gegen die Bf. eingestellt worden sei, was vom Amt für Betrugsbekämpfung (ABB) mit Beschwerde bekämpft worden sei (Erkenntnis siehe unten). Mit Mail vom übermittelte das FA über Anforderung auch die entsprechenden Verhandlungsprotokolle vom 17. März und und mit Mail vom die steuerliche Vertreterin der Bf. zusätzlich ihre Stellungnahme im Strafverfahren, die sie schon mit 10. März bzw. abgegeben hatte.

Mit mehreren Mails vom übermittelte das FA über telefonische Aufforderung durch das FA zwei Excel-Dateien mit dem Datenbestand der Lieferantin von 2009 bis 2011 (ohne Zeitstempel) und von 2012 bis 2015 (mit Zeitstempel) in gezippter Form (8 Dateien).

Am informierte die Bf. das Bundesfinanzgericht davon, dass das ABB die Beschwerde zurückgezogen hat und die Einstellung des Finanzstrafverfahrens damit in Rechtskraft erwachsen war.
Am nahm das FA dazu Stellung und beharrte auf der abgabenrechtlichen Vorschreibung der strittigen Beträge sowie darauf, dass diese als hinterzogen zu beurteilen und damit nicht verjährt sind. Es begründete dies im Kern mit dem dabei anzuwendenden, sich vom Finanzstrafverfahren unterscheidenden, Beweismaßstab. Das Bundesfinanzgericht übermittelte diese Stellungnahme am an die Bf.

Mit Mail vom bestätigte das FA noch einmal, dass für die Jahre 2009 bis 2011 keine Buchhaltungsbelege vorgelegt wurden. Für diese Jahre fehlen auch die Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen. Vorhanden sind allerdings Kontendaten. Für die Jahre 2012 bis 2018 legte das FA Kopien von Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen vor. Im Anschluss an 2018 finden sich dabei von der steuerlichen Vertreterin erstellte Verprobungen der Rohaufschläge.

Nach mehreren telefonischen Kontakten lud das Bundesfinanzgericht zu einem Erörterungsgespräch für und übermittelte der Bf. die vom FA erstellten und schon am vorgelegten detaillierteren Aufstellungen. Dieses Gespräch blieb ohne weiteres Ergebnis und ohne Annäherung der Verfahrensparteien. Die Bf. kündigte eine Zusammenfassung und Ergänzung ihrer Einwendungen an.

Mit Mail vom nahm die steuerliche Vertreterin der Bf. ergänzend zur Problematik "Rohaufschlagskoeffizient Fassbier" Stellung (Weiterleitung an das FA durch das Bundesfinanzgericht am ) und erstattete in der Folge eine 17-seitige Ergänzung der Beschwerden, in der auch die bereits im Finanzstrafverfahren vorgetragenen Einwendungen enthalten sind (Schriftsatz vom ; Weiterleitung an das FA mit Mail vom ). Zum konkreten Inhalt dieser Schriftsätze wird auf die Darstellung unter dem Punkt Sachverhalt verwiesen.

Nachdem das Bundesfinanzgericht die mündliche Verhandlung am für avisiert und eine Einsichtnahme in die digitalisierten, anonymisierten Listen des Getränkelieferanten in Aussicht gestellt hatte, nahm die Bf. dieses Angebot zur Akteneinsicht am in Anspruch. Der Bf. wurde Einsicht in die folgenden Dateien gewährt und ihr die verlangten Seiten ausgedruckt übergeben:

Im Anschluss daran erstattete die Bf. eine weitere, mit datierte "Stellungnahme und vorbereitende Eingabe zur mündlichen Verhandlung" (Mail vom und körperliches Schreiben) sowie eine mit datierte "Einlassung zur Frage der Verjährung" (Mail vom zuzüglich körperlicher Schriftsatz). Zum Inhalt darf auf den Sachverhalt verwiesen werden.

Am fand über Antrag der Bf. die mündliche Verhandlung vor dem Senat statt. Der Berichterstatter überreichte adaptierte Ausdrucke des Betriebsprüfungsberichtes mit den vom Finanzamt beanstandeten Vorgängen sowie Anmerkungen und trug den Sachverhalt unter Zuhilfenahme einer Powerpoint-Präsentation vor, die den Parteien und Senatsmitgliedern in gedruckter Form zur Verfügung gestellt wird.

Inhaltlich wird auf den nachstehend dargestellten Sachverhalt verwiesen.

Die mündliche Verhandlung endete mit der Verkündung des Beschlusses, dass die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der erkennende Senat war parallel zu diesem Verfahren auch für die oben bereits erwähnte Beschwerde derselben Beschwerdeführerin vom (eingelangt per Post am ) gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend die Wiederaufnahme der Umsatz- und Einkommensteuerverfahren 2009 sowie betreffend die Festsetzung der Umsatz- und Einkommensteuer 2009 zuständig. Die mündliche Verhandlung über beide Beschwerden fand gemeinsam am statt.

Zur Vermeidung von Redundanzen werden der Sachverhalt, die Rechtsgrundlagen und die rechtliche Würdigung hier auch für das strittige Jahr 2009 umfassend mit dargestellt.

Die Entscheidung über die Beschwerde vom traf der erkennende Senat mit dem Erkenntnis zur Geschäftszahl RV/6100182/2020 sowie dem Beschluss zur Geschäftszahl RV/6100186/2020 vom heutigen Tag.

Die Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts basieren auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

1. Sachverhalt

Die am ***##.##.*** 1977 geborene Bf. ermittelte den Gewinn aus dem von ihr von 2006 bis 2019 betriebenen Café- bzw. Gastronomiebetrieb in den Streitjahren 2009 bis 2012 gem. § 4 Abs. 3 EStG 1988 durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung.

Die hier strittigen Bescheide für die Jahre 2009 bis 2012 wurden während bzw. nach einer Außenprüfung erlassen, die sich ursprünglich auf 2009 bis 2015 bezog, die aber nur in den ersten vier Jahren zu einer Änderung führte. Nur für diese Zeiträume wurden von der Außenprüfung Hinweise auf Unregelmäßigkeiten aufgegriffen, die sich aus einer Hausdurchsuchung bei ihrem Getränkelieferanten ***Lieferant M*** ergaben, bei dem die Beschwerdeführerin (kurz Bf.) seit 2018 im Verkauf nichtselbstständig beschäftigt ist.

Unbestritten blieb, was auch im Finanzstrafverfahren der Bf., bei dem diese vom Vorwurf der Steuerhinterziehung im Zweifel freigesprochen wurde, festgehalten wurde (vgl. auch Beschwerdeergänzung vom ): In mehreren ähnlichen gelagerten Fällen kam es zu Geständnissen über Malversationen bei diesem Lieferanten. Dabei wurden jeweils hintereinander im Wesentlichen die gleichen Produkte einerseits auf den offiziellen Kundennamen und andererseits mit der Bezeichnung XXX anonym und damit "schwarz" eingekauft. All diese Fälle unterscheiden sich allerdings vom hier zu beurteilenden dadurch, dass in den anderen Verfahren neben der Auflistung der Vorgänge (siehe unten) immer zusätzliche Beweismittel (Geständnisse, Funde aus Hausdurchsuchungen, Protokolle von abgehörten Telefonaten, etc.) existierten.

Solche Zusatz-Unterlagen gibt es in Bezug auf die Bf. unbestrittenermaßen nicht, worauf der Vertreter der Bf. in der mündlichen Verhandlung vom auch unter Berufung auf die Zeugenaussage des Steuerfahnders ***Zeuge K*** im Finanzstrafverfahren hinwies (vgl. mündliche Verhandlung Folie 22).

Der betroffene Getränkehändler verkauft seit 20## an der Anschrift ***Anschrift 3***, die etwa 1,5 Kilometer bzw. fünf Autominuten vom Lokal der Bf. entfernt ist, an Gastronomie-, Firmen und Privatkunden. Die Bf. gab in ihrer Strafverhandlung vom an, dass ihre Wahl aufgrund der geringen Entfernung auf diesen Händler fiel.

Über Nachfrage gab die Bf. in der mündlichen Verhandlung die Kapazität ihres Lokals mit 35 bis 40 Sitzplätzen (innen) an. Ihr Café habe keinen eigenen Garten gehabt, sie habe aber auf einem benachbarten fremden Grund einige Tische aufstellen können. Auf historischen Fotos aus dem Web (siehe unten), deren Authentizität die Bf. bestätigte, ist ein kleiner Außenbereich mit etwa fünf kleinen Tischen und etwa 10 Plätzen zu sehen. Im Web finden sich dazu etwa die folgenden Aufnahmen (vgl. historische Fotos auf ***Web_Adressen***).

[...]

Die Öffnungszeiten bestätigte sie mit den im Web aufscheinenden (Montag - Freitag von 8.30 bis 22.00 h und Samstag, Sonntag und Feiertag von 9.00 bis 22.00 h) und legte einen Grundrissplan vor.

Eine Abfrage unter google.maps ergab die folgende aktuelle äußere Ansicht dieses Lokals:

[...]

Die Bf. gab in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht an, sie selbst sei an sieben Tagen in der Woche überwiegend im Geschäft anwesend gewesen. Zusätzlich habe sie diverse teilzeitbeschäftigte Kräfte gehabt. In der Finanzstrafverhandlung vom gab sie auch noch an, insbesondere habe ihr ihre Mutter geholfen.

Der Getränkehauptlieferant des Cafés sei die Firma ***Biermarke A*** mit Bier und alkoholfreien Getränken gewesen. Wein und Weißbier sowie diverse Spirituosen habe sie selbst vor Ort bei ***Lieferant M*** eingekauft. Für eine Lieferung durch ***Lieferant M*** seien die eingekauften Mengen zu gering gewesen. Eingekauft sei weiters bei ***Lieferant 1***, ***Lieferant 2*** und ***Lieferant 3*** worden (überwiegend Lebensmittel und Getränke nur fallweise). Einkäufe bei ***Lieferant M*** ohne diese steuerlich zu erfassen verneinte die Bf. über Nachfrage.
Auch aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Spruchsenat vom ergibt sich, dass die Bf. dort angab, bei Bier sei sie grundsätzlich von ***Biermarke A*** beliefert worden. Insbesondere Weißbier, Fruchtsäfte von Pago und die Spirituosen habe sie vom nahe gelegenen Händler ***Lieferant M*** bezogen. Sie habe dort auch ***Biermarke A***bier gekauft, wenn dieses ausgegangen war, manchmal auch Wein oder Mineralwasser.

Die Bf. gab in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht an, in den Jahren 2009 bis 2012 seien durchschnittlich wöchentlich vier bis fünf 25-Liter-Fässer Bier verbraucht worden. An guten Tagen sei auch ein Fass oder mehr verbraucht worden. Es habe auch Monate mit einem Verbrauch von bis zu 40 Fass Bier gegeben, etwa fünf Monate pro Jahr. Gute Monate seien etwa Jänner, März, April und Juni gewesen.

Am gab die Bf. vor dem Spruchsenat an, natürlich habe sie bei ***Lieferant M*** auch für privat eingekauft. Sie würde sagen, dass das so im Monat EUR 30, 40, vielleicht auch 100 gewesen seien. Dabei sei sie da extra hingefahren, wenn sie privat etwas gebraucht habe. Sie habe damals kein eigenes Konto für private Einkäufe gehabt. Wenn sie einkaufen gewesen sei, dann habe sie eben gesagt, "das ist für mein Café", und das sei dann auch auf der Rechnung gestanden. Oder sie habe gesagt, "das ist für mich privat". Da habe es dann die Bezeichnung XXX-Kunde gegeben, heute heiße es Endverbraucher. Das sei aber jedes Mal das gleiche gewesen.

Aufzeichnungen wurden von der Bf. nur für 2012 vorgelegt, da im Zeitpunkt des Beginnes der Prüfung die siebenjährige Aufbewahrungsfrist für die Jahre 2009 bis 2011 schon abgelaufen war. Für diese Jahre existieren nach Auskunft des steuerlichen Vertreters keine Unterlagen mehr. Die Aufzeichnungen für 2012 wurden vom FA grundsätzlich nicht beanstandet.

Vorerst wurden die folgenden Besteuerungsgrundlagen bescheidmäßig festgestellt:

Strittig sind die folgenden Bescheide:

1.1. Bescheide

Die Bescheide bezüglich des Jahres 2009 ergingen zur Vermeidung der absoluten Verjährung schon vor Abschluss der Außenprüfung im Dezember 2019. Nach deren Abschluss (Außenprüfungsbericht vom ) erließ das FA auch die Bescheide für die drei Folgejahre.

  1. Wiederaufnahmebescheide 2009 vom

Die Wiederaufnahmebescheide bezüglich Umsatz- und Einkommensteuer 2009 verweisen auf die in der Begründung der jeweiligen Sachbescheide näher ausgeführten, neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel.

Zusätzlich ergingen dazu mit datierte, "händische" Bescheidbegründungen mit demselben Inhalt wie die Begründungen zu den neuen Sachbescheiden (siehe unten).

  1. Umsatz- und Einkommensteuerbescheid 2009 vom

Diese beiden Sachbescheide 2009 verweisen jeweils auf eine zusätzliche Begründung, die ebenfalls mit 18. Dezember datiert wurde und dazu gleichlautend ausführt (Markierung fett durch Bundesfinanzgericht):

"Aufgrund von Ermittlungen bei der Firma ***Lieferant M*** (***Lieferant M***), ***Anschrift 3***, und des damit begründeten Verdachts, dass Frau ***Bf.*** als Einzelunternehmerin des ***Kaffee SSS*** beim Finanzamt Salzburg-Stadt unter der St. Nr. ***BF1StNr1***-26 vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen für die Jahre 2009 bis 03/2019 Umsatz- und Einkommensteuer in noch festzustellender Höhe verkürzt und dadurch eine gewerbsmäßige Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1, 33 Abs. 2 lit. a iVm § 38 Abs. 1 FinStrG begangen hat, indem Sie bei der Firma ***Lieferant M*** neben den offiziellen Getränkeeinkäufen auf ihr Kundenkonto auch Bareinkäufe ohne Aufscheinen als Warenempfängerin und somit Schwarzeinkäufe tätigte, wurde mit Prüfungsauftrag vom eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO in Verbindung mit § 99 Abs. 2 FinStrG betreffend die Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2009 bis 2017 durchgeführt.

Im Rahmen der Auswertung von Daten, die bei der Durchsuchung der Firma ***Lieferant M*** von der Steuerfahndung sichergestellt wurden, wurden unter anderem auch Daten betreffend Frau ***Bf.*** ausgewertet. Dabei wurde festgestellt, dass unmittelbar vor oder nach den mit offizieller Kundennummer ***####*** ***Kaffee SSS*** Wareneinkäufe im zeitlichen Zusammenhang auf XXX Kunde mit demselben Warensortiment getätigt wurden.

Gemäß Zeugenaussagen hat jeder Mitarbeiter von ***Lieferant M*** über die Möglichkeit der Splittung des Einkaufs entweder offiziell oder auf "XXX" gewusst. Bei der Einschulung wurde gesagt, falls Kunden kommen und auch nicht auf Rechnung einkaufen wollen, heißt das im Betrieb "XXX" und sollte es den Kunden ermöglichen. Wenn die Haushaltsmengen überschritten wurden, wurde ein zweiter Barverkaufsbeleg erstellt.

Im Zuge der Auswertung der bei der Firma ***Lieferant M*** sichergestellten Daten wurde eine Liste einer Mitarbeiterin mit Kundennummer, Name, Adresse, Telefon Nr., Umsatz und Info vorgefunden, die sich in der Spalte Info Anmerkungen wie z.B. "kauft auch auf XXX", "kauft viel auf XXX", "kauft auch viel auf XXX", "kaufen viel auf XXX" oder "großer XXXkunde" machte. In der Info Spalte des Kunden ***####*** ***Kaffee SSS*** ist eingetragen: "kauft auch auf XXX".

Die Korrektheit dieser Eintragungen haben sich bei diversen durchgeführten Außenprüfungen bestätigt. Auch die praktizierte Vorgangsweise hintereinander auf den offiziellen Kundennamen und auf XXX "schwarz" bei der Firma ***Lieferant M*** einzukaufen, wurde durch Geständnisse in abgeschlossenen Prüfungsverfahren bestätigt.

Betreffend dem Veranlagungsjahr 2009 wurden anfänglich nicht erklärte Wareneinkäufe in Höhe von netto € 6.156,55 angenommen. Davon wurden im Zuge der Außenprüfung Wareneinkäufe aufgrund von nicht zweifelsfrei zuordenbaren Sortiments in Höhe von netto € 909,62 ausgeschieden, sodass dies zu einem ungeklärten Wareneinkauf in Höhe von € 5.246,93 führt.

Einkäufe in Höhe von € 330,66 konnten durch den steuerlichen Vertreter nicht aufgeklärt werden.

Die gemäß Stellungnahme des steuerlichen Vertreters vom aufgrund von Verprobungen des Verbrauchs von notwendigen C02 Kohlensäureflaschen ausgeschlossenen Wareneinkäufe in Höhe von € 4.916,27 wird nicht Folge geleistet, da diese einerseits aufgrund der Größenordnung nicht aussagekräftig ist und andererseits eine 5 kg-Flasche Kohlensäure gemäß Recherchen auch für das Zapfen von 1.500 Liter Bier und nicht wie im Schreiben angeführt für lediglich 1.000 Liter reicht. Abgesehen davon würde gerade im Jahr 2009 ein Überbestand von knapp 2 Flaschen C02 bestehen. Zudem wird angemerkt, dass bei Ausarbeitung der Daten lediglich die zu den offiziellen auf die Kundennummern getätigten Wareneinkäufe, die kurz zuvor und kurz danach getätigten wurden, überprüft und den Kunden zugeordnet werden konnten.

Wurde also ein Einkauf nur auf XXX und nicht auch auf die Kundennummer getätigt, so sind diese Einkäufe in den ausgewerteten Daten nicht beinhaltet. Daher ist auch nicht gänzlich auszuschließen, dass noch weitere Wareneinkäufe getätigt wurden, die nicht in der Buchhaltung erfasst sind.

Im Zuge der Außenprüfung wurden betreffend dem Veranlagungsjahr 2009 folgende Wareneinkäufe bei der Firma ***Lieferant M*** ermittelt, die bisher nicht in der Buchhaltung des Einzelunternehmens ***Bf.*** erfasst wurden:

Die daraus erzielten Umsätze wurden entsprechend dem durchschnittlichen RAK laut Buchhaltung 2009 bis 2015 im Zuge der Außenprüfung wie folgt ermittelt:

Betreffend die Einkommensteuer 2009 ergeben sich somit folgende Änderungen:

Betreffend die Umsatzsteuer 2009 ergeben sich somit folgende Änderungen:

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Abgaben zehn Jahre.

Der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO ist nach § 33 FinStrG zu beurteilen. Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt. Für die Verwirklichung eines Vorsatzdelikts ist erforderlich, dass der Abgabepflichtige gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Die Nichterklärung von Umsätzen aus nicht erfassten Handelswareneinkäufen erfüllt jedenfalls den Tatbestand der hinterzogenen Abgaben und führt zur verlängerten Verjährungsfrist von 10 Jahren.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer und Umsatzsteuer für das Jahr 2009 erfolgt gemäß § 303 Abs. 1 BAO, weil die Umsätze aus den in der Buchhaltung nicht erfassten Wareneinkäufen bei der Firma ***Lieferant M*** bisher nicht berücksichtigt wurden und somit im Verfahren Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen sind auch nicht bloß geringfügig.

Die angeführten Ausführungen sind Bestandteil des oben bezeichneten Bescheides. Ein nach Maßgabe der Rechtsmittelbelehrung zulässiges Rechtsmittel kann nur gegen den Spruch des oben bezeichneten Bescheides, nicht aber gegen die Begründung erhoben werden. Im Übrigen wird auf die entsprechende Rechtsmittelbelehrung bzw. Rechtsbelehrung verwiesen."

  1. Wiederaufnahmebescheide 2010 bis 2012 vom

Obwohl der Außenprüfungsbericht mit datiert ist, wurden die Bescheide für die Jahre 2010 bis 2012 erst am erlassen.

Dies erfolgte erst nach einer Nachfrage durch das Bundesfinanzgericht aufgrund der Vorlage des Jahres 2009 an dieses. Vom FA wurde die Verzögerung damit begründet, die neuen Bescheiddaten seien bereits im März in das System eingegeben worden. Diese seien jedoch vom System zurückgehalten worden, da sie zu einer Nachforderung führten und eine Erlassung solcher Bescheide angesichts der damaligen COVID-19-Situation automatisiert eingeschränkt worden sei. Erst durch eine manuelle Intervention sei die Erlassung der Bescheide durch das EDV-System angestoßen worden, damit auch diese Jahre umgehend dem BFG vorgelegt werden hätten können.

Die sechs Wiederaufnahmebescheide bezüglich die Umsatz- und Einkommensteuerverfahren 2010 bis 2012 wurden jeweils wie folgt begründet:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden.

Die Wiederaufnahme der [Anmerkung BFG: jeweilige Abgabe] gemäß 303 Abs. BAO ist erforderlich, da gemäß den Textziffern 1-3 und 5 [Anmerkung BFG: Tz 5 für 2010, Tz 6 für 2011 und Tz 7 für 2012] des Prüfungsberichtes zur Außenprüfung getätigte Wareneinkäufe bei der Fa. ***Lieferant M*** sowie die daraus erzielten Umsätze bisher in der Buchhaltung der Abgabepflichtigen nicht berücksichtigt wurden und somit im Verfahren Tatsachen und Beweismittel erstmalig neu hervor gekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einem im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Die Wiederaufnahme der [Anmerkung BFG: jeweilige Abgabe] erfolgt unter der Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung. Im vorliegenden Fall können die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig angesehen werden. Bei der im Sinne des 20 BAO vorgenommenen Interessensabwägung war dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen."

  1. Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2012 vom

Diese sechs Sachbescheide enthalten als Begründung jeweils den Satz:

"Die Veranlagung erfolgte unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind."

1.2. Außenprüfungsbericht vom

Unter Tz 3 schildert der Außenprüfungsbericht vom , auf den in der Begründung der Bescheide 2010 bis 2012 hingewiesen wird, zum Getränkeeinkauf:

"Die Einzelunternehmerin ***Bf.*** wird bei der Firma ***Lieferant M*** (***Lieferant M***) mit Kundennummer ***####*** ***Kaffee SSS*** geführt.
Im Rahmen der Auswertung von Daten, die bei der Durchsuchung der Firma ***Lieferant M*** von der Steuerfahndung sichergestellt wurden, wurden unter anderem auch Daten betreffend Frau ***Bf.*** ausgewertet. Dabei wurde festgestellt, dass unmittelbar vor oder nach den mit offizieller Kundennummer ***####*** ***Kaffee SSS*** Wareneinkäufe im zeitlichen Zusammenhang auf XXX Kunde mit demselben Warensortiment getätigt wurden.

Gemäß Zeugenaussagen hat jeder Mitarbeiter von ***Lieferant M*** über die Möglichkeit der Splittung des Einkaufs entweder offiziell oder auf "XXX" gewusst. Bei der Einschulung wurde gesagt, falls Kunden kommen und auch nicht auf Rechnung einkaufen wollen, heißt das im Betrieb "XXX" und sollte es den Kunden ermöglichen. Wenn die Haushaltsmengen überschritten wurden, wurde ein zweiter Barverkaufsbeleg erstellt.

Ein ehemaliger Mitarbeiter führt dabei aus, dass die Firma ***Lieferant M*** seinen Kunden einen Schwarzeinkauf ermöglicht, indem Rechnungen an Gastronomiekunden nicht auf diese fakturiert werden, sondern in Form von namenlosen Barverkäufen (XXX-Kunden") oder auf erfundene Namen fakturiert werden.

Eine weitere ehemalige Mitarbeiterin der Firma ***Lieferant M*** hat als Zeugin ebenfalls bestätigt, dass Kunden der Firma ***Lieferant M*** die Möglichkeit eines nicht registrierten Wareneinkaufes geboten wurde und ein gesplitteter Warenverkauf (z.B. 50% der Bestellung auf der offiziellen Kundenrechnung und 50% der Bestellung ohne offizielle Kundenrechnung z.B. als namenlose XXX-Barrechnung) gängige Praxis bei der Firma ***Lieferant M*** war, wobei nach ihrer Erinnerung fast alle Kunden (geschätzte 80%) die Möglichkeit eines nicht auf das Kundenkonto erfassten Wareneinkaufs bei der Firma ***Lieferant M*** genutzt haben.

Im Zuge der Auswertung der bei der Firma ***Lieferant M*** sichergestellten Daten wurde eine Liste dieser Mitarbeiterin mit Kundennummer, Name, Adresse, Telefon Nr., Umsatz und Info vorgefunden, die sich in der Spalte "Info" Anmerkungen wie z.B. "kauft auch auf XXX", "kauft viel auf XXX", "kauft auch viel auf XXX", "kaufen viel auf XXX" oder "großer XXXkunde" machte. In der Info Spalte des Kunden ***####*** ***Kaffee SSS*** ist eingetragen: "kauft auch auf XXX". Die Korrektheit dieser Eintragungen haben sich bei diversen durchgeführten Außenprüfungen bestätigt. Auch die praktizierte Vorgangsweise hintereinander auf den offiziellen Kundennamen und auf XXX "schwarz" bei der Firma ***Lieferant M*** einzukaufen, wurden durch Geständnisse und Verurteilungen in abgeschlossenen Prüfungsverfahren bestätigt. Unter anderem wurde beispielsweise ein Einkaufsvorgang eines Kunden auf insgesamt 7 Barrechnungsbelege ohne Nennung des Kundennamens gesplittet, wie von der Steuerfahndung nachgewiesen wurde.

Betreffend ***Bf.*** wurde folglich festgestellt, dass unmittelbar vor oder nach den mit offizieller Kundennummer ***####*** ***Kaffee SSS*** regelmäßig Wareneinkäufe im zeitlichen Zusammenhang auf XXX Kunde mit demselben Warensortiment getätigt wurden und dieser daher zweifelsfrei zuzurechnen sind. Zudem wurde von einer Mitarbeiterin der Firma ***Lieferant M*** eine Liste geführt und dabei vermerkt, dass das ***Kaffee SSS*** auch auf XXX kauft, sodass getätigte Wareneinkäufe von Frau ***Name1*** ohne offizieller Kundennummer auch damit eindeutig belegt und bewiesen sind.

Frau ***Bf.*** ist seit bei ***Lieferant M*** nichtselbständig beschäftigt und hat Ihre gewerbliche Tätigkeit (***Kaffee SSS***) per beendet.

Im Prüfungszeitraum wurden folgende Umsatzverkürzungen aufgrund nicht erfasster Wareneinkäufe festgestellt:"

Im Anschluss präzisieren die nachfolgenden Tz 4 bis 7 dieses Berichts die Feststellungen für die Jahre 2009 bis 2012 im Detail, wobei sich die Tz 4 auf 2009 und die nachfolgenden Textziffern auf die Folgejahre beziehen. Diese Begründung ist den Anlagen A1 bis D1 zu entnehmen.

Zu den Jahren 2013 bis 2015 hält der Außenprüfungsbericht fest, dass zwar auch in diesen Jahren Wareneinkäufe bei der Firma ***Lieferant M*** in der Buchhaltung der Bf. nicht erfasst und dadurch Umsatzverkürzungen getätigt worden seien, da die steuerliche Gesamtauswirkung auch durch Inanspruchnahme der Gastgewerbepauschalierung jedoch überschaubar und als geringfügig angesehen werden könne, werde von der Wiederaufnahme der Verfahren aus verwaltungsökonomischen Gründen aber abgesehen.

1.3. Beschwerde

Die äußerst kurz gefasste Beschwerde vom zum Jahr 2009 ging auf die Wiederaufnahmebescheide ursprünglich nicht im Detail ein.

Sie bezieht sich vor allem auf den Vermerk "kauft auch auf XXX" in der oben genannten Liste ***Lieferant M*** und rügt, es sei vom FA weder die Herkunft noch die nähere Bedeutung dieser Liste dargelegt oder gar aufgeklärt worden. Anstelle von "Schwarzeinkäufen" sei davon auszugehen, dass dieser "Eintrag" aus vereinzelten Einkäufen zum privaten Gebrauch (z.B. anlässlich des Geburtstags der Bf.) herrühren könnte, da derartige und höchst vereinzelte Einkäufe zum privaten Verbrauch selbstverständlich NICHT über das Café, sondern als Privateinkauf (was bei der Fa. ***Lieferant M*** nachgewiesenermaßen über das Konto XXX abgewickelt wird) durchgeführtworden sei.

Die Beschwerde bestritt den vom FA als nachgewiesen bezeichneten zeitlichen Zusammenhang und das Vorliegen "desselben Warensortiments". Es sei nicht verwunderlich, wenn bei einem ***Ortsangabe*** Getränkegroßhändler bei nahezu jedem getätigten Verkaufsvorgang das beliebte ***Ortsangabe*** Hopfen-Malzgetränk "***Biermarke A*** ***Biersorte A1***" im Standardgebinde von 25 Liter (Fass) veräußert wird. Die vorgenommenen Hinzurechnungen entbehren danach jeglicher substanzielleren Grundlage, widersprächen fundamental den tatsächlichen Verhältnissen und ließen sich auch aus der gegenständlichen Aktenlage bei rechtsrichtiger Würdigung keinesfalls ableiten.

Die Beschwerde vom bezüglich der Jahre 2010 bis 2012 entspricht inhaltlich der obigen, sehr knappen Beschwerde.

1.4. Finanzstrafverfahren

Das Bundesfinanzgericht wurde über Nachfrage vom FA per Mail vom darüber informiert, dass ein Finanzstrafverfahren gegen die Bf. eingeleitet worden sei.

Mit Schriftsatz vom legte das FA das Protokoll zur Hauptverhandlung vom vor dem Landesgericht Salzburg in der Strafsache ***Lieferant M*** (GZ ***XX####***) vor und wies - neben anderen Zeugenaussagen - vor allem auf die Aussage der Zeugin ***Zeugin S*** hin, wonach diese ein Handbuch für die Verbuchung der Bestellungen erstellt und ungewöhnliche Vorgänge dokumentiert habe (Seite 23 HV-Protokoll). Das unter dem Titel "Liste Mitarbeiterin XXX Kunden" vorgelegte Dokument stamme aus diesem Handbuch.
Die Zeugenaussagen beweisen nach Ansicht des FA, dass Gastronomiekunden bei ***Lieferant M*** Einkäufe mittels Kleinbetragsrechnungen tätigen. Bei Überschreitung der hierfür maßgeblichen Grenze sei ein Splitting vorgenommen worden, so dass mehrere Rechnungen unter teilweiser Verwendung von Fantasienamen oder der Bezeichnung XXX ausgestellt wurden. Dass die Bf. von der Möglichkeit des Splittings Gebrauch gemacht hat, ergebe sich aus der vorgelegten Liste, in der bei der Bf. der Vermerk "kauft auch auf XXX" gesetzt worden sei. Die Liste sei von ***Zeugin S*** aufgrund ihrer Eindrücke erstellt worden, weshalb kein Raum für Zweifel betreffend die Herkunft und die Bedeutung dieser Liste bestehe.

Über Nachfrage des Richters übermittelte das FA mit Mail vom das Erkenntnis des Spruchsenats II vom (FV 001 126 142), mit dem das wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG eingeleitete Finanzstrafverfahren gem. § 136 FinStrG eingestellt wurde.
Darin hielt der Spruchsenat fest, dass gemäß Zeugenaussagen in anderen Verfahren jeder Mitarbeiter von ***Lieferant M*** über die Möglichkeit der Splittung des Einkaufs entweder offiziell oder auf "XXX" Bescheid gewusst habe. Dabei sei die Vorgangsweise praktiziert worden, dass hintereinander einerseits auf den offiziellen Kundennamen und andererseits auf XXX "schwarz" eingekauft wurde. Das sei durch Geständnisse und Verurteilungen in abgeschlossenen Prüfungsverfahren mehrfach bestätigt worden. Maßgeblich sei dabei gewesen, dass hintereinander im Wesentlichen die gleichen Produkte angekauft worden seien.

Der Spruchsenat kam zum Schluss, das durchgeführte Beweisverfahren habe zwar ergeben, dass auch die Beschuldigte bei der Firma ***Lieferant M*** neben den Sachen für das Café privat eingekauft habe, diese Einkäufe hätten sich jedoch auf einen Wert von zwischen EUR 30 und 100 im Monat belaufen. Konkrete Feststellungen, dass die Bf. tatsächlich in dem vom FA angenommenen Ausmaß Bareinkäufe für das Café tätigte und die Erlöse aus dem Verkauf dieser Einkäufe sodann keiner steuerlichen Behandlung unterzog, seien nicht getroffen worden.

Im Anschluss daran stellt das finanzstrafrechtliche Erkenntnis das Beweisverfahren dar, im Zuge dessen zwei Mitarbeiter der Steuerfahndung bzw. der Betriebsprüfung, die mit den Bareinkäufen bei der Firma ***Lieferant M*** in zahlreichen Verfahren zu tun gehabt hatten, einvernommen wurden.

  1. Die beiden Zeugen hätten in durchaus nachvollziehbarer Weise das System ***Lieferant M*** dargestellt, wobei sich ihre Aussagen weitgehend auch mit jenen der Zeugin ***Zeugin S*** deckten, die 2011 für die Firma ***Lieferant M*** tätig gewesen sei und bei mehreren Einvernahmen das "System" erklärt habe.
    Sie habe bei ihrem Dienstantritt bei ***Lieferant M*** ein Handbuch verfasst, in dem sie die Dienstanweisungen festgehalten habe, wobei sich auch darin eine Anleitung zum System (XXX) befunden hätten. Der Senat schloss zwar nicht aus, dass sich auch die Bf. dieses Systems bediente, hielt das aber nicht "mit der für ein Strafverfahren hinreichenden Sicherheit" für erwiesen.

  2. Insbesondere aus der Aussage des zuletzt vernommenen Zeugen ***Zeuge K*** habe sich ergeben, dass - im Gegensatz zu anderen Gastronomen, die in weiterer Folge dann auch geständig waren und verurteilt wurden - die Beschuldigte im Rahmen der Telefonüberwachung nicht ausgeforscht wurde; der Beschuldigten hätten auch keine Codenamen zugewiesen werden können. Aus dem Verhandlungsprotokoll vom ergibt sich dazu, dass die Bf. (auch) deshalb bei der Telefonüberwachung nicht vorkam, weil sie in diesem Zeitraum überhaupt nicht telefonisch bestellte. Der Zeuge ***Zeuge K*** habe letztlich eingeräumt, dass die Beschuldigte höchstwahrscheinlich in den "Fokus" der Steuerfahndung bzw. der Betriebsprüfung geraten sei, weil sich ihr Café auf der sogenannten ***Zeugin S***-Liste mit dem festgestellten Vermerk befunden hatte. Aus dem Verhandlungsprotokoll vom ergibt sich, dass sich die Zeugin ***Zeugin S*** und die Bf. niemals gesehen haben dürften. Dem widersprach das FA nicht.

  3. Hinsichtlich dieser Liste habe die Zeugin ***Zeugin S*** angegeben, dass sie lediglich für eine Besprechung oder dergleichen erstellt worden sei und die Vermerke darin sich beispielsweise auf "Zahlungsprobleme" oder eben darauf bezogen hätten, dass es sich um Kunden handelte, die auch auf XXX kauften, also auch Privateinkäufe tätigten. Die Schlussfolgerungen des FA seien deshalb zwar nicht ganz von der Hand zu weisen; für eine Überzeugung des Senats, die zu einer Verurteilung der Beschuldigten führen hätte können, reiche die Beweislage jedoch nicht aus (Grundsatz: Im Zweifel für die Beschuldigte).

Zweifel äußerte der Spruchsenat auch im Hinblick auf die festgestellten (zeitlichen) Verbindungen von einzelnen Einkäufen (offiziell - XXX oder auch umgekehrt).

  1. Der Zeuge ***Zeuge K*** habe eingeräumt, dass den Prüfern nicht die gesamten Einkaufslisten zur Verfügung gestellt worden seien, weil sie zu umfangreich gewesen seien. Deshalb seien andere Unternehmen aus den Listen herausgelöscht worden. So könne nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass dadurch unter Umständen Einkäufe über längere Zeiträume plötzlich aneinander gekoppelt erschienen (dies jedenfalls vor Einführung des Zeiterfassungssystems im Jahr 2012), obwohl sie nicht zwingend etwas miteinander zu tun hatten.

a. Schriftsatz und Niederschrift Spruchsenat

Am hatte vor dem Spruchsenat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, die unter anderem auch auf einem Schriftsatz vom aufbaute, den die Bf. vorweg vorgelegt hatte.

In der Folge werden der Inhalt des Schriftsatzes bzw. das Ergebnis der mündlichen Verhandlung dargestellt. Soweit im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht dazu weitere Sachverhaltselemente bekannt wurden, werden sie themenbezogen ergänzt.

Im Schriftsatz vom stellte die Bf. die vom FA vorgenommene Zuordnung von XXX-Umsätzen an die Bf. wie folgt dar und verwies darauf, dass diese ab 2012 und damit dem Jahr, in dem zusätzlich eine zeitliche Zuordnung möglich war, sehr stark abnahm. Sie wies zudem darauf hin, dass von 2013 bis 2015 eine Erhöhung durch die Außenprüfung zur Gänze unterblieb.

In ihrer Stellungnahme bezeichnet die Bf. diese Schätzung als "unsubstantiell und grob" und stützte dies im Kern auf folgende Argumente:

  1. Rohaufschlagskoeffizient (RAK) und Biersteuer

Die Bf. wendete sich gegen die vorgenommene Schätzung der Schwarzumsätze durch die Anwendung der sich aus dem Rechenwerk ergebenden durchschnittlichen Rohaufschläge auf die vermeintlichen "Schwarzeinkäufe".

Sie wies darauf hin, dass die beim Lieferanten hinterlegten Preise zwischen dem Konto ***x*** (XXX Kunde) und dem Kundenkonto ***####*** (***Kaffee SSS*** der Bf.) teilweise stark divergieren, da beim Kundenkonto ***####*** offenkundig Rabatte gegenüber dem allgemeinen Konto ***x*** gewährt werden (z.B. Differenz "25 Lt Fass Bier" 2009 ca. 29%: EUR 26,60 anstatt EUR 34,40). Tatsächlich müsse beim Bareinkauf mit einem geringeren Rohaufschlag kalkuliert werden.

  1. RAK Bier

Diesen Kritikpunkt untermauerte die Bf. nach dem Erörterungsgespräch vom vor dem Bundesfinanzgericht über Aufforderung mit Mail vom .

Sie wies noch einmal auf die Rabattierung bei den Einkäufen auf die Kundennummer hin und zeigte auf, dass die "Liste ***Lieferant M***" - im Gegensatz zu den Rechnungen - die angefallene Biersteuer (EUR 0,24/Liter) nicht ausweist.

2012 seien bei Einkäufen unter der Kundennummer (anstelle unterschiedlich ausgewiesener Artikelpreise lt. Finanzamtsliste für 2009-2011 zwischen Kundennummer-EK und XXX-EK) sofort 15% Sofortrabatt berücksichtigt worden und auch in diesem Punkt weiche die "Liste ***Lieferant M***" von den Rechnungen ab.

Unter Berücksichtigung der angefallenen Biersteuer ergebe sich unter Verwendung der vom Bundesfinanzgericht angestellten Rechenweise ein Brutto-Verkaufspreis je 0,5l Bier von EUR 2,87 (2009), EUR 3,11 (2010), EUR 3,15 (2011) bzw. EUR 3,19 (2012). Der liege exakt im Bereich der durchschnittlichen Branchenentwicklung.

Unter der lebensnahen Annahme, dass vorgeworfene "Schwarzeinkäufe" auch nur zu regulären Verkaufspreisen veräußert werden können, würde sich der RAK nach Ansicht der Bf. am Rechenbeispiel Fassbier von 3,2 lt. Finanzamt auf ca. 2,7 reduzieren. Von ihr selbst wurde konkret für Fassbier 2009 ein Unterschied von 29% zwischen diesen beiden Beträgen ins Treffen geführt. Folgt man diesem Einwand ergibt sich folgende Reduktion des RAK bei Bier. Der durchschnittliche RAK bei Einkauf über das XXX-Konto für alle vier Jahre betrug damit etwa 2,78.

Zusätzlich ist hier allerdings zu berücksichtigen, dass der im Schätzungsweg ermittelte Wareneinsatz um die angefallene Biersteuer zu erhöhen ist. Da der von der Bf. ermittelte RAK in der Form errechnet wurde, dass er auf den Nettoeinkaufspreis inklusive Biersteuer und nach Abzug von 5% für Fassschwund angewendet wird, wäre bei dieser Methode der RAK für Zwecke der Umsatzzuschätzung auch auf die um diesen Schwund reduzierte Biersteuer anzuwenden.

Alternativ kann der RAK auch in der Form ermittelt werden, dass die Biersteuer auf Schwarzeinkäufe vorerst ausgeblendet wird und diese nur als zusätzlicher Wareneinkauf in Abzug gebracht wird. Mit dieser Methode errechnet sich der RAK auf "Schwarzeinkäufe" mit folgenden Werten und deckt sich mit durchschnittlich 3,2 annähernd mit dem RAK auf offizielle Einkäufe.

Diese Darstellung blieb in der mündlichen Verhandlung am unwidersprochen.

  1. RAK andere Getränke

Das gilt auch für den Vorschlag des Bundesfinanzgerichts, die fehlende Rabattierung bei den anderen Getränken pauschal über die Reduktion des RAK um 1 zu berücksichtigen. Auch dagegen erhoben die Verfahrensparteien keine Einwendungen.

  1. Allgemeiner massiver Rückgang nach Einführung Zeitstempel 2012

Die Bf. wies darauf hin, dass die behaupteten "Schwarzeinkäufe" von 2009 bis 2011 im Kassensystem des Getränkehändlers nicht mit einem Zeitstempel versehen waren. Erst ab 2012 sei aufgrund des Zeitstempels eine "einigermaßen objektiv theoretische Möglichkeit der Nachvollziehbarkeit der Vorwürfe" gegeben.

Nur aufgrund dieser Präzisierung sei der Anteil der vorgeworfenen "Schwarzeinkäufe" gegenüber 38,53% und 52,08% in den Vorjahren 2012 bereits auf lediglich 15,87% (und in den Folgejahren 2013 bis 2015 auf ca. 6,5%) gesunken. Daraus ergebe sich die Annahme der Höhe der zugerechneten Schwarzeinkäufe in den Jahren 2009 bis 2011 im Vergleich zu den Folgejahren als willkürlich und völlig unzutreffend.
Bis inklusive 2011 erfolgte die Zuordnung nach Ansicht der Bf. nur anhand einer zeitlich völlig unbestimmten Verkaufsabfolge. Auf die Tatsache, dass die Barverkäufe durchgehend nummeriert wurden, ging sie dabei nicht ein.

  1. Sortiment und Gebinde

Unter dieser Überschrift brachte die Bf. noch im Finanzstrafverfahren vor, sie habe nachweisen können, dass der überwiegende Großteil der vorgeworfenen "Schwarzeinkäufe" gar nicht von ihr getätigt habe werden können, da
- Artikel gekauft worden seien, die nicht in ihrem Sortiment geführt wurden und/oder
- Artikel in Gebindegrößen gekauft worden seien, die von ihr nicht verwendet wurden / nicht verwendet werden konnten.

Dazu ist zu sagen, dass es mittlerweile unstrittig ist, dass das FA sämtliche Vorgänge vor Erlassung der in diesem Beschwerdeverfahren betroffenen Bescheide ausschied, die sortimentsfremde Waren oder Gebinde enthielten, die nicht auch in den Einkäufen der Bf. auf Kundennummer enthalten waren.

  1. CO2-Verprobung

Zusätzlich argumentierte die Bf., dass bei Annahme der Einkäufe der Einsatz des notwendigen CO2 nicht verprobt werden könne.

Ihr sei es mit den eingekauften CO2-Flaschen nicht möglich gewesen wäre, das als Schwarzumsatz unterstellte Bier zu zapfen. Mit einer 5-kg-Flasche CO2 könne sie ca. 33 Fässer Bier á 25 Liter zapfen (Anmerkung BFG: das ergäbe 825 Liter Bier pro CO2-Flasche), da sie auch Soda entnommen habe. Ohne Soda-Produktion wären es danach ca. 40 Fässer Bier á 25 Liter (und damit 1.000 Liter Bier) gewesen. Dieser "Normverbrauch" sei quellenmäßig nachgewiesen und verprobt worden.

Die Bf. brachte vor, dass die CO2-Verprobung aufgrund erheblicher Abweichungen nicht plausibel wäre, wenn man ihr die angenommenen "Schwarzeinkäufe" zurechnen würde. In diesem Fall ergäbe sich für 2009 ein Überbestandbestand an CO2 von 2 Flaschen, ab 2010 ein deutlicher Unterbestand an CO2. Ab 2010 sei zudem keine einzige Flasche CO2 in den von der Ermittlungsbehörde vorgeworfenen "Schwarzeinkäufen" enthalten, sehr wohl jedoch eine große Menge an Fassbier, das mit dem offenkundig nicht vorhandenen CO2 gezapft werden hätte müssen.
Das FA habe es unterlassen, die tatsächlichen Verhältnisse (tatsächlicher Verbrauch der tatsächlich verwendeten Zapfanlage) in Erfahrung zu bringen. Sie übersehe zudem, dass die CO2-Verprobung bei Berücksichtigung des von ihr ins Spiel gebrachten Wertes von 1.500 Litern Bier pro 5-kg-Flasche CO2 zu noch größeren Differenzen führen und hierbei im Ermittlungszeitraum (selbst bei Berücksichtigung aller vorgeworfenen Zukäufe) ein Überbestand von 25 Flaschen CO2 (Warenfehlbestand von 37.500 Litern Bier oder 1.500 Fässern á 25 Liter) bestehen würde.

In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom (Spruchsenat) wurde auf Seite 5 wörtlich festgehalten:

"Die Beschuldigte wirft ein, dass mit 1 CO2-Flasche zwischen 33 und 40 25-Liter-Fässer gezapft werden können und dass bei steigender Tendenz mit den Jahren jährlich bis zu 40 Fässer pro Monat im Lokal verkauft wurden."

Die Bf. gab an, ab 2010 sei keine einzige Flasche CO2 in den von der Ermittlungsbehörde vorgeworfenen "Schwarzeinkäufen" enthalten. Dies wurde vom Außenprüfer bestätigt.

Nach Ansicht der Bf. hätte die große (zusätzliche, anonym gekaufte) Menge Fassbier demnach ohne CO2 gezapft werden müssen. Die vom FA angeführte "Möglichkeit weiterer unentdeckter Zukäufe" (an CO2) sei eine bloße Mutmaßung und nicht näher unterlegt. Insbesondere im Strafverfahren liege es nicht primär an der Beschuldigten, den letzten verbleibenden Zweifel auszuräumen wie vielmehr an der Anklage- und Ermittlungsbehörde, die vorgebliche Schuld nachzuweisen.

Der Steuerfahnder ***Zeuge K*** gab in der mündlichen Verhandlung vom dazu an, dass bei Erstellung der Liste mit zeitnahen Einkäufen (isolierte) Einkäufe von CO2-Flaschen weggelassen wurden, weil die jeder Wirt braucht und deshalb die Zuordnung zweifelhaft gewesen wäre.

Auch in der mündlichen Verhandlung am wies der steuerliche Vertreter der Bf. darauf hin, dass die CO2-Verprobung nicht passe. Mit allen erklärten Einkäufen könne der CO2-Verbrauch exakt erklärt werden, nicht jedoch mit den als Schwarzeinkäufen zugerechneten Einkäufen. Er verwies hinsichtlich der CO2-Verprobung auf den oben dargestellten Schriftsatz vom .

  1. Transportfahrzeug Golf Cabrio

Die Bf. gab an, im Großteil der Zeiträume habe sie die vorgeworfenen Mengen bereits deshalb gar nicht einkaufen können, weil ihr bis Mitte 2011 lediglich ein Golf Cabrio als Fahrzeug für den Transport zur Verfügung gestanden habe. Die vorgeworfenen Mengen an Kisten und Fässern hätte sie - so das Vorbringen - gar nicht transportieren können.

Aus einer aktenkundigen EKIS-Abfrage ist ersichtlich, dass auf die Bf. von bis ein VW Golf Cabrio Avantgarde (EZ ) zugelassen war, der in etwa das folgende Aussehen hatte (Symbolfoto):

[...]

Ab war auf sie ein neuer Peugeot 5008 (VAN mit großem Kofferraum) zugelassen, der in etwa so aussah (Symbolfoto):

[...]

In der mündlichen Verhandlung vom bestätigte die Bf. grundsätzlich, dass ihr diese Fahrzeuge zur Verfügung standen. Unaufgefordert gab sie weiter an, wenn in den Jahren bis Mitte 2011 mehr zu transportieren gewesen sei oder wenn sie unabkömmlich gewesen sei, habe sie auch fallweise ein Taxi zu ***Lieferant M*** geschickt.

  1. Lagerplatz, Leergut

Die Bf. argumentierte, das Café habe mit nur 6 m² bei weitem nicht über jene Lagerkapazitäten verfügt, die für die Lagerung der vorgeworfenen "Schwarzeinkäufe" notwendig gewesen wäre. Diese eingeschränkten Möglichkeiten seien der Grund gewesen, warum die Bf. gelegentlich Bier bei der Firma ***Lieferant M*** nachkaufen habe müssen.
Sie sei grundsätzlich von der Brauerei ***Biermarke A*** jeden Donnerstag direkt mit Bier beliefert worden. Sie habe aus Platzgründen stets nur eine gewisse Anzahl an Waren abnehmen können. In starken Wochen habe der Vorrat nicht bis zur nächsten Lieferung zu reichen gedroht, weshalb sie bei der Firma ***Lieferant M*** nachkaufen habe müssen. CO2 sei aus Kostengründen generell von der Fa. ***Lieferant M*** bezogen worden.

Wie schon erwähnt gab die Bf. selbst an, dass sie von ***Biermarke A*** wöchentlich jeweils etwa vier bis fünf 25-Liter-Bierfässer geliefert bekam. Dies entsprach offensichtlich der maximalen Lagermenge der Bf., begründete sie doch die Einkäufe bei ***Lieferant M*** unter anderem mit diesem Lager-Engpass.

In diesem Zusammenhang ist auf die Beschwerdeergänzungen hinsichtlich des Leergutes hinzuweisen. Mit Schriftsatz vom brachte die Bf. vor, im überaus überwiegenden Anteil der Einkäufe auf das offizielle Kundenkonto Nr. ***####*** erfolge der Einkauf von Bier in der Form, dass die gleiche Menge an Leergut zurückgegeben wird wie neue Ware eingekauft wird (2009: 68 von 76 = 90%; 2010: 55 von 62 = 89%; 2011: 62 von 71 = 87%; 2012: 34 von 40 = 85%). Nur in 10-15% sei es zu einer Verschiebung zwischen Rückgabe und Neubezug von einzelnen bzw. nur wenigen Einheiten gekommen. Hinsichtlich der behaupteten Schwarzeinkäufe komme es nahezu nie zu einer Leergut-Rückgabe, sondern immer nur zu einem Neubezug. Dies hätte laut Bf. zu einer Anhäufung von nicht retourniertem Leergut geführt, wofür sie keinesfalls die räumlichen Ressourcen gehabt hätte. Die andere Möglichkeit einer zeitlich abgesonderten Rückgabe ohne Neubezug widerspreche im hohen Ausmaß der Lebenserfahrung und stünde der vorgeworfenen "systematischen Handlungsabfolge" diametral entgegen.

Über Nachfrage des Bundesfinanzgerichts erläuterte die Bf. diese Behauptung in ihrer Stellungnahme vom . Sie wies auf Auffälligkeiten bzw. Ungereimtheiten hin, welche im Ergebnis zu einer signifikanten und faktisch nicht zu bewerkstelligenden Lagerbestandsveränderung von Leergut führen würden. Dabei reduzierte die Bf. ihre Recherchen auf einige wenige ausgewählte Beispiele, ohne auf das Gesamtbild Rücksicht zu nehmen und ohne dies weiter zu kommentieren.

2010 und 2011 ergibt dieser Ausschnitt einen Überhang an Leergutrückgaben. 2009 und 2012 weist der von der Bf. vorgebrachte Ausschnitt wohl keine gravierenden Auffälligkeiten auf.

Ende des Jahres wurden offenbar 12 Gratis-Prosecco-Gläser ausgefolgt. Die Bf. wies darauf hin, dass die Sinnhaftigkeit eines solchen "Schwarzeinkaufes" nicht ersichtlich sei.

In der mündlichen Verhandlung vom wies der Berichterstatter die Bf. darauf hin, dass sie nur einzelne Beispiele und nicht die Gesamtheit der Leergutbewegungen in den Jahren 2009 bis 2012 analysiert habe, dass sie 2009 und 2012 praktisch keine Differenzen aufzeige und dass es in den Jahren 2010 und 2011 danach sogar einen Leergutüberhang bei Rückgabe gibt. Dies ließ sie ebenso unwidersprochen wie die Tatsache, dass die Lagerkapazitäten durch die strittigen Schwarzeinkäufe schon deshalb nicht überstrapaziert worden sein können, weil jedenfalls im Regelfall mindestens gleich viel Leergut retourniert wie mitgenommen wurde (vgl. Folien 63-67 und 71).

  1. XXX-Kunden ***Lieferant M***

Bei ***Lieferant M*** hätten jederzeit auch Privatkunden einen Einkauf tätigen können (Konto ***x***, XXX-Kunde). Jeder Privatkunde erhalte dazu eine "XXX-Card". Das Konto ***x*** sei deshalb nicht ein bloßes "Schwarzeinkaufkonto". Das blieb - auch in der mündlichen Verhandlung - unbestritten.

  1. Sortimentsähnlichkeit

Das meistverkaufte Produkt eines ***Ortsangabe*** Getränkegroßhändlers sei Bier von der größten lokalen Brauerei. Zudem sei von der Bf. insbesondere Wein nach händlerseitiger Aktion erstanden worden. Man habe bei einer großen Anzahl an vorgeblichen "Schwarzeinkäufen" sortimentsfremde Waren und Gebindegrößen identifiziert können.

Konkrete Angaben machte die Bf. nicht. Unbestritten ist, dass sämtliche Sortimentsabweichungen schon im Verfahren vor dem FA ausgeschieden wurden. Diese Behauptung blieb damit unbewiesen.

Zudem habe die Bf. ein Tages-Café in einer mäßig guten Lage geführt, die vom FA vorgeworfene Menge an insbesondere alkoholischen Getränken sei aber für einen Abend- bzw. Nachtschankbetrieb repräsentativ. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass die täglichen Öffnungszeiten des Lokals der Bf. täglich jedenfalls von 9.00 bis 22.00 h reichten (vgl. mündliche Verhandlung ).

  1. Vermerk Liste ***Zeugin S***

Lt. FA sei auf dieser Liste zu jedem Kunde eine spezifische Anmerkung angeführt, etwa "kauft auch auf XXX", "kauft viel auf XXX", "kauft auch viel auf XXX", "kaufen viel auf XXX" oder "großer XXXkunde". Für die Bf. als Kunde ***####*** ***Kaffee SSS*** sei der Vermerk "kauft auch auf XXX" eingetragen.
Die Bf. brachte dazu vor, angesichts der von der Ermittlungsbehörde vorgeworfenen Mengen und des vorgeworfenen Ausmaßes dieser "Schwarzeinkäufe" wäre nicht der abgeschwächteste der oben dargestellten Vermerkvarianten, sondern vielmehr "kauft viel auf XXX" oder ähnliches zu erwarten. Der stark abgeschwächte Vermerk "kauft auch auf XXX" würde vielmehr auf einen gelegentlichen/seltenen privaten Einkauf (bspw. ihre private Geburtstagsfeier) der Bf. hinweisen, welcher selbstverständlich nicht über das Geschäftskundenkonto ***####***, sondern über das allgemeine Kundenkonto ***x*** zu tätigen wäre.

b. Stellungnahme vom

Zusätzlich gab die Bf. per Fax eine mit datierte Stellungnahme gegenüber dem Spruchsenat ab. Darin warf sie dem Prüfer hochgradig "problematische" Prüfungshandlungen vor (mangelhafte Protokollierung der Einvernahme der Bf. am , Verweigerung Akteneinsicht, mangelnde Objektivität, fehlende Schlussbesprechung). Inhaltlich wiederholte die Bf., auch Endverbraucher hätten im Streitzeitraum bei der Lieferantin einkaufen können. All diese Einkäufe ohne eigene Kundennummer seien dort auf das Kundenkonto ***x*** (XXX -Kunde) gebucht worden.

Die Bf. verwies auf die deutliche Reduktion der Anzahl der Zurechnung von Bareinkäufen an sie ab der Einführung eines Zeitstempels im Rechenwerk der Lieferantin im Jahr 2012 hin. Diese seien wie folgt zugerechnet worden.

Unklar bleibt, um welche konkreten Daten es sich hier handelt, stellte doch die Bf. in ihrer Stellungnahme vom an das Bundesfinanzgericht die Anzahl der vom FA zugerechneten Bareinkäufe mit folgenden Zahlen dar, was vom FA so in der mündlichen Verhandlung vom anerkannt wurde (siehe dazu noch einmal unten).

[...]

Im Anschluss nannte die Bf. in ihrer Stellungnahm an den Spruchsenat im Jahr 2021 Beispiele für eine behauptete Fehlzuordnung:

Als Beispiel für eine Fehlzuordnung erläuterte die Bf. Vorgänge am . Diese sind im Außenprüfungsbericht wie folgt dargestellt:

[...]

Diese sind im Rechenwerk der Lieferantin wie folgt abgebildet:

[...]

Die Bf. brachte vor, hier existiere zwischen dem Einkauf auf dem Kundenkonto (Vorgang BAR032093) und dem zugeordneten Bareinkauf (Vorgang BAR032095) sowie der "Stornierung Einkauf Kundenkonto" (Vorgang BAR032096) ein weiterer Geschäftsvorgang (BAR032094) des Kunden ***y***. Nach Ansicht der Bf. liege hier mit hoher Wahrscheinlichkeit die bloße Fehleingabe des Kassenpersonals (falsche Einbuchung auf die Kundennummer der Bf., Ziffernsturz der Kundennummern) näher als die Zuordnung zur Bf. Festgestellt werden kann, dass sich das Sortiment der Kundennummer ***y*** völlig von dem der Bf. unterscheidet.

Dieser Vorgang wird in Anlagen B1 DUNKELROT MIT WEISSER SCHRIFT markiert und in der Anlage B2 mit einer roten Wolke umgeben.

Als weitere Beispiele für "befremdliche" Zuordnungen führte die Bf. zwei Vorgänge an ( und ). So seien einem Einkauf auf das Kundenkonto der Bf. teils bis zu sieben darauffolgende Barverkaufsvorgänge "XXX" und Bareinkäufe mit teils sortimentsfremden Artikeln zugeschrieben worden (z.B. Weißbier ***Biermarke B*** im Fass, obwohl nicht mit der Zapfanlage kompatibel).

Für den wurden im Außenprüfungsbericht die folgenden Vorgänge dargestellt:

[...]

Im Rechenwerk der Lieferantin sind diese wie folgt abgebildet:

[...]

Daraus ist ersichtlich, dass das FA der Bf. einen einzigen Barverkauf (BAR036098; Berentzen Wildkirsche) zuordnete, der sich zwischen zwei offiziellen Vorgängen für deren Kundenkonto abspielte. Dabei wurde augenscheinlich beim ersten Vorgang (BAR036097) irrtümlich ein 36-Liter-Fass ***Biermarke B*** Fassbier anstatt eines 25-Liter-Fasses ***Biermarke A*** verrechnet, was mit dem dritten Vorgang (BAR036099) richtiggestellt wurde. Unklar bleibt, was an der Zuordnung des mittleren Vorganges zur Bf. unwahrscheinlich ist.

Der Vorgang vom wird im Außenprüfungsbericht wie folgt dargestellt:

[...]

Aus dem Rechenwerk der Lieferantin ergibt sich dazu:

[...]

Das FA ordnete hier also zwei 25-Liter-Bier-Fässer der Bf. zu, die innerhalb von 2 Minuten (zwischen 13:19:37 h und 13:21:28 h) vor dem offiziellen Einkauf erfasst wurden (siehe dazu unten).

In Fortsetzung ihres Schriftsatzes vom bestritt die Bf. einen Zusammenhang zwischen Gastgewerbepauschalierung sowie der unterlassenen Zurechnung durch das FA für die hier nicht strittigen Folgejahre 2013 bis 2015 und wiederholte ihre Rügen zu den nachfolgenden Themen, die bereits im Detail oben besprochen wurden:

  1. Sie rügte die Rohaufschlagsberechnung und betonte, der Außenprüfer habe ignoriert, dass die betreffenden Artikel in Abhängigkeit davon, ob diese über das Kundenkonto oder über das Barverkaufskonto XXX bezogen werden, unterschiedliche Einkaufspreise aufweisen. Die Bf. bezifferte die Abweichungen bei einzelnen Produkten mit bis zu 25%.

  2. Dem folgte eine Wiederholung des Vorbringens mangelnder Lagerkapazitäten. Der Lagerplatz habe nur 6 m² umfasst, die Zurechnungen hätten größtenteils größere Mengen an Waren beinhaltetet und der Außenprüfer habe die örtlichen Gegebenheiten trotz mehrmaliger Angebote niemals besichtigt.

  3. Die Bf. habe die Korrektheit und Vollständigkeit des Rechenwerks im Zuge des Prüfungsverfahrens mittels C02-Verprobung dargelegt und nachgewiesen. Auf Basis der Annahme des FA würde sich für 2009 bis 2012 ein Überbestand an CO2 von ca. 14 Flaschen ergeben.

Zudem rügte die Bf. im Finanzstrafverfahren, dass das FA nie den gesamten Datensatz aus der Hausdurchsuchung ***Lieferant M*** zur Prüfung erhalten habe, sondern nur durch die Finanzpolizei gefilterte Fragmente. Siehe dazu auch die Ausführungen unter dem Punkt "1.6.3. Kritik am Datenmaterial".

c. Zurücknahme Amtsbeschwerde und Stellungnahme des FA

Mit informierte die Bf. das Bundesfinanzgericht darüber, dass das Erkenntnis des Spruchsenats vom (Einstellung des Verfahrens) aufgrund der Zurücknahme der dagegen erhobenen Amtsbeschwerde in Rechtskraft erwachsen ist.

Damit konfrontiert bekräftigte das FA seine Entscheidung und wies mit Schriftsatz vom darauf hin, dass einem Freispruch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofs keine Bindungswirkung zukommt und im Abgabenverfahren ein unterschiedlicher Beweismaßstab gilt. Der Freispruch sei nur "im Zweifel" erfolgt.

1.5. Erörterungsgespräch etc.

Über Nachfrage durch das Bundesfinanzgericht hatte das FA schon mit Mail vom bekannt gegeben, dass es außer den Feststellungen betreffend den Wareneinkauf bei dem Unternehmen ***Lieferant M*** keine Feststellungen gegeben habe, die die formelle Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen 2012 in Frage stellen (2009 bis 2011 fehlen solche aufgrund der abgelaufenen Aufbewahrungsfrist). Weiters bestätigte es, dass es im Strafverfahren "***Lieferant M***" keine konkreten Aussagen in Bezug auf die Bf. gab. Das Strafgericht habe es damals nicht als notwendig erachtet, die Bf., die als Zeugin geführt wurde, einzuvernehmen.

Noch vor der Ergänzung ihrer Beschwerden (siehe unten) lud der Berichterstatter des Bundesfinanzgerichts zu einem Erörterungsgespräch, das am stattfand, nachdem das Verwaltungsgericht erweiterte Datensätze (siehe dazu "Zu den beiden Datensätzen") beim FA angefordert und der Bf. vorweg zur Verfügung gestellt hatte. Bei diesem Gespräch kam es zu keiner Annäherung der Verfahrensparteien.

Im Rahmen dieses Termins legte die Bf. eine Aufstellung der ***Biermarke A***-Brauerei vor (siehe auch Beilage zur Stellungnahme vom ), aus der - unter anderem - die folgenden Bier-Einkäufe der Bf. in den Jahren 2009 bis 2012 ersichtlich sind:

Daraus errechnet sich der folgende Wochendurchschnitt an Fassbiereinkauf direkt bei ***Biermarke A*** (zum Einkauf ***Lieferant M*** siehe Anhänge A-D).

[...]

1.6. Ergänzung der Beschwerde vom
bzw. vom 21. und

Die Beschwerden wurden mit Schriftsätzen vom 27. April, 21. Juli und ergänzt, in dem neben Rügen zu den Sachbescheiden (siehe Sachverhalt) auch (erstmals) konkrete Einwendungen zu den Wiederaufnahmsbescheiden vorgebracht wurden.

2. Wiederaufnahme

Die Bf. rügte,

  1. die Wiederaufnahme 2009 sei bereits vor dem Prüfungsabschluss "rein auf Verdacht" erfolgt. Es lägen deshalb nicht nur eine grobe Verletzung des Parteiengehörs, sondern auch eine rechtswidrige Vorgangsweise mangels Vorliegens "neuer Tatsachen" (Feststellungen, sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach) vor.

  2. In den Wiederaufnahmebescheiden 2010 bis 2012 seien die Wiederaufnahmegründe nicht konkret benannt worden. Insbesondere werde nicht einmal allgemein auf die stattgefundene Prüfung und deren Feststellungen verwiesen. Der Bezug zu einem substanziellen Vorwurf einer Hinterziehungshandlung als hier kausale Voraussetzung einer Wiederaufnahme fehle vollständig, was nicht sanierbar sei.

Weder aus den Wiederaufnahmebescheiden noch aus dem Akt ergebe sich, zu welchem Zeitpunkt die belangte Behörde tatsächlich Kenntnis von den Neuerungen erlangte. Weder für das Gericht noch für die Bf. bestehe die Möglichkeit festzustellen, wann die "Ermittlungen bei der Fa. ***Lieferant M***" erfolgten und ob diese nicht bereits bei Erlassung der ursprünglichen Bescheide der belangten Behörde bereits bekannt waren. Die Behörde hätte die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel in der Begründung ihres Bescheides kontrollierbar darzustellen gehabt ().

Die Bf. wies darauf hin, dass die (für die Frage der Verjährung relevante) Beurteilung der Vorfrage, ob eine Hinterziehung vorliegt, durch die Abgabenbehörde nach Maßgabe von § 33 FinStrG zu erfolgen hat und dass das diesbezügliche finanzstrafrechtliche Verfahren (rechtskräftig) eingestellt wurde (siehe unten). Es könne damit kein Hinterziehungstatbestand vorliegen. Das FA habe es unterlassen, konkret zu begründen und nach Maßgabe des § 33 FinStrG zu beweisen, dass Hinterziehung vorliegt. Die unterschiedliche Beantwortung derselben Rechtsfrage (§ 33 FinStrG) unter Prüfung desselben Sachverhalts durch dieselbe Person (Zahrl) sei "der herrschenden Rechtsdogmatik unverträglich".

Die Bf. verwies auf und brachte vor, dort sei die Erfüllung des Vorfragentatbestands der Hinterziehung bei einer nachträglichen Beurteilung des Strafgerichts als "nur" grob fahrlässige Abgabenverkürzung verneint worden. In der Einlassung vom ging die Bf. näher auf dieses Erkenntnis ein und behauptete als zentrales Element eine Bindungswirkung (Vorfrage) der finanzstrafrechtlichen Einstellung des Verfahrens für das hier zu beurteilende Abgabenverfahren. Mangels Hinterziehung seien allfällige Abgaben verjährt.
Dies betonte der steuerliche Vertreter der Bf. noch einmal in der mündlichen Verhandlung und ergänzte, diese Entscheidung des BFG spreche klar und eindeutig davon, dass sich das FA im Falle eines Freispruches sehr wohl an den Ausspruch des Strafgerichtes zu halten hat (Verweis auf Seite 8, drittletzter Absatz des RIS-Ausdruckes dieser Entscheidung und die Nichtzulassung einer Revision).

Zudem übersehe das FA, dass sich die Abgabenbehörden in allen diesen Lieferanten betreffenden, ähnlich gelagerten Fällen nicht nur auf die strittige und zweifelhafte Liste stützte, sondern zusätzlich immer auf weitere Beweismittel (Funde aus Hausdurchsuchungen, Protokolle von abgehörten Telefonaten, etc.), die letztlich zu "Geständnissen" geführt hätten. Die Bf. tauche weder in den Abhörprotokollen noch im Strafakt der Fa. ***Lieferant M*** auf.

Es sei vom FA unterlassen worden, durch Vornahme eines internen oder externen Betriebsvergleichs oder durch festzustellende Unstimmigkeiten bei der erklärten Rohaufschlagskalkulation etc. die objektive Möglichkeit bzw. das Potenzial von Schwarzverkäufen unter Berücksichtigung der konkret-individuellen Betriebsführung (Art, Größe und Lage des Lokals, Betriebszeiten, Personalstand, Lagermöglichkeit, Frequenz und Gästestruktur, ...) zu erheben, darzustellen und abzugrenzen. Die Beweislast für eine Hinterziehung liege beim FA.

In der mündlichen Verhandlung am wies der steuerliche Vertreter der Bf. noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass es das FA in den Wiederaufnahmebescheiden 2010 bis 2012 in seiner Begründung verabsäumt habe, überhaupt auf § 33 FinStrG hinzuweisen.

3. Allgemeine Vorwürfe (Rechtsstaatliche Prinzipien)

In einem weiteren Block warf die Bf. dem FA die Verletzung des Objektivitätsprinzips vor.

  1. Die Prüfungshandlungen seien - unter dem Eindruck "anderer" Fälle - tendenziös und grob benachteiligend gewesen. So sei argumentiert worden, dass durch die Bf. "nicht alle vorgeworfenen Einkäufe restlos aufgeklärt werden hätten können" oder "dass nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne, dass sich der Sachverhalt anders als von der Bf. dargelegt ereignet hat".

  2. Vor Beginn der Prüfungshandlung sei die Bf. am trotz aufrechter steuerlicher Vertretung persönlich und ohne nähere Angaben ins Finanzamt zitiert worden. Nach Eröffnung der formellen Prüfung sei ihr (auch bei der anschließenden Vernehmung) die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes verweigert worden. Auch sei gedroht worden, eine Akteneinsicht abzulehnen bzw. sei diese an die Vorlage von Unterlagen geknüpft worden, zu deren Vorhalt die Bf. aufgrund Zeitablaufes nicht mehr verpflichtet gewesen und die aus diesem Grund teilweise auch nicht mehr existent gewesen seien und sohin nicht mehr beigebracht hätten werden können. Alle trotzdem existenten Unterlagen seien vollumfänglich und sogleich zur Verfügung gestellt worden.

  3. Zu 2009 bis 2015 seien der Bf. vorselektierte, angeblich aus dem Rechnungsprogramm der Fa. ***Lieferant M*** gewonnene, Ausschnitte aus Listen vorgelegt worden, wobei diese für 2009 bis 2011 über keinen Zeitstempel verfügten.
    Allein aufgrund der Tatsache der Existenz eines Zeitstempels habe das FA eine signifikant niedrigere "Verdachtslage" von vorgeblichen Schwarzeinkäufen angenommen (Verhältnis 80:20 in 2009 gegenüber 20:80 in 2015). Zudem habe insbesondere von 2012 bis 2015 (für diese Jahre seien noch die vollständigen Unterlagen der Bf. vorgelegen) der Großteil der "Verdachtsfälle" aufgeklärt werden können (z.B. Waren welche nicht im Sortiment waren, falsche Gebindegrößen, etc.). Zum Teil sei das trotz der erschwerten Umstände auch für die Jahre davor erfolgt. Für 2013 bis 2015 habe das FA von sich aus von entsprechenden Feststellungen Abstand genommen.
    Das FA habe nun nicht die Jahre mit guter Materiallage (vollständige Unterlagen der Bf. und Zeitstempel) für die Vorjahre umgelegt, sondern sei - grob zu Ungunsten der Bf. - vom Gegenteil ausgegangen und habe ihr sowohl die nicht vorhandenen Zeitstempel wie auch die unvollständige Unterlagenlage ausschließlich zum Nachteil gereichen lassen.

Der Nachweis, dass ein "anonymer", teilweise mehr als 10 Jahre zurückliegender Einkauf nicht von der Bf. getätigt wurde, stelle die Anforderung der Erbringung eines Nichtbeweises dar. Das sei realitätsfern.

Die Bf. sei nur deshalb in den Fokus der Ermittlungen geraten, weil ihr Name auf der "Liste ***Zeugin S***" aufscheint. Es sei weder ein "Scheinname" ermittelt noch ein inkriminierendes Telefonat abgehört worden (Steuerfahnder ***Zeuge K***, Protokoll vom ). Selbst die ehemalige Mitarbeiterin ***Zeugin S*** habe keine genauere Kenntnis über diese Liste hinsichtlich Zustandekommen, Zweck und Inhalt und sei auch nur im Zeitraum von August 2010 bis Oktober 2011 bei der Fa. ***Lieferant M*** beschäftigt gewesen.

4. Kritik am Datenmaterial

Der steuerliche Vertreter wies darauf hin, dass die bekämpften Bescheide auf Basis der ursprünglich sehr eingeschränkten Auswertung der Steuerfahndung erstellt wurden.

Unstrittig ist, dass die Listen "***Lieferant M***", die zu den bekämpften Zuordnungen zur Bf. führten, erst ab 2012 einen Zeitstempel aufweisen und damit eine exakte zeitliche Zuordnung erlauben. Dies bestätigte der Außenprüfer am vor dem Spruchsenat nach Schilderung der Prüfungshandlungen. Er gab an, bis Ende 2011 sei es auf der Buchungsliste nicht erkennbar gewesen, wieviel Zeit zwischen einzelnen Buchungen vergangen war. Er bestätigte auch, dass die der Beschuldigten zuordenbaren Bareinkäufe ab Einführung der Protokollierung der Zeit abgenommen hätten.

Die Bf. setzte einen Schwerpunkt ihrer Rügen - auch in der mündlichen Verhandlung vom - auf die Kritik an der Aussagekraft der Listen aus dem EDV-System der Fa. ***Lieferant M***.

Sie rügte vorerst, keines der Prüfungsorgane des FA und auch nicht das Bundesfinanzgericht hätten Zugriff auf das vollständige Datenmaterial, sodass dieses weder auf Vollständigkeit noch auf Richtigkeit überprüft werden könne. Es lägen nur bearbeitete, "vorselektierte" Fragmente der Gesamtliste vor. Dabei handle es sich - insbesondere von 2009 bis 2011 - nur um eine Teilübersicht. Auch nach Vorlage der erweiterten Auswertungen (siehe unten) verlangte sie eine Einsicht in die vollständige Liste von ***Lieferant M***. In Ermangelung des Zugriffes auf die Gesamtliste sei es nicht möglich,

  1. allfällige Muster und Systematiken anderer Kunden im vorgeblichen Nahebereich der Einkäufe der Bf. zu deren Entlastung zu erkennen bzw. zu analysieren,

  2. allfällige Muster möglicher Fehleingaben der damaligen ***Lieferant M***-Mitarbeiter zu erkennen und

  3. zu erkennen, ob fragliche XXX-Einkäufe nicht zugleich in mehreren Verfahren "vorselektiert" und möglicherweise mehreren Steuerpflichtigen zugeordnet wurden.

Zur Überprüfung der Teillisten beantragte die Bf. die Vorlage bzw. Zurverfügungstellung der Gesamtliste sowie die verifizierbare Berücksichtigung der bereits in anderen Verfahren getätigten bzw. beabsichtigten Zuordnungen ("Selektionen") zur Wahrung der Rechte und Aufklärungs- bzw. Verteidigungsmöglichkeiten.

Dazu ist den Akten zu entnehmen:

Schon im Finanzstrafverfahren zeigte die Bf. auf, dass das FA seine Prüfung nur auf Basis eines durch die Finanzpolizei vorweg bearbeiteten Datensatzes durchführte. Daraus ergebe sich womöglich ein für das FA verzerrtes Bild, welches zu falschen Schlüssen führen kann, da diese Fragmente nach Ansicht der Bf. teilweise und nachweislich nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen.

Als Beispiel nannte sie die Vorgangsnummer 10006212 vom . Dort sei es nach den Auflistungen zur Rückgabe von 12 Pfandfässern ***Biermarke A*** gekommen. Gemäß beiliegendem Belege (Bon) 10006216 sei tatsächlich und nachweislich nur 1 Fass retourniert worden. Diese Auflistung/Datenlage sei nachweislich falsch darstellt. Sie verwies dazu nur auf Beilage 14 in Form eines Ausdruckes des FA.

Im Außenprüfungsbericht findet sich dazu die folgende Darstellung:

[...]

Im Rechenwerk der Lieferantin wurde das wie folgt erfasst:

[...]

Damit dürfte es zutreffen, dass im Rechenwerk der Lieferantin hier eine Fehlerfassung erfolgt sein könnte. Sie betrifft allerdings keine anonyme, sondern eine "offizielle" Lieferung.

Ermittlungen des Bundesfinanzgerichts dazu

Wie von der Bf. aufgezeigt, basierten die Feststellungen des FA auf vorbearbeiteten Datensätzen, die nur die Einkäufe auf die Kundennummer der Bf. (***####***) sowie die ihr zugeordneten unmittelbar vor- oder nachher erfolgten anonymen Einkäufe enthielten.

In einem ersten Schritt (Mail vom ) forderte das Bundesfinanzgericht eine detailliertere Auswertung an, die jeweils mindestens zwei Vorgänge vor und nach jedem offiziellen Einkauf enthalten sollten.
Daraufhin übermittelte das FA mit mehreren Mails vom zwei Excel-Dateien mit dem kompletten Datenbestand (siehe dazu unten) der Lieferantin von 2009 bis 2011 (ohne Zeitstempel) und von 2012 bis 2015 (mit Zeitstempel) in gezippter Form (acht Dateien) und kündigte die angeforderte Auswertung an.

Entzippt ergab das diese Dateien:

In weiterer Folge übermittelte das FA am vier Excel-Dateien mit Detailangaben, die aber schwer lesbar waren und auch die Namen anderer Lieferanten enthielten. Nach Ersuchen des Bundesfinanzgerichts wurden diese Dateien weiter verfeinert und schließlich am in der anonymisierten und strukturierten Form übermittelt, in der sie der Bf. am zur Verfügung gestellt wurden.

In der mündlichen Verhandlung vom gab das FA über Nachfrage vorweg an, die hier strittigen EDV-Listen seien ein Teil des Warenwirtschaftsprogrammes des Getränkelieferanten. Das gehe aus einem Schriftsatz des Getränkelieferanten hervor, der dem FA vorliegt. Diesen Schriftsatz legte das FA vorerst nicht vor und behielt sich eine Klärung der Frage vor, ob darin berechtigte Interessen Dritter berührt werden (siehe dazu unten "Schriftsatz ***Schwesterngesellschaft***").

Über Befragen gab der Außenprüfer sodann bekannt, er habe am Kenntnis von den (vorausgewerteten) Listen erhalten und legte die diesbezüglichen Mails der Steuerfahndung an den Prüfer vor. Er gab an, das Mail des Herrn ***Zeuge L*** betreffe 2012 bis 2015 und das Mail des Herrn ***Zeuge K*** die Jahre 2009 bis 2011. Er blieb bei dieser Aussage auch, nachdem darauf hingewiesen wurde, dass das Mail ***Zeuge L*** keinen Bezugszeitraum enthält.

Die Vertreter des FA erklärten anschließend im Detail, das FA habe ursprünglich nur Ausschnitte des von der Steuerfahndung erstellten Datenmaterials erhalten. Diese hätten nur die Vorgänge mit der Kundennummer der Bf. sowie die Vorgänge, die ihr von der Steuerfahndung zusätzlich zugeordnet wurden (Kundennummer ***x***) enthalten. Erst über Anforderung durch das Bundesfinanzgericht habe das FA die vollständigen Excel-Dateien für die Jahre 2009 - 2011 und 2012 erhalten, die vom FA im Anschluss daran an das Bundesfinanzgericht weitergeleitet wurden. Auch die zwischenzeitig angeforderte Auswertung mit jeweils zwei Vorgängen vor und nach dem offiziellen Einkauf (siehe oben) sei von der Steuerfahndung erstellt worden.

Fest stehe, dass die strittigen Excel-Listen von der Steuerfahndung stammen, von dieser voraufbereitet und vom Außenprüfer weiterbearbeitet wurden (siehe dazu auch weiter unten).

Der Berichterstatter ergänzte, er habe diese beiden Dateien insofern aufbereitet, als sie anonymisiert und auf die einzelnen Jahre aufgeteilt wurden. Daraus wurden von ihm pdf-Dateien erstellt.
Der Bf. wurde (zeitlich nicht begrenzte) Gelegenheit gegeben, in diese digitalisierte Gesamtliste Einblick zu nehmen. Dem kam ein Vertreter der Bf. am nach, begutachtete von 11.00 bis 13.00 h die Daten, gab bekannt, welche Seiten er benötige und bekam diese in Form von Ausdrucken seiner Anforderung gemäß überreicht (vgl. Niederschrift vom ).

Ohne diese Liste in ihrer Gesamtheit in Frage zu stellen, bezweifelte der steuerliche Vertreter der Bf. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht, dass diese Liste im konkreten Fall ein taugliches Mittel zur Ermittlung der Abgabenschuld der Bf. und der daraus resultierenden Hinzuschätzung von Erlösen/Verkäufen ist. Über Nachfrage gestand er zu, dass für eine Manipulation dieser Liste keine Hinweise vorliegen. Er habe die Liste, in die Akteneinsicht genommen wurde, mit den tatsächlich vorhandenen Belegen verprobt und dabei bis auf einen Fall mit der Rückgabe von 12 Leergutfässern ( - siehe oben) keine Unstimmigkeiten festgestellt. Dazu komme allerdings, dass in der Liste die Biersteuer nicht enthalten ist und ab 2012 der Rabatt für die Kundennummer-Einkäufe (15 %) nicht ausgewiesen ist.

Wenngleich ursprünglich gerügt worden war, die Listen wichen hinsichtlich ganzer Rechnungspositionen bzw. den ausgewiesenen Beträgen teilweise in erheblichem Maße von den tatsächlichen (Rechnungs-)Gegebenheiten ab, schränkte die Bf. dies über ausdrückliches Nachfragen in der mündlichen Verhandlung auf die Biersteuer und Rabatte (ab 2012) ein (siehe dort).

Im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung legte das FA (doch) ein von Hrn. ***Lieferant M*** unterfertigtes, undatiertes Schreiben der Fa. ***Schwestergesellschaft*** vor. Dabei handelt es sich laut FA um eine Schwestergesellschaft der Fa. ***Lieferant M***, wobei beide Firmen das gleiche EDV-System verwendet hätten (Beilage D zur mündlichen Verhandlung). Darin bezog Hr. ***Lieferant M*** Stellung zu einem am erstellten Bericht über die Ergebnisse der IT-Fahndung.
Er verwies auf eine beiliegende, komprimierte Beschreibung der "bei ihnen" eingesetzten Software (die vom FA hier nicht vorgelegt wurde) und gab an, darin würden der vorgesehene Workflow beschrieben und einige Beispiel angeführt, aus denen hervorgeht, warum Vorgänge, Dokumente usw. aus dem normalen Geschäftsbetrieb heraus gelöscht würden und damit auch der zugehörige Primärschlüssel in der Datenbank verschwinde.
Dass die ausgewerteten Datenbanken und die darin enthaltenen Tabellen Lücken im Bereich der Primärschlüssel aufweisen und dass Vorgangsnummern fehlen, sei nicht verwunderlich und könne nicht - wie von den ermittelnden Behörden unterstellt - in irgendeine Verbindung mit irgendwelchen Manipulationen gebracht werden. Diese Behörden würden ignorieren, dass eine Vorgangsnummer bereits angelegt werde, wenn etwa ein unverbindliches Angebot gelegt oder ein Bestands-Check (z.B. mithilfe eines Kommissionscheines) durchgeführt wird. Beide würden nie in einer Rechnung oder einem Geschäftsfall verarbeitet werden. Aus seiner Sicht seien keine Grundaufzeichnungen aufzubewahren oder zu führen, wenn es zu keinem Geschäftsfall kommt oder der Geschäftsfall in einer komplett anderen Konstellation stattfinde (Angebot wird nicht entsprochen oder die Lieferung findet nicht statt).

Das EDV-System sehe nicht vor, dass der Nummernkreis der Vorgangsnummer durchlaufend oder lückenlos sein muss. Laut Auskunft des Softwareherstellers sei dieser seit 30 Jahren Softwareeinsatz bei über tausend Kunden in Österreich und Deutschland das erste Mal mit einer derartigen Fragestellung konfrontiert. Die steuerliche Vertretung habe sich ähnlich geäußert.
Der Vorgangsnummer-Kreis sei keinesfalls mit jenen von Ausgangsrechnungen oder eines Kassensystems zu vergleichen. Eine Vorgangsnummer sei nichts anderes als eine unverbindlich geführte Ordnungszahl, die helfen soll sich im ERP-System zu orientieren. Wenn eine Vorgangsnummer aus dem normalen Geschäftsbetrieb heraus gelöscht werde (z.B. bei Korrektur einer Sammelrechnung vor dem Versenden) verschwinde auch der Primärschlüssel in der Datenbank. Es erfolge keine Verschleierung oder Manipulation. Die Datenbanken der Auftragserfassung oder der Warenwirtschaft seien in keinster Weise mit jenen einer Finanzbuchhaltung, mit einem Kassensystem oder einem elektronischen Journal gleichzusetzen. Hr. ***Lieferant M*** führte unter anderem weiter aus, es seien mehrere Dokumente vorgelegt worden, die auf Basis des bei der Hausdurchsuchung sichergestellten PDF-Archives ausgewertet worden seien. Das FA habe Unterlagen der ***Schwestergesellschaft*** unzulässiger Weise ausgewertet, da bei der Hausdurchsuchung im Grunde nur Unterlagen der Einzelfirma ***Lieferant M*** hätten beschlagnahmt werden dürfen.

Der steuerliche Vertreter wendete gegen die Darstellung in diesem Schriftsatz ein, dass sie keine Aussagekraft habe und betonte in seinem Schlusswort zur mündlichen Verhandlung, die Behörde habe als einziges Beweismittel im Rahmen des gesamten Verfahrens eine Liste vorgelegt, welche im Rahmen dieses Verfahrens kein taugliches Beweismittel sei. Die Vertreter der Bf. hätten im Rahmen des Verfahrens sowohl schriftlich als auch mündlich umfassende Beweise ausgeführt/vorgebracht (CO2-Verprobung, Größe der Lagerfläche, Transportkapazität, …), um die von der Behörde getroffene Zuordnung von vermeintlichen Schwarzeinkäufen, welche ohne jedweden weiteren Beweis von der Behörde zu einer Hinzuschätzung der Umsatzerlöse genutzt wurde, zu falsifizieren.

Das FA brachte dagegen vor, dass die von der Steuerfahndung zur Verfügung gestellten EDV-Daten, die im Rahmen der Hausdurchsuchung bei der Fa. ***Lieferant M*** gesichert worden seien, valide seien. Die unmittelbar vor und nach einem offiziellen Einkauf als BAR-Einkäufe bezeichneten Vorgänge seien der Abgabepflichtigen zuzurechnen. Dies insbesondere deshalb, weil sie nachgewiesener Maßen für das Jahr 2012 zeitlich unmittelbar vor oder nach dem offiziellen Einkauf gelegen seien.
Es deute nichts darauf hin, dass die Vorgangsweise der Abgabepflichtigen bei Getränkeeinkäufen für die Jahr 2009 bis 2011 vom Jahr 2012 abgewichen sei, was auch dadurch bewiesen sei, dass die BAR eingekauften Waren absolut zum Getränkesortiment der Abgabepflichtigen passen. De facto seien im Wesentlichen dieselben Getränkeartikel in etwa gleich hoher Menge BAR eingekauft worden, wie auf den offiziellen Rechnungen.

Dass in den Jahren 2009 bis 2011 der der Abgabepflichtigen zugeordnete BAR-Einkauf gegenüber dem Jahr 2012 signifikant höher ist, ergebe sich daraus, dass der über das Kundenkonto erfasste Einkauf im Jahr 2012 gegenüber insbesondere den Jahren 2009 und 2010 wesentlich höher sei.

Zuordnung durch FA bzw. Steuerfahndung

Konkret erfolgte die Zuordnung der Geschäftsfälle in der Form, dass die Behörde jeweils die anonymen Vorgänge unmittelbar vor und nach offiziellen Einkäufen auf die Kundennummer der Bf. (***####***) untersuchte. Zeigten diese eine Übereinstimmung im Sortiment (2009 bis 2011) bzw. bewegten sich diese in zeitlicher Nähe (2012), so ordnete die Behörde die anonymen Einkäufe der Bf. zu.

Anhand eines Beispiels vom lässt sich das wie folgt grafisch darstellen.

In diesem Jahr gab es zusätzlich zur Angabe der eingekauften Waren (Spalte "KText") und der fortlaufenden Nummerierung (Spalte "ID") sowie der Zusammenfassung pro Verkaufsvorgang (Spalten "VorgNr" bzw. "VorgID") auch noch einen Zeitstempel (Spalten "Datum" bzw. "Datum_nummerisch").

"Gesamtdatei 2012"

[...]

Daraus entwickelte die Steuerfahndung die folgende Auswertung:

[...]

Die Behörde machte die Zuordnung hier aufgrund der Übereinstimmung der beiden Waren "Urviertler" und "25-Liter-***Biermarke A***-Fass" mit dem üblichen Sortiment der Bf. sowie dem zeitlichen Naheverhältnis (Abstand zwischen diesen beiden Einkäufen ca. 4 Minuten). Eine Zuordnung des anonymen Vorganges nach dem offiziellen Einkauf unterblieb aufgrund des größeren zeitlichen Abstands (7 Minuten) und mangels Übereinstimmung im Sortiment.

Im Außenprüfungsbericht stellte der Außenprüfer jeden einzelnen dieser Zuordnungsvorgänge dar (Tz 4 bis 7). Diese Aufstellungen wurden durch den Berichterstatter des Bundesfinanzgerichts für jedes Jahr ergänzt, mit Anmerkungen versehen und zur Diskussion bei der mündlichen Verhandlung ausgeteilt. Für 2012 inkludiert das die Analyse der Zeitabstände zwischen den einzelnen Vorgängen (Anmerkung in grün).

In Bezug auf den obigen Vorgang ist daraus ersichtlich, dass am um 13.40 h ein offizieller Einkauf auf die Kundennummer ***####*** erfolgte. 4 Minuten vorher hatte ein anonymer Kunde 1 Fass Bier und 1 Kiste Wein gekauft, die grundsätzlich dem Sortiment der Bf. entsprechen, was das FA dazu veranlasste diesen Einkauf der Bf. zuzurechnen.

Nur 2 Minuten vorher hatte ein anonymer Kunde Waren eingekauft, die nicht zum Sortiment der Bf. passen (siehe oben VorgID 487). Der nächste Kunde nach dem offiziellen Einkauf der Bf. war ebenfalls anonym, kam erst nach 7 Minuten (VorgID 490) und kaufte ein anderes Sortiment.

[...]

Zum Jahr 2012 ist - was von der Bf. gerügt wurde - anzumerken, dass die anonymen Kunden vom Außenprüfer im Bericht mit der Bezeichnung "***x*** XXX Kunde" versehen wurden. Vom Außenprüfer wurde erklärt, dass er die Bezeichnung händisch vergab.

Tatsächlich scheint diese Bezeichnung in der Gesamtdatei nur in den Jahren 2009 bis 2011 auf. In der Gesamtdatei 2012 scheint im Feld "KdNr" meist nur "0" auf. Dennoch findet sich auch die Kundennummer ***x*** vereinzelt, in sehr wenigen Fällen in dieser Datei.

In der mündlichen Verhandlung brachte der steuerliche Vertreter der Bf. nicht weiter substantiiert vor, auf die Datenbestände der Firma ***Lieferant M*** solle es im Jahr 2013 einen Hackerangriff gegeben haben. Näheres dazu könne er nicht sagen. Einen Beweisantrag auf weitere Ermittlungen oder eine Einvernahme des Hrn. ***Lieferant M*** als Zeugen stellte er in der mündlichen Verhandlung über ausdrückliches Nachfragen nicht.

Weitere Rügen

Die Bf. rügte zudem, 2009 erschienen - was erst infolge der vom Bundesfinanzgericht angeforderten "erweiterten Auszüge" sichtbar geworden sei - im vorgeblichen "Nahebereich" der Einkäufe der Bf. auffällig oft Einkäufe sehr ähnlichen Sortiments auf die Kundennummer ***z*** auf. Diese tauche 2009 auffällig oft auf, in den Folgejahren jedoch nie wieder.

Über Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht ergänzte die Bf. mit Schriftsatz vom , diese Kundennummer sei 2009 13 Mal und 2010 sechsmal in ihrem Nahebereich zu finden, habe offenkundig ein ähnliches Sortiment und trotzdem seien die strittigen Vorgänge ihr zugerechnet worden.

Dazu wurde in der mündlichen Verhandlung vom Berichterstatter unwidersprochen dargestellt, dass die Auswertung ergibt, dass diese Kundennummer nur bis verwendet wurde. Sie ist dabei niemals in unmittelbarer Nähe von der Bf. zugerechneten Bareinkäufen (Kunde Nummer ***x***) zu finden bzw. sind in den Fällen, wo dies doch der Fall ist, beim Bareinkauf nur Produkte enthalten, die zwar im offiziellen Einkauf der Bf., nicht aber in dem des Kunden ***z*** aufscheinen. Das betrifft insbesondere die Produkte "20/0.50 ***Biermarke B*** ***Biersorte B1***" (17. Jänner, 10. Juli und sowie 5. März, 10. März, ) oder "0.75 Fl Markowitsch Carnuntum Cuvée" bzw. "0.75 Fl Prosecco Celentano" (vgl. ).

Der Berichterstatter wies zudem darauf hin, dass es zwei problematische Überschneidungen gibt, bei denen die Produkte "24/0,50 ***Biermarke A*** ***Biersorte A1*** Dose" und "25 Lt Fass ***Biermarke A*** ***Biersorte A1***" zusammen gekauft wurden. Diese hatte sowohl die Bf. wie auch der Kunde ***z*** im Sortiment. Davon betroffen sind die Vorgänge am und (vgl. Folie 47).

Weiters brachte die Bf. vor, das Bundesfinanzgericht habe festgestellt (Mail vom ), dass hinsichtlich der vorgelegten Auszüge "einzelne Tabellenblätter nicht zu 100% mit der Darstellung im Bericht übereinstimmen. Hier habe die automatisierte Auswertung in Bezug auf Rechnungen vor und nach dem jeweiligen Einkaufsvorgang nicht ganz korrekt funktioniert."
Dazu stellte der Berichterstatter dar, dass diese Feststellung nicht vom Bundesfinanzgericht getroffen wurde, sondern dass es sich dabei um einen Kommentar des FA zu diesen Daten handelt (Mail des FA/***F*** vom ), der der Bf. durch das Verwaltungsgericht mit Mail vom weitergeleitet wurde. Richtig lautete die Anmerkung des FA vollständig:

"Es gibt auch vereinzelt schwarz markierte Tabellenblätter. Diese Tabellenblätter stimmen nicht zu 100% mit der Darstellung im Bericht überein. Hier hat die automatisierte Auswertung in Bezug auf Rechnungen vor und nach dem jeweiligen Einkaufsvorgang nicht ganz korrekt funktioniert. Nichtsdestotrotz kann man mit den Originaldaten diese Vorgänge aufklären, sofern dies von Nöten sein sollte."

Dabei handelt es sich um zwei Vorgänge in vier Jahren (vgl. Folie 48):

  1. Zum einen ist der "schwarz" markiert. Hier ist nicht ganz klar, wo die Abweichung zur ursprünglichen automatisierten Auswertung zu finden sein soll. Auffällig ist hier allerdings, dass es sowohl zwischen zwei offiziellen Einkäufen der Bf. (Bar47456 und Bar45458) einen inoffiziellen Einkauf gab (Bar47457), wie auch vor diesen drei Vorgängen (Bar47455).

  2. Nicht völlig klar ist auch die Abweichung hinsichtlich des 2. Aprils 2012. Hier gibt es allerdings auch eine Ungereimtheit wegen des Fehlens einer Vorgangsnummer in der vollständigen Liste (siehe gleich im Anschluss).

Diese beiden Vorgänge sind in den Anlagen C1 bzw. D1 und C2 bzw. D2 BLAU markiert.

Die Bf. hielt fest, die Richtigkeit und Aussagekraft der Liste(n) bzw. deren Ausschnitte seien auch aufgrund der Vielzahl anderer "Auffälligkeiten bzw. Ungereimtheiten" stark in Zweifel zu ziehen.

  1. Trotz angeführter vorgeblich fortlaufender Vorgangs=Rechnungsnummern fehlen nach dem Vorbringen der Bf. teilweise "Vorgangs-ID-Nummern".

Über Aufforderung brachte die Bf. die folgenden Beispiele bei, die - soweit in den Zurechnungen des FA enthalten - in Anlagen D1 ROSAROT und in Anlage D2 am Rand mit einer Anmerkung (ROT auf gelbem Grund):

[...]

Bei diesem Vorgang (mündliche Verhandlung Folie 50) fehlt zwischen den Vorgängen 10003299 und 10003301 der Vorgang Nr. 10003300.

[...]

Hier (mündliche Verhandlung Folie 51) fehlt zwischen der Vorgangs-ID 3624 und 3626 die ID 3625. In diesem Bereich erfolgte allerdings keine Zurechnung eines Barverkaufs.

[...]

Zwischen der Vorgangs-ID 3962 und 3964 fehlt die ID 3963. Zudem weist die ID 3964 keine Produktbezeichnung auf (mündliche Verhandlung Folie 52).

[...]

Hier (mündliche Verhandlung Folie 53) fehlt zwischen der Vorgangs-ID 4433 und 4435 die ID 4434. Dazu ist zu bemerken, dass hier der Bf. nur die offizielle Lieferung zugerechnet wurde. Die Zurechnung eines Barverkaufes unterblieb von vornherein.

[...]

Hier (mündliche Verhandlung Folie 54 und 55) fehlen eine Reihe von Vorgangs-IDs (12149, 12153, 12154, 12156-12163) zwischen der Vorgangs-ID 12148 und 12164, obwohl sich diese IDs in der Gesamtliste finden. Die damit zusammenhängenden Vorgangsnummern beginnen allerdings mit der Ziffer 1 (anstatt 2).

  1. Die Bf. brachte zudem vor, es schienen falsche und nicht existente Kundennummern auf, sie erläuterte jedoch nicht, warum die "falschen" Kundennummern Auswirkungen auf die Beurteilung der Bf. haben sollten.

Gemeint ist hier offenbar die Kundennummer ***w*** (7-stellig anstatt 6-stellig am ). Die Auswertung nach dieser Nummer ergibt weder einen Hinweis darauf, dass sie in der Nähe der Kundennummer der Bf. vorkommt noch darauf, dass es sich nicht um reale Vorgänge gehandelt haben könnte.
Dazu kommt die Kundennummer ***v*** (5-stellig anstatt 6-stellig am ). Diese Kundennummer ist zwar ausnahmsweise 5-stellig und sie kommt relativ häufig vor, es gibt aber auch hier keinen Hinweis auf einen Zusammenhang mit der Kundennummer der Bf.

  1. Die Bf. rügte, es schienen Verrechnungspositionen auf, die schlicht falsch und denkunmöglich seien (), sie erläuterte dies aber nicht weiter.

Damit in der mündlichen Verhandlung konfrontiert, gaben die Vertreter der Bf. zu Protokoll, auch diese Rüge beziehe sich auf die 7-stellige Kundennummer beim Vorgang BAR 039974 (Folie 56; Kundennummer ***w*** - siehe dazu auch oben). Diesem Vorgang fehlt allerdings augenscheinlich jeder Zusammenhang mit der Kundennummer der Bf. (***####***), war diese doch offensichtlich die letzte (offizielle) Kundin am Samstag dem ("BAR039971"). Der Einkauf mit dem Vorgang "BAR039974" erfolgte erst zwei Tage später am Montag dem .

[...]

  1. Die Bf. rügte, das Bundesfinanzgericht sei schon mit Mail vom darauf hingewiesen worden, dass die Listen hinsichtlich ganzer Rechnungspositionen bzw. den ausgewiesenen Beträgen teilweise in erheblichem Maße von den tatsächlichen (Rechnungs) Gegebenheiten abweichen.

In der mündlichen Verhandlung bestätigte die Bf., dass damit nur das Fehlen der Biersteuer sowie die fehlenden Rabatte im Jahr 2012 gemeint sind (15% Sofortrabatt bei Einkauf auf Kundenkonto). In den Vorjahren ist der rabattierte Betrag ausgewiesen (Folie 58).

  1. In der Ergänzung vom wies die Bf. darauf hin, dass im Datenbestand der Jahre 2009 bis 2011 (alte Betriebssoftware bei Fa. ***Lieferant M***) die Bareinkäufe (mögliche "Schwarzeinkäufe") durchgängig mit der Kundennummer ***x*** ("XXX") abgebildet seien. Im Jahr 2012 (neue Betriebssoftware) erfolge der Ausweis hauptsächlich mit der Kundennummer "0".

Dennoch enthalte die Gesamtliste (laut Akteneinsicht am ) 547 Einzelvorgänge mit der Kundennummer "***x***". Tatsächlich würde auch in späteren Jahren (beispielhaft 2019) nach wie vor bei jedem Bareinkauf (Einkauf ohne Kundenkonto) bei der Fa. ***Lieferant M*** die Kundennummer ***x*** sowie der Vermerk "XXX" auf der Rechnung ausgewiesen. Auch seien im Prüfbericht des Jahres 2012 die dargestellten Bareinkäufe mit "***x*** XXX Kunde" tituliert, obwohl dies in den vorliegenden Datenständen nicht Deckung finde. Die Bf. bezeichnete dies zwar als Auffälligkeit bzw. Anomalität, führte aber nicht aus, warum sich dies auf die Beurteilung der ihr zugeordneten Vorgänge auswirken solle.

  1. Zusätzlich wies die Bf. darauf hin, dass der Außenprüfungsbericht den Vorgang vom unrichtig darstelle.

Sie repliziert damit auf einen Hinweis des Bundesfinanzgerichts, wonach hier die Vorgangsnummern unrichtig angegeben wurden (10014845f anstatt richtig 10014917f). In der mündlichen Verhandlung erklärte das der Prüfer schlicht mit einem Schreibfehler (Folie 57). Dies bestritt die Bf. nicht.

Als Zwischenresümier hielt die Bf. fest:

  1. In ihrer Ergänzung vom wies die Bf. weiters auf die Möglichkeit von - von professionellen Kunden losgelösten - Privateinkäufen bei ***Lieferant M*** hin.

So sei der überwiegende Teil der Verkäufe dieser Lieferantin Barverkäufe ohne Kundennummern bzw. mit der Kundennummer ***x*** XXX gewesen, was sich durch alle Jahre ziehe.

  1. Beispielsweise seien am von 71 Rechnungen (BAR000243 bis BAR000314) lediglich 23 Verkäufe auf Kundennummern, aber 48 Verkäufe als "Barverkäufe" (***x***) erfolgt).

  2. Am (55 Verkäufe - BAR013948 bis BAR14002) seien lediglich 19 Verkäufe auf Kundennummern, aber 36 "Barverkäufe" erfolgt.

  3. Am stünden von 48 Verkäufen 15 Kundenkontokäufe und 33 "Barverkäufen gegenüber.

Barverkäufe (Kunde ***x***) seien nicht die Ausnahme, sondern vielmehr der Regelfall bei ***Lieferant M*** gewesen. Schon deshalb sei eine nahezu prinzipielle Zuordnung von vor- und nachgelagerten Bareinkäufen (***x***) zu Kundennummer-Einkäufen selbst bei "Sortimentsähnlichkeit" und/oder zeitlicher Nähe insbesondere in den Jahren ohne Zeitstempeldaten realitätsfern und hochgradig unsachlich.

In diesem Zusammenhang wies die Bf. auf die Verkaufsentwicklung einzelner exemplarischer Produkte hin, wonach sinkenden Verkaufszahlen bei ***Lieferant M*** steigende Einkäufe auf dem Kundenkonto der Bf. gegenüberstünden (***Biermarke B*** Weißbier, ***Biermarke A*** Bier, Herrensteiner Wein).

Die Bf. stellte dar, dass das FA im Jahr 2012, in dem zusätzlich der Zeitstempel zur Verfügung steht, seine Zurechnung von anonymen Einkäufen selbst drastisch reduzierte. Anstatt - wie 2009 bis 2011 - davon auszugehen, dass bei 65% bis fast 80% der offiziellen Einkäufe auch anonym Getränke bezogen wurden, senkte es diesen Anteil im Jahr 2012 auf nur 40%. Die Bf. führte das ausschließlich auf die Existenz des Zeitstempels zurück und verlangte die Übertragung dieser Beurteilung auf die Vorjahre.

[...]

Das FA anerkannte diese Analyse der Bf. auf Seite 7 ihrer Beschwerdeergänzung vom grundsätzlich, wies aber auf die verbleibenden 40% an Hinzurechnungen hin.

5. Kritik an der Zuordnung zur Bf.

Die Bf. kritisierte die Zuordnung der XXX-Umsätze zu ihr.

Sie wies wiederholt darauf hin, dass es von 2009 bis 2011 keinen Zeitstempel gab und sich die Zuordnung von Bareinkäufen zur Bf. ab 2012 und damit der Existenz eines Zeitstempels drastisch reduzierte. Bis inklusive 2011 ordnete das FA den offiziellen Bareinkäufen der Bf. die vor- oder nachgelagerten "XXX-Verkäufe" nur aufgrund der Tatsache zu, dass eine Sortimentsübereinstimmung vorlag.

Allgemein große Zeitabstände

Von 2012 bis 2015 habe anhand des Zeitstempels festgestellt werden können, dass zwischen den einzelnen Einkäufen teilweise große Zeitabstände (auch von 20 Minuten und mehr) gelegen seien. Diese Tatsache sei 2009 bis 2011 (ohne Zeitstempel) trotz entsprechend positiver Geschäftsentwicklung der Fa. ***Lieferant M*** völlig außer Acht gelassen worden, was jeglicher Lebenserfahrung entbehre und eine aktwidrige Würdigung des Sachverhalts darstelle.
Zudem entfalte der Aspekt einer unmittelbaren zeitlichen Abfolge nur höchst eingeschränkte Aussagekraft. So sei in den Jahren mit Zeitstempel auch das FA selbst trotz unmittelbarem zeitlichem Nahebereich zwischen Einkäufen auf Kundenkonto und XXX (teilweise innerhalb derselben oder darauffolgenden Minute) aufgrund unterschiedlichen Warensortiments nicht von einem Schwarzeinkauf ausgegangen.

Über Aufforderung des Bundesfinanzgerichts detaillierte die Bf. diese Vorbringen mit Schriftsatz vom und brachte im Kern vor:

  1. Sie brachte zum einen vor, dass 2012 zwischen vielen (nicht ihr zugeordneten) Fremdeinkäufen teilweise große zeitliche Abstände lagen. Dazu listete sie Beispiele mit Abständen zwischen etwa 7 (zwischen Vorgang 10000154 und 10000155) und etwa 50 Minuten (zwischen Vorgang 10001235 und 10001237- gemeint wohl richtig 10001236) auf. Für das erste Halbjahr 2012 kam die Bf. auf Basis der ihr am übermittelten Auszüge auf einen durchschnittlichen Abstand zwischen den Käufen von etwa 11 Minuten (Beilage A).
    Die Bf. brachte vor, es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass dies in Vorjahre 2009 bis 2011 anders gewesen wäre. Aus diesem Grund seien diese zeitlichen Abstände (trotz fehlenden Zeitstempels) auch für die Vorjahre zu unterstellen. Dies zu ignorieren sei unsachlich und führe zu keinem realistischem Ergebnis.

Keine Zuordnung trotz geringer Zeitabstände

Zum Anderen rügte die Bf., dass das FA vor allem dann eine Zuordnung zur Bf. durchführte, wenn dieser Vorgang in einem gewissen zeitlichen Nahebereich (teils bis zu 7 Minuten) stattfand und eine gewisse Sortimentsähnlichkeit aufweist.

Sie bestritt die Logik dieser Vorgangsweise und hielt dem entgegen, dass selbst Vorgänge innerhalb einiger Sekunden bzw. weniger Minuten kein geeigneter Nachweis für die Verwirklichung eines "Schwarzeinkaufs" sein könne. Das FA habe mehrfach (beispielsweise aufgrund divergierender Sortimentsbestandteile) keinen "Schwarzeinkauf" annehmen können, obwohl nur sehr wenig Zeit zwischen zwei Vorgängen lag. Sie nannte dazu eine Reihe von Beispielen mit Zeitabständen zwischen 47 Sekunden und 2 Minuten 58 Sekunden und untermauerte diese mit einer Aufstellung.

Die Bf. widersprach der Erklärung des FA, mit Einführung des Zeitstempels habe - auch ausgelöst durch Vorahnungen betreffend einer zukünftigen Registrierkassenpflicht oder der Einführung der neuen Gastwirtepauschalierung - eine "Verhaltungsänderung" der Bf. eingesetzt. Sie berief sich auf Aussagen des Geschäftsführers von ***Lieferant M***. Sie habe dort stets das "klassische" Sortiment eines Cafés bezogen, das insbesondere aus den beliebtesten lokalen/regionalen Bieren (***Biermarke A***, ***Biermarke B***) und Schankweinen bestanden habe. Auf die anderen Getränke (v.a. Spirituosen) ging die Bf. nicht ein.

***Lieferant M*** sei auf dieses Getränkesegment ausgerichtet gewesen und habe bis einschließlich 2010 ein sehr eingeschränktes Produktsortiment geführt. Deshalb hätte sich nicht nur die Kundenstruktur, sondern auch das Sortiment der einzelnen Einkäufe oft geähnelt. Um 2011 sei die Firmenpolitik der Fa. ***Lieferant M*** grundlegend geändert worden. Die Sortimentsbreite und -tiefe sei stark vergrößert worden, weshalb sich nicht nur die Kundenstruktur von Endverbrauchern und Klein-Gastronomen hin zu Genießern und Sammlern, die besondere und nicht überall erhältliche Getränke suchen, veränderte, sondern auch das Portfolio der einzelnen Verkäufe.
Die Bf. sei auch nach Adaptierung der Firmenpolitik des Lieferanten weitestgehend bei "ihrem" Sortiment geblieben, womit sich auch der Umstand einer "gehäuften Sortimentsähnlichkeit" zwischen den tatsächlichen Einkäufen und den vorgeworfenen Schwarzeinkäufen in den ersten beiden Jahren bei entsprechend kontinuierlicher und deutlicher Abnahme einer solchen Ähnlichkeit in den Folgejahren erklären lasse.

6. Sortimentsfremdkörper

Unter dieser Überschrift nahm die Bf. im Schriftsatz vom Stellung und führte aus, ihr seien vom Außenprüfer ursprünglich für 2012 bis 2015 eine erhebliche Anzahl von Schwarzeinkäufen vorgeworfen worden. Davon seien viele trotz "zwingender zeitlicher Nähe" Iaut Zeitstempeldaten durch Darlegungen insbesondere von Sortimentsabweichungen bzw. enthaltenen Sortimentsfremdkörpern entkräftet worden.

So seien 2012 von 52 Fällen 13 Fälle fallen gelassen worden. Für 2013 (18), 2014 (17) und 2015 (5) sei dies sogar so weit gegangen, dass die belangte Behörde von sich aus eine Weiterverfolgung der Angelegenheit gänzlich unterlassen habe. Auch in den Jahren ohne Zeitstempel (2009 bis 2011), in denen sich die Gegenbeweisführung deutlich schwieriger dargestellt habe, habe man in Summe 81 vorgeworfene Vorgänge entkräften können. Somit hätten damit in Summe 134 zunächst vorgeworfene Vorgänge keinen Eingang in die beschwerdegegenständlichen Feststellungen seitens des FA gefunden.

Die Bf. pochte auf die Schlussfolgerung, dass auch die restlichen Fälle auszuscheiden seien (mangelnde Transport- und Lagerkapazität, kein Hinweis auf tatsächliche Schwarzverkäufe aufgrund korrekter Leergut- und CO2- Verprobung oder aufgrund eines internen und externen Betriebsvergleichs, Validitätsmängel des Datenmaterials, Nichtberücksichtigung zeitlicher Abstände in den Jahren ohne Zeitstempel, Nichtberücksichtigung von Geschäftspraxis hinsichtlich Kundennummern und Änderung der Sortimentstiefe der Fa. ***Lieferant M***, ...).

Das FA habe sich nicht von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Umstände des konkreten Einzelfalls leiten lassen, sondern den Sachverhalt ausschließlich bzw. stark überwiegend einzig und allein aus (pauschalen) Erfahrungswerten und Werturteilen aus anderen Verfahren heraus gewürdigt. Bei objektiver und gesamtheitlicher Erfassung und Berücksichtigung der sachverhaltsrelevanten Umstände hätte es nach Ansicht der Bf. zu einem signifikant anderen Ergebnis kommen müssen.

Die Bf. behauptete nicht, dass in den ihr vom FA zugeordneten Artikeln sortimentsfremde Getränke enthalten wären.

Ganz konkret unwidersprochen ließ die Bf. den Vorwurf des FA in Tz 4 bis 7 des Außenprüfungsberichts,

  1. dass sie über ihr offizielles Kundenkonto auch die Kombination von 25-Liter-Fassbier ***Biermarke A*** ***Biersorte A1*** mit ***Biermarke B*** Weiße Original Bier, mit Herrenstein Grüner Veltliner, mit Rosenthal Blauer Zweigelt sowie mit Berentzen Wildkirsche bezog,

  2. dass diese Einkäufe auch oft in Barvorgängen aufscheinen, die unmittelbar vor oder nach ihren offiziellen Einkäufen stattfanden und

  3. dass sich die Mengen des offiziellen Einkaufs (vor allem im Hinblick auf ***Biermarke B*** Weißbier) mit denen des anonymen Einkaufs dabei oft weitgehend decken oder ähneln.

Richtig ist der Hinweis des FA, dass es besonders auffällig ist, dass häufig 25-Liter-***Biermarke A***-Fassbier in Kombination mit ***Biermarke B*** gekauft wurde, einem Weißbier, das beim Lieferanten nicht sehr häufig abgenommen wurde. Immer wieder findet sich auch die Kombination dieser beiden Getränke mit sortimentstypischen Produkten der Bf. wie Prosecco Celentano, Rosenthal Blauer Zweigelt etc..

7. Sonstige Einwendungen

Die Bf. widersprach der Annahme, dass sie neben dem Bezug beim Hauptlieferanten (***Biermarke A***) noch ein reguläres Kundenkonto beim Nebenlieferanten (***Lieferant M***) führte und zu diesen Einkäufen vor- oder nachgelagert auch noch "Schwarzeinkäufe" gemacht hätte, als unsystematisch bzw. denkfern. Wenn sie neben "regulären" Einkäufen beim Hauptlieferanten zusätzlich noch "schwarz" hätte einkaufen wollen, wäre es naheliegend gewesen, dies gänzlich durch "anonyme" Einkäufe oder durch Verwendung von "Scheinnamen" beim Haupt- oder einem Fremdlieferanten geschehen zu lassen. Trotz jahrelanger Erhebungen hätten keine Hinweise auf die Verwendung von Schein- oder Decknamen durch die Bf. bzw. keine konkreten Hinweise auf tatsächlich durchgeführte Schwarz Verkäufe erhoben werden können.
Die Bf. behauptete nicht, dass solche anonymen Einkäufe von Gastronomen nur unter Verwendung von Decknamen möglich gewesen wäre, diese dürften vielmehr vor allem dann benutzt worden sein, wenn wirklich größere Mengen abgenommen wurden, als dies die Bf. tat.

Die diesbezügliche Prüfpraxis und die Prüfmöglichkeiten durch das FA seien im inkriminierten Zeitraum durch ähnlich gelagerte und medial bekannte Fälle in der Branche bereits umfassend bekannt gewesen. Die Einkäufe von Fassbier bei ***Lieferant M*** sei vorrangig nur dann getätigt worden, wenn sich der ***Biermarke A***-Lieferrhythmus aufgrund von Feiertagen verzögert habe bzw. die Waren aus der vorherigen Lieferung ungeplant auszugehen gedroht hätten. Sie warf die Frage auf, warum sie "als eher zierliche Person weiblichen Geschlechts" (sonst) auf das Lieferservice des Hauptlieferanten bis ins Lokal mutwillig verzichten hätte sollen und zu höheren Einkaufspreisen (bei ***Lieferant M*** gegenüber ***Biermarke A***) auch noch reguläre Einkäufe mit Eigentransport vornehmen hätte sollen.

Als Gegenargument für Schwarzeinkäufe führte die Bf. ins Treffen, dass die Teilung in den regulären Einkauf und in den behaupteten "Schwarzeinkauf" auch vom FA über die Prüfungszeiträume nicht annähernd vergleichbar angenommen werden. Auch dem Ansatz, wonach sich die Diskrepanz in der Zurechnung (am Beispiel Fassbier) zwischen 2009 und den Folgejahren durch eine deckungsähnliche Zu- bzw. Abnahme des Einkaufs am regulären Kundenkonto bei ***Lieferant M*** erklären lässt, sei entschieden entgegenzutreten.

Unter Berücksichtigung der Einkäufe beim Hauptlieferanten ergebe sich die nachfolgende, absolut kontinuierliche und betriebswirtschaftlich typische Entwicklung der Einkäufe:

[...]

Der Sprung in 2011 und (wohl vor allem) 2012 sei durch den Bau/Bezug einer neuen Wohnsiedlung in unmittelbarer Nähe zum Lokal und der damit verbundenen Vergrößerung des Einzugsbereichs des Lokals ab 2011 begründet.

Unter Berücksichtigung der Zurechnungen durch das FA ergäbe sich eine insbesondere für 2009/2010 und 2012/2013 nicht zu begründende Entwicklung, die sich wie folgt darstellen würde:

[...]

In dieser Aufstellung erfasste die Bf. offenbar die ursprünglich und damit vor Korrektur durch das FA angenommenen "Schwarzeinkäufe". Scheidet man daraus die Fässer aus, deren Zuordnung vom erkennenden Senat verneint wird (siehe Anlagen A1-D1 und A2-D2), ergibt sich für 2009 bis 2012 das folgende Bild (siehe auch Erörterungsgespräch vom ; 2012 wurden zusätzlich zu den 25-Liter Fässern zwei 50-Liter Fässer gekauft):

[...]

Abschließend verwies die Bf. noch auf ihre schon im Finanzstrafverfahren erstatteten Vorbringen insbesondere

a) zum vorhandenen PKW (Cabrio) als einziger Transportmöglichkeit,

b) den beschränkten Lagerplatz im Lokal sowie

c) die CO2-Verprobung.

Zu diesen drei Punkten wird auf die obige Darstellung unter dem Punkt "1.6 Finanzstrafverfahren" verwiesen.

Die Bf. brachte vor, in einer Gesamtbetrachtung aller Umstände und Einzelaspekte ergebe sich gerade nicht, dass die vom FA behaupteten Feststellungen mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit zutreffen. Vielmehr sei mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit gerade das Gegenteil anzunehmen.

Die Bf. sei unverschuldet und lediglich aufgrund unglücklicher Umstände (Aufscheinen auf einer ominösen Liste sowie Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit beim bisherigen Lieferanten nach Beendigung der gewerblichen Tätigkeit) in den Fokus einschlägiger Ermittlungen gelangt. Das FA versuche, ihr unter Nichtanwendung des Objektivitätsgebots, substanzarme Feststellungen mangels erschwerter bzw. verunmöglichter Gegenbeweismöglichkeit zu ihrem ausschließlichen Nachteil anzulasten.

1.7. Aussagen ***Zeugin S***

Von Fr. ***Zeugin S***, einer etwa ein Jahr beim Getränkelieferanten der Bf. beschäftigten Angestellten, wurde eine Liste erstellt, in der die Bf. mit einem relativ geringen Betrag sowie dem Vermerk "kauft auch auf XXX" aufscheint. Diese Liste ist Akteninhalt, wurde allerdings bis auf die Zeile mit dem Namen der Bf. vollständig geschwärzt.

In den Akten findet sich dazu das Protokoll der Hauptverhandlung vom in Sachen dieses Getränkehändlers und nunmehrigen Arbeitgebers der Bf., Hrn. ***Lieferant M*** (***XX####***). Dort sagte Fr. ***Zeugin S*** (Angestellte des Getränkelieferanten von 2010 bis 2011) als Zeugin aus, verwies auf große Erinnerungslücken, gab aber an, ihre Hauptfunktion sei der Telefonverkauf gewesen und nicht sie selbst, sondern ein Hr. ***Name3*** sei dort an der Kassa gewesen.
Auch im Strafverfahren der Bf. wurde Fr. ***Zeugin S*** am als Zeugin vernommen und behauptete wieder Erinnerungslücken. Sie konnte sich nicht an die Namen ***Name1*** oder ***Name2*** (Geburtsname der Bf.), wohl aber an den Namen des ***Kaffee SSS***" erinnern. Sie gab an, dass sie davon ausgehe, dass die "***Zeugin S***-Liste" von ihr erstellt wurde. Sie könne sich zwar nicht mehr im Detail daran erinnern, ob es sich beim Betrag auf der Liste um die XXX-Einkäufe der Bf. oder um Einkäufe als Bestandskunde gehandelt habe, sie sei sich aber sicher, dass sie sich den Namen des Cafés der Bf. nicht aus den Fingern gesaugt habe.

In diesem Strafverfahren wurde eine Niederschrift verlesen, die am mit ***Zeugin S*** als Zeugin bei der Steuerfahndung aufgenommen wurde. Dieses Dokument legte das FA bei der mündlichen Verhandlung am vor.
Darin ist dokumentiert, dass die Zeugin unter anderem angab, dass bei den meisten Kunden in Kombination zu dem offiziellen Einkauf auch ein sogenannter XXX-Einkauf abgewickelt wurde.

Die Zeugin schätzte eingangs, dass ca. 80% der Kunden die Möglichkeit eines Bar oder XXX-Einkaufs wahrnahmen. Diese XXX- bzw. Bareinkäufe gingen danach auf keinen angelegten Kunden. Dabei erklärten die Kunden mit einer offiziellen Bestellung direkt vor Ort oder telefonisch, wieviel sie auf der offiziellen Rechnung haben wollten und wieviel auf Barverkauf. Somit sei klar, dass die XXX-Einkäufe bzw. Bareinkäufe der Gastronomiekunden (Bar's und Restaurants) nicht auf den offiziellen Rechnungen aufschienen. Die Barrechnungen bzw. XXX-Rechnungen seien meist in der ***Anschrift3*** bar vor Ort bezahlt worden, die offiziellen Einkäufe auch bar oder mit Karte oder auch mit Lieferschein.
Nicht alle XXX-Belege seien als Barbelege ohne Namen erfasst worden. Wenn höhere Mengen als die erlaubten Haushaltsmengen bezogen wurden, seien teilweise erfundene Namen auf die Rechnungen bzw. Barbelege geschrieben oder die Barrechnungen auf mehrere Rechnungen aufgesplittet worden.

Es sei bei fast allen Kunden gängige Praxis gewesen, dass ein Teil der Wareneinkäufe nicht auf der offiziellen Rechnung aufscheinen durfte. Splittungen zu 50% Prozent auf der offiziellen Rechnung und 50 % des Wareneinkaufs als Bareinkauf ohne offizielle Rechnung seien durchaus Praxis und üblich gewesen.

Die Zeugin bezeichnete die Wahrscheinlichkeit, dass der offizielle Beleg und der dazugehörende Bareinkauf im System zwei aufeinanderfolgende Auftragsnummern hat, als sehr hoch. Es müsse im EDV System ersichtlich sein, aufgrund irgendeiner Nummer, dass der offizielle Einkauf und der darauffolgende oder der vorgelagerte Bareinkauf zum offiziellen Beleg gehört. Sie habe die Firma verlassen, weil sie mit solchen Sachen nichts zu tun haben wollte.

In Bezug auf die Bf. konnte sich die Zeugin am nicht mehr konkret erinnern.

In der mündlichen Verhandlung (vgl. Folie 27) brachte die steuerliche Vertretung der Bf. vor, dass in dieser Niederschrift nirgends Bezug zur Bf. genommen wird. Der Ausdruck "XXX" sei der allgemeine Name für Bareinkäufe sämtliche privater Käufer gewesen. Es sei falsch, zu suggerieren, dass dieser Ausdruck nur für Schwarzeinkäufe von Gastronomen verwendet worden sei.
Zudem wies sie auf die Aussage ***Zeugin S*** hin, wonach aus dem EDV-System aufgrund irgendeiner Nummer ersichtlich sein müsste, dass der offizielle Einkauf und der darauffolgende oder der vorgelagerte Bareinkauf zum offiziellen Beleg gehört.

1.8. Isolierte Fass-Bier-Einkäufe

Aufgrund der Rüge der Bf., bloße Einkäufe von 25-Liter-Fassbier seien im Raum ***Ortsangabe*** jedem Kunden und damit nicht der Bf. zuordenbar, untersuchte das Bundesfinanzgericht sämtliche Einkäufe an Fassbier bei ***Lieferant M***. Wenn solche Fassbiereinkäufe isoliert ohne weitere Getränke erfolgten, wurden sie vom Berichterstatter vorweg in den Anlagen A1 bis C1 DUNKELROT bzw. A2 bis C2 ROSAROT markiert.

Dazu merkte das FA im Schlusswort zur mündlichen Verhandlung vom an, es gehe davon aus, dass sie sehr wohl der Bf. zuzuordnen sind. Dies deshalb, da die Einkäufe zeitlich gelegen nicht nur zur Auffüllung des Bierbestandes gedient hätten (***Biermarke A***-Einkäufe erfolgen am Donnerstag). Es verwies dazu auch auf die eigenen Aussagen der Bf., dass in guten Monaten bis zu 40 Fässer pro Monat verkauft wurden. Dies sei jährlich wesentlich mehr als die offiziell über ***Biermarke A*** und ***Lieferant M*** eingekaufte Biermenge.

1.9. Eigenverbrauch, Werbung, Kundengeschenke

Der Außenprüfer betonte im Außenprüfungsbericht unwidersprochen, eine private Verwendung für den Eigenverbrauch sei aufgrund der Mengen auszuschließen. Sofern Waren für Einladungen von Stammgästen eingekauft worden seien, sei dies auf den vorliegenden Eingangsrechnungen entsprechend vermerkt und in der Buchhaltung ordnungsgemäß erfasst worden.

In der Beschwerde brachte die Bf. zum Vermerk "kauft auch auf XXX" vor, angesichts der von der Ermittlungsbehörde vorgeworfenen Mengen und des vorgeworfenen Ausmaßes dieser "Schwarzeinkäufe" wäre nicht der abgeschwächteste der oben dargestellten Vermerkvarianten, sondern vielmehr "kauft viel auf XXX" oder ähnliches zu erwarten. Der stark abgeschwächte Vermerk würde vielmehr auf einen gelegentlichen/seltenen privaten Einkauf (bspw. ihre private Geburtstagsfeier) der Bf. hinweisen, welcher selbstverständlich nicht über das Geschäftskundenkonto ***####***, sondern über das allgemeine Kundenkonto ***x*** zu tätigen wäre.
In der mündlichen Finanzstrafverhandlung vor dem Spruchsenat gestand die Bf. zwar zu, sie habe bei ***Lieferant M*** "EUR 30, EUR 40 oder vielleicht auch EUR 100 pro Monat … für privat" eingekauft, dabei betonte sie aber, wenn sie etwas privat gebraucht habe, sei sie da extra hingefahren. Wenn sie gesagt habe, das sei für sie privat, habe es die Bezeichnung XXX-Kunde gegeben, heute heiße das Endverbraucher.

2. Allgemeines zur Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, liefert dabei eine ordnungsgemäß aufgenommene Niederschrift Beweis über den Gegenstand und den Verlauf der betreffenden Amtshandlung (§§ 87 und 88 BAO).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Daran hat sich durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform nichts geändert (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).

Dieser Beweismaßstab gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen wurden, was vor allem im Falle von Freisprüchen bzw. Verfahrenseinstellungen von Relevanz ist ( mit weiteren Nachweisen). Im Detail wird dabei auf die Ausführungen zum Thema Verjährung verwiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat - wie auch das Finanzamt - die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§ 115 BAO in Verbindung mit § 2a BAO). Eine in der Begründung eines Bescheides Beschwerdevorentscheidung getroffene Feststellung des Finanzamtes wirkt wie ein Vorhalt und es obliegt dem Abgabepflichtigen, die vom Finanzamt in der Begründung getroffene Feststellung zu widerlegen bzw. zumindest deren Unrichtigkeit zu behaupten (vgl. etwa etc.).

Mit BGBl. I Nr. 136/2017 wurde in Umsetzung der bisherigen Judikatur gesetzlich verankert, dass die Ermittlungspflicht durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt wird. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1660 BlgNR 25. GP 24) trifft dies etwa dann zu, wenn durch faktische Gegebenheiten die amtswegige Ermittlung des Sachverhaltes eingeschränkt oder verhindert ist. Dies gilt vor allem dann, wenn nach der Lage des Falles nur der Abgabepflichtige Angaben zum Sachverhalt machen kann oder der Abgabepflichtige zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt. Weiters gilt dies dann, wenn der Abgabepflichtige Unübliches oder Außergewöhnliches behauptet.

In Fällen der erhöhten Mitwirkungspflicht liegt es etwa am Abgabepflichtigen, alle relevanten Sachverhaltselemente so zu dokumentieren, dass sie für die Abgabenbehörde nachvollziehbar sind. Eine Verletzung der erhöhten Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen hat beispielsweise zur Folge, dass die Verpflichtung der Abgabenbehörde endet, den Sachverhalt über das von ihr aufgrund einer ordentlich durchgeführten Ermittlung zu prüfen und sie den so ermittelten Sachverhalt als erwiesen annehmen darf.

Schon bisher wies Ritz zu Recht darauf hin (Ritz, BAO5, § 115 Tz 13), dass den Bf. auch dann eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft, wenn ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen (vgl. ; , 99/15/0250; , 2002/13/0091; , 2004/17/0105), die nur er aufklären kann, oder wenn seine Behauptungen mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch stehen (; , 95/15/0049; , 2004/16/0061).

Es entspricht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Lebenserfahrung, dass Angaben bei der ersten Vernehmung der Wahrheit in aller Regel am nächsten kommen (vgl. z.B. ; , 90/16/0176).

Im Übrigen befreit der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens den Revisionswerber nicht von seiner Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht es nicht an, im Verwaltungsverfahren untätig zu bleiben, um sodann im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu behaupten, die belangte Behörde hätte Verfahrensvorschriften verletzt ( mit weiteren Nachweisen).

3. Rechtsgrundlagen

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

3.1. Verjährung und Vorsatz

Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

  1. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs. 2 BAO im Allgemeinen fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO zehn Jahre. Hier besteht Einigkeit zwischen den Verfahrensparteien, dass eine Vorschreibung von Abgaben für den Streitzeitraum nur dann zulässig ist, wenn es sich um hinterzogene Beträge handelt. Die Verjährung beginnt für die Einkommen- und Umsatzsteuer (§ 207 Abs. 2 BAO) gem. § 208 Abs. 1 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.
    Durch innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist (§ 209 Abs. 1).

  2. Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe verjährt spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches iSd § 4 BAO (§ 209 Abs. 3 BAO; absolute Verjährung).

Der Abgabenanspruch für die zu veranlagende Einkommensteuer entsteht gem. § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird. Daraus ergeben sich für den Fall der Hinterziehung einer solchen Einkommensteuer die folgenden Verjährungsfristen:

Einigkeit besteht hier, dass die strittigen Einkommensteuerfestsetzungen zurecht erfolgten, wenn die 10-jährige Verjährungsfrist wegen Hinterziehung anzuwenden ist.

Da in den Abgabenvorschriften enthaltene Bestimmungen über den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches (der Steuerschuld) unberührt bleiben (§ 4 Abs. 3 BAO), beginnt die absolute Verjährungsfrist bei der Umsatzsteuer meist schon vor der allgemeinen zu laufen. Der Umsatzsteuer-Abgabenanspruch entsteht regelmäßig monatlich und damit schon vor Ablauf des entsprechenden Kalenderjahres (vgl. auch Ritz/Koran, BAO7, § 207 Tz 14b unter Hinweis auf ).

  1. Die Steuerschuld entsteht bei Sollbesteuerung für Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind; dieser Zeitpunkt verschiebt sich im Regelfall um einen Kalendermonat, wenn die Rechnungsausstellung erst nach Ablauf des Kalendermonates erfolgt, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht worden ist. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgeltes vereinnahmt, bevor die Leistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuerschuld mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist (§ 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994).

  2. In den Fällen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 17 UStG 1994) entsteht die Steuerschuld mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (Istbesteuerung; § 19 Abs. 2 Z 1 lit. b UStG 1994).

Unternehmer, die hinsichtlich ihrer Umsätze aus Tätigkeiten im Sinne des § 23 EStG 1988 nicht buchführungspflichtig sind, haben die Steuer nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen (Istbesteuerung). Das Finanzamt hat auf Antrag zu gestatten, dass ein solcher Unternehmer die Steuer für die mit diesen Tätigkeiten zusammenhängenden Umsätze nach den vereinbarten Entgelten berechnet (Sollbesteuerung; § 17 Abs. 2 Z 1 UStG 1994).

Die Bf. erzielt hier unstrittiger Weise Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 23 EStG 1988), ist nicht buchführungspflichtig, hat keinen Antrag auf Besteuerung nach vereinbarten Entgelten gestellt und ein solcher wurde auch nicht vom FA genehmigt. Damit entsteht der Abgabenanspruch für die Umsatzsteuer jeweils mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. Damit war die auf die in den folgenden, rosa markierten Monaten vereinnahmten Entgelte entfallende Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Erlassung der strittigen Bescheide bereits absolut verjährt:

Da die absolute Verjährung vom Bundesfinanzgericht von Amtswege und somit auch dann zu beachten sind, wenn ihr Eintritt in der Beschwerde nicht vorgebracht wurde, ergibt sich als Zwischenergebnis, dass die Vorschreibung der Umsatzsteuer aufgrund der Vorgänge ***Lieferant M*** für die rosa markierten Monate jedenfalls unzulässig ist.

Nach § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt. Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Ob Abgaben hinterzogen sind, bildet grundsätzlich eine Vorfrage nach § 116 Abs. 1 BAO für die Frage, ob die längere Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO anzuwenden ist. Der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO ist nach § 33 FinStrG zu beurteilen.

  1. Wenn eine Verurteilung wegen Hinterziehung einer bestimmten Abgabe vorliegt, dann ist die Abgabe im Abgabenverfahren als hinterzogen zu behandeln ().

  2. Im Falle eines Freispruches im Strafverfahren besteht keine solche Bindung, und zwar schon wegen der anders gearteten Beweisregeln (vgl. , Ra 2019/13/0038; , Ra 2017/15/0044, mwN). In diesem Fall sowie in jenen Fällen, in denen das Strafverfahren eingestellt wurde, ist es Sache des Finanzamtes bzw. des Bundesfinanzgerichtes, die maßgebenden Hinterziehungskriterien nachzuweisen.

Zum Hinweis auf , ist deshalb zu sagen, dass der hier entscheidende Senat die dort geäußerte Rechtsauffassung nicht teilt. Der Verwaltungsgerichtshof bejaht in ständiger Rechtsprechung eine Bindungswirkung strafrechtlicher Entscheidungen nur im Fall von Verurteilungen, nicht aber im Falle der Verneinung eines Vorsatzes eines Freispruches. Bei einem Freispruch bzw. einer Einstellung des Verfahrens gem. § 136 FinStrG handelt es sich deshalb nicht um eine Beurteilung einer Vorfrage, die mit Bindungswirkung für das Abgabenverfahren verbunden ist. Solche Entscheidungen bleiben ohne unmittelbare Auswirkung auf das hier anhängige Beschwerdeverfahren.

Damit ist es am Bundesfinanzgericht zu beurteilen, ob die strittigen Abgaben hinterzogen wurden. Das setzt konkrete und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht, wobei ein Eventualvorsatz genügt. Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. mwN; , Ro 2017/15/0015, mwN).

Im Rahmen dieser freien Beweiswürdigung gelten im Abgabenverfahren weder die Unschuldsvermutung noch der Zweifelsgrundsatz. Für die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen wurden, gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung und damit ein anderes Beweismaß als im Finanzstrafverfahren. So hindert die Tatsache, dass die Finanzstrafbehörde nur ein Finanzstrafverfahren wegen grober Fahrlässigkeit einleitet das Bundesfinanzgericht nicht daran, mit einer entsprechenden Begründung von einem Eventualvorsatz auszugehen ( unter Hinweis auf ).

In , stellte das Höchstgericht noch einmal klar, dass die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind (und damit die längere Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO heranzuziehen ist), konkrete und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraussetzt, es verwies aber auch darauf, dass nach § 166 BAO als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Dabei kann aus den objektiven, äußeren Umständen der Tat Schlüsse auf die subjektive Tatseite gezogen werden (Hinweis auf sowie Twardosz in Tannert/Kotschnigg, FinStrG, 44. Lfg, § 8 Tz 47 f; vgl. auch zuletzt und ).

Wenn ein Beschwerdeführer über einen Zeitraum von mehreren Jahren laufend von einer Brauerei (oder einem anderen Lieferanten) Getränke bezieht, für welche er sich Lieferscheine bzw. Rechnungen, die auf diverse Letztverbraucher lauten, ausstellen lässt, und wenn diese Getränke in das für die Gastwirtschaft des Beschwerdeführers geführte Rechenwerk keinen Eingang finden, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie von einem Verdacht auf vorsätzliches Handeln ausgeht, dies insbesondere dann, wenn der Beschwerdeführer nicht behauptet, dass die geschilderte langjährige Praxis ohne sein Mitwirken und Wissen von anderen Personen (etwas seinem Personal etc.) vorgenommen worden wäre ().

3.2. Wiederaufnahme

Gem. § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die Wendung "im abgeschlossenen Verfahren" beruht erkennbar auf einem Redaktionsversehen. Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist - wie schon nach der Regelung vor dem FVwGG 2012 - die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind ().

Wiederaufnahmsgründe sind nur entscheidungswesentliche Sachverhaltselemente, nicht aber die Beweiswürdigung oder die rechtliche Begründung eines Bescheides (; , 96/14/0176). Nur solche sind dabei relevant, die im neuen Sachbescheid zu berücksichtigen, somit seinen Spruch zu beeinflussen geeignet sind (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 303 Tz 43 unter Hinweis auf Stoll, BAO, 2917).

Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über die das Bundesfinanzgericht zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom FA herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde.
Das Bundesfinanzgericht hat, sofern die Bescheidausführungen des Finanzamts mangelhaft sind, ausgehend von einem vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrund, diesen zu prüfen und zu würdigen und gegebenenfalls erforderliche Ergänzungen vorzunehmen. Die bloße Ergänzung einer mangelhaften Begründung auf Basis der tatsächlich vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrundlagen stellt kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar.

Vom Höchstgericht wurde klargestellt, dass der Wiederaufnahmebescheid des FA als Mindesterfordernis die neuen Teile des Sachverhalts darzustellen hat, nicht aber deren Würdigung. Diese Begründung kann und muss bei Fehlen nötigenfalls vom Bundesfinanzgericht nachgeholt werden. Auch wenn die Wiederaufnahme nur vor Eintritt der Verjährung zulässig ist, ist es für die Umschreibung (und Abgrenzung) des Tatsachenkomplexes deshalb nicht erforderlich, dass im Wiederaufnahmebescheid ausgeführt wird, betreffend diese Einkünfte sei zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme noch nicht Verjährung eingetreten (zuletzt unter Hinweis auf mit weiteren Nachweisen). Diese Frage ist eine Frage der rechtlichen Würdigung des neuen Sachverhaltes. Diese Würdigung ist bei seinem Fehlen durch das Verwaltungsgericht nachzuholen.

Richtig ist zwar der Hinweis der Bf., dass der Wiederaufnahmebescheid grundsätzlich die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen oder Beweismittel darzustellen hat (), sie übersieht dabei aber, dass sich diese Aussage des Höchstgerichts auf den dort beurteilten konkreten Fall "bei dieser Sachlage" bezog, in dem vom FA für die von ihm verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens überhaupt keine Begründung gegeben wurde. Die Abgabenbehörde hatte sich dort nur auf den Hinweis beschränkt, dass die für den Ausgang des Verfahrens entscheidenden Erhebungen erst nach Erlassung des Erstbescheides erfolgt seien. Aus dieser Begründung ließ sich nicht erkennen, welche neuen Tatsachen oder Beweismittel nach Ansicht der belangten Behörde konkret für die verfügte Wiederaufnahme maßgebend gewesen seien. Zudem behauptete die Bf. dort in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt, dem FA alle relevanten Beweismittel bereits vor Erlassung des Erstbescheides vorgelegt und entsprechende weitere Aufklärungen gegeben zu haben.

Selbst wenn das FA aber die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen oder Beweismittel nicht ausreichend dargestellt hätte, würde das nicht zwingend zur Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides durch das Bundesfinanzgericht führen. Wie vom Höchstgericht im zitierten Erkenntnis klar ausgesprochen, wäre es in diesem Fall am Bundesfinanzgericht die Umstände zu erheben und in der Begründung des angefochtenen Bescheides den Wissensstand des FA vor und nach dem Hervorkommen der neuen Tatsachen und Beweise darzustellen, wenn diese nur ausreichend umschrieben wurden.

Eine Wiederaufnahme setzt - neben dem Vorliegen von Wiederaufnahmegründen - voraus, dass die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 303 Tz 44).

Die Wiederaufnahme ist eine Ermessensentscheidung. Gem. § 20 BAO sind solche Entscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei ist dem Begriff "Billigkeit" die Bedeutung von Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einhebung der Abgaben.

Bei der Ermessensübung ist dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) grundsätzlich der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu geben (vgl. ; , 94/13/0032; , 99/14/0067).

Eine derartige Interessensabwägung verbietet bei Geringfügigkeit der neu hervorgekommenen Tatsachen in der Regel den Gebrauch der Wiederaufnahmemöglichkeit. Die Geringfügigkeit ist dabei an Hand der steuerlichen Auswirkungen der konkreten Wiederaufnahmegründe und nicht auf Grund der steuerlichen Gesamtauswirkungen zu beurteilen, die infolge Änderungen auf Grund anderer rechtlicher Beurteilungen im Sachbescheid vorzunehmen wären. Nur im Falle der Geringfügigkeit neu hervorgekommener Tatsachen hat die Behörde Verhältnismäßigkeitsüberlegungen - insbesondere auch in Bezug auf das Ergebnis der neuen Sachentscheidung - in ihre Ermessensentscheidung einzubeziehen (Hinweis auf mit weiteren Nachweisen). Bei Ausübung des Ermessens sind alle im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme in Betracht kommenden Umstände zu berücksichtigen. Auswirkungen in Höhe von EUR 746 sind jedenfalls nicht mehr als (absolut) geringfügig anzusehen ( in Bezug auf eine Umsatzsteuervorschreibung für 2007).

Stellt sich die Frage, ob eine Wiederaufnahme zu verfügen ist, bei mehreren Verfahren (z.B. Einkommen- und Umsatzsteuer mehrerer Jahre), so ist die steuerliche Auswirkung nicht je Verfahren, sondern insgesamt zu berücksichtigen ().

3.3. Schätzung

Gem. § 184 BAO in Verbindung mit § 2a BAO hat das Bundesfinanzgericht die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, wenn sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen wesentlich sind. Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Die Befugnis (Verpflichtung) zur Schätzung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen (Stoll, BAO, 1912; ; , 2002/16/0255; , 2001/13/0022; , 2002/15/0174; , 2008/15/0027; vgl , Schätzung als ultima ratio). Im Schätzungsverfahren besteht die Mitwirkungspflicht der Partei (; , 2008/15/0017).

Ritz (Ritz, BAO6, § 184 Tz 3 ff) fasst zusammen, dass es Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen (Hinweis auf ; , 2009/17/0119 bis 0122; , 2007/15/0265; , 2008/15/0122), somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (; , 2012/13/0068). Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent (; , 97/15/0076; , 95/16/0222; , 2000/14/0166; , 2009/17/0127; , Ro 2014/13/0022). Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (; , 98/14/0026; , 96/14/0111; , 2009/17/0119 bis 0122).

Vom deutschen Bundesfinanzhof wurde klargestellt, dass bei der Höhe der Schätzung eine Schätzungsmethode zu wählen ist, die die größte Gewähr dafür bietet, mit einem zumutbaren Aufwand das wahrscheinlichste Ergebnis zu erzielen. Bei der Schätzung nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen besteht eine Bandbreite möglicher Wertansätze (Schätzungsrahmen). Der Schätzungsrahmen ist umso größer, je ungesicherter das Tatsachenmaterial ist, auf dem die Schätzung basiert. Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch darauf, dass sich die Schätzung bei Einnahmenerhöhungen im untersten Rahmenbereich bewegt. Der seine Mitwirkungspflicht verletzende Steuerpflichtige soll nicht besser stehen als derjenige, der die Besteuerungsgrundlagen ordnungsgemäß aufzeichnet und erklärt. Bei groben Pflichtverletzungen, die darauf hindeuten, dass Einkünfte verheimlicht werden sollen, kann sich das Finanzamt daher an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren (vgl. etwa BFH , IV R 67/99, BStBl II 2001, 484). Das gilt insbesondere auch bei großen Manipulationsmöglichkeiten, wie sie bei fast ausschließlichen Bargeschäften bestehen (z.B. FG Hamburg, , 2 K 244/06).

Schätzungen der Abgabenbemessungsgrundlagen können nicht nur die Basis von Abgabenfestsetzungen bilden, sie können auch für die Feststellung einer Abgabenhinterziehung herangezogen werden ().

4. Rechtliche Beurteilung inkl. Beweiswürdigung

4.1 Wiederaufnahme

4.1.1 Zeitpunkt der Kenntnis der Wiederaufnahmegründe

Zu allen Wiederaufnahmebescheiden brachte die Bf. vor, weder aus den Wiederaufnahmebescheiden noch aus dem Akt ergäbe sich, zu welchem Zeitpunkt die belangte Behörde tatsächlich Kenntnis von den Neuerungen erlangte.

Dem steht entgegen, dass den bekämpften Bescheiden- was unbestritten blieb - eindeutig zu entnehmen ist, auf welches neue Material sich das FA stützt. Es wurde ausreichend umschrieben und der Ursprung der neuen Beweismittel mit "Ermittlungen bei der Firma ***Lieferant M***" sowie "der Auswertung von Daten, die bei der Durchsuchung der Firma ***Lieferant M*** von der Steuerfahndung sichergestellt wurden" angegeben.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vom legte das FA zudem die Mails vor, mit denen es erstmals von diesem Material Kenntnis erlangte (Beilage C). Diese sind mit datiert und beweisen nach Überzeugung des erkennenden Senats zweifellos, dass sie die Abgabenbehörde bei Erlassung der ursprünglichen Sachbescheide noch nicht kannte. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass nur die von dem Bearbeiter ***Zeuge K*** übermittelten Dateien einen Hinweis auf die enthaltenen Jahre (2009 bis 2011) enthalten, nicht aber die vom Bearbeiter ***Zeuge L*** übersandten. Es sind keine Hinweise darauf zu erkennen, dass die Daten für 2012 dem FA schon vor 2014 bekannt gewesen sein hätten können. Dies wurde in den Wiederaufnahmebescheiden so ausreichend konkretisiert, dass eine bedenkenlose Überprüfung möglich war.

Es ist zwar richtig, dass aus den Wiederaufnahmebescheiden selbst nicht exakt hervorgeht, wann genau das FA von den neuen Beweismitteln Kenntnis erlangte, sie enthalten aber ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, welche Sachverhaltselemente gemeint sind und dass das FA diese bei der Erlassung der alten Bescheide (zwischen Februar 2011 und Februar 2014) nicht gekannt haben kann.

Dieser Einwand geht deshalb im Hinblick auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung (siehe oben) ins Leere.

4.1.2 Wiederaufnahme 2009 vor Abschluss der Außenprüfung

Die Bf. erhob den Vorwurf, die Wiederaufnahme 2009 sei "rein auf Verdacht" erfolgt.

Dies ist für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar. Auch wenn sie aus Verjährungsgründen noch vor dem Abschluss der Außenprüfung erfolgte, enthalten die Wiederaufnahmebescheide mit ihrer zusätzlichen Begründung (auch über die Darstellung in der zusätzlichen Begründung der Sachbescheide), auf die jeweils in den Erledigungen verwiesen wurde, eine ausreichende und klare Darstellung der neu hervorgekommenen Beweismittel und Tatsachen.

Auch wenn die dortigen Tabellen die einzelnen Geschäftsfälle nicht konkret bezeichnen, lässt sich aus ihren Summen und Aufgliederungen klar ableiten, welche Fälle damit gemeint sind. Dieses Zahlengerüst deckt sich ohne jede Abweichung und ohne jede Rüge durch die Bf. mit der Aufstellung, die schlussendlich in Tz 4 des Außenprüfungsberichts vom enthalten ist. Dieses wurde ganz offensichtlich umfassend mit der Bf. besprochen und stellt das Resultat des ursprünglichen Vorwurfs von nicht erfassten Wareneinkäufen von EUR 6.156,55 dar, die im Zuge dieser Diskussion um EUR 909,62 reduziert wurden. Die Bf. brachte nicht vor, dass dieses Zahlengerüst nicht konkreten Geschäftsfällen zuordenbar (gewesen) wäre.

Verfahrensrechtlich sanierbar ist, dass die Wiederaufnahme vor Abschluss der Außenprüfung erfolgte. Die Schlussbesprechung dient im Kern der Wahrung des Parteiengehörs, zu dem der Bf. spätestens im umfassenden und langwierigen Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht absolut ausreichend Gelegenheit gegeben wurde.

4.1.3 Wiederaufnahmegründe 2010 bis 2012

Die Bf. rügte, in den Wiederaufnahmebescheiden 2010 bis 2012 seien die Wiederaufnahmegründe nicht konkret benannt worden. Insbesondere werde nicht einmal allgemein auf die stattgefundene Prüfung und deren Feststellungen verwiesen.

Dem ist entgegen zu halten, dass diese Wiederaufnahmebescheide alle die folgenden Textpassagen enthalten:

"Die Wiederaufnahme der […] ist erforderlich, da gemäß den Textziffern 1-3 und 5 [bzw. 6 bzw. 7] des Prüfungsberichtes zur Außenprüfung getätigte Wareneinkäufe bei der Fa. ***Lieferant M*** sowie die daraus erzielten Umsätze bisher in der Buchhaltung der Abgabepflichtigen nicht berücksichtigt wurden und somit im Verfahren Tatsachen und Beweismittel erstmalig neu hervor gekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einem im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

Zudem verweisen alle diese Bescheide auf die Begründung der Sachbescheide, die sich auf die Tz 1-3 und 5 bis 7 des Außenprüfungsberichts beziehen. Dieser Außenprüfungsbericht enthält eine umfassende Darstellung der neuen Beweismittel (siehe oben).

4.1.4 Wiederaufnahme und Hinterziehung

Außer Streit steht für 2009, dass diese Wiederaufnahmebescheide auch auf die Tatsache der erforderlichen Hinterziehung in ausreichendem Ausmaß eingingen. Der erkennende Senat folgt dem FA und kommt unter Berufung auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Schluss, dass aufgrund der vom FA zugeordneten, im Rechnungswesen nicht erfassten Einkäufe - trotz rechtskräftiger Einstellung des Finanzstrafverfahrens - so weitgehende Hinweise auf eine Abgabenhinterziehung vorlagen, dass die Wiederaufnahme der Verfahren durchzuführen war (vgl. etwa ). Im Detail wird dazu auf die Begründung der Steuerhinterziehung bzw. Verjährung zu den Sachbescheiden verwiesen.

Die Bf. rügte zudem, in den Wiederaufnahmebescheiden 2010 bis 2012 fehlten der Bezug zu einem substanziellen Vorwurf einer Hinterziehungshandlung als kausale Voraussetzung einer Wiederaufnahme vollständig. Das sei nicht sanierbar.

Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Wie oben unter Rechtsgrundlagen umfassen dargestellt, handelt es sich bei der Beurteilung, ob Hinterziehung vorliegt oder nicht, um eine rechtliche Beurteilung und damit nicht um den Wiederaufnahmegrund, sondern dessen Würdigung. Diese Würdigung ist kein zwingender und damit bei seinem Fehlen nicht sanierbarer Bestandteil des (ursprünglichen) Wiederaufnahmebescheides. Sie hat abschließend durch das Verwaltungsgericht zu erfolgen.

Dieses kommt zum Schluss, dass hier ohne Zweifel eine Abgabenhinterziehung iSd § 33 FinStrG vorlag (siehe dazu im Detail zur Beurteilung der Verjährung unten). Diese Rüge kann damit die Wiederaufnahme nicht verhindern.

Im Ergebnis waren damit die Wiederaufnahmebescheide des FA zu den Umsatzsteuerverfahren 2010 bis 2012 sowie zu den Einkommensteuerverfahren 2009 bis 2012 zu bestätigen und die Beschwerden diesbezüglich als unbegründet zurückzuweisen (zur Umsatzsteuer 2009 siehe unten).

4.1.5 Ermessen, Geringfügigkeit

Hier war die Wiederaufnahme der Verfahren schon aus grundsätzlichen Erwägungen geboten, weil der Rechtsrichtigkeit der Vorrang gegenüber der Rechtsbeständigkeit einzuräumen ist. Dies gilt umso mehr, als die vorzuschreibenden Abgaben nach Überzeugung des Senats ohne Zweifel als hinterzogen zu beurteilen sind (siehe unten).

In Summe ergeben sich die folgenden Abgabenerhöhungen (siehe Anlagen E und F) und prozentuellen Veränderungen. Dabei sind die verkürzten Beträge grundsätzlich nicht nur isoliert zu betrachten, sondern auch in ihrer Gesamtheit. Gedanklich resultieren alle Vorschreibungen aus ein und denselben Verfehlungen der Bf.. Ihre getrennte Vorschreibung war nur verjährungsrechtlichen und Covid-bedingten Überlegungen geschuldet.

  1. Die absoluten Beträge der Vorschreibungen sind jedenfalls in Summe nicht geringfügig.

[...]

  1. Auch relativ betrachtet sind die Zurechnungen - bis auf die Umsatzsteuer 2009 - nicht geringfügig. So bewegt sich die Umsatzzurechnung zwischen 5% (2012) und 15% (2010) der erklärten 20%-igen Umsätze. Die Gewinnzurechnung beträgt zwischen 14% (2012) und 47% (2009) der erklärten Einkünfte (im Detail siehe Anlage E).

Eine Ausnahme bildet die Umsatzsteuer 2009 nach Berücksichtigung der absoluten Verjährung (vgl. Punkt 3.1 und 4.5), die die Zurechnung auf einen sehr niedrigen Betrag und nur mehr etwa 1% der erklärten Umsätze (vgl. Anlagen E und F) reduziert. Damit fällt ein Großteil der vom FA durchgeführten Umsatzsteuererhöhung 2009 weg. Der verbleibende Betrag ist hier vor allem relativ gesehen so niedrig, dass im Ermessensweg aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen und um jede Unsicherheit auszuschließen für die Umsatzsteuer 2009 auf eine Wiederaufnahme verzichtet wird. Das führt zur Aufhebung des Bescheides über die Wiederaufnahme der Umsatzsteuer 2009.

Den Akten sind keine weiteren Sachverhaltselemente zu entnehmen, die für das Überwiegen von Billigkeitsgründen gegenüber Zweckmäßigkeitsüberlegungen sprechen könnten.

4.2 Zurechnung der Einkäufe (Wareneinkauf) und Einnahmen (Umsätzen) an die Bf.

Zur Zurechnung von anonym eingekauften Getränken wird auf die beiliegenden Anlagen verwiesen.

Aus den Anlagen A1 bis D1 sind jeweils die offiziellen Fassbiereinkäufe auf die Kundennummer der Bf. (***####***) bei ***Lieferant M*** ersichtlich (Spalte 2). In der folgenden Spalte ("anonym ***x***?") sieht man alle Fassbiereinkäufe, die der Bf. vom FA zugeordnet wurden, und in der nächstens Spalte ("davon auszuscheiden"), die Fässer, die vom Bundesfinanzgericht wieder aus dieser Zuordnung ausgeschieden wurden. Aus der Differenz dieser beiden Spalten ergeben sich die Fässer, deren Zuordnung vom Verwaltungsgericht bestätigt werden (z.B. 2009: 95-31=64).

Die Anlagen A2 bis D2 bestehen aus den Tz 4 bis 7 des Außenprüfungsberichts vom , die vom Bundesfinanzgericht adaptiert wurden.

  1. Die Markierungen ROSAROT (Anlage A1-C1) bzw. DUNKELROT (Anlagen A2-C2) wurden in den Jahren 2009 bis 2011 für ***Biermarke A***bier-Fässer gewählt, die isoliert, ohne weiteres Sortiment gekauft wurden.

  2. 2012 (Anlagen D1 bzw. D2) bedeuten diese Farben, dass Einkäufe in einem Abstand von mehr als zwei Minuten erfolgten bzw. dass Vorgangsnummern fehlen ().

  3. Die Markierung GELB wurde für andere Einkäufe gewählt, die isoliert erfolgten bzw. für Produktkombinationen, die nicht als ausreichend typisch für die Bf. beurteilt wurden.

  4. Die Markierung BLAU bedeutet, dass in chronologischer Nähe auch vom Kunden ***z*** Getränke erworben wurden, bei denen sich das Sortiment überschneidet.

Eingangs ist zu erwähnen, dass es nicht die primäre Aufgabe des Bundesfinanzgerichts ist, das FA zu beaufsichtigen oder Verfahrensfehler aufzuzeigen, die von diesem begangen wurden. Grundsätzlich hat das Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind, selbst wahrzunehmen (§ 269 Abs. 1 BAO) und in diesem Rahmen die Pflicht allfällige Versäumnisse der Abgabenbehörde nachzuholen. Es hat sodann in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden und ist dabei berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

Aus diesem Grund erübrigt es sich, auf allfällige Vorwürfe, wie sie etwa in der Stellungnahme gegenüber der Finanzstrafbehörde vom oder in der Beschwerdeergänzung vom erhoben wurden, einzugehen.

4.2.1 Validität der Listen ***Lieferant M*** und Zuordnung zur Bf.

Weite Teile der Schriftsätze der Bf. sind geprägt vom Bemühen, Zweifel an der Aussagekraft des den Zurechnungen der Inkassovorgänge durch das FA zugrundeliegenden und nach der Hausdurchsuchung bei ***Lieferant M*** durch die Steuerfahndung exzerpierten Datenmaterials zu wecken und zu untermauern. Auch in der mündlichen Verhandlung lag der Schwerpunkt der Verteidigungsstrategie der Bf. darin, die Validität der Listen 2009 bis 2011 (ohne Zeitstempel) und 2012 bis 2015 (mit dem hier relevanten Jahr 2012 mit Zeitstempel) in Frage zu stellen und anzuzweifeln.

In ihrer Stellungnahme vom gegenüber der Finanzstrafbehörde räumte die Bf. zumindest für die Jahre ab 2012 ein, hier sei aufgrund des Zeitstempels eine "einigermaßen objektiv theoretische Möglichkeit der Nachvollziehbarkeit der Vorwürfe" gegeben.

Der erkennende Senat hegt in Bezug auf die hier betroffenen Vorgänge keinerlei grundsätzliche Zweifel an der Beweiskraft dieser beiden Listen.
Sie enthalten ganz offensichtlich Datenmaterial, das bei ***Lieferant M*** bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt und durch die Steuerfahndung aufbereitet wurde. Dabei handelt es sich um Auszüge des digitalen Rechnungswesens, die die Barverkäufe in den Räumlichkeiten der Lieferantin ***Lieferant M*** abbilden. Weder den Akten noch den Vorbringen der Bf. sind Hinweise darauf zu entnehmen, dass die Steuerfahndung die Daten bewusst oder unbewusst zum Nachteil der Bf. verändert hätte. Die in diesen Listen abgebildeten Vorgänge sind in allen Jahren - zumindest im Hinblick auf die der Bf. nun auch durch das Bundesfinanzgericht zugerechneten Geschäftsfälle - fortlaufend und lückenlos. 2012 existiert dazu zusätzlich noch ein Zeitstempel, der die richtige zeitliche Abfolge zusätzlich zur fortlaufenden Nummerierung sicherstellt.
Der erkennende Senat vermag deshalb keine Hinweise darauf zu erkennen, dass die hier dokumentierten Vorgänge nicht tatsächlich so stattgefunden haben könnten.

Daran vermag nichts zu ändern, dass dem FA und damit der Bf. - wie von dieser richtig gerügt - von der Steuerfahndung vorerst nur vorausgewertete Teile der Gesamtliste zur Verfügung gestellt wurden. Die Bf. erhielt im Zuge des Beschwerdeverfahrens über Intervention des Bundesfinanzgerichts am Einblick in die nun auch dem Verwaltungsgericht vorliegenden vollständigen Listen. Damit geht dieser Einwand nun ins Leere.

Auch nach dieser Einsichtnahme unterstellte die Bf. über ausdrückliches Nachfragen durch das Bundesfinanzgericht weder der Steuerfahndung noch dem FA oder dem Verwaltungsgericht eine Manipulation dieser Listen und vermochte - auch unter Heranziehung ihrer eigenen Belege - keine Diskrepanzen zwischen der Gesamtliste und den ursprünglichen vorausgewerteten Teilen aufzuzeigen. Das gilt auch für die Frage der Vollständigkeit der Listen, die der Senat jedenfalls in Bezug auf die Bf. zweifellos als gegeben erachtet. Der erkennende Senat sieht deshalb keinen Grund, an der grundsätzlichen Beweiskraft dieser Auflistungen sowie ihrer fortlaufenden Nummerierung zu zweifeln, und zieht sie zur Beurteilung des Sachverhaltes unverändert heran.

Bei den anonymen Einkäufen von 2009 bis 2011 scheint auf der Gesamtliste im Feld "KdNr" immer die Kundennummer ***x*** auf. Vom FA wurde das in seinen Auswertungen in Tz 4 bis 7 des Außenprüfungsberichts mit der Bezeichnung XXX Kunde ergänzt.
Richtig ist, dass sich in dieser Spalte in der Gesamtliste 2012 nur die Angabe "0" findet. In der daraus erzeugten pdf-Datei scheint dieses Feld leer auf. Die Recherche des steuerlichen Vertreters der Bf. ergab, dass sich dennoch vereinzelt die Kundennummer ***x*** findet, woraus dieser ableitete, diese Liste bzw. die Auswertung des Außenprüfers sei nicht aussagekräftig.

Das Bundesfinanzgericht vermag dem nicht zu folgen. Vom Außenprüfer wurde glaubwürdig angegeben, dass es sich bei der Übernahme der Kundennummer mit ***x*** bzw. der Bezeichnung XXX Kunde in Tz 7 des Außenprüfungsberichtes um einen händischen Übertragungsfehler handelte. Der Wegfall der Kundennummer bei anonymen Einkäufen hängt ohne Zweifel mit der tiefgreifenden Umstellung des EDV-Systems des Lieferanten ab 2012 zusammen, die etwa auch mit der Einfügung des Zeitstempels verbunden war. Wenn ab diesem Jahr in diesem Zusammenhang fast nie mehr eine Kundennummer in der Liste zu finden ist, spricht das nicht gegen die Richtigkeit der Liste, sondern bloß für eine Auswirkung dieser Systemumstellung. Für den Senat ergibt das keine ausreichende Begründung für entsprechende Zweifel.

Immer dann, wenn Lücken in den Vorgangsnummern und VorgIDs aufgezeigt wurden und diese Lücken im chronologischen Umfeld von strittigen Vorgängen waren, wurden diese Vorgänge ausgeschieden (siehe unten zu 2012). Auch wenn von der Bf. damit die Aussagekraft des vom FA in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreibens der ***Schwestergesellschaft*** angezweifelt wurde, erübrigt sich eine weitere Diskussion, ob der Grund für diese Lücken dadurch ausreichend aufgeklärt wurde. Vorgänge, die auch nur mit der geringsten Unsicherheit durch fehlende Nummern behaftet sein können, wurden vom Senat eliminiert.

In der mündlichen Verhandlung brachte der steuerliche Vertreter der Bf. erstmals nicht weiter substantiiert vor, auf die Datenbestände der Firma ***Lieferant M*** solle es im Jahr 2013 einen Hackerangriff gegeben haben. Näheres dazu könne er nicht sagen. Einen Beweisantrag auf weitere Ermittlungen oder eine Einvernahme des Hrn. ***Lieferant M*** als Zeugen stellte er in der mündlichen Verhandlung über ausdrückliches Nachfragen nicht.

Dazu ist festzustellen, dass diese Behauptung bislang weder im jahrelangen Abgabeverfahren vor dem FA noch im Strafverfahren und auch nicht im bereits jahrelangen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht vorgebracht wurde. Sie wurde ohne jedes Beweismittel erhoben und auch nach Nachfrage nicht weiter untermauert. Der Senat vermag weder einen Grund noch eine Notwendigkeit zu erkennen, diesem Zuruf ohne jeden konkreten Hinweis und damit in Form eines Erkundungsbeweises weiter nachzugehen. Dies umso mehr, als die Bf. auf einen formellen Beweisantrag ausdrücklich verzichtete.

4.2.2 Zuordnung zur Bf.

Die Validität dieser Listen in dem Sinn, dass sie die Wirklichkeit realitätsnah wiedergeben, steht für das Bundesfinanzgericht damit außer Frage. Zu klären bleibt, ob auch die Zuordnung zur Bf. diesen Anforderungen genügt. Dabei darf angemerkt werden, dass es nicht von Relevanz ist, ob Zuordnungen zu anderen Abnehmern richtig erfolgten, sondern ausschließlich, ob die Zuordnung zur Bf. einer Überprüfung standhält.
Damit erübrigt sich die Prüfung anderer Zuordnungen zwar, der Senat schloss eine Doppelzuordnung aber indirekt dadurch aus, dass jeder anonyme Vorgang auf seine chronologische und sortimentstypische Zuordnung hin überprüft wurde. Ergaben sich hier auch nur die geringsten Unsicherheiten, wurde der Vorgang ausgeschieden (vgl. etwa 21. April und oder ).

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass durch den Lieferanten ***Lieferant M*** zumindest im Streitzeitraum 2009 bis 2012 systematisch und in großen Mengen "schwarze Ware" anonym in Umlauf gebracht wurde, indem in unmittelbarem chronologischen Zusammenhang vor oder nach offiziellen Einkäufen von Gastronomen an diese auch Getränke auch ohne deren Erfassung und damit anonym abgegeben wurden.
Für nebensächlich hält es der Senat dabei, in welchem Umfang auch Privatkunden bei diesem Lieferanten einkauften, lassen sich diese doch mit relativ großer Sicherheit anhand ihres Sortiments sowie der eingekauften Mengen identifizieren und damit für eine Zuordnung an die Gastronomen ausschließen.

Außer Zweifel steht, dass die Bf. nicht zu anonymen Großabnehmern des Lieferanten zählte, und es ist nicht gänzlich ist, warum und auf Basis welcher konkreten Daten die Bf. auf der "Liste ***Zeugin S***" aufscheint. Der Senat ist dennoch der Überzeugung, dass dies nicht völlig unbegründet erfolgt sein kann, da Fr. ***Zeugin S*** am als Zeugin angab, sie sei sich sicher, dass sie sich den Namen des Cafés der Bf. nicht aus den Fingern gesaugt habe. Bei dieser Frage handelt es sich um ein Detail, das im Rahmen der Gesamtwürdigung des Sachverhaltes Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit von tatsächlich erfolgten anonymen Einkäufen hat. In diesem Zusammenhang spricht der Eintrag aus Sicht des Senates eher für als gegen solche Warenbeschaffungen.

Daran vermag auch der Hinweis auf die Aussage ***Zeugin S*** nichts zu ändern, wonach aus dem EDV-System aufgrund "irgendeiner Nummer" ersichtlich sein müsste, dass der offizielle Einkauf und der darauffolgende oder der vorgelagerte Bareinkauf zum offiziellen Beleg gehört. Damit könnte die Zeugin durchaus die Vorgangsnummern bzw. die Nummerierung der Barverkäufe gemeint haben, die ja vom FA für die Zuordnung herangezogen wurden.

Unbestritten ist, dass die hier relevante Zuordnung der anonymen Einkäufe an die Bf. neben der Erwähnung auf der Liste ***Zeugin S*** nur aufgrund von durch die oben beurteilten Verkaufslisten bewiesenen, chronologischen und sortimentstypischen bzw. mengentypischen Zusammenhängen erfolgte. Damit reduziert sich die Beweislage im Verhältnis zu anderen Verfahren, bei denen es zusätzlich Geständnisse, Abhörprotokolle oder ähnliches gab und die zwischenzeitig zu finanzstrafrechtlichen Verurteilungen führten, was für eine besonders genaue Prüfung der Zuordnungen Anlass gibt. Nur dann, wenn die Beweislage für Zusammenhänge mit den offiziellen Einkäufen der Bf. so dicht ist, dass eine weitaus überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der unmittelbar vorangegangene oder nachfolgende anonyme Einkauf auch durch bzw. für sie erfolgte, hat der Senat diese zu bestätigen. Für die Beurteilung dieser Wahrscheinlichkeit zieht der Senat in den

  1. Jahren 2009 bis 2011 die unmittelbare chronologische Verbindung der Einkäufe im Zusammenhang mit einer auffallenden Übereinstimmung des Sortiments der Einkäufe heran.

  2. 2012 verbindet der Senat die Übereinstimmung des Sortiments mit einem erwiesenen sehr kurzen zeitlichen Abstand zwischen den Einkäufen.

Festzuhalten ist dabei, dass schon während der Betriebsprüfung alle Vorgänge ausgeschieden wurden, die Waren betreffen, die nicht zum Sortiment der Bf. zählen. Der ursprüngliche Vorwurf, es seien der Bf. auch sortimentsfremde Waren zugeordnet worden, wurde von der Bf. in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten. Dort blieb es grundsätzlich unbestritten, dass die Bf. alle Waren führte (und Großteils auch auf der Speisekarte auswies), die in den durch das FA zugeordneten und nun strittigen Einkäufen aufscheinen.

4.2.2.1 Das Jahr 2012

Wie aus den Zeitstempeln ersichtlich, befanden sich im Regelfall nicht sehr viele Kunden im Verkaufslokal. Das wird daraus ersichtlich, dass sich der Andrang an der Kasse jedenfalls in der Zeit, in der die Bf. bevorzugt einkaufte, in Grenzen hielt. Von der Bf. selbst wurde errechnet, dass der durchschnittliche zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Kunden im ersten Halbjahr 2012 etwa 11 Minuten betrug. Das wären in etwa nur fünf Kunden pro Stunde. Das heißt jedenfalls, dass in den allermeisten Fällen nach jedem Kunden eine viele Minuten lange Pause an der Kasse eintrat.
Die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere Kunden unmittelbar hintereinander einkauften, ist deshalb gering. Auch wenn die Abstände zwischen den Kunden vereinzelt mitunter sehr viel kürzer sein konnten (siehe Beispiele in der Beschwerdeergänzung), erhöht ein kurzer zeitlicher Abstand zwischen zwei Inkassovorgängen die Wahrscheinlichkeit gravierend, dass diese Einkäufe von ein und derselben Person (hier der Bf.) vorgenommen wurden.

Wurde dabei Sortiment in Mengen eingekauft, die üblicherweise vor allem in der Gastronomie angeschafft werden (25 Liter Bier, 12-Flaschen-Kisten desselben Weins bzw. 6-Flaschen-Schachteln Prosecco etc.), steigert das die Wahrscheinlichkeit stark, dass der vorhergehende oder nachfolgende, anonyme Einkauf nicht durch einen Privatkunden erfolgte.

Das verstärkt sich, wenn es sich um Gebinde handelt, für die spezielle Zapf- bzw. Schankeinrichtungen mit entsprechenden speziellen Adaptern, Verschlüssen und CO2-Flaschen nötig sind (z.B. ein 25-Liter-Fass), wenn diese Spezialeinrichtungen nicht mitverliehen werden. Damit schränkt sich die Möglichkeit, dass die vor- oder nachher verkaufte Ware von jemand anderem gekauft wurde, auf andere Gastronomen bzw. professionelle Kunden, die eigentlich über eine Kundennummer verfügen ein.

Grundsätzlich hält es der Senat mit allergrößter Wahrscheinlichkeit für erwiesen, dass die Bf. neben der offiziell eingekauften Menge weiteres ***Biermarke A***-Bier in 25-Liter-Fässern eingekauft und in ihrem Lokal verkauft hat. Das resultiert schon allein aus den verkauften Mengen, die sie selbst über Nachfrage hin bekannt gab. So sagte sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht, in den Jahren 2009 bis 2012 seien durchschnittlich wöchentlich vier bis fünf 25-Liter-Fässer Bier verbraucht worden. An guten Tagen sei auch ein Fass oder mehr verbraucht worden. Es habe auch Monate mit einem Verbrauch von bis zu 40 Fass Bier gegeben, etwa fünf Monate pro Jahr. Gute Monate seien etwa Jänner, März, April und Juni gewesen. Schon im Finanzstrafverfahren hatte sie wörtlich angegeben, dass "bei steigender Tendenz jährlich bis zu 40 Fässer pro Monat im Lokal verkauft" worden seien.

Nach der unter Punkt 1.6.6 ersichtlichen Aufstellung kaufte die Bf. von 2009 bis 2012 offiziell zwischen 235 (2010) und 318 (2012) Fässer ein. Auffallend ist dabei

  1. nach einer Stagnation von 2009 auf 2010 der stark steigende offizielle ***Lieferant M***-Einkauf auf Kundenkonto um 32 Fässer von 2010 auf 2011 (+133% zu 2010) und noch einmal um 33 Fässer von 2011 auf 2012 (+137% zu 2010)

  2. bei leichtem Absinken des offiziellen Einkaufs bei ***Biermarke A*** von 2009 auf 2010 und einem etwas stärkeren Anstieg in 2012.

Die Bf. bezeichnete die Entwicklung des offiziellen Einkaufs als "absolut kontinuierlich und betriebswirtschaftlich typisch" und erklärte sie mit dem Bau einer neuen Siedlung im Jahr 2011, ohne dies weiter zu untermauern. Unter Berücksichtigung der Zurechnungen durch das FA ergäbe sich eine insbesondere für die Jahre 2009 auf 2010 und 2012 auf 2013 nicht zu begründende Entwicklung. Dazu ist zu sagen, dass sich die Bf. in ihrer Stellungnahme vom (siehe oben Punkt 1.6.6) dabei auf die Zurechnungen bezog, die vom FA durchgeführt wurden und nicht auf die vom Bundesfinanzgericht wesentlich reduzierten.

Jedenfalls nach dieser Reduzierung können die unterstellten Mengen nicht mehr als unrealistisch eingestuft werden. So liegt der vom Bundesfinanzgericht festgestellte Gesamteinkauf 2009 von 308 Fässern noch immer um 10 Fässer unter dem offiziellen Einkauf 2012, was beweist, dass diese Menge in diesem Lokal verkauft (und auch gelagert) werden konnte. Dazu kommt, dass eine Zurechnung von Fassbier durch das Verwaltungsgericht in den Jahren 2009 bis 2011 nur dann erfolgt, wenn

  1. dieses nicht chronologisch isoliert von anderen offiziellen Einkäufen der Bf. erworben wurde und

  2. durch die Kombination mit anderen für die Bf. typischen Getränken mit größter Wahrscheinlichkeit sichergestellt ist, dass der Einkauf tatsächlich durch bzw. für sie erfolgte.

Das Bundesfinanzgericht kann nicht ausschließen, dass sich das diesbezügliche Einkaufsverhalten der Bf. in den hier zu beurteilenden vier Jahren verschoben hat. Dafür spricht das Absinken des der Bf. zuzurechnenden anonymen Einkaufs von 2009 auf 2010 um 23 Fässer (36%) und von 2010 auf 2011 um weitere 13 Fässer (32%), wo sich das Niveau einpendelt. Diese Frage wird als Teil der in freier Beweiswürdigung zu erfolgenden Gesamtbeurteilung der Wahrscheinlichkeit von anonymen "Schwarzeinkäufen" mitbeurteilt.

  1. Ins Auge sticht, dass der offizielle Gesamteinkauf einen durchschnittlichen wöchentlichen Einkauf von etwa nur 5 (2009 und 2010) bis 6,6 (2012) ausweist.

Vergleicht man das mit den Angaben der Bf. in der mündlichen Verhandlung, wäre ein wesentlich höher, offizieller jährlicher Einkauf zu erwarten. Alleine die angegebenen fünf Monate á 40 Fässer würden 200 Fässer notwendig machen. Zählt man dazu noch die verbleibenden Monate mit mindestens 5 Fässern/Woche (vier bis fünf wöchentlich von ***Biermarke A*** + etwa 2 Fässer/Monate ***Lieferant M***), so ergibt das weitere etwa 140 Fässer (5*4 Wochen*7 Monate). In Summe ergäbe das mindestens 340 Fässer. Diese Menge erreicht man nur unter Zurechnung der vom Bundesfinanzgericht angenommenen anonymen Einkäufe und auch da nur 2012.

Als wesentlichen Teil der Beurteilung in der Gesamtschau sieht das Bundesfinanzgericht die Frage des Ausschlusses der Möglichkeit, dass ein anonymer Einkauf durch andere Gastronomen erfolgt sein könnte. Es untersuchte deshalb sehr genau, ob im chronologischen Nahebereich eines solchen Einkaufs neben der Bf. noch andere Gastronomen zu finden sind, die ein ähnliches Sortiment führen und in ähnlicher Menge einkaufen, wie die Bf.. Ist dies nicht der Fall, erhöht das die Wahrscheinlichkeit weiter, dass der Einkauf durch die Bf. erfolgte. Das gilt hier zum Beispiel - wie vom FA schon im Außenprüfungsbericht aufgezeigt - auch für ***Biermarke B*** Weißbier, das bei ***Lieferant M*** z.B. im Gegensatz zu ***Biermarke C***bier nur von einem kleineren Kreis von Gastronomen nachgefragt wurde.

In der Gesamtbetrachtung führt damit ein sehr kurzer zeitlicher Abstand zwischen Inkassovorgängen in Verbindung mit speziellen Gebinden ohne Verleih eines Zapfzeuges (25-Liter-Fass), großen Gebinden desselben Weins (12-Flaschen-Kisten) bzw. typischen Gastronomieartikeln (60 kleine Flaschen für "***Spirituose***-Automat") und einer gravierenden Übereinstimmung mit dem Sortiment der Bf. zu einer weitaus überwiegenden, sehr großen Wahrscheinlichkeit, dass all diese Inkassovorgänge die Bf. betreffen.

Für den erkennenden Senat steht es deshalb außer Zweifel, dass alle der Kundennummer der Bf. vor- oder nachlaufenden Inkassovorgänge, die innerhalb von zwei Minuten erfolgten und das selbe Gastronomiesortiment betreffen, der Bf. zuzurechnen sind. Das gilt hier selbst dann, wenn nur eine bestimmte Ware (z.B. 25-Liter-Fass ***Biermarke A***) gekauft wurde (so etwa auch am - siehe unten).

Wurde diese Zeitspanne überschritten, eliminiert das Verwaltungsgericht die bisherige Zurechnung durch das FA.

Die Bf. zeigte für 2012 fünf Lücken in den Vorgangsnummern bzw. VorgIDs auf. Das FA vermochte deren Ursache in der mündlichen Verhandlung unter Heranziehung einer Aussage des Verantwortlichen der Lieferantin zwar zu erklären, dennoch scheidet der erkennende Senat alle Vorgänge aus, die auch nur den geringsten Zweifel offenlassen. Dies dient dazu, jede Möglichkeit zu verhindern, dass die Zurechnung an die Bf. in den Fällen erfolgen könnte, in denen nicht eine weitaus überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass der Einkauf tatsächlich durch bzw. für die Bf. unmittelbar vor oder im Anschluss an einen offiziellen Einkauf auf ihre Kundennummer ***####*** durchgeführt wurde.

Alle Korrekturen durch das Bundesfinanzgericht können den Anlagen A bis D entnommen werden, die in ähnlicher Form schon Basis für die mündliche Verhandlung waren.

Zu den korrigierten bzw. ausgeschiedenen Vorgängen zählt der am

  1. ,
    bei dem die VorgNr 10003300 bzw. die VorgID 335 fehlen. Dieser Vorgang wäre allerdings nach der Beurteilung des Senats aufgrund des von ihm angelegten strengen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes (siehe unten) von vornherein auszuscheiden, weil der Zeitabstand zwischen den Einkäufen 4 Minuten betrug (Markierung ROSA- bzw. DUNKELROT in den Anlagen D1 und D2). Dazu kommt hier, dass auch das FA von Ungereimtheiten ausging und anmerkte, dass hier das Tabellenblatt nicht mit der Darstellung im Außenprüfungsbericht übereinstimmt (vgl. Markierung DUNKELBLAU in Anlage D1).

  2. Am
    fehlen - bei fortlaufenden VorgNr - mehrere VorgID. Zur Vermeidung jeder Unsicherheit scheidet der erkennende Senat diesen Vorgang zur Gänze aus (Markierung orange in Anlage D 2012).

Kein Korrekturerfordernis sieht der Senat beim Vorgang vom . Hier fehlt zwar die VorgID 3625, diese steht allerdings nicht mehr in einem chronologischen Zusammenhang mit der VorgID 3623 (Kauf auf Kundennummer). Der anonyme Einkauf, der der Bf. hier zugerechnet wurde, weist die VorgID 3622 auf und fand innerhalb von 2 Minuten vor dem offiziellen Einkauf statt.

Eine Zurechnung des Vorganges vom (fehlende VorgID 3963; lt. Beschwerdeergänzung ) erfolgt durch das Bundesfinanzgericht schon aufgrund des Zeitabstandes von drei Minuten nicht. Dieser anonyme Einkauf wird ausgeschieden.

Am erfolgte schon durch das FA keine Zurechnung eines anonymen Einkaufs an die Bf. Die Rüge geht deshalb diesbezüglich auch hier in die Leere.

Nicht von Relevanz ist nach Überzeugung des Senates auch die behauptete Fehlerfassung von 12 Pfandfässern am , die nach den Angaben der Bf. nicht mit der tatsächlichen Rechnung in Einklang steht. Von diesem Vorwurf ist nur der offizielle Einkauf auf Kundenkonto betroffen, nicht aber der strittige anonyme Einkauf.

4.2.2.2 Die Jahre 2009 bis 2011

In den Jahren 2009 bis 2011 fehlt im EDV-System der ***Lieferant M*** der Zeitstempel. Damit ist der exakte zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Inkassovorgängen nicht nachvollziehbar. Um deshalb eine Zuordnung von Vorgängen zur Bf. mit ausreichend großer, überwiegender Wahrscheinlichkeit vornehmen zu können, ersetzt der erkennende Senat dieses Merkmal durch eine noch höhere Anforderung an die anderen Zuordnungsmerkmale.

Eine Zuordnung hält er nur dann für ausreichend erwiesen, wenn im - durch die fortlaufende Nummerierung bewiesenen - unmittelbaren Nahebereich zwei oder mehr Waren des gastronomie- und betriebstypischen Sortiments erworben wurden.

  1. Das ist zum Beispiel etwa dann der Fall, wenn ein 25-Liter-Fass ***Biermarke A*** Bier, für das eine spezielle Zapfeinrichtung notwendig ist, die aber nicht mitverliehen wurde, zusammen mit einer Kiste ***Biermarke B*** Weißbier Original 20/0,5 verkauft wurde, und kein anderer Kunde mit ähnlichem Sortiment im unmittelbaren Nahebereich aufscheint. Dies ist eine typische Kombination, wie sie die Bf. immer wieder auch auf Kundennummer kaufte.
    Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Warengruppierung tatsächlich von der Bf. bezogen wurde, ist deshalb überaus groß und damit ausreichend für eine Zurechnung an sie, weil diese Kombination nur von sehr wenigen anderen Kunden bezogen wurde. Sie steigert sich schon nahe einer 100%-igen Wahrscheinlichkeit, wenn wie z.B. am genau diese Kombination unmittelbar nach einem offiziellen Einkauf der Bf. gekauft wurde. Dazu kommt, dass diese Kombination allein 2009 im unmittelbaren Umfeld der Einkäufe der Bf. auf Kundennummer fast 15 Mail auch anonym gekauft wurde. Das ist so auffällig, dass ein Zufall ausgeschlossen werden kann. Es deutet vielmehr mit an Sicherheit grenzender Gewissheit darauf hin, dass auch diese fast 15 anonymen Käufe durch die Bf. erfolgten.

Weitere solche Beispiele wären die öfter vorkommende Kombination ***Biermarke B*** mit ***Spirituose*** (typisches Spirituosenprodukt der Bf.) oder Rosenthal Blauer Zweigelt (typischer Rotwein der Bf.) sowie Herrenstein Grüner Veltliner (typischer Weißwein der Bf.) in Kombination mit ***Spirituose*** Automat. Auch der Kauf eines 25-Liter-Fasses ***Biermarke A*** in Kombination mit einem Tray ***Biermarke A*** Dosenbier (24 Dosen á 0,5 l) ist typisch für das Lokal der Bf. und ihres Gassenverkaufs, kam öfter im Umfeld ihrer Kundennummer vor und ist nicht alltäglich. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Außenprüfungsbericht darf verwiesen werden.

Der erkennende Senat überprüfte dabei exakt, ob nicht eine andere Kundennummer im fortlaufenden Umfeld eines solchen Einkaufs aufscheint, zu deren Sortiment diese beiden Produkte auch zählen. Das war nicht der Fall, weshalb die Möglichkeit der Zuordnung zu einem anderen offiziellen Kunden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.

  1. Diese Beurteilung gilt umso mehr, wenn (eine Kombination von) Waren anonym zwischen zwei Vorgängen mit Angabe der Kundennummer der Bf. erworben wurden (z.B. ) und der anonyme Einkauf quasi von offiziellen Einkäufen "umzingelt" ist. Hier ist die Wahrscheinlichkeit außerordentlich hoch, dass auch der mittlere Einkauf durch die Bf. erfolgte.

  2. Erfolgen mehrere Inkassovorgänge vor oder nach einem Einkauf mit Kundennummer, wird nur der unmittelbar vor- oder nachlaufende Vorgang der Bf. zugerechnet. Für den Senat ist ein weiteres Splitting eines anonymen Bareinkaufes nicht ausreichend wahrscheinlich, solange die eingekaufte Menge nicht den Umfang des § 1 Gaststättenpauschalierungs-Verordnung (BGBl. II Nr. 227/1999 idF BGBl. II Nr. 149/2007) übersteigt.

Keine ausreichende Wahrscheinlichkeit vermag der Senat für 2009 bis 2010 dann zu erkennen, wenn nur ein einzelnes Produkt gekauft wurde, wie es bei isolierten Käufen von 25-Liter-***Biermarke A***bier der Fall ist, die fast jedem Gastronomen zugerechnet werden könnten. Solche Vorgänge wurden deshalb in diesen Jahre vom Senat ausgeschieden und in den Anlagen A1 bzw. A2 bis C1 bzw. C2 DUNKELROT bzw. ROSAROT markiert. Auch Einzelkäufe von ***Biermarke B*** Weißbier, einem ***Spirituose***automaten oder auch Herrenstein-Wein scheidet der Senat aus, weil hier keine Absicherung der Wahrscheinlichkeit durch eine Sortimentskombination gegeben ist. Diese Vorgänge werden in den Anlagen GELB markiert.

Zur Schlüssigkeit von Biereinkäufen über die offiziell besorgte Menge hinaus wird auf die Darstellung unter 2012 verwiesen.

Zum Vorgang vom (siehe oben 1.4 Stellungnahme vom ) kommt der Senat zum Schluss, dass zwar viel dafür spricht, dass dieser Vorgang der Bf. zuzurechnen ist, insbesondere weil sich das Sortiment der Kundennummer ***y*** völlig von dem der Bf. unterscheidet, dass hier aber eine letzte Unsicherheit bleibt, die zum Anlass genommen wird, diesen Vorgang auszuscheiden.

Zum Hinweis auf die Kundennummer ***z*** folgt der Senat den Bedenken der Bf. immer dann, wenn im Nahebereich der Bf. eine Überschneidung im selben Sortimentsbereich droht. Er scheidet diese Vorgänge aus. Dies ist im Bereich der Produkte "24/0,50 ***Biermarke A*** ***Biersorte A1*** Dose" und "25 Lt Fass ***Biermarke A*** ***Biersorte A1***" und damit am 21. April und sowie am der Fall. Keine Überschneidung gibt es etwa im Bereich von ***Biermarke B*** Weißbier, Markowitsch Carnuntum Cuvée oder Prosecco Celentano.
Dabei darf angemerkt werden, dass die Vorgänge vom und vom Senat schon deshalb ausgeschieden wurden, weil sie isolierte Fassbiereinkäufe betreffen.

Den Vorgang am (Markierung BLAU) wird zur Vermeidung jeder Unsicherheit ausgeschieden, da es im Anschluss an den strittigen Vorgang BAR047455 zwischen den beiden offiziellen Einkäufen (BAR047456 und BAR047458) auch einen anonymen Einkauf gab.

Keine Auswirkung auf die Richtigkeit der ***Lieferant M***-Liste sowie die Zuordnung der Vorgänge zur Bf. vermag der erkennende Senat aus der Tatsache abzuleiten, dass vereinzelte Kundennummern aufscheinen, die anstatt der üblichen sechs nur fünf oder aber auch sieben Stellen aufweisen. Offenbar wurde dies durch das EDV-System der Lieferantin zugelassen, was an und für sich völlig bedenkenlos scheint.

4.2.2.3 Abschläge für die Jahre 2009 bis 2012

Auffällig bleibt, dass die Zurechnungen für das Jahr 2012 im Verhältnis zu den Vorjahren merkbar abnahmen. Das könnte mit der unbestritten wesentlich erhöhten Genauigkeit der Zuordnungsmöglichkeit aufgrund des Zeitstempels zusammenhängen (so die Bf.), könnte aber auch mit einer Änderung des Einkaufsverhaltens der Bf. (so das FA) zusammenhängen. Im Detail lässt sich das nicht mehr klären.

Um denkbare Restunsicherheiten aufgrund des fehlenden Zeitstempels in den Jahre 2009 bis 2011 auszuschließen, verringert das Bundesfinanzgericht in den Jahren 2009 bis 2011 die zugerechneten anonymen Getränkeeinkäufe zusätzlich um15% und kürzt die damit in Verbindung zu bringenden Umsätze bzw. Einnahme aliquot. Damit sieht es das Verwaltungsgericht als gewährleistet, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur jene Vorgänge erfasst werden, die in unmittelbarer zeitlicher Abfolge mit demselben Sortiment erfolgten und in denen damit der Bf. eine Hinterziehung der Umsatz- und Einkommensteuer unbedenklich zur Last gelegt werden kann. Damit wird jede mögliche Beschwer der Bf. verhindert.
Damit erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Bf. ihr Einkaufsverhalten bewusst an das EDV-System von ***Lieferant M*** angepasst hat oder ob die Treffsicherheit des Sortimentsvergleichs mit der Ausweitung des Sortiments durch die Lieferantin ab 2010 gestiegen ist. Diese Fragen lassen sich nicht mit absoluter Sicherheit beantworten, nach Überzeugung des Senats kann aber mit einem solchen Abschlag jedenfalls gewährleistet werden, dass die zuzurechnenden Beträge mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Realität entsprechen.

Nicht unerwähnt soll in diesem Zusammenhang bleiben, dass sich das Bundesfinanzgericht der oben dargestellten Ansicht des deutschen Bundesfinanzhofes anschließt (siehe Punkt 3.3), was jeden weiteren Abschlag ausschließt. Der erkennende Senat hegt keine Zweifel daran, dass die Bf. ihr Rechnungswesen unter Ausnützung der Möglichkeiten aufgrund der praktisch ausschließlichen Bargeschäfte bewusst manipulierte. In dieser Situation verbietet sich eine Schätzung, die sich exzessiv ihrer unteren Bandbreite annähert.

2012 gewährleistet der Zeitstempel in Kombination mit dem typischen Sortiment der Bf. eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Zurechnung. Um auch in diesem Jahre jede Beschwer und jedes vorstellbare, ausnahmsweise und zufällige Zusammenfallen von sortimentstypischen Artikeln auszuschließen, verringert der erkennende Senat das Zahlengerüst auch für dieses Jahr zusätzlich um einen Abschlag von 5%.

Zusätzlich werden die als Wareneinkauf anzusetzenden Beträge auf volle hundert Euro auf- und die zuzurechnenden Einnahmen bzw. Umsätze abgerundet.

4.2.3 Verwendung der nicht erklärten Einkäufe zur Erzielung von Einnahmen

Der Senat ist überzeugt davon, dass die Bf. die von ihr anonym und nicht auf ihre Kundennummer gekauften Waren, die nicht in ihr Rechnungswesen Eingang fanden, zur Erzielung von Einnahmen verwendete.

Die Bf. selbst führte ihre Erwähnung in der "Liste ***Zeugin S***" mit "kauft auch auf XXX" auf vereinzelte Einkäufe zum privaten Gebrauch (z.B. anlässlich des Geburtstags der Bf.) zurück, die nicht in das Rechenwesen eingeflossen seien (Beschwerde). In der mündlichen Finanzstrafverhandlung vor dem Spruchsenat gestand die Bf. zu, sie habe bei ***Lieferant M*** "EUR 30, EUR 40 oder vielleicht auch EUR 100 pro Monat … für privat" eingekauft. Dabei betonte sie, wenn sie etwas privat gebraucht habe, sei sie da extra hingefahren. Wenn sie gesagt habe, das sei für sie privat, habe es die Bezeichnung XXX-Kunde gegeben, heute heiße das Endverbraucher.

Daraus leuchtet für den erkennenden Senat hervor, dass die Bf. private Einkäufe eingestand, dabei aber die Unterscheidbarkeit von den betrieblichen Vorgängen betonte, weil sie da "extra hingefahren" sei. Damit kann nur gemeint sein, dass solche Einkäufe nicht in Kombination mit offiziellen Einkäufen auf das Kundenkonto erfolgten. Daraus ist zu schließen, dass private Einkäufe niemals in Kombination mit (das heißt unmittelbar vor oder nach) offiziellen Einkäufen auf das Kundenkonto erfolgten. Damit können die hier zu diskutierenden Einkäufe nur solche sein, die für das Lokal der Bf. und nicht für ihren Privatverbrauch erfolgten.

Dieser Schluss ergibt sich auch aus dem eingekauften Sortiment und der - unwidersprochenen -Tatsache, dass der Einkauf von Waren für Einladungen von Stammgästen im Rechnungswesen ordnungsgemäß erfasst und auf den vorliegenden Eingangsrechnungen diese Tatsache entsprechend vermerkt wurde (vgl. Außenprüfungsbericht). Der Einkauf von 25-Liter-Fassbier für private Zwecke scheidet schon deshalb aus, weil dafür eine spezielle Schankanlage erforderlich ist. Das gilt auch für kistenweise Weineinkäufe in typischen Gastronomiemengen.

Die eingekauften Waren können also nur im Lokal der Bf. Verwendung gefunden haben, in dem sie selbst eigenen Angaben zufolge (mündliche Verhandlung) an sieben Tagen der Woche überwiegend anwesend war. Sie persönlich unterließ die Erfassung dieser vielen Einkäufe bzw. Waren im Rechenwerk, was nur so erklärt werden kann, dass sie auch die damit erzielten Einnahmen bzw. Umsätze nicht erfassen wollte und dies tatsächlich auch nicht tat.

Diese langjährige Vorgangsweise deutet auf einen klaren Plan hin und kann nur als vorsätzlich beurteilt werden (siehe Verjährung).

4.3 Lager- und Transportkapazität, Leergut, CO2, Betriebsvergleiche etc.

Allgemein darf noch einmal darauf hingewiesen werden, dass es aufgrund des unterschiedlichen Beweismaßstabes - anders als im Strafverfahren - im Abgabenverfahren nicht nur Aufgabe des FA bzw. des Verwaltungsgerichts ist, letzte verbleibende Zweifel auszuräumen. Hier hat auch die Bf. ihre Behauptungen zu beweisen bzw. entsprechend zu untermauern.

Der Argumentation der Bf., die Zurechnung der anonym eingekauften Getränke an sie wäre schon mangels entsprechender Lagerkapazitäten unschlüssig, vermag das Bundesfinanzgericht nicht zu folgen.
Aus den von der Bf. im Schriftsatz vom selbst erstellten, allerdings nur bruchstückhaften Analysen der Leergutbewegungen lässt sich - entgegen den ersten Behauptungen im Schriftsatz vom - ableiten, dass sich die Leergutrückgabe und Leergutübernahme selbst unter Berücksichtigung der vom FA zugerechneten anonymen Einkäufen oft die Waage hielten, in einzelnen Jahren aber sogar mehr Leergut an ***Lieferant M*** zurückgegeben als mitgenommen wurde. Schon das schließt eine Überfüllung des Lagers aus. Unklar bleibt damit, warum die Lagerkapazitäten durch die strittigen Schwarzeinkäufe überstrapaziert worden sein könnten.

Dazu kommt, dass allein die offiziellen Einkäufe von ***Biermarke A*** und ***Lieferant M*** im Jahr 2012, die ohne Zweifel im Lager Platz fanden, nicht höher sind, als die der Bf. zugerechneten Gesamteinkäufe in den Jahren 2009 bis 2011. Warum die Lagerkapazitäten also für 2012 ausgereicht haben sollten, nicht aber für die Vorjahre erschließt sich hier nicht.

Das gilt auch für den Einwand mangelnder Transportkapazitäten. Da die Bf. ab über einen VAN mit großem Gepäckraum verfügte (Peugeot 5008) geht dieses Argument ab diesem Zeitpunkt von vornherein ins Leere. Der Ankauf dieses großen Fahrzeuges lässt vielmehr darauf schließen, dass die Bf. des Öfteren größere Warenmengen transportierte und sie deshalb ein solches Fahrzeug für notwendig hielt. Auch im Zeitraum vor der Anschaffung dieses Großraumfahrzeuges kam es (auch unter Berücksichtigung der Zurechnung anonymer Einkäufe) nur selten zum Einkauf übergroßer Mengen. Die Bf. erklärte in der mündlichen Verhandlung dazu, sie habe Getränke fallweise auch mit einem Taxi transportieren lassen. Warum dies manchmal nicht auch für die inoffiziellen Einkäufe der Fall gewesen sein kann, erschließt sich dem Senat nicht.

Zur Rüge der mangelnden Übereinstimmung des aufscheinenden CO2-Flaschen-Einkaufs mit der kalkulatorischen Verprobung ist zu sagen, dass der Senat dies für nicht stichhaltig hält. Zum einen ist die Schwankungsbreite einer solchen Kalkulation im konkreten Fall zu groß für eine ausreichende Aussagekraft, zum anderen brachte der Mitarbeiter der Steuerfahndung klar zum Ausdruck, dass eine Zurechnung solcher Flaschen niemals erfolgte, wenn sie isoliert eingekauft wurden. Mangels Zuordnungsmöglichkeit zur Bf. wären solche anonymen Einkäufe jederzeit möglich gewesen. Der zuletzt behauptete Über- bzw. Unterbestand (z.B. 2009 Überbestand von 2 Flaschen) hat damit wenig Aussagekraft.
Dazu kommt, dass mit nur einer CO2-Flasche von vornherein sehr lange das Auslangen gefunden werden kann. Nimmt man nur die Aussage der Bf. in der Finanzstrafverhandlung vor dem Spruchsenat, können damit zwischen 33 und 40 25-Liter-Fässer gezapft werden. Das entspricht in etwa 825 bis 1.000 Liter Bier. Eine Flasche reicht damit im Durchschnitt für mehr als den Biereinkauf eines Monats.
Dass solche anonymen Einkäufe tatsächlich erfolgten, beweist zumindest 2009, wo CO2 zusammen mit anderen für die Bf. sortimentstypischen Getränken eingekauft wurde.

Augenscheinlich ist, dass - jedenfalls ab 2010 - der Bf. keine anonym eingekauften CO2-Flaschen zugeordnet wurden. Um sicher zu stellen, dass die Schätzung des zusätzlichen Fassbiereinkaufs in sich schlüssig bleibt und der Wareneinkauf realitätsnah ermittelt wird, bringt der Senat die Kosten für diesen zusätzlichen CO2-Einkauf im Schätzungswege in Ansatz. Dabei wird sehr vorsichtig davon ausgegangen, dass mit einer Flasche 800 Liter Bier (32 Fass) gezapft werden können. Pro 32 Fässern werden deshalb die Kosten eines Fasses mit dem durchschnittlichen Preis von EUR 21 in Ansatz gebracht (Preis Jänner 2009 EUR 19,70 und Dezember 2012 EUR 22,60).

Daraus ergeben sich die folgenden Erhöhungen des Wareneinkaufes:

[...]

Zur Rüge der Bf., das FA habe unterlassen, durch Vornahme eines internen oder externen Betriebsvergleichs oder durch festzustellende Unstimmigkeiten bei der erklärten Rohaufschlagskalkulation etc. die objektive Möglichkeit bzw. das Potenzial von Schwarzverkäufen unter Berücksichtigung der konkret-individuellen Betriebsführung (Art, Größe und Lage des Lokals, Betriebszeiten, Personalstand, Lagermöglichkeit, Frequenz und Gästestruktur, ...) zu erheben, darzustellen und abzugrenzen, ist zu sagen: Die Bf. überschätzt offenbar das Potential von internen und externen Betriebsvergleichen.

Externe Betriebsvergleiche sind von vornherein nur begrenzt aussagefähig, mangelt es doch sehr oft nicht nur an eindeutig vergleichbaren Lokalen, sondern vor allem daran, dass es der Abgabenbehörde gem. § 48a BAO untersagt ist, Daten von solchen Vergleichslokalen zu offenbaren. Die Bf. selbst bot keine entsprechenden, für das Verwaltungsgericht nachprüfbaren Daten von Vergleichsbetrieben an.

Interne Vergleiche gehen jedenfalls dann ins Leere, wenn der Betriebsinhaber - wie hier vom Bundesfinanzgericht als erwiesen angenommen - die Einkäufe und die erklärten Umsätze bewusst aufeinander abstimmt und die Einnahmen wie auch den Einkauf anonym eingekaufter Getränke nicht im Rechenwerk erfasst.

Außer Frage steht für den erkennenden Senat zudem, dass die Bf. in diesem Lokal die ihr schlussendlich zugerechneten Einnahmen erzielen konnte, liegen doch die Umsätze laut Erklärung und die Umsätze laut Bundesfinanzgericht nicht so weit auseinander, dass sich daraus eine Unschlüssigkeit ergeben würde.

Auch wenn dieses Lokal von der Bf. wiederholt als "Tages-Café" bezeichnet wurde, war es doch sieben Tage die Woche täglich durchgehend an die 13 Stunden geöffnet. Von der Bf. selbst wurden die erzielten Tagesumsätze mit Beträgen zwischen etwa netto EUR 250 (2009) und EUR 330 (2012) erklärt.

Die vom Bundesfinanzgericht im Schätzungswege (siehe unten) ermittelten durchschnittlichen Tagesumsätze überschreiten diese Bandbreite nur im Jahr 2012 marginal und bewegen sich in den anderen Jahren immer unter dem selbst erklärten und damit ohne jeden Zweifel erzielbaren durchschnittlichen Tagesumsatz 2012.

Das Bundesfinanzgericht sieht schon allein auf Basis dieser Gegenüberstellung keinen Grund für weitere Untersuchungen.

4.4 Schätzung, Rohaufschlagskoeffizient und Biersteuer

Die Schätzung der der Bf. zuzurechnenden anonymen Einkäufe sowie der damit erzielten Umsätze/Einnahmen erfolgte unter Anwendung der unter Punkt 3.3 dargestellten Grundsätze und ist in Anlage E (Din A3) dargestellt.

Da dies in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen blieb (vgl. Punkt 1.4/a), folgt der Senat dem Einwand der Bf. im Hinblick auf einen verminderten Rohaufschlag bzw. Rohaufschlagskoeffizienten vollinhaltlich. Aufgrund der schlechteren Konditionen für anonyme Einkäufe reduziert sich dieser, wird aber aufgrund der bislang unberücksichtigten Biersteuer bei Bier weiterhin - fast unverändert - mit durchschnittlich RAK 3,23 angesetzt.

Unwidersprochen blieb in der mündlichen Verhandlung auch der Vorschlag, den Rohaufschlagskoeffizienten für die anderen Getränke pauschal um 1,0 zu verringern.

Zusätzlich ist der Wareneinsatz für Bier um die Biersteuer von EUR ***0,##*** pro Liter zu erhöhen. Diese Biersteuer wird bei Fassbier mit den anonym erworbenen Litern angesetzt und beträgt:

[...]

Die Biersteuer für das anonym eingekaufte Weißbier sowie das Dosenbier wird aus Vereinfachungsgründen mit jährlich EUR 70,00 geschätzt.

Zur Abfederung letzter Fehler werden der zusätzliche Getränkeeinkauf auf volle Hundert Euro auf- und der zugerechnete Umsatz (Einnahmen) abgerundet.

Durch die nach Überzeugung des erkennenden Senats sehr großzügige Berücksichtigung aller stichhaltigen Einwendungen der Bf. ergibt sich damit eine weitgehendste betragliche Annäherung der Zuschätzungen in den einzelnen Jahren. Die verbleibenden Abweichungen bewegen sich zweifelsohne innerhalb der Bandbreite, die jeder Schätzung immanent ist.

Die Richtigkeit der Schätzung hat damit eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit gegenüber der Möglichkeit, dass sie zu hoch gegriffen sein könnte.

4.5 Verjährung und Hinterziehung

Wie schon unter Punkt 3.1 dargestellt ist die Umsatzsteuer, die auf die zusätzlich der Bf. zugerechneten Umsätze aus dem Getränkeeinkauf ***Lieferant M*** der Monate Jänner bis November 2009 sowie Jänner bis Mai 2010 entfällt, absolut verjährt. Ihre Vorschreibung ist unzulässig. Vom Bundesfinanzgericht werden diese Umsätze im Schätzungswege ermittelt und

  1. im Jahr 2009 mit 11/12 der zugerechneten Umsätze ausgeschieden.

  2. Im Jahr 2010 erfolgt die Schätzung mit 6/12 der Umsatzerhöhung und berücksichtigt damit, dass die Bf. in der mündlichen Verhandlung vier Monate des ersten Halbjahres als bessere Monate einschätzte.

Weder das FA noch die Bf. erhoben über Nachfrage gegen diese Schätzung einen Einwand.

Wie oben schon mehrmals erwähnt und ausführlichst dargestellt, ist der erkennende Senat überzeugt davon, dass die Bf.

  1. die ihr im Wege einer sehr vorsichtigen Schätzung (Anlage E) zugerechneten Getränke bei ***Lieferant M*** bewusst nicht auf ihre Kundennummer, sondern anonym einkaufte und sie bar bezahlte,

  2. diese nicht ins Rechenwerk aufnahm,

  3. sie im Anschluss daran in ihrem Lokal um die ebenfalls geschätzten Beträge veräußerte,

  4. auch diese Umsätze bzw. Erlöse nicht dokumentierte bzw. offenlegte und damit

  5. sowohl die in Anlage F errechnete Umsatz- wie auch die Einkommensteuer tatsächlich verkürzte.

Sie erfüllte damit objektiv den Tatbestand des § 33 FinStrG.

Diese Beurteilung erfolgt in freier Beweiswürdigung nach dem Gesamtbild der oben dargestellten, in den Akten abgebildeten und vom Bundesfinanzgericht umfassend gewürdigten Beweismittel. Sie vermag sich auf eine überragende Wahrscheinlichkeit zu stützen, die alle anderen Möglichkeiten mit größter Wahrscheinlichkeit ausschließt und weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Daran vermag nichts zu ändern, dass die Bemessungsgrundlagen im Wege einer Schätzung ermittelt wurden (vgl. auch ).

Der objektiv als erwiesen beurteilte Tathergang lässt keine Zweifel daran, dass die Bf. die Begehung der dargestellten Abgabenverkürzung nicht nur ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, sie lässt vielmehr den klaren Schluss zu, dass sie diese in vollem Bewusstsein geplant und ausgeführt hat. Das lässt sich in Ausübung der freien Beweiswürdigung aus ihrem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten erschließen. Mit ihren anonymen Bareinkäufen suchte die Bf. bewusst zu verhindern, dass ihr die Getränkeeinkäufe zugeordnet werden können. Das diente dazu, der Abgabenbehörde den Nachweis unmöglich zu machen, dass sie diese Getränkeeinkäufe nicht in ihr Rechenwerk aufnahm und damit einen abgabenrechtlich nicht sichtbaren Vertriebskanal aufbaute. So fühlte sie sich offensichtlich sicher und legte die damit verbundenen Vorgänge nicht offen. Damit erfüllte sie zweifellos auch den subjektiven Tatbestand, bezog sie doch über einen Zeitraum von mehreren Jahren laufend von ***Lieferant M*** Getränke ohne Rechnung und schleuste diese sowie die daraus erzielte Umsätze bzw. Einnahmen an ihrem Rechenwerk vorbei.

Damit geht der Einwand der allgemeinen Verjährung durch die Bf. ins Leere. Hinsichtlich der Umsatzsteuer für die nicht absolut verjährten Zeiträume ab Juni 2010 sowie für die Einkommensteuer 2009 bis 2012 kann diesem kein Erfolg beschieden sein, weil die vorzuschreibenden Abgaben als hinterzogen zu beurteilen sind und damit die Verjährungsfrist 10 Jahre beträgt.

4.6 Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen). Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.

Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Beilagen:

1. Anlagen B1 bis D1 (Excel-Aufstellungen)

2. Anlagen B2 bis D2 (adaptierte Tz 5-7 des Außenprüfungsberichts)

3. Anlage E (Schätzung Übersicht)

4. Anlage F (geänderte Steuerbescheide)

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 209 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 208 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100268.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at