Alleinerzieherabsetzbetrag trotz bestehender Wohngemeinschaft
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Anna Radschek, die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger sowie die fachkundigen Laienrichter Manfred Fiala und Dipl. Ing. Thomas Hrdinka in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BKS Steuerberatung GmbH & Co KG, Wiener Straße 28, 3130 Herzogenburg, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2017 bis 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Nadine Bernold zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin bezog in den Jahren 2017 und 2018 Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Krankengeld. In den Anträgen auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung dieser Jahre beantragte sie die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages, in jenem für 2019 die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages.
Angefochtene Bescheide:
Mit Bescheiden vom wurde die Einkommensteuerveranlagung der Jahre 2017 und 2018 ohne Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages durchgeführt, weil die Beschwerdeführerin in diesen Veranlagungsjahren mehr als sechs Monate in Gemeinschaft mit einem Ehepartner/Partner gelebt habe.
Der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung des Jahres 2019 wurde mit Bescheid vom abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Alleinverdienerabsetzbetrag habe nicht berücksichtigt werden können, weil die steuerpflichtigen Einkünfte des Partners im Streitjahr 2019 höher als 6.000 Euro gewesen seien.
Beschwerde:
In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führte der steuerliche Vertreter aus, die Beschwerdeführerin sei von ihrem ehemaligen Ehepartner geschieden. Dieser wohne zwar an der gleichen Adresse, weil es ein gemeinsames Kind gebe. Dort würden aber zwei getrennte Wohneinheiten im Unter- und Obergeschoß bewohnt. Es bestehe keine gemeinsame Wohnung, weshalb der Alleinerzieherabsetzbetrag zustehe.
Es werde beantragt, der Beschwerde stattzugeben, den beantragten Alleinerzieherabsetzbetrag zu gewähren, die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 abzuändern und für das Jahr 2019 eine Arbeitnehmerveranlagung antragsgemäß durchzuführen.
Ergänzungsersuchen:
Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Beschwerdeführerin ersucht, eine Beschreibung der Art des Zusammenlebens samt Beweisen (Fotos, Belege, Pläne etc.) zu übermitteln. Insbesondere sei die bauliche Ausführung der beschriebenen getrennten Wohneinheiten sowie deren gesonderte Abrechnung der Betriebskosten und Lebenshaltungskosten zu erörtern. Sollte dem Ersuchen nicht oder nicht ausreichend nachgekommen werden, könne der beantragte Alleinerzieherabsetzbetrag nicht anerkannt werden.
Vorhaltsbeantwortung:
In der Vorhaltsbeantwortung führte die Beschwerdeführerin aus, hinsichtlich der Beschwerde betreffend Alleinerzieherabsetzbetrag für die Jahre ab 2017 werde auf die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 verwiesen, welche stattgebend mit Beschwerdevorentscheidung vom erledigt worden sei. Es habe sich am Familienstand "geschieden" nichts geändert und es würden weiterhin zwei getrennte Wohneinheiten im Ober- und Erdgeschoss bewohnt. Es gebe eigene Nassräume. Die Betriebskosten würden intern aufgeteilt. Am Wohnsitz habe sich vor allem durch die gemeinsame Tochter keine Änderung ergeben, weil diese die Volksschule in ***und die Hauptschule in L besucht habe. Nach der Hauptschule habe die Tochter die landwirtschaftliche Schule in P besucht, vor allem im Hinblick auf die Betriebsübernahme, jedoch sei die Schule abgebrochen worden. Es stehe daher der Alleinerzieherabsetzbetrag zu, weil kein gemeinsamer Haushalt vorliege.
Beschwerdevorentscheidungen:
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom (betreffend Einkommensteuer 2017 und 2018) und vom (betreffend Einkommensteuer 2019) wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Im Zuge des Ergänzungsersuchens vom sei die Möglichkeit zur Einbringung eindeutiger Nachweise und Beweise für die Führung zweier getrennter Wohneinheiten an der gleichen Adresse eingeräumt worden. Die neuerlich eingebrachten Behauptungen seien ident mit jenen, welche bereits im Zuge der Beschwerde aufgestellt worden seien. Bei ungewöhnlichen Verhältnissen bzw. Behauptungen, die mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch stünden, sei zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen für den Alleinerzieherabsetzbetrag eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Abgabepflichtigen erforderlich. Die Tatsache, dass der Alleinerzieherabsetzbetrag in den Vorjahren anerkannt worden sei, stellte keinen Beweis dar. Auch der Hinweis auf eigene Nassräume im Ober- und Untergeschoss sei kein Beweis, sondern in größeren Wohnbauten durchaus üblich. Da keine weiteren Belege (Baupläne, eigene Strom-/Wasser-/Kanalrechnung) vorgelegt worden seien, sei von einem Haushalt auszugehen, in dem die geschiedenen Ehepartner zusammenleben würden.
Vorlageanträge:
Mit Schreiben vom (betreffend Einkommensteuer 2017 und 2018) und vom (betreffend Einkommensteuer 2019) wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt und ausgeführt, Tatsache sei, dass die Ehe seit mehreren Jahren geschieden sei und seither kein gemeinsamer Haushalt bestehe. Als Beweis werde die Einvernahme der betroffenen Personen und aller Kinder einschließlich der erwachsenen Kinder aus der ersten Ehe der Beschwerdeführerin angeboten.
Vorlagebericht:
Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei im März 2014 wohl im Zuge der Scheidung mit der gemeinsamen Tochter nach ***1*** übersiedelt. Nach etwa einem Jahr sei sie mit der Tochter in das Bauernhaus ihres Exgatten zurückgekehrt, die geschiedenen Ehegatten würden seither an derselben Adresse leben. Die polizeiliche Meldung am selben Wohnort gelte als Indiz für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft, der Wegfall einer Geschlechtsgemeinschaft und die Nutzung getrennter Schlafzimmer würden eine Lebensgemeinschaft nicht ausschließen.
Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin 2019/2020 den landwirtschaftlichen Betrieb des Exgatten übernommen, den sie seither führe. Der Exgatte beziehe sei August 2019 eine Pension. Die gelebte Vorgangsweise erscheine für ehemalige Beziehungen eher ungewöhnlich, weshalb zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen für den Alleinerzieherabsetzbetrag eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin gefordert würde.
Es seien trotz ausdrücklichem Ersuchen keine Beweise für die Nutzung von zwei getrennten Wohneinheiten und keine getrennten Abrechnungen der Betriebskosten und Lebenshaltungskosten übermittelt worden. Das Vorliegen von mehreren Nassräumen in größeren Wohnbauten sei durchaus üblich.
Verfahren vor dem BFG:
Über Aufforderung gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass das von ihr und ihrem Ex-Mann bewohnte Haus auch über zwei Küchen verfüge; dies werde durch die beigelegten Fotos bestätigt. Sie zahle anteilige Betriebskosten in Höhe von 150,00 €, wenn sie im Bauernhaus wohne. Außerdem lebe sie in einer Partnerschaft mit einem anderen Mann in ***.
Mündliche Verhandlung:
In der antragsgemäß durchgeführten Senatsverhandlung führte die Beschwerdeführerin aus, sie sei nach der Scheidung im Jahr 2014 mit der gemeinsamen Tochter nach ***1*** gezogen. Aufgrund von schulischen Schwierigkeiten der Tochter habe sie mit ihrem geschiedenen Mann vereinbart, dass sie mit der gemeinsamen Tochter wieder in das vor der Scheidung gemeinsam bewohnte Haus zurückkehre, wobei die Stockwerke aufgeteilt worden seien. Im ersten Stock habe der geschiedene Ehemann gewohnt, das Erdgeschoss habe sie gemeinsam mit der Tochter bewohnt und vor dem Einzug hergerichtet. Sie habe sich in diesem Zusammenhang eine zweite Küche einbauen lassen. Sie bezahle ihrem Ex-Mann keine Miete, weil sie sich eine solche nicht leisten könne, aber in den Streitjahren habe sie ihm monatlich 150,00 € gegeben.
Über Befragen gab die Beschwerdeführerin an, grundsätzlich habe sie nur für sich und ihre Tochter gekocht, der geschiedene Mann sei von seiner Schwester versorgt worden. Sie habe seit der Scheidung auch nicht mehr für ihren Ex-Mann geputzt und Wäsche gewaschen.
Der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin merkte an, dass beim geschiedenen Mann für diese Jahre kein Alleinverdienerabsetzbetrag beantragt worden sei, obwohl dieser im Hinblick auf die Höhe der Einkünfte der Beschwerdeführerin bei Bejahen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zugestanden wäre.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist seit 2014 rechtskräftig geschieden und bezog im Streitzeitraum Familienbeihilfe für ein Kind. Nach der Scheidung lebte sie mit ihrer Tochter zunächst in ***1***, übersiedelte aber nach etwa einem Jahr aufgrund schulischer Probleme der gemeinsamen Tochter wieder zurück in das Bauernhaus ihres Exgatten. Seither leben die geschiedenen Ehegatten an derselben Adresse, die Beschwerdeführerin bewohnt das Erdgeschoss und der Ex-Mann den ersten Stock des Hauses. Im Zuge der Rückübersiedlung richtete die Beschwerdeführerin das Erdgeschoss für sich und ihre Tochter her und ließ eine zweite Küche einbauen. Auch getrennte Nassräume sind in jedem Geschoss vorhanden. In den Streitjahren bezahlte die Beschwerdeführerin zwar keine Miete, gab dem geschiedenen Ehegatten aber monatlich 150,00 € für anteilige Betriebskosten des Hauses.
Die Beschwerdeführerin kochte, putzte und wusch die Wäsche nur für sich und ihre Tochter, nicht aber für ihren Ex-Mann.
Es bestand in den Streitjahren zwar eine Wohn-, aber keine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem geschiedenen Gatten.
2. Beweiswürdigung
Aufgrund folgender Beweiswürdigung wird davon ausgegangen, dass zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Exgatten im Streitzeitraum zwar eine Wohn- , aber keine Wirtschaftsgemeinschaft bestanden hat:
Dass eine Wohngemeinschaft vorliegt, ist unstrittig. Im Rahmen der mündlichen Senatsverhandlung erläuterte die Beschwerdeführerin authentisch und daher durchaus glaubhaft, warum sie trotz der Scheidung im Jahr 2014 mit ihrer gemeinsamen Tochter wieder zurück in das Haus des Exmannes gezogen ist. Die angeführten schulischen Probleme und die diesbezügliche Sorge der Beschwerdeführerin sind für den erkennenden Senat verständlich und nachvollziehbar.
Auch die Tatsache, dass sie bei ihrem Wiedereinzug in das Haus des Exmannes das Erdgeschoss herrichtete und eine zweite Küche einbauen ließ, sprechen gegen das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft. Bei einer solchen wäre die Anschaffung einer zweiten Küche als unwirtschaftlich anzusehen. Dass die Beschwerdeführerin für ihren Exmann weder kochte, noch putzte und Wäsche wusch - wie sie im Rahmen der mündlichen Senatsverhandlung absolut glaubwürdig versicherte - ist ebenfalls ein Indiz dafür, dass keine gemeinsame Wirtschaftsführung gegeben war.
Die Tatsache, dass die anfallenden Betriebskosten nicht nach einem bestimmten Schlüssel aufgeteilt wurden, sondern die Beschwerdeführerin in den Streitjahren monatlich 150,00 € bezahlte, ist zwar - wie die polizeiliche Meldung - ein Indiz für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft, aber nach der höchstgerichtlichen Judikatur kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalles an, und ist eine Lebensgemeinschaft dadurch gekennzeichnet, dass die beiden Partner "Freud und Leid miteinander teilen, einander Beistand und Dienste leisten und einander an der Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Güter teilnehmen lassen" (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 33 Tz 41 und die dort angeführte Judikatur). Gerade Letzteres ist aber den glaubwürdigen Aussagen der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht zu entnehmen.
Darüber hinaus ist auch in der mündlichen Verhandlung geäußerte Einwand des steuerlichen Vertreters zu berücksichtigen, dass der Exmann der Beschwerdeführerin in den Streitjahren nicht den Alleinverdienerabsetzbetrag beansprucht habe, der ihm allerdings bei Bejahen einer Lebenspartnerschaft in Anbetracht der Höhe der Einkünfte der Beschwerdeführerin zugestanden wäre.
Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Dabei genügt es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 167 Tz 8 und die dort wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin getätigten Aussagen gelangte der Senat zur Überzeugung, dass das Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Exgatten in den Streitjahren nicht wesentlich über das einer bloßen Wohngemeinschaft hinausging, und daher in den Jahren 2017 bis 2019 zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Exgatten keine Lebenspartnerschaft bestand.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 steht Alleinerziehenden ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich
- bei einem Kind (§ 106 Abs. 1 EStG 1988) 494 Euro,
- bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1 EStG 1988) 669 Euro.
Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1 EStG 1988) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1EStG 1988) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.
Als positives Anspruchskriterium ist normiert, dass die Alleinerzieherin den Kinderabsetzbetrag für ein Kind bezieht. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben, da der Kinderabsetzbetrag gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wird und die Beschwerdeführerin die Familienbeihilfe für ihre Tochter bezogen hat.
Als negatives Anspruchskriterium ist normiert, dass die Alleinerzieherin nicht in einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft leben darf.
Eine (eheähnliche) Gemeinschaft im Sinne des § 33 Abs. 4 EStG 1988 liegt dann vor, wenn zwei Personen in einer Lebensgemeinschaft zusammenleben und das gemeinschaftliche Zusammenleben auf Dauer angelegt ist. Bei einer Lebensgemeinschaft handelt es sich um einen eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dies ist dann anzunehmen, wenn nach dem äußeren Erscheinungsbild ein Zusammenleben erfolgt, wie es bei Ehegatten unter den gleichen Bedingungen zu erwarten wäre. Dazu gehört im Allgemeinen eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft. Dabei kann aber auch das eine oder andere Merkmal fehlen. Indizien für eine Lebensgemeinschaft können auch die polizeiliche Meldung an ein- und demselben Wohnort sowie eine gemeinsame Zustelladresse sein (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 33 Tz 41 und die dort angeführte Judikatur).
Die Merkmale der Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft als Prüfkriterien für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft können unterschiedlich stark ausgeprägt sein bzw. kann eines sogar gänzlich fehlen, ohne dass dies dem Vorliegen einer Lebensgemeinschaft abträglich wäre; es ist vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen (siehe ; ).
Im Fall einer einvernehmlichen Scheidung liegt keine Lebensgemeinschaft mehr vor, wenn zwar - mangels Bezugsfertigkeit der neuen Wohnung - noch die selbe Wohnung benützt wurde, die (dann geschiedenen) Ehegatten jedoch in verschiedenen Zimmern gelebt haben und keine gemeinsame Wirtschaftsführung und Lebensgestaltung mehr gegeben war (vgl ).
Eine Wirtschaftsgemeinschaft liegt dann vor, wenn die Haushaltsaufwendungen anteilig, abwechselnd oder gemeinsam getragen und füreinander unentgeltlich Hausarbeiten erbracht werden, weil sich solcherart durch das Zusammenleben eine Gesamtersparnis ergibt, die nicht mehr mit der (eingeschränkten) wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Alleinerhalters vergleichbar ist.
Wesentlich für eine Wirtschaftsgemeinschaft ist somit, dass eine gemeinsame Haushaltsführung mit einander geleisteten (oder finanzierten) Diensten (wie Wäschewaschen, Bügeln, Einkaufen, Kochen, Wohnungsreinigung, Kleinreparaturen, diverse Erledigungen usw) vorliegt, dass Einnahmen und Ausgaben gemeinsam bewirtschaftet oder Mahlzeiten gemeinsam eingenommen werden (vgl ).
Da - wie im Sachverhalt dargelegt - eine solcherart gestaltete gemeinsame Haushaltsführung der Beschwerdeführerin mit ihrem Exmann in den Streitjahren nicht vorlag, war das Vorliegen einer Lebenspartnerschaft zu verneinen und der Beschwerdeführerin der Alleinerzieherabsetzbetrag zu gewähren.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich im gegenständlichen Fall die Beurteilung der Rechtsfrage bereits aus dem Gesetz ergibt und lediglich Sachverhaltsfeststellungen zu treffen waren, war die Revision für unzulässig zu erklären.
Beilagen: 3 Berechnungsblätter (Einkommensteuer 2017 bis 2019)
[...]
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 106 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 33 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101944.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at