Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.09.2023, RV/7102944/2021

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Wessen Verschulden ist maßgeblich? (fortgesetztes Verfahren)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Adebiola Bayer in der Beschwerdesache Bf, Bf-Adresse vertreten durch R GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, R-Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO bezüglich Vorlagefrist zu den Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 und 2014 zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO bezüglich Vorlagefrist zu den Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 und 2014 wird bewilligt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden "Bf.") ist Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe. Mit Verschmelzungsvertrag vom wurde die frühere Gruppenträgerin als übertragende Gesellschaft mit der Bf. als übernehmende Gesellschaft verschmolzen.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung von Vorlageanträgen betreffend zwei Beschwerdevorentscheidungen (Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 und 2014). Die Frist zur Einbringung der Vorlageanträge habe mit geendet; die Vorlageanträge seien am eingebracht worden und seien daher verspätet.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung der Gruppe habe die Betriebsprüfung festgestellt, dass bestimmte Zinsaufwendungen in den Jahren 2013 und 2014 nicht abzugsfähig seien; die Feststellung habe sowohl die Bf. als Gruppenträgerin als auch das Gruppenmitglied, die N GmbH, betroffen. Beide Gesellschaften hätten gegen die in der Folge ergangenen Feststellungsbescheide für die Jahre 2013 und 2014 Beschwerden erhoben. Nach abweisenden Beschwerdevorentscheidungen habe (nur) die N GmbH einen Antrag auf Verlängerung der Vorlagefrist gestellt.

Parallel zur Frage der Abzugsfähigkeit der Zinsen seien im selben Zeitraum auch Rechtsmittel deswegen erhoben worden, weil das Finanzamt als Folge der Verschmelzung der damaligen Gruppenträgerin mit der Bf. die Unternehmensgruppe beendet und eine neue Unternehmensgruppe mit der Bf. als Gruppenträgerin festgestellt habe. Daraus hätte die Nachversteuerung von steuerhängigen Auslandsverlusten resultiert, was bestritten worden sei. Im Zuge dieses Verfahrens sei auch für die Gruppenträgerin ein Antrag auf Fristverlängerung betreffend die Vorlagefrist gestellt worden.

In den Monaten Februar und März 2018 seien daher zahlreiche Bescheide und Beschwerdevorentscheidungen ergangen; es hätten mehrere Rechtsmittelverfahren bearbeitet und Fristverlängerungen beantragt werden müssen. Im Zuge dieser komplexen Aufgabenstellung sei die zuständige Kanzleimitarbeiterin, eine Steuerberaterin, irrtümlich der Meinung gewesen, es sei auch im vorliegenden Verfahren (Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen in den Jahren 2013 und 2014) für die Gruppenträgerin ein Antrag auf Verlängerung der Vorlagefrist gestellt worden. Aufgrund dieses Irrtums habe sie das Kontrollsystem der Kanzlei zur Wahrung von Fristen ausgeschaltet. Aus der Sicht der steuerlichen Vertreterin, der R GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden "R GmbH"), sei darin ein unvorhergesehenes Ereignis zu erblicken.

Das Unternehmen habe ein Kontrollsystem zur Wahrung von Fristen implementiert, wonach die Fristen bei der Erfassung des Posteingangs vom Sekretariat auf dem jeweiligen Schriftstück (Bescheid, Beschwerdevorentscheidung, etc.) sowie im EDV-Programm vermerkt würden. Das auf Steuerberatungskanzleien zugeschnittene Programm BMD NTCS generiere auf Basis des Eingangsdatums automatisch einen Vorschlag für das Ende einer Frist. Dieser Vorschlag werde von den Sekretariatsmitarbeitern kontrolliert. Die Schriftstücke würden mit Vermerk des Fristendes sodann an die zuständigen Hauptsachbearbeiter (erfahrene Steuerberater) und anschließend an die Sachbearbeiter weitergeleitet. Das Fristende werde vom zuständigen Sachbearbeiter nochmals überprüft. Dies geschehe im Zuge der Bescheidkontrolle mittels standardisiertem Bescheidkontrollblatt. In der Kanzlei werde somit ein Vier-Augen-Prinzip (zusätzlich zur automatischen Berechnung durch das EDV-Programm) zur Vermeidung von Fristversäumnissen gelebt. Im EDV-Programm würden die Fristen mit dem jeweiligen Kunden und dem zuständigen Hauptsachbearbeiter und Sachbearbeiter verknüpft. Sie könnten von den (Haupt-)Sachbearbeitern jederzeit abgefragt, nicht jedoch geändert werden. Eine Woche vor dem Ende der Frist erhalte der zuständige Sachbearbeiter automatisch über das Programm eine Vorwarnung über das Fristende. Die Mitarbeiter hätten die strikte Weisung, bei Erhalt der Vorwarnung den Fall unverzüglich zu bearbeiten. Die Austragung von Fristen erfolge ausschließlich durch das Sekretariat nach deren Erledigung (Postausgang). Im Falle von Fristverlängerungen, die oftmals stillschweigend von der Finanzverwaltung genehmigt würden und daher nicht in Schriftform ergingen, sei es Aufgabe des zuständigen Sachbearbeiters, das Sekretariat mit der Änderung der Frist zu beauftragen und die Eintragung zu kontrollieren.

Der antragsgegenständliche (versäumte) Vorlageantrag sei Anfang April von der zuständigen Sachbearbeiterin erstellt worden. Da es sich um denselben Sachverhalt gehandelt habe, sei ein gemeinsamer Vorlageantrag für die Bf. und die N GmbH gestellt worden. Am sei der Antrag fertiggestellt und einem anderen Steuerberater zur Qualitätskontrolle vorgelegt worden. Tatsächlich unterfertigt und versandt sei der Antrag erst am worden, da die zuständige Sachbearbeiterin irrtümlicherweise davon ausgegangen sei, die Frist für die Bf. und für die N GmbH ohnehin bis zum verlängert zu haben. Wie es zu diesem Irrtum betreffend die Fristverlängerung gekommen sei, werde im Folgenden dargelegt:

Mit Schreiben vom sei beantragt worden, die Vorlagefrist betreffend die N GmbH bis zum zu verlängern. Am selben Tag sei auch ein Antrag auf Vorlagefristverlängerung betreffend die Bf. abgesandt worden, allerdings habe es sich dabei nicht um die Beschwerdevorentscheidung betreffend den Zinsenabzug, sondern um die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Beendigung der Unternehmensgruppe gehandelt.

Am - nach Erhalt der automatischen Erinnerung über das Fristende und nach Nachfrage des zuständigen Hauptsachbearbeiters - habe sich die Sachbearbeiterin im Postausgangsbuch vergewissert, dass am zwei Anträge auf Verlängerung der Vorlagefrist gestellt worden seien, nämlich jener der N GmbH und jener der Bf. Im Postausgangsbuch vom seien für die Bf. zwei Einträge mit der Bezeichnung "Antrag auf Verlängerung der Vorlagefrist" erfasst worden. Die Sachbearbeiterin habe angenommen, dass es sich dabei um die beiden Fristverlängerungsanträge für die Vorlageanträge betreffend Zinsenabzug der Bf. sowie des Gruppenmitglieds N GmbH gehandelt habe. Da die Bescheidbeschwerde betreffend das Gruppenmitglied auch an die Bf. adressiert gewesen sei und die R GmbH nur für die Bf., nicht aber für die N GmbH zustellbevollmächtigt gewesen sei, sei die Frist betreffend das Gruppenmitglied N GmbH auch bei der Bf. erfasst worden.

Dass es sich bei einer der Fristverlängerungen für die Bf. aber um die Beschwerde i. Z. m. der Gruppenbesteuerung gehandelt habe, sei im Postausgangsbuch nicht ersichtlich gewesen, da nur der Klientenname, die Bezeichnung "Antrag auf Verlängerung der Vorlagefrist" und das Datum angezeigt worden seien. In dem Glauben, die Frist - wie bei der N GmbH - ohnehin bis zum verlängert zu haben, sei der gemeinsame Vorlageantrag der Bf. und der N GmbH betreffend den Zinsenabzug 2013 und 2014 ohne zeitliche Priorisierung einer Qualitätskontrolle durch einen anderen Steuerberater unterzogen und nach Abschluss dieses Kontrollschrittes am versandt worden.

Nach der ständigen Rechtsprechung sei maßgeblich, ob den Parteienvertreter ein (den minderen Grad des Versehens übersteigendes) Verschulden treffe. Maßgebend sei somit, ob dem Parteienvertreter ein grobes Auswahlverschulden, grobe Mängel der Kanzleiorganisation oder eine mangelhafte Überwachung und Kontrolle (vgl. z. B. ; , 98/15/0130) anzulasten seien.

Von einem groben Auswahlverschulden könne keine Rede sein. Die Sachbearbeiterin sei Steuerberaterin und seit vier Jahren im Unternehmen tätig. Bislang sei in ihrer Zuständigkeit kein einziger Fall einer Fristversäumnis eingetreten und es seien ihr auch keine sonstigen wesentlichen Fehler oder Irrtümer unterlaufen.

Nach ständiger Rechtsprechung habe der Parteienvertreter die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Fristen sichergestellt sei (z. B. bis 0060; , 2009/15/0024; , 2007/16/0160). Hinsichtlich des Fristenvormerks bestehe eine besondere Überwachungspflicht (vgl. , AnwBI 1992, 842), allerdings sei eine Überwachung "auf Schritt und Tritt" nicht nötig (, ZfVB 1997/3/1044; , 98/14/0155, 0174).

Ein solches System zur Fristenwahrung sei in der Kanzlei implementiert. Die korrekte Eintragung von Fristen sei, wie oben dargelegt, durch das Vier-Augen-Prinzip gewährleistet. Die Überwachung der Fristen erfolge mittels EDV-technischer Maßnahmen in Kombination mit dem in der Klientenbetreuung gelebten Vier-Augen-Prinzip durch Zusammenarbeit von Hauptsachbearbeiter und Sachbearbeiter. Die Mitarbeiter hätten strikte Weisung, jede Fristverlängerung im EDV-Programm zu vermerken und spätestens bei Erhalt des Erinnerungsmails unverzüglich die erforderlichen Arbeiten zu erledigen.

Dies sei im vorliegenden Fall nicht ordnungsgemäß erfolgt, wodurch es zur Fristversäumnis gekommen sei. Die zuständige Sachbearbeiterin habe die beiden Fristverlängerungsanträge (betreffend die Gruppenbesteuerung und betreffend das Zinsabzugsverbot) verwechselt und in der Folge das Erinnerungsmail entgegen der allgemeinen Weisung als hinfällig betrachtet.

Ein Parteienvertreter mit einem ordnungsmäßigen Kanzleibetrieb könne sich im Allgemeinen, solange er nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zu persönlicher Aufsicht und zu Kontrollmaßnahmen genötigt werde, darauf verlassen, dass sein Kanzleipersonal eine ihm aufgetragene Weisung auch befolge (; , 2008/16/0034). Aufgrund des implementierten und funktionierenden Systems zur Fristenwahrung sowie der bisherigen guten Zusammenarbeit mit der Sachbearbeiterin habe die Steuerberatungskanzlei keinen Anlass zu verstärkter persönlicher Aufsicht und Kontrolle gehabt und davon ausgehen können, dass die Vorgaben hinsichtlich der Fristenverwaltung eingehalten würden. Dem Parteienvertreter sei somit kein grobes Verschulden anzulasten, da er den ihm zumutbaren Überwachungspflichten nachgekommen sei.

In Folge erging ein Vorhalt der belangten Behörde. Diese wollte u. a. Folgendes in Erfahrung bringen: Den Namen der Sachbearbeiterin, ob derartige Vorfälle schon öfter passiert seien, wie konkret die Einhaltung der internen Kanzleiordnung stichprobenartig überprüft werde und welche Vorkehrungen getroffen würden, um derartige Verwechslungen im Normalfall zu vermeiden.

Im Schriftsatz vom , mit welchem der Vorhalt beantwortet wurde, wurde der Name der Sachbearbeiterin, P, angegeben. Sie sei seit dem Jahr 2014 durchgehend als Steuerberaterin in der Kanzlei beschäftigt. In dieser Zeit sei kein einziges weiteres Fristversäumnis oder ein sonstiger Vorfall eingetreten, der Zweifel an deren Zuverlässigkeit begründet hätte.

Zur internen Kanzleiordnung wurde u. a. Folgendes ausgeführt:

  1. Als gezielte Maßnahme der Qualitätssicherung erfolge die Klientenbetreuung grundsätzlich im Team. Insbesondere fachlich herausfordernde Projekte wie komplexe Beschwerden würden gemeinsam (zu zweit, zu dritt) erörtert, diskutiert und bearbeitet. Im Rahmen der Vorbereitung von Beschwerden werde der relevanten Rechtsmittelfrist besondere Aufmerksamkeit geschenkt und diese im Rahmen des Projektmanagements berücksichtigt.

  2. Das Sekretariat sei angewiesen, auslaufende Fristen zu beobachten und bei nahendem Fristende das fachlich zuständige Team (Sachbearbeiter, Hauptsachbearbeiter bzw. im Abwesenheitsfall jeweilige Vertretung) aktiv darauf aufmerksam zu machen.

  3. Hauptsachbearbeiter seien als Führungskräfte angewiesen, die Einhaltung eines ordentlichen Fristenmanagements der ihnen zugeordneten Sachbearbeiter auf geeignete Art und Weise sicherzustellen bzw. zu kontrollieren. In Bezug auf unerfahrene Sachbearbeiter werde in vergleichsweise kurzen Intervallen kontrolliert, inwieweit Fristen zeitgerecht und ordentlich erledigt würden. In Bezug auf erfahrene Sachbearbeiter werde stichprobenartig Einsicht genommen. Im (äußerst selten eintretenden) Bedarfsfall würden adäquate Maßnahmen ergriffen.

In technischer Hinsicht werde die Verwechslung von Fristen durch eindeutige und aussagekräftige Bezeichnung der Frist verhindert. Die ursächliche Verwechslung sei auch nicht direkt im Rahmen der Fristenverwaltung, sondern, wie erläutert, auf Grund unglücklicher Umstände und schlussendlich in Zusammenschau mit dem Postausgangsbuch erfolgt. Dort würden Poststücke möglichst eindeutig bezeichnet, wobei aber nicht der gesamte (oft mehrzeilige) Betreff erfasst werden könne.

Zur Fristversäumnis habe keine prozesstechnische Schwachstelle geführt, sondern das gezielte punktuelle "Ausschalten" der Fristenverwaltung durch die Sachbearbeiterin auf Basis einer Verwechslung. Hätte sie sich die Schriftstücke, die am die Kanzlei verlassen hätten, zur Gänze angesehen und ihre Prüfungshandlung nicht auf einen Abgleich mit dem Postausgangsbuch beschränkt, wäre es nicht zu diesem Versehen gekommen. Da ihr dieser Fehler (ausnahmsweise) unterlaufen sei, sei sie auch fest davon überzeugt gewesen, die Frist verlängert zu haben. Diese Überzeugung hätten auch programmtechnische Erinnerungen und persönliche Rückfragen (durch Sekretariat und Hauptsachbearbeiter) nicht ins Wanken zu bringen vermocht, weshalb im Vertrauen auf die erfolgte und überzeugend begründete Beurteilung keine weiteren Maßnahmen eingeleitet worden seien. Mit einer - auf Grund eines Irrtums - wahrheitswidrigen Auskunft habe der Hauptsachbearbeiter nicht rechnen müssen (vgl. ). Kanzleiseitig anzuordnende weiterführende Kontrollen bzw. Überprüfungen würden unter diesen Umständen einer Überwachung "auf Schritt und Tritt" einer grundsätzlich überaus vertrauenswürdigen, erfahrenen und verlässlichen Person gleichkommen. Eine solche Überwachung "auf Schritt und Tritt" sei nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH nicht erforderlich, sofern der Parteienvertreter Maßnahmen gesetzt habe, um Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen. Durch die Kombination aus automationsgestützten Vorkehrungen und gegenseitiger Überwachung und Kontrolle mehrerer Personen (Sekretariat, Sachbearbeiter und Hauptsachbearbeiter) liege ein wirksames Kontrollsystem vor, welches durch weisungswidriges Verhalten einer Mitarbeiterin ausgeschaltet worden sei. Daher sei dem Parteienvertreter jedenfalls kein grobes Verschulden anzulasten (vgl. ).

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde diesen Antrag ab. Es sei in der Kanzlei durchaus Praxis, unter dem Gruppenträger auch Schriftstücke von Gruppenmitgliedern zu vermerken. Fristverlängerungsanträge würden im Postausgangsbuch mit dem Betreff "Antrag auf Verlängerung der Vorlagefrist" hinterlegt, ohne einen weiteren Hinweis auf Jahr, Abgabenart oder ob die Verlängerung tatsächlich nur den Gruppenträger betreffe. Dennoch habe man nicht nachgeforscht, ob bei den beiden Schriftstücken mit demselben Betreff trotz der "Fülle von ergangenen Bescheiden an die Neuroth-Gruppe" das gleiche Dokument vielleicht versehentlich zwei Mal versendet worden sei oder ob nicht eines der beiden Schriftstücke einem Gruppenmitglied und nicht dem Gruppenträger zuzuordnen sei. Stattdessen sei trotz der Verwechslungsanfälligkeit bei der Zuordnung ohne weitere Kontrolle davon ausgegangen worden, dass auch die Anträge auf Fristverlängerung für die Feststellungsbescheide Gruppenträger 2013 und 2014 dabei sein müssten. Unter Bezugnahme auf das von der Bf. ins Treffen geführte Kontrollsystem führte die belangte Behörde aus, dass das Versäumnis nicht nur am Verschulden einer Mitarbeiterin gelegen sei, sondern am Versagen von zumindest gleich drei Personen (Sekretariat, Sachbearbeiter und Hauptsachbearbeiter). Insgesamt betrachtet sei somit auffallend sorglos gehandelt worden, weshalb nicht mehr von einem minderen Grad des Versehens habe ausgegangen werden können.

Dagegen wurde Beschwerde erhoben. In dieser wurde ausgeführt, es sei nicht zutreffend, dass es in der Kanzlei Praxis sei, unter dem Gruppenträger auch Schriftstücke von Gruppenmitgliedern zu vermerken:

  1. Im Zusammenhang mit Bescheiden richte sich die Zuordnung vernünftigerweise nach dem Bescheidadressaten.

  2. Konsistenterweise würden bezughabende ausgehende Schriftstücke (wie z. B. eingebrachte Rechtsmittel oder Fristverlängerungsanträge) ebenfalls dem Bescheidadressaten zugeordnet.

  3. Wenn nun beispielsweise ein Feststellungsbescheid Gruppenmitglied sowohl dem Gruppenmitglied als auch dem Gruppenträger zugestellt werde und die Kanzlei Zustellbevollmächtigte beider sei, würden folglich zwei Bescheide in die Fristenevidenz aufgenommen, wobei der dem Gruppenmitglied zugestellte Feststellungsbescheid dem Gruppenmitglied und der dem Gruppenträger zugestellte Feststellungsbescheid dem Gruppenträger zugeordnet werde.

  4. Systemkonform seien im gegenständlichen Fall der Kanzlei zugestellte Beschwerdevorentscheidungen (nur) dem Gruppenträger zugeordnet worden, weil diese auch (nur) an den Gruppenträger adressiert gewesen seien (und der Kanzlei mangels Zustellvollmacht für das Gruppenmitglied gar keine Beschwerdevorentscheidung zugestellt worden sei).

  5. Aus keinem anderen Grund sei der Antrag auf Fristverlängerung betreffend Zinsenabzug Gruppenmitglied gegenständlich dem Gruppenträger zugeordnet worden. Dass es aus diesem Grund zu einer unglücklichen Verwechslung gekommen sei, sei für die Kanzlei nicht vorhersehbar gewesen.

Eine allfällige Sorglosigkeit sei nicht der Kanzlei, sondern allenfalls einer einzelnen Mitarbeiterin, der ein einmaliger Fehler unterlaufen sei, zuzuschreiben. Die Kanzlei dürfe und müsse sich darauf verlassen, dass - eine entsprechende Kanzleiorganisation und Überwachung vorausgesetzt - die zuständigen Mitarbeiter die erforderlichen Kontrollen vornähmen. Dürfte sie dies nicht, müsste sie ihre Mitarbeiter "auf Schritt und Tritt" überwachen, was nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH nicht erforderlich sei.

Wie von der belangten Behörde in der Bescheidbegründung zutreffend dargelegt, sei ein Verschulden von Kanzleiangestellten berufsmäßiger Parteienvertreter nicht schädlich. Maßgebend sei diesfalls, ob den Parteienvertreter ein (den minderen Grad des Versehens übersteigendes) Verschulden treffe. Das Verschulden eines Kanzleibediensteten stelle dann einen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleibediensteten nachgekommen sei. Seien Kanzleibedienstete tätig geworden, sei daher maßgebend, ob dem Parteienvertreter ein grobes Auswahlverschulden, grobe Mängel der Kanzleiorganisation oder eine mangelhafte Überwachung und Kontrolle anzulasten seien.

Die belangte Behörde bringe nicht vor, dass ein Auswahlverschulden vorliege. Das überrasche auch nicht. Denn bei jener Mitarbeiterin, der hier ein - wie es die belangte Behörde zu beurteilen scheint: äußerst folgenschwerer - Fehler unterlaufen sei, handele es sich um eine nach wie vor beschäftigte, äußerst zuverlässige und hochgeschätzte Steuerberaterin, die auch im Zeitpunkt des beschwerdegegenständlichen Vorfalls bereits einige Jahre im Unternehmen beschäftigt gewesen sei.

Nachdem kein Auswahlverschulden vorliege, sei alleine entscheidend, ob die Kanzlei ein funktionierendes und verlässliches Frühwarnsystem implementiert habe und angemessene Überwachungsmaßnahmen setze.

Das Kontrollsystem, bestehend aus automationsgestützten Vorkehrungen und gegenseitiger Überwachung mehrerer Personen (Sekretariat, Sachbearbeiter und Hauptsachbearbeiter) habe entgegen der Ansicht der belangten Behörde sehr wohl "angeschlagen", denn eine automatische Erinnerung über das Fristende sei ergangen und eine Nachfrage des Hauptsachbearbeiters bei der Sachbearbeiterin sei erfolgt. Wenn aufgrund der überzeugenden (wegen eines Irrtums leider wahrheitswidrigen) Auskunft der Sachbearbeiterin keine weiteren Schritte eingeleitet worden seien, könne daraus nicht geschlossen werden, dass das Kontrollsystem nicht funktioniere, zumal sich die Angemessenheit von Überwachungsmaßnahmen auch nach den Qualifikationen und der bislang an den Tag gelegten Gewissenhaftigkeit und Verlässlichkeit der handelnden Personen richte (vgl. ). Die Sachbearbeiterin sei regelmäßig mit komplexen Aufgaben betraut gewesen und noch immer damit betraut, weshalb es im gegenständlichen Fall auch bei erhöhter Verwechslungsgefahr nicht zumutbar gewesen wäre, die Lage als so kritisch einstufen, dass dadurch die glaubhaft gemachten Angaben der Sachbearbeiterin ernstlich anzuzweifeln gewesen wären.

Die Abgabenbehörde habe vermeint, das Versäumnis liege "nicht nur am Verschulden einer Mitarbeiterin, sondern am Versagen von zumindest gleich drei Personen (Sekretariat, Sachbearbeiter und Hauptsachbearbeiter)". Dieser nicht weiter begründeten Aussage könne aus den bereits vorgebrachten Gründen nicht gefolgt werden. Welches Verschulden dem Sekretariat und dem Hauptsachbearbeiter konkret zuzurechnen wäre, werde auch nicht dargelegt.

Zur Ausschaltung des Kontrollsystems habe es nur kommen können, weil die Sachbearbeiterin davon überzeugt gewesen sei, die Frist verlängert zu haben. An einer mit Überzeugung vorgebrachten Aussage einer fachkundigen und verlässlichen Mitarbeiterin müsse der Parteienvertreter nicht zweifeln (vgl. ). Da weder ein Auswahlverschulden noch ein Mangel an Kanzleiorganisation oder Überwachung und Kontrolle vorgelegen sei, habe der Parteienvertreter die ihm zumutbaren Sorgfaltspflichten nicht außer Acht gelassen.

Hinsichtlich des im Postausgangsbuch erfassten - von der belangten Behörde offensichtlich als zu knapp beurteilten - Betreffs dürfe darauf hingewiesen werden, dass beispielsweise der Betreff des gegenständlichen Schriftstücks vier Zeilen umfasse. Eine Erfassung des gesamten Textes im Betreff des Postausgangsbuches sei technisch unmöglich und wäre auch für die Übersichtlichkeit des Postausgangsbuches nachteilig. Kopien sämtlicher ausgehender Schriftstücke würden den zuständigen Sachbearbeitern übermittelt, sodass diese über vollständige Informationen betreffend den Postausgang verfügten. Die zuständige Sachbearbeiterin hätte daher nach Erhalt des Erinnerungsmails bzw. nach Rückfrage des Hauptsachbearbeiters ihre Kontrollmaßnahme nicht auf das Postausgangsbuch alleine beschränken dürfen, sondern hätte sich die zugehörigen Schriftstücke ansehen müssen. Dieses Unterlassen sei letztlich kausal für das Fristversäumnis und stelle für den Parteienvertreter ein unvorhergesehenes Ereignis dar.

Die Bf. beantragte eine direkte Vorlage an das Verwaltungsgericht. Die belangte Behörde legte den Beschwerdeakt fristgerecht dem Bundesfinanzgericht vor, sodass die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 Abs. 2 BAO zu unterbleiben hatte.

Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom , RV/7100092/2021, als unbegründet ab. Es stellte den folgenden Sachverhalt fest:

P sei Steuerberaterin und als solche Mitglied der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Zum Zeitpunkt des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei sie seit vier Jahren bei der steuerlichen Vertreterin der Bf., der R GmbH, tätig gewesen. P habe auch die vorliegenden Schriftsätze mit unterzeichnet.

Die R GmbH sei Zustellbevollmächtigte der Bf., einer Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe, gewesen. Im Februar und März 2018 seien zahleiche Bescheide an diese Unternehmensgruppe ergangen; dazu seien Rechtsmittel zu ergreifen bzw. Fristverlängerungen zu beantragen gewesen.

Mit Schreiben vom sei beantragt worden, die Vorlagefrist betreffend die N GmbH, ein Gruppenmitglied, bis zum zu verlängern. Am selben Tag sei auch ein Antrag auf Vorlagefristverlängerung betreffend die Bf. abgesandt worden, dies habe aber eine andere Angelegenheit betroffen. Nachdem an P per E-Mail eine automatische Erinnerung über das Ende derjenigen Vorlagefrist ergangen sei, deren Versäumung zum vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung geführt habe, und der zuständige Hauptsachbearbeiter, ein anderer Steuerberater, sowie das Sekretariat bei ihr dazu nachgefragt hätten, habe sich P am im Postausgangsbuch vergewissert, dass am zwei Anträge auf Verlängerung der Vorlagefrist gestellt worden seien, nämlich jener der N GmbH und jener der Bf. Im Postausgangsbuch vom seien für die Bf. zwei Einträge mit der Bezeichnung "Antrag auf Verlängerung der Vorlagefrist" erfasst gewesen. P habe angenommen, dass es sich dabei um Fristverlängerungsanträge für die Vorlageanträge betreffend "Zinsenabzug" für die Jahre 2013 und 2014 betreffend die Bf. sowie die N GmbH gehandelt habe. Da die Bescheidbeschwerde betreffend das Gruppenmitglied N GmbH auch an die Gruppenträgerin, die Bf., adressiert gewesen sei und die R GmbH nur für die Bf., nicht aber für die N GmbH zustellbevollmächtigt gewesen sei, sei die Frist betreffend das Gruppenmitglied N GmbH auch bei der Bf. erfasst worden.

Dass es sich bei einer der Fristverlängerungen für die Bf. um die Beschwerde im Zusammenhang mit einer anderen Angelegenheit gehandelt habe, sei im Postausgangsbuch nicht ersichtlich gewesen, da nur der Name des Klienten, die Bezeichnung "Antrag auf Verlängerung der Vorlagefrist" und das Datum angezeigt worden seien. Im Glauben, die Frist wie bei der N GmbH ohnehin bis zum verlängert zu haben, sei der gemeinsame Vorlageantrag der Bf. und der N GmbH betreffend den Zinsenabzug 2013 und 2014 ohne zeitliche Priorisierung einer Qualitätskontrolle durch einen anderen Steuerberater unterzogen und nach Abschluss dieser Kontrolle am versandt worden.

Bei der R GmbH würden Kopien sämtlicher ausgehender Schriftstücke den zuständigen Sachbearbeitern übermittelt, sodass diese über vollständige Informationen betreffend den Postausgang verfügten. P hätte somit neben der Kontrolle des Postausgangsbuches auch die Möglichkeit gehabt, sich die zu den Eintragungen zugehörigen Schriftstücke anzusehen.

Zur rechtlichen Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht aus, im Antrag auf Wiedereinsetzung sei vorgebracht worden, das Verschulden eines Kanzleibediensteten stelle dann einen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleibediensteten nachgekommen sei; im Antrag werde davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen erfüllt seien.

Diese Ausführungen setzten aber voraus, dass P als "Kanzleibedienstete" zu behandeln sei. Entscheidend sei, ob P wie ein "Substitut" oder wie ein "Rechtsanwaltsanwärter" zu behandeln sei (Hinweis auf ). Ein eingetragener Rechtsanwalt, der in der Kanzlei des Parteienvertreters tätig und zeichnungsberechtigt sei, sei wie ein Substitut zu behandeln (Hinweis auf ). Gleiches gelte für P. Diese sei eingetragene Steuerberaterin und sie habe die Schriftsätze der R GmbH mitunterzeichnet. Daher sei ihr Verschulden dem Verschulden der Bf. gleichzuhalten.

Im Antrag auf Wiedereinsetzung sei dargelegt worden, dass es auf Grund zahlreicher Bescheide betreffend die Gruppe der Bf. zu einer Verwechslung gekommen sei. Dazu habe beigetragen, dass zwar für die Bf. eine Zustellvollmacht vorgelegen habe, nicht aber für das Gruppenmitglied N GmbH. Diese Umstände deuteten auf eine Gefahrenlage hin, die Anlass zur Ausübung einer besonderen Sorgfalt bei der Kontrolle gegeben habe, ob tatsächlich ein Fristverlängerungsantrag betreffend die Bf. gestellt worden sei. Dadurch, dass P nach der automatischen Erinnerung per E-Mail über das Fristende und der Nachfrage des zuständigen Hauptsachbearbeiters sowie des Sekretariats ausschließlich eine Kontrolle durch das Postausgangsbuch vorgenommen habe, obwohl auch die Möglichkeit bestanden hätte, sich die zu den Eintragungen zugehörigen Schriftstücke anzusehen, habe ihr Verschulden einen bloß minderen Grad des Versehens überstiegen.

Gegen dieses Erkenntnis erhob die Bf. eine außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeit wurde geltend gemacht, der Verwaltungsgerichtshof habe sich bisher noch nicht zur Frage geäußert, ob im Zuge der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Versehen einer eingetragenen, aber nicht nach außen vertretungsbefugten Steuerberaterin, welches eine Fristversäumnis zu Folge gehabt habe, einem Versehen des den sie anstellenden Steuerberaters (bzw. der Wirtschaftstreuhandgesellschaft) gleichzuhalten sei. Aus der Rechtsprechung betreffend Rechtsanwälte sei abzuleiten, dass es darauf ankomme, ob die Person (auf deren Versehen die Fristversäumnis zurückzuführen sei) selbständig nach außen vertretungsbefugt sei. P sei nicht nach außen vertretungsbefugt gewesen. Insoweit weiche das angefochtene Erkenntnis von dieser Rechtsprechung ab.

In Folge wurde das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/13/0063, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten. Der Fehler eines Kanzleimitarbeiters eines bevollmächtigten Vertreters sei dem Vertreter (und damit der Partei) hingegen nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Vertreter die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber dem Mitarbeiter verletzt habe (vgl. z.B. ; , 2002/01/0580; , 2004/16/0058; , Ra 2017/15/0051, mwN; vgl. auch Ritz, BAO5, § 308 Tz 17).

Laut Verwaltungsgerichtshof sei strittig, ob P entsprechend dieser Rechtsprechung als "Vertreter" oder im Sinne des Revisionsvorbringens als "Kanzleimitarbeiter" zu beurteilen sei.

Für die hier zu ziehende Abgrenzung sei demnach entscheidend, ob jene Person, deren Verhalten zur Säumnis geführt habe, befugt gewesen sei, namens der Partei (der die Säumnis letztlich zur Last fällt) wirksam im Verfahren Erklärungen abzugeben. Das Verschulden dieser Person sei der Partei wie eigenes Verschulden anzulasten. Das Verschulden anderer Personen, die lediglich im Rahmen der Vorbereitung dieser Vertretungshandlung tätig gewesen seien oder die Erklärung bloß überbrächten, sei hingegen nur dann der Partei anzulasten, wenn Überwachungspflichten verletzt worden seien.

Unbestritten sei, dass die (wirksam bestellte) steuerliche Vertreterin der Revisionswerberin die R GmbH sei.

Sei der Parteienvertreter eine juristische Person, sei das Verschulden jenes Organs bzw. Vertreters der juristischen Person, der nach den gesetzlichen Vorschriften und den Organisationsnormen der juristischen Person zu deren Vertretung befugt sei und deren Eingaben an Behörden unterfertige, dem Verschulden des berufsmäßigen Parteienvertreters und nicht jenem des Kanzleipersonals desselben gleichzuhalten. Auch das Verschulden eines Prokuristen einer Wirtschaftstreuhand- bzw. Steuerberatungsgesellschaft mbH, der eine Eingabe unterfertige, sei der vertretenen Partei zuzurechnen (vgl. ; vgl. weiters zum Prokuristen der Partei selbst ). Auf eine Einzelvertretungsbefugnis komme es hiebei nicht an: Auch das Verschulden einer Prokuristin, die gemeinsam mit einem Geschäftsführer für die Gesellschaft vertretungsbefugt sei, sei der Gesellschaft als Verschulden zuzurechnen (vgl. ).

Vertretungsbefugnisse würden nicht nur durch Organisationsnormen der juristischen Person eingeräumt; Vertretungsbefugnisse könnten auch rechtsgeschäftlich - wie etwa die bereits erwähnte Prokura - eingeräumt werden. Dass andere Vollmachten als die Prokura - wenn auch diese durch die Eintragung im Firmenbuch (§ 53 UGB) und ihre weitgehende Unbeschränkbarkeit (§ 50 UGB) hervorgehoben sei - in diesem Zusammenhang nicht zu berücksichtigen wären, sei nicht erkennbar (vgl. auch § 83 Abs. 3 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017: "besonders ermächtigter Berufsberechtigter"; vgl. auch Ritz, BAO6, § 83 Tz 11: der zivilrechtlich zur Vertretung der Wirtschaftstreuhandgesellschaft Befugte könne sich auf die der Gesellschaft erteilte Bevollmächtigung berufen). Auch eine Person, die - wenn auch etwa nur gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder Prokuristen - zur Vertretung einer juristischen Person rechtsgeschäftlich bevollmächtigt sei, handele als Vertreter dieser juristischen Person. Das Verschulden dieser Person sei der juristischen Person und damit auch der von dieser juristischen Person als steuerlicher Vertreter vertretenen Partei des Abgabenverfahrens zuzurechnen.

Im vorliegenden Fall seien die Schriftsätze der Revisionswerberin (etwa Anträge auf Verlängerung der Frist zur Einbringung von Vorlageanträgen vom und vom ; Vorlageantrag vom ; aber auch der Antrag auf Wiedereinsetzung sowie die Beschwerde hiezu) jeweils von der R GmbH ("Namens und auftrags" der Revisionswerberin; vgl. dazu etwa Ritz, BAO6, § 83 Tz 10) eingebracht worden. Unterfertigt seien die Schriftsätze von der Steuerberaterin P und vom Steuerberater S worden.

Bei S handele es sich - wie sich aus dem in den Verfahrensakten befindlichen Firmenbuchauszug ergebe - um einen Geschäftsführer der R GmbH, der im hier zu beurteilenden Zeitraum zur Vertretung gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen befugt gewesen sei (vgl. dazu auch § 52 Abs. 2 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017: "einzeln oder kollektiv").

P sei in diesem Zeitraum hingegen weder Geschäftsführerin noch Prokuristin gewesen. Dazu, ob P in jenem Zeitraum rechtsgeschäftlich bevollmächtigt gewesen sei, für die R GmbH (gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder einem Prokuristen) zu handeln, lägen keine Feststellungen vor. In der Revision werde geltend gemacht, P sei "nach außen" nicht vertretungsbefugt gewesen. Dies stehe allerdings in Widerspruch zu den in den Verwaltungsakten befindlichen Schriftsätzen, die allesamt von P gemeinsam mit dem Steuerberater S unterfertigt worden seien.

Eine abschließende Beurteilung durch den Verwaltungsgerichtshof sei mangels Feststellungen zu dieser Frage nicht möglich. Das Bundesfinanzgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob P bevollmächtigt gewesen sei, (allenfalls) gemeinsam mit einem weiteren Vertreter der R GmbH diese zu vertreten und damit auch namens der Revisionswerberin zu handeln.

Im Zuge des fortgesetzten Verfahrens forderte das Bundesfinanzgericht die Bf. mit Beschluss vom auf mitzuteilen, ob P über eine Bevollmächtigung verfügt habe, (allenfalls) gemeinsam mit einem weiteren Vertreter der R GmbH diese zu vertreten und damit auch namens der Bf. zu handeln bzw. ob S über eine Bevollmächtigung verfügt habe, die R GmbH alleine zu vertreten und damit auch namens der Bf. zu handeln.

In Folge erging ein Schriftsatz vom . In diesem wurde auf § 83 Abs. 3 WTBG Bezug genommen und erklärt, aus der Formulierung dieser Bestimmung sei abzuleiten, dass besondere Voraussetzungen erfüllt sein müssten, damit eine vom Berufsberechtigten verschiedene Person wirksame Erklärungen im Namen des Klienten abgeben könnte. Andere Angestellte - also solche, die keine Berufsberechtigte und keine Berufsanwärter seien - könnten nur als Erfüllungsgehilfe iSd § 83 Abs. 1 WTBG für Aufgaben unterstützender oder vorbereitender Art eingesetzt werden. Selbst wenn eine Person über eine Berufsberechtigung verfüge, müsse sie vom (beauftragten) Berufsberechtigten besonders ermächtigt sein, um den Klienten wirksam vertreten zu dürfen. Da ein Berufsberechtigter einen anderen Berufsberechtigten besonders dazu ermächtigen müsse, verbindliche Erklärungen namens des Klienten abgeben zu dürfen, sei im Umkehrschluss nicht jedes Verhalten eines jeden Berufsberechtigten automatisch als für den Vertretenen verbindlich anzusehen. Dass das Verhalten eines jeden Berufsberechtigten automatisch dem Vertretenen zuzurechnen sei, widerspreche § 83 Abs. 3 WTBG, weil dieser Absatz nicht bloß eine allgemeine, sondern eine besondere Ermächtigung zur Vertretung des Abgabepflichtigen verlange.

Die R GmbH betreue ihre Klienten in Teams bestehend aus zumindest zwei Personen - einem Hauptsachbearbeiter und einem Sachbearbeiter. Hauptsachbearbeiter seien erfahrene Steuerberater, die iSd § 83 Abs. 3 WTBG besonders ermächtigt seien, den Klienten nach außen zu vertreten. Sachbearbeiter übernähmen die Auftragsbearbeitung unter der Führung des verantwortlichen Hauptsachbearbeiters, wobei letzterem die Endkontrolle obliege. Sachbearbeiter seien daher Erfüllungsgehilfen iSd § 83 Abs. 1 WTBG. Die R GmbH sei mit der steuerlichen Vertretung der Bf. beauftragt. Da die R GmbH als juristische Person selbst nicht handlungsfähig sei, habe sie den Berufsberechtigten S ermächtigt, die Bf. zu vertreten. Diese Bevollmächtigung sei unter Einbeziehung des Vertretenen mündlich erteilt worden, wobei sich dieser ausdrücklich mit der Bevollmächtigung von S einverstanden erklärt habe, und spiegele sich seither in der Funktion des Hauptsachbearbeiters wider.

P sei bei diesem Mandat Erfüllungsgehilfe iSd § 83 Abs. 1 WTBG gewesen. In der Funktion des Sachbearbeiters sei sie unter anderem zuständig für die Vorbereitung von Steuererklärungen und Rechtsmitteln sowie für die Bearbeitung von Anfragen der Bf. in Abstimmung mit dem Hauptsachbearbeiter S. Eine besondere Ermächtigung iSd § 83 Abs. 3 WTBG sei P nicht erteilt worden. Das Fristenverwaltungssystem der R GmbH und die Gründe für die verfahrensgegenständliche Fristversäumnis seien im Instanzenzug bereits ausführlich beschrieben worden. Es werde nur nochmals betont, dass die Säumnis nur durch eine Verwechslung der Erfüllungsgehilfin P habe eintreten können. Der bevollmächtigte Berufsberechtigte S habe auf seine Nachfrage hin eine aufgrund der Verwechslung wahrheitswidrige Antwort von P erhalten. Nach der Rechtsprechung des VwGH müsse ein Parteienvertreter an der mit Überzeugung vorgebrachten Aussage einer fachkundigen und verlässlichen Mitarbeiterin nicht zweifeln (vgl. ) und sei auch eine Überwachung "auf Schritt und Tritt" nicht nötig (vgl. ; , 95/18/0538; , 98/14/0155, 0174). S habe seine Überwachungspflichten nicht verletzt und es sei ihm daher kein Verschulden anzulasten. Entsprechend der Kanzleivorgabe würden die Schriftstücke vom Hauptsachbearbeiter (auf der rechten Seite) und vom Sachbearbeiter (auf der linken Seite) gemeinsam gezeichnet. Das Mitunterzeichnen von Schriftstücken durch P sei Ausdruck des in der Kanzlei gelebten Vier-Augen-Prinzips und lasse keine Rückschlüsse auf eine Vertretungsbefugnis iSd WTBG zu.

Mit Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht die Bf. auf, das vollständige Organisationshandbuch der R GmbH zu übermitteln sowie anzugeben, durch welche ihrer Organe bzw. Vertreter die R GmbH S die Bevollmächtigung erteilt habe, die Bf. zu vertreten, und durch welche ihrer Organe bzw. Vertreter die Bf. die ausdrückliche Erklärung abgegeben habe, mit der alleinigen Bevollmächtigung von S einverstanden zu sein.

Im Schriftsatz vom wurde in Beantwortung dieses Beschlusses ergänzt, dass die Bf. bereits seit dem Jahr 2004 von der R GmbH steuerlich vertreten werde. Damals habe der Geschäftsführer und Gesellschafter K persönlich die Betreuung der Bf. als verantwortlicher Berufsberechtigter übernommen und sei dementsprechend im Einvernehmen mit dem Mandanten als Steuerberater der gesamten Unternehmensgruppe aufgetreten. Das Organisationshandbuch der R GmbH enthalte keine Regelungen darüber, wie derartige Bevollmächtigungen dokumentiert würden, weshalb sich eine Übermittlung desselben erübrige. In der Beratungspraxis sei es üblich, dass Mandate von erfahrenen Berufsangehörigen betreut und verantwortet würden, welche die verschiedenen Aufgabenstellungen je nach Schwierigkeitsgrad entweder selbst bearbeiteten oder "dienstjüngere" Kollegen hinzuzögen. Die Endkontrolle und die Verantwortung verblieben jedoch stets beim verantwortlichen Berufsberechtigten. Im Rahmen seiner Tätigkeit habe auch K unterschiedliche Personen für die Beratung der Gruppe beigezogen, unter anderem S. Infolge der langjährigen guten Zusammenarbeit und des dadurch aufgebauten Vertrauens habe S von K bei diesem Mandat nach und nach die Agenden und vor einigen Jahren schlussendlich auch die Rolle des verantwortlichen Berufsberechtigten übernommen. An einem bestimmten exakten Zeitpunkt lasse sich dieser Übergang nicht festmachen, die Entscheidung sei jedoch von den beiden Geschäftsführern K und S gemeinsam getroffen, mit den seitens der Bf. für das Rechnungswesen verantwortlichen Personen (A und B) abgestimmt worden und entspreche es seither dem gemeinsamen Verständnis, dass S der Steuerberater der Gruppe sei. Relevant sei in diesem Zusammenhang insbesondere, dass P - neben anderen Personen - in die Beratungstätigkeit für die Gruppe zwar involviert (gewesen) sei, sie jedoch trotz aufrechter persönlicher Berufsberechtigung beim fraglichen Mandat als Erfüllungsgehilfin anzusehen sei.

Die belangte Behörde, der die Schriftsätze der Bf. weitergeleitet wurden, äußerte sich nicht zur Frage der Bevollmächtigung.

In ihrem Schriftsatz vom erklärte sie im Wesentlichen, wenn P im verfahrensgegenständlichen Fall als Kanzleibedienstete gelte, der Hauptsachbearbeiter aufgrund der dargestellten Gefahrenlage größere Sorgfalt hätte walten lassen müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei von einem Überwachungsverschulden auszugehen.

Dem entgegnete die Bf. im Schriftsatz vom insbesondere, dass P zum Zeitpunkt der Fristversäumnis bereits seit vier Jahren im Unternehmen tätig gewesen sei. In dieser Zeit sei in ihrer Zuständigkeit kein einziger Fall einer Fristversäumnis eingetreten und ihr seien auch keine sonstigen wesentlichen Fehler oder Irrtümer unterlaufen. Eine besondere Überwachung und Kontrolle aufgrund von Unzuverlässigkeit der Mitarbeiterin sei daher nicht geboten gewesen. Laut Judikatur () gelte, dass wegen der Außergewöhnlichkeit eines Falls alleine ein Organisationsversagen nicht vorliegen könne. Es sei sachlich nicht zu rechtfertigen, wenn ein und dasselbe Ereignis (gegenständlich das Fehlverhalten einer Angestellten des Vertreters) je nach verschiedenen klientenbezogenen Merkmalen einmal als unvorhergesehen oder unabwendbar, das andere Mal als vorhersehbar oder abwendbar mit dem Ergebnis eines tauglichen oder nicht tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes angesehen werde. Ebensowenig finde im Gesetz eine nach der Bedeutung des Einzelfalles differenzierende Betrachtungsweise bei Beurteilung der Frage Deckung, ob es sich bei einem Verschulden an der Fristversäumnis nur um einen minderen Grad des Versehens handele. Nach der Rechtsprechung des VwGH sei es daher nicht relevant, ob es sich bei der versäumten Frist um eine außergewöhnliche Angelegenheit handele oder nicht. Solange der Parteienvertreter über einen ordnungsgemäßen Kanzleibetrieb verfüge, ihm kein Auswahlverschulden anzulasten sei und er nicht durch Unzuverlässigkeit der Kanzleibediensteten zu erhöhter Aufsicht und Kontrolle gezwungen sei, sei im Fehlverhalten von Kanzleibediensteten ein unvorhergesehenes Ereignis zu erblicken, welches eine Wiedereinsetzung rechtfertige. Dem Vorbringen der belangten Behörde sei Folgendes entgegenzuhalten: Wenn ein Parteienvertreter sich explizit bei einer langjährigen, verlässlichen und fachkundigen Mitarbeiterin erkundige, ob ein Schriftstück abgefertigt werde, und ihm dies überzeugend bestätigt werde, könne er sich auf diese Aussage nach der Rechtsprechung des VwGH verlassen. In Fällen einer wahrheitswidrigen Aussage einer bislang gewissenhaften Kanzleikraft habe der VwGH ein grobes Verschulden des Parteienvertreters verneint (vgl. ).

Dazu führte die belangte Behörde in ihrem Schriftsatz vom ergänzend aus, dass die erwähnten Erkenntnisse des VwGH hinsichtlich einer nicht notwendigen Überwachung auf Schritt und Tritt Kanzleiangestellter sich jeweils auf die Eintragung bzw. die Führung des Fristenbuches bezögen. Daraus könne nach Ansicht der belangten Behörde nicht gefolgert werden, dass Kanzleiangestellte gerade in Situationen mit erhöhter Gefahrenlage, wie sie im vorliegenden Fall gegeben sei, nicht zu überwachen seien. Bei der R GmbH würden Kopien sämtlicher ausgehender Schriftstücke den zuständigen Sachbearbeitern übermittelt. Eine Information über den Inhalt der ausgehenden Poststücke wäre somit ein Leichtes gewesen. Auch hätte sich der Hauptsachbearbeiter bei der Sachbearbeiterin erkundigen können, ob sie den Inhalt der ausgehenden Poststücke geprüft habe. Diese kurze Frage mit einer Kontrolle auf Schritt und Tritt gleichzusetzen scheine in diesem Fall nicht sachgemäß.

Im Zuge der durchgeführten mündlichen Verhandlung gab S als steuerlicher Vertreter der Bf. insbesondere an, selbst seit Mai 2007 bei der R GmbH tätig zu sein, bei der ungefähr 100 Mitarbeiter angestellt seien. Für jedes Mandat gebe es eine verantwortliche Person. Dies sei durch die Funktion des Hauptsachbearbeiters unterlegt, der die Letztverantwortung trage. Mitarbeiter, auch wenn sie langjährig bei der R GmbH tätig seien, würden zu deren Schutz nicht in diese Rolle gedrängt werden. Die Ansprechperson für die Mandanten sei nicht mit internen Zuordnungen betreffend die Unterschrift zu verwechseln. Die Unterschrift gelte als internes Zeichen, dass man fertig sei, und zur Wahrung des Vier-Augen-Prinzips. Es sei zwar denkmöglich, dass auch Personen, die weder Geschäftsführer noch Prokuristen der R GmbH seien, eine Bevollmächtigung nach § 83 Abs. 3 WTBG erhielten, allerdings kenne er dazu keine konkreten Fälle. In Bezug auf die Bf. habe es zwei (Beratungs-)Äste gegeben, die bei ihm zusammengelaufen seien. Während beim ersten Ast P eingebunden gewesen sei, seien dies beim zweiten Ast andere Personen gewesen.

Zudem wurden die für das Rechnungswesen der Bf. verantwortlichen Personen A und B als Zeugen einvernommen.

A, der seit dem Jahr xxxx für die Unternehmensgruppe tätig ist und nun die Funktion des CFO (Chief Financial Officer) der Gruppe innehat, gab an, dass ursprünglich K persönlich Ansprechpartner gewesen sei und ab 2009/2010 S. Bis 2018 sei K noch bei Prüfungen dabei gewesen, aber sein Ansprechpartner sei ausschließlich S gewesen.

Auch B, der seit dem Jahr yyyy für die Unternehmensgruppe tätig ist und dort nun die Bereiche Finance und Controlling leitet, gab als Hauptansprechpartner bei der R GmbH S an. Daneben habe es zudem weitere Ansprechpartner gegeben, darunter zuletzt P.

Zur Frage, ob eine mangelhafte Überwachung und Kontrolle der Parteienvertreterin vorlag, führte die Vertreterin der belangten Behörde aus, dass die Möglichkeit bestanden habe, die Poststücke zu kontrollieren, was tatsächlich nicht geschehen sei. Es habe eine erhöhte Gefahrenlage bestanden, was eine erhöhte Aufmerksamkeit aller Beteiligten erforderlich gemacht habe. S hätte nachfragen können, ob auch eine Kontrolle der Schriftstücke selbst erfolgt sei. Dazu erwiderte S, dass er bei P nachgefragt und eine überzeugende Antwort erhalten habe. Es habe ein Grundvertrauen in die Richtigkeit der Antwort bestanden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. ist Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe. Mit Verschmelzungsvertrag vom wurde die frühere Gruppenträgerin als übertragende Gesellschaft mit der Bf. als übernehmende Gesellschaft verschmolzen. Sie wird seit dem Jahr 2004 steuerlich durch die R GmbH vertreten.

Zum Zeitpunkt des gegenständlichen Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war S, der seit Mai 2007 bei der R GmbH tätig ist und dort seit dem Jahr 2015 die Funktion eines Geschäftsführers ausübt, durch die R GmbH gemäß § 83 Abs. 3 WTBG berechtigt, diese i.Z.m. Handlungen namens der Bf. alleine zu vertreten. Diese Ermächtigung wurde durch ihn selbst und K für die R GmbH erteilt. K ist seit deren Gründung einer der Geschäftsführer und Gesellschafter der R GmbH und hatte zuvor selbst die Bf. als verantwortlicher Berufsberechtigter betreut.

P ist Steuerberaterin und als solche Mitglied der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Sie ist seit dem Jahr 2014 bei der R GmbH tätig und war bzw. ist im Zuge ihrer Tätigkeit regelmäßig mit komplexen Aufgaben betraut. Bis zur beschwerdegegenständlichen Angelegenheit war in ihrer Zuständigkeit kein einziger Fall einer Fristversäumnis eingetreten und es waren ihr auch keine sonstigen wesentlichen Fehler oder Irrtümer unterlaufen. Als Sachbearbeiterin neben S als Hauptsachbearbeiter war sie nicht bevollmächtigt, (allenfalls) gemeinsam mit einem weiteren Vertreter der R GmbH diese zu vertreten und daher auch namens der Bf. zu handeln. Das Mitunterzeichnen der aktenkundigen Schriftsätze durch sie war Ausdruck des in der Kanzlei gelebten Vier-Augen-Prinzips.

Im Zeitraum Februar und März 2018 ergingen zahlreiche Bescheide an die Unternehmensgruppe, hinsichtlich derer Rechtsmittel zu ergreifen bzw. Fristverlängerungen zu beantragen waren. Mit Schreiben vom wurde beantragt, die Vorlagefrist betreffend die N GmbH, einem Gruppenmitglied, bis zum zu verlängern. Am selben Tag wurde auch ein Antrag auf Vorlagefristverlängerung betreffend die Bf. abgesandt, allerdings handelte es sich dabei um eine andere Angelegenheit. Nachdem an P per E-Mail eine automatische Erinnerung über das Ende derjenigen Vorlagefrist ergangen war, dessen Versäumung letztendlich zum gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führte, und S sowie das Sekretariat bei ihr diesbezüglich nachgefragt hatten, vergewisserte sich P am im Postausgangsbuch, dass am zwei Anträge auf Verlängerung der Vorlagefrist gestellt worden waren, nämlich jener der N GmbH und jener der Bf. Im Postausgangsbuch vom waren für die Bf. zwei Einträge mit der Bezeichnung "Antrag auf Verlängerung der Vorlagefrist" erfasst worden. P nahm an, dass es sich dabei um die beiden Fristverlängerungsanträge für die Vorlageanträge betreffend Zinsenabzug 2013 und 2014 betreffend die Bf. sowie die N GmbH gehandelt habe, und schaltete auf Grund dieses Irrtums das Kontrollsystem der R GmbH zur Wahrung von Fristen aus. Da die Bescheidbeschwerde betreffend das Gruppenmitglied N GmbH auch an die Bf. als Gruppenträgerin adressiert war und die R GmbH nur für die Bf., nicht aber für die N GmbH zustellbevollmächtigt war, war die Frist betreffend das Gruppenmitglied N GmbH auch bei der Bf. erfasst worden.

Dass es sich bei einer der Fristverlängerungen für die Bf. um die Beschwerde i.Z.m. einer anderen Angelegenheit handelte, war im Postausgangsbuch nicht ersichtlich, da nur der Klientenname, die Bezeichnung "Antrag auf Verlängerung der Vorlagefrist" und das Datum angezeigt wurden. Im Glauben, die Frist - wie bei der N GmbH - ohnehin bis zum verlängert zu haben, wurde der gemeinsame Vorlageantrag der Bf. und der N GmbH betreffend den Zinsenabzug 2013 und 2014 ohne zeitliche Priorisierung einer Qualitätskontrolle durch S unterzogen und nach Abschluss dieses Kontrollschrittes am versandt.

Bei der R GmbH werden Kopien sämtlicher ausgehender Schriftstücke den zuständigen Sachbearbeitern übermittelt, sodass diese über vollständige Informationen betreffend den Postausgang verfügen. Somit hätte P neben der Kontrolle des Postausgangsbuchs auch die Möglichkeit gehabt, sich die zu den Eintragungen zugehörigen Schriftstücke anzusehen.

2. Beweiswürdigung

Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/13/0063, mit welchem das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100092/2021, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde, war zu prüfen, ob P bevollmächtigt war, (allenfalls) gemeinsam mit einem weiteren Vertreter der R GmbH diese zu vertreten und daher auch namens der Bf. zu handeln.

Im Zuge des nunmehrigen fortgesetzten Verfahrens wurde dargelegt, dass die R GmbH ihre Klienten in Teams bestehend aus zumindest zwei Personen - einem Hauptsachbearbeiter (im Folgenden "HSB") und einem Sachbearbeiter (im Folgenden "SB") - betreue. HSB seien erfahrene Steuerberater, während SB die Auftragsbearbeitung unter der Führung der verantwortlichen HSB übernähmen. Die Endkontrolle obliege den HSB, die iSd § 83 Abs. 3 WTBG besonders ermächtigt seien, den Klienten nach außen zu vertreten.

Diese Aufteilung spiegelt sich auch im aktenkundigen Auszug aus dem ab dem gültigen Organisationshandbuch zur Fristenverwaltung wider, wo u.a. Folgendes geregelt ist:

"Die Bescheide werden nach Eingabe der Frist an den zuständigen SB weitergeleitet und von diesem bearbeitet […] Ist der Bescheid erklärungsgemäß und wird er an den Klienten versendet, ist am Bescheidkontrollblatt je Bescheid vom SB das Feld "Frist austragen" anzukreuzen. Nach der Qualitätskontrolle durch den HSB gehen der Bescheid, das Bescheidkontrollblatt und der unterzeichnete Brief in den Postausgang […]"

Dieser Auszug bestätigt das Vorbringen, dass bei der R GmbH die Endkontrolle - und somit die Letztverantwortung - bei der Person liegt, die die Funktion des bzw. der HSB ausübt. Es erscheint plausibel, dass nur Personen, die innerhalb der R GmbH als HSB gelten, iSd § 83 Abs. 3 WTBG besonders ermächtigt sind.

Dass S im Zusammenhang mit der beschwerdegegenständlichen Angelegenheit die Rolle des HSB innehatte, ist unstrittig.

Dazu wurde vorgebracht, dass die Bf. seit dem Jahr 2004 von der R GmbH vertreten werde. Zu Beginn habe K persönlich die Betreuung der Bf. als verantwortlicher Berufsberechtigter übernommen und im Rahmen dieser Tätigkeit u.a. S für die Beratung der Gruppe beigezogen. Nach einer langjährigen guten Zusammenarbeit habe S (als HSB) die Rolle des verantwortlichen Berufsberechtigten übernommen, während P beim Mandat Erfüllungsgehilfe iSd § 83 Abs. 1 WTBG (SB) gewesen sei.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung brachte S zudem vor, dass Mitarbeitende, auch wenn sie langjährig bei der R GmbH tätig seien, zu deren Schutz nicht in die Rolle des bzw. der HSB gedrängt würden. Zwar sei es denkmöglich, dass auch Personen, die weder Geschäftsführer noch Prokuristen der R GmbH seien, eine Bevollmächtigung nach § 83 Abs. 3 WTBG erhielten, allerdings seien ihm dazu keine konkreten Fälle bekannt.

Daraus kann geschlossen werden, dass es innerhalb der R GmbH üblich ist, Bevollmächtigungen iSd § 83 Abs. 3 WTBG restriktiv zu erteilen.

Des Weiteren bestätigten die bei der Bf. tätigen und für das Rechnungswesen zuständigen Personen A und B als Zeugen, dass S für sie die (Haupt-)Ansprechperson bei der R GmbH gewesen sei.

Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, dass P im Zusammenhang mit der beschwerdegegenständlichen Angelegenheit nicht gemäß § 83 Abs. 3 WTBG bevollmächtigt war, (allenfalls) gemeinsam mit einem weiteren Vertreter der R GmbH diese zu vertreten und daher auch namens der Bf. zu handeln, sondern ausschließlich S über eine derartige Bevollmächtigung verfügte.

Die belangte Behörde äußerte sich weder in ihren Schriftsätzen noch in der mündlichen Verhandlung zur Frage der Bevollmächtigung.

Der sonstige festgestellte Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus der Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I: Stattgabe und Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ("Wiedereinsetzung in den vorigen Stand") gilt Folgendes:

"§ 308. (1) Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."

Ein Ereignis ist dann "unvorhergesehen", wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Es ist "unabwendbar", wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. etwa ).

An rechtskundige Parteienvertreter ist hierbei ein strengerer Maßstab anzulegen als an am Verfahren beteiligte rechtsunkundige Parteien (vgl. , und , 96/14/0072). Die Einhaltung der Rechtsmittelfristen erfordert von der Partei und ihrem Vertreter größtmögliche Sorgfalt (vgl. ). Dabei muss sich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Vertretene das Verschulden seines Vertreters zurechnen lassen (vgl. etwa ). Hingegen ist das Verschulden anderer Personen, die lediglich im Rahmen der Vorbereitung der Vertretungshandlung tätig waren oder die Erklärung bloß überbringen und somit nicht befugt waren, namens der Partei (der die Säumnis letztlich zur Last fällt) wirksam im Verfahren Erklärungen abzugeben, nur dann der Partei anzulasten, wenn Überwachungspflichten verletzt wurden (). Gleiches gilt auch z. B. für ein Auswahlverschulden oder sonstiges Organisationsverschulden (vgl. etwa ).

Es wurde festgestellt, dass P, deren Irrtum letztendlich maßgeblich für das Versäumen der Vorlagefrist zu den Beschwerdevorentscheidungen betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 und 2014 war, über keine Bevollmächtigung verfügte, (allenfalls) gemeinsam mit einem weiteren Vertreter der R GmbH diese zu vertreten und daher auch namens der Bf. zu handeln.

Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde vorgebracht, dass dem Parteienvertreter im Ergebnis kein grobes Verschulden anzulasten sei, da er insbesondere den ihm zumutbaren Überwachungspflichten nachgekommen sei: Hinsichtlich des Fristenvormerks bestehe eine besondere Überwachungspflicht, allerdings sei eine Überwachung "auf Schritt und Tritt" nicht nötig. Aufgrund des implementierten und funktionierenden Systems zur Fristenwahrung sowie der bisherigen guten Zusammenarbeit mit P habe die R GmbH keinen Anlass zu verstärkter persönlicher Aufsicht und Kontrolle gehabt und davon ausgehen können, dass die Vorgaben hinsichtlich der Fristenverwaltung eingehalten würden. Mit einer - auf Grund eines Irrtums - wahrheitswidrigen Auskunft habe S nicht rechnen müssen.

Die belangte Behörde hingegen brachte vor, dass angesichts der Verwechslungsanfälligkeit und mangels weiterer Kontrolle das Versäumnis nicht nur am Verschulden P, sondern am Versagen von zumindest gleich drei Personen (Sekretariat, P und S) gelegen sei. In ihrem Schriftsatz vom konkretisierte sie, S hätte sich bei P erkundigen können, ob sie den Inhalt der ausgehenden Poststücke geprüft habe. Diese kurze Frage mit einer Kontrolle auf Schritt und Tritt gleichzusetzen, scheine in diesem Fall nicht sachgemäß.

Wie aus dem festgestellten Sachverhalt hervorgeht, war bei der R GmbH ein Kontrollsystem zur Fristenwahrung implementiert, auf Grund dessen auch per E-Mail eine automatische Erinnerung über das Ende der Vorlagefrist ergangen war. Bis zur beschwerdegegenständlichen Angelegenheit war P, eine Steuerberaterin mit mehrjähriger Berufserfahrung, vollkommen zuverlässig. Daher musste S aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes nicht damit rechnen, auf seine Nachfrage bei P bezüglich der Frist eine wahrheitswidrige Auskunft zu erhalten (vgl. etwa ). Vor dem Hintergrund der Qualifikation P und deren Erfahrung auch mit komplexen Angelegenheiten gilt dies unabhängig davon, ob S im Zuge der Nachfrage bei ihr genaue von ihr durchzuführende Kontrollmaßnahmen angab. Unter diesen Umständen ist eine Verletzung von Überwachungspflichten der steuerlichen Vertreterin der Bf., welche einen minderen Grad des Versehens übersteigt, zu verneinen.

Da nur ein grob fahrlässiges Verhalten der steuerlichen Vertreterin gegen die Bewilligung der beantragten Wiedereinsetzung sprechen würde, welches im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, sind die Voraussetzungen des § 308 Abs. 1 BAO für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als erfüllt zu erachten.

3.2. Zu Spruchpunkt II: Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das Erkenntnis der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insbesondere ) folgt, war die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102944.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at