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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 20.09.2023, RV/5100760/2022

Vorliegen einer Berufung auf erteilte Vollmacht durch Rechtsanwalt

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***RA*** GmbH, ***RA-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom zu Ordnungsbegriff ***1***, mit dem Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in Höhe von 3.394,60 € zurückgefordert wurden, beschlossen:

Der Vorlageantrag wird gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO in Verbindung mit § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Sachverhalt

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Beschwerdeführerin für das Kind ***K*** für den Zeitraum Februar 2020 bis März 2021 bezogene Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in Höhe von 3.394,60 € zurück.

Dagegen richtet sich die von der Beschwerdeführerin am eingebrachte Beschwerde.

Aufgrund dieser Beschwerde ergingen drei Vorhalte an die Beschwerdeführerin. Zum letzten Vorhalt vom langte am ein formloses Schreiben der ***RA*** GmbH & Co KG mit dem Aktenzeichen "***RA***/Rechtsbe" und folgendem Inhalt ein:

Betrifft: Unsere Mandantin: ***Bf***
Ordnungsbegriff
***1***
Ersuchen um Auskunft bzw. Vorlage von Unterlagen

Sehr geehrte Damen und Herren!

Wir vertreten Frau ***BF*** in gegenständlicher Sache rechtsfreundlich. Unsere Mandantin übermittelte uns Ihr Schreiben vom , welches wir wie folgt beantworten:

Institutionell geleitete Vorbereitungskurse zum Erlangen der Lehrabschlussprüfung wurden nicht in Anspruch genommen, Herr ***K*** bereitete sich nach Beendigung des Lehrvertrags Montags bis Donnerstags täglich 1,5 Stunden sowie Samstag und Sonntag jeweils 7 Stunden auf das Fachgespräch vor. Somit ergibt sich ein Wochenstundenausmaß an Prüfungsvorbereitung von zumindest 20 Stunden.

Wie Sie bitte der beiliegenden Anmeldebestätigung entnehmen mögen., trat Herr ***K*** auch zur theoretischen Prüfung am bzw. Prüfarbeit () an. Das dazugehörige Fachgespräch vom wurde von ihm ebenso wahrgenommen, bedauerlicherweise jedoch nicht bestanden. Der weiteren Anmeldebestätigung entnehmen Sie bitte, dass er das nicht bestandene Fachgespräch am zu absolvieren gehabt hätte. Auch dieses wurde trotz intensiver Anstrengungen leider nicht bestanden.

Er ist nach wie vor gewillt seine Lehrabschlussprüfung - noch dazu aufgrund der ausschließlich nicht geschafften letzten Etappe "Fachgespräch" zu vollenden und besitzt daher zumindest im gegenständlichen Betrachtungszeitraum Anspruch auf Leistungen nach dem FLAG.Bei Bedarf nach weiterer Dokumentation/Information ersuchen wir höflich um direkte Kontaktaufnahme.

Die im Firmenbuch zu FN ***2*** protokolliert gewesene ***RA*** GmbH & Co KG war mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet worden und wurde mit Einbringungsvertrag vom durch Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB in die ***RA*** GmbH (FN ***3***) eingebracht. Die KG wurde aufgelöst und am **.**.**** im Firmenbuch gelöscht.

Mit einer als Beschwerdevorentscheidung intendierten Erledigung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Die "Beschwerdevorentscheidung" erging an die Beschwerdeführerin zu Handen der (nicht mehr existenten) ***RA*** GmbH & Co KG. Die Zustellung über FinanzOnline erfolgte am .

Mit Schriftsatz vom wurde durch die ***RA*** GmbH mit näherer Begründung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages begehrt und gleichzeitig dieser Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gestellt. In diesem Schriftsatz berief sich die einschreitende Rechtsanwälte GmbH ausdrücklich auf die gemäß § 8 RAO erteilte Vollmacht.

Den Wiedereinsetzungsantrag wies das Finanzamt mit einer als Bescheid intendierten Erledigung vom ab, die ebenso wie die "Beschwerdevorentscheidung" an die Beschwerdeführerin zu Handen der nicht mehr existenten ***RA*** GmbH & Co KG erging.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte entweder eine Zurückweisung der "Beschwerde" (erkennbar gemeint: des Vorlageantrages) als verspätet eingebracht, oder - sollte das BFG diesem Antrag nicht folgen - eine Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen

1) Eine allgemeine Vollmacht umfasst nach ständiger Rechtsprechung auch die Zustellungsbevollmächtigung und damit das Recht zur Empfangnahme von Schriftstücken (Ritz, BAO7, § 83 Tz 17 und § 9 ZustG Tz 20 mit Judikaturnachweisen).

Bei Rechtsanwälten ersetzt nach § 8 Abs. 1 letzter Satz Rechtsanwaltsordnung die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis. Bei diesen Parteienvertretern reicht es somit, wenn sie sich schriftlich oder mündlich (nicht telefonisch) auf eine ihnen erteilte Bevollmächtigung berufen. Ausreichend ist auf einer Eingabe z.B. der Vermerk "Vollmacht erteilt" oder "Vollmacht ausgewiesen". Die Worte "Namens und auftrags meiner Mandantschaft" genügen (Ritz, BAO7, § 83 Tz 10 mit Judikaturnachweisen). Die Wendung "vertreten durch …" auf einem Anbringen, das der Bevollmächtigte einreicht, genügt dagegen nicht (Ritz, a.a.O. mit Hinweis auf ; diese Entscheidung überzeugend erläuternd Oberhammer, RdW 1994, 271: "vertreten durch" heißt schlicht, dass der Einschreiter die Partei vertritt, darunter ist aber nicht zwingend zu verstehen, dass diese Vertretung aufgrund einer erteilten Bevollmächtigung erfolge; § 30 Abs. 2 ZPO bestimmt auch nicht, dass bei allen einschreitenden Rechtsanwälten das Vorliegen einer Vollmacht vermutet würde, sondern vielmehr nur, dass diese im Sinne eines erleichterten Vollmachtsnachweises vom Formgebot des § 30 Abs. 1 ZPO entbunden werden, indem ihrer bloßen Erklärung bezüglich der Vollmacht Glauben geschenkt wird; der bloße Hinweis "vertreten durch" vermag aber eine solche Erklärung über das Vorliegen eines Vollmachtsverhältnisses nicht zu ersetzen).

Da sich die am einschreitende Rechtsanwälte KG nicht wirksam auf eine erteilte Bevollmächtigung berufen hat, sondern nur ausgeführt hat, dass sie die Beschwerdeführerin rechtsfreundlich vertrete, durfte das Finanzamt nicht davon ausgehen, dass der einschreitenden Rechtsanwälte KG Zustellvollmacht zukam.

Die Zustellung einer Erledigung an eine Person, die zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter der Partei angesehen wird, entsprechend der Zustellverfügung vermag gegenüber der Partei keine Rechtswirkungen zu entfalten; dies selbst im Falle des tatsächlichen Zukommens an die Partei, weil weder ein Fall des § 7 ZustG noch des § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG vorliegt (vgl. ; ; [nicht von der Partei bevollmächtigter Rechtsanwalt]; [Rechtsanwalt, dessen Vollmacht der Behörde gegenüber widerrufen worden ist]).

Die als Bescheid intendierte Beschwerdevorentscheidung vom ist daher schon aus diesem Grund nicht wirksam ergangen und stellt damit einen sogenannten Nichtbescheid dar.

2) Dazu kommt, dass die Beschwerdevorentscheidung vom zu Handen einer zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existenten Rechtsanwälte KG zugestellt wurde. Die ***RA*** GmbH & Co KG (FN ***2***) war bereits mit Einbringungsvertrag vom durch Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB in die ***RA*** GmbH (FN ***3***) eingebracht, dadurch aufgelöst und am im Firmenbuch gelöscht worden. Auch aus diesem Grund erfolgte keine rechtswirksame Zustellung der Beschwerdevorentscheidung.

3) Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist. Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Daher sind Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (Ritz, BAO7, § 260 Tz 8 mit Judikaturnachweisen).

Die Bestimmung des § 260 Abs. 1 BAO gilt gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO sinngemäß für Vorlageanträge. Da sich der verfahrensgegenständliche Vorlageantrag vom gegen eine mangels wirksamer Zustellung rechtlich nicht existent gewordene Beschwerdevorentscheidung richtet, war er als unzulässig zurückzuweisen.

4) Da die Beschwerde vom somit noch unerledigt ist, hat das Finanzamt über diese im weiteren Verfahren mit Beschwerdevorentscheidung abzusprechen. Gegen eine (abweisende) Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb der Monatsfrist des § 264 Abs. 1 BAO ein Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden. Der Wiedereinsetzungsantrag vom , über den bisher ebenfalls nicht wirksam abgesprochen wurde, da auch die als Bescheid intendierte Erledigung vom zu Handen der nicht mehr existenten Rechtsanwälte KG erging, ist damit obsolet.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage war gegenständlich nicht zu klären, da sich die Zurückweisung einer Beschwerde gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter auf die bei Ritz, BAO7, § 260 Tz 8 zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützt, und § 260 Abs. 1 lit. a BAO nach der ausdrücklichen Anordnung des § 264 Abs. 4 lit. e BAO für Vorlageanträge sinngemäß gilt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 RAO, Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868
§ 9 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100760.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at