Ehevertrag als Vergleich i.S.d. § 33 TP 20 GebG 1957
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7103181/2020-RS1 | Nach ständiger Rechtsprechung sind Vereinbarungen zwischen zukünftigen Ehegatten, welche deren Vermögens- und Unterhaltsverhältnisse im Fall der Scheidung regeln, als Vergleiche i.S.d. § 33 TP 20 GebG 1957 gebührenpflichtig (vgl. ; , 2000/16/0332; , 2003/16/0117). Daran hat sich durch die Entscheidung , in der ein Erb- und Pflichtteilsverzicht als gebührenfrei qualifiziert wurde, weil durch ihn lediglich Rechte und Pflichten, über deren Art und Ausmaß kein Streit geherrscht hat, abweichend vom dispositiven Recht geregelt wurden, nichts geändert. Anders als die vermögensrechtlichen Folgen einer Ehescheidung sind das gesetzliche Erbrecht und der gesetzliche Anspruch auf den Pflichtteil nämlich direkt aus dem Gesetz ableitbar und somit dem Grunde nach nicht zweifelhaft. |
RV/7103181/2020-RS2 | Haben die (zukünftigen) Ehegatten für den Fall der Scheidung eine Unterhaltsregelung in Form einer Generalabfindung getroffen, deren Höhe von der Dauer der Ehe im Zeitpunkt der Scheidung abhängt, und die in monatlichen Teilbeträgen zu leisten ist, handelt es sich nicht um eine Leistung von unbestimmter Dauer i.S.d. § 15 Abs. 2 BewG 1955, sondern um eine - in Raten zu begleichende - Kapitalforderung i.S.d. § 14 BewG 1955. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch RAe. Dr. Hitzenberger, Dr. Urban, Mag. Meissner, Mag. Laherstorfer, Feldgasse 1, 4840 Vöcklabruck, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Gebühren 2020 Steuernummer ***BFStNr***, Erfassungsnummer ***ErfNr***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Gleichzeitig wird der angefochtene Bescheid abgeändert. Die Gebühr für den Ehevertrag vom zwischen dem Beschwerdeführer und ***A*** (nunmehr ***Bf***) wird mit € 8.320,00 festgesetzt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer die Rechtsgeschäftsgebühr für einen Vertrag zwischen ihm und ***A*** vom mit € 10.280,00 fest. Sie ging davon aus, dass es sich bei diesem Vertrag, in dem der Beschwerdeführer und ***A*** verschiedene Vereinbarungen im Hinblick auf ihre beabsichtigte Eheschließung trafen, um eine Regelung zweifelhafter Rechte durch beiderseitiges Nachgeben und damit um einen Vergleich i.S.d. § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG 1957 handle. Die Bemessungsgrundlage von insg. € 514.000,00 setze sich zusammen aus dem Pauschalbetrag für die Anschaffung einer (Ersatz-)Wohnung im Scheidungsfall i.H.v. € 100.000,00 (Pkt. 4.3.5. der Vereinbarung), dem Unterhalt lt. Pkt. 4.4.1. i.H.v. € 324.000,00 (9-fache Jahresleistung aufgrund unbestimmter Dauer gemäß § 15 Abs. 2 BewG 1955 auf Basis einer Monatsleistung von € 3.000,00) und der Generalabfindung für Unterhaltsansprüche im Scheidungsfall lt. Pkt. 4.4.4. i.H.v. € 90.000,00 (€ 10.000,00 pro Jahr; 9-fache Jahresleistung gemäß § 15 Abs. 2 BewG 1955).
In der dagegen erhobenen Beschwerde vom führt der Beschwerdeführer aus, dass es sich bei der Vereinbarung vom nicht um einen Vergleich, sondern um einen Vertrag sui generis handle. Der Vereinbarung sei kein Streit vorausgegangen, sodass ihr die Bereinigungsfunktion, die ein wesentliches Merkmal eines Vergleiches sei, fehle. Vielmehr sei die Vereinbarung geschlossen worden, um einen Streit zu vermeiden. Bei der Bestimmung, wonach ***A*** im Fall der Scheidung eine Ersatzwohnung zur Verfügung zu stellen bzw. eine Zahlung von € 100.000,00 zur Anschaffung einer Ersatzwohnung zu leisten ist, handle es sich zudem um eine Vereinbarung i.S.d. § 87 EheG, die im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sei und daher nicht als Vergleich gewertet werden könne. Dasselbe gelte für Pkt. 4.4.1. der Vereinbarung, der den Unterhalt während aufrechter Ehe regle, zumal § 94 Abs. 3 ABGB eine Unterhaltsleistung in Geld auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft vorsehe, und für Pkt 4.4.4. (Unterhalt für die Zeit nach einer Scheidung der Ehe), da auch derartige Vereinbarungen im Gesetz vorgesehen seien (§ 80 EheG).
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer und ***A*** hätten mit der gegenständlichen Vereinbarung Regelungen über die Vermögens- und Unterhaltsverhältnisse für den Fall einer zukünftigen Scheidung getroffen und sei eine solche Vereinbarung nach ständiger Rechtsprechung als Vergleich gem. § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG 1957 zu qualifizieren, da die Vermögens- und Unterhaltsverhältnisse nach einer Scheidung von mehreren ungewissen Faktoren abhängen und eine diesbezügliche Scheidungsfolgenvereinbarung sohin eine Regelung zweifelhafter Rechte darstelle.
Mit Schriftsatz vom stellte Beschwerdeführer Vorlageantrag gemäß § 264 BAO.
Mit Schriftsatz vom gab der Beschwerdeführer über Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes bekannt, dass ***A*** (nunmehr ***Bf***) ihre berufliche Tätigkeit nach wie vor uneingeschränkt ausübe, sodass der in Pkt. 4.4.1. des Vertrages geregelte Fall (***A*** übt aufgrund von Obsorgepflichten gegenüber gemeinsamen Kindern eine berufliche Tätigkeit nicht oder nur eingeschränkt aus) noch nicht eingetreten sei. Eine fiktive Berechnung des Unterhaltes gem. Pkt. 4.4.1. ergebe, dass lediglich der vorgesehene Mindestbetrag von € 2.000,00 zu bezahlen wäre, da Frau ***A*** ein monatliches Nettoeinkommen von € 2.000,00 habe und für ihre beiden Kinder Familienbeihilfe i.H.v. € 388,20 sowie einen Familienbonus Plus von € 242,39 beziehe, welche vereinbarungsgemäß anzurechnen wären.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Am schlossen der Beschwerdeführer und ***A*** im Hinblick auf ihre beabsichtigte Eheschließung eine Vereinbarung, durch welche ihre zukünftigen Vermögensverhältnisse geregelt werden. Diese lautet auszugsweise wie folgt:
[…]
IV. Regelungen für den Fall der Beendigung oder Auflösung der Ehe
[…]
4.3.4. Ehewohnung:
Auch die Ehewohnung verbleibt im Eigentum dessen, in dessen Eigentum sie sich während aufrechter Ehe befunden hat.
Die Ehewohnung befindet sich auf der Liegenschaft ***Bf-Adr***. Auf dieser Liegenschaft wird der sogenannte ***X-Hof*** betrieben, auf welchem die Ehegatten auch leben. Aufgrund der oben bezeichneten Rechtsverhältnisse vereinbaren die Ehegatten, dass im Fall der Scheidung der Hof im Eigentum von Herrn ***Bf*** verbleibt.
Sollten in die Ehewohnung wertsteigernde Investitionen während aufrechter Ehe getätigt worden sein, so kommen diese demjenigen zu, aus dessen Mitteln diese Investitionen getätigt wurden.
Die Vertragsparteien werden darüber belehrt, dass eine derartige Vereinbarung dann nicht rechtswirksam ist, wenn
- Frau ***A*** zum Zeitpunkt der Scheidung auf die Weiterbenützung der Ehewohnung zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse angewiesen ist bzw.
- ein gemeinsames Kind an ihrer Weiterbenützung einen berücksichtigungswürdigen Bedarf hat.
Für den Fall, dass sich die Ehewohnung im Eigentum von ***Bf*** befindet und die weiteren genannten Voraussetzungen vorliegen (Sicherung der Lebensbedürfnisse/gemeinsames Kind) verpflichtet sich Herr ***Bf*** Frau ***A*** eine Ersatzwohnung zur Verfügung zu stellen, welche die Lebensbedürfnisse entsprechend obiger Ausführungen sichert.
Sollte im Sinne obiger Ausführungen eine Ersatzbeschaffung für die Ehewohnung notwendig sein, so vereinbaren die Vertragsteile im Sinne § 93 EheG, dass Frau ***A*** so lange in der Ehewohnung verbleiben kann, bis Herr ***Bf*** eine entsprechende bezugsfertige Ersatzwohnung zur Verfügung gestellt hat.
[…]
4.3.5.
Sobald die unter Pkt. 4.3.4. genannten Voraussetzungen weggefallen sind, erhält Frau ***A*** zur Anschaffung einer Wohnung einen Pauschalbetrag von € 100.000,00. Der vorgenannte Betrag ist binnen einem Monat ab Wegfall der oben genannten Bedingungen (Sicherung der Lebensbedürfnisse/gemeinsames Kind) zur Bezahlung fällig.
4.4. Vereinbarungen über wechselseitigen Unterhalt/Verzicht:
4.4.1.
Die Vertragsteile sind in Kenntnis darüber, dass gem. § 94 Abs. 3 ABGB auf den Unterhaltsanspruch während aufrechter Ehe im Vorhinein nicht verzichtet werden kann.
Für diesen Fall vereinbaren die Vertragsparteien folgendes:
Wenn und solange Frau ***A*** aufgrund von Obsorgepflichten für ein oder mehrere im Haushalt von Frau ***A*** wohnende, gemeinsame Kinder der Vertragsparteien eine berufliche Tätigkeit nicht oder nur eingeschränkt möglich ist und sie nicht wieder verheiratet ist, gebührt Frau ***A*** ein voller Ausgleich in Höhe ihres Einnahmenausfalls. Dabei wird die Höhe des Einnahmenausfalls von Frau ***A*** (unter Anrechnung von staatlichen und sonstigen Zuschüssen/Sozialleistungen, wie insbesondere Familienbeilhilfe) im Vergleich zu ihrem hypothetischen monatlichen Nettobezug als Angestellte der Fa. ***X*** GmbH ermittelt.
Diese Unterhaltsverpflichtung ist jedoch in einem Betrag von mindestens € 2.000,00 zu leisten.
Die maximalen Unterhaltszahlungen von Herrn ***Bf*** für Frau ***A*** (ohne Einrechnungen von zusätzlichen Unterhaltspflichten für gemeinsame Kinder) dürfen jedoch einen monatlichen Betrag von € 3.000,00 nicht überschreiten. Ein allfälliges Einkommen von Frau ***A*** ist auf diesen Betrag anzurechnen.
[…]
4.4.2.
Für den Fall der Scheidung vereinbaren die Vertragsparteien folgendes:
[…]
4.4.3.
Unabhängig davon, aus wessen Verschulden die Ehe geschieden wird, vereinbaren die Vertragsteile folgendes:
Solange Frau ***A*** aufgrund von Obsorgepflichten für ein oder mehrere im Haushalt von Frau ***A*** wohnende, gemeinsame Kinder der Vertragsparteien eine berufliche Tätigkeit nicht zumutbar ist und sie nicht wieder verheiratet ist, gilt die Regelung gemäß Pkt. 4.4.1.
4.4.4
Nach Wegfall der Obsorgepflichten gemäß Pkt. 4.4.3 vereinbaren die Vertragsteile, dass Frau ***A*** als Generalabfindung für allfällige Unterhaltsverpflichtungen bei Scheidung im ersten Ehejahr einen einmaligen Betrag von € 10.000,00 erhält.
Pro weiteres Ehejahr erhält Frau ***A*** jährlich einen weiteren Betrag von € 10.000,00 und nach Erreichung des 10. Ehejahres somit einen einmaligen endgültig gedeckelten Betrag von € 100.000,00.
Die oben genannten Zahlungen sind in monatlichen Raten à € 10.000,00 fällig, wobei die erste Zahlung binnen einem Monat nach Wegfall der oben genannten Obsorgepflichten Pkt. 4.4.1. und Pkt. 4.4.3. zur Bezahlung fällig ist. (Beispielsweise: Nach fünf Jahren sind eben fünf monatliche Zahlungen à € 10.000,00 zu leisten).
[…]
Der Beschwerdeführer und ***A*** (nunmehr ***Bf***) sind mittlerweile verheiratet und haben zwei Kinder. ***A*** (nunmehr ***Bf***) übt ihre berufliche Tätigkeit als Angestellte der Fa. ***X*** GmbH nach wie vor uneingeschränkt aus. Sie bezieht für diese Tätigkeit nach Abzug der laufenden Sozialversicherungsbeiträge ein monatliches Gehalt i.H.v. € 2.000,08, bei dem ein Familienbonus Plus i.H.v. € 242,39 berücksichtigt ist. Weiters bezieht sie Familienbeihilfe einschließlich Kinderabsetzbetrag i.H.v. monatlich € 388,20.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zum Vertragsinhalt gründen sich auf die vorliegende Vertragsurkunde (Notariatsakt vom ) und sind zudem zwischen den Parteien unstrittig. Strittig ist die gebührenrechtliche Qualifikation des Vertrages.
Die Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit und zu den Bezügen der ***A*** gründen sich auf die glaubwürdigen, auch von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen Angaben des Beschwerdeführers. Zu den Bezügen wurden zudem entsprechende Urkunden vorgelegt (Lohnabrechnung August 2023, Zahlungsbestätigung Familienbeihilfe Juli 2023). Diese Urkunden stützen auch das Vorbringen, wonach zwei Kinder vorhanden sind: Der Familienbonus Plus würde gem. § 33 Abs. 3a Z. 1 lit. a EStG 1988 für zwei mj. Kinder an sich € 333,36 betragen, ist jedoch gem. § 33 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 mit der Lohnsteuer (gem. LSt-Tabelle 2023, Rz. 1406 d. LStR 2002: € 2.000,08 x 30% - € 357,63 = € 242,39) betraglich begrenzt. Die Familienbeihilfe i.H.v. € 388,20 setzt sich offenkundig zusammen aus der Familienbeihilfe für ein über dreijähriges Kind i.H.v. € 129,00, der Familienbeihilfe für ein unter dreijähriges Kind i.H.v. € 120,60, der Geschwisterstaffelung i.H.v. 2 x € 7,50 und dem Kinderabsetzbetrag i.H.v. 2 x € 61,80.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe/Abänderung)
Gem. § 33 TP 20 GebG 1957 unterliegen außergerichtliche Vergleiche einer Rechtsgeschäftsgebühr. Diese beträgt, wenn der Vergleich über (gerichts-) anhängige Rechtsstreitigkeiten getroffen wird, 1% und in allen übrigen Fällen 2% des Gesamtwertes der von jeder Partei übernommenen Leistungen. Da das GebG 1957 den Begriff des Vergleiches nicht definiert, ist diesbezüglich auf die zivilrechtliche Definition in § 1380 ABGB zurückzugreifen (; , 2006/16/0136). Demnach handelt es sich beim Vergleich um eine konstitutive Vereinbarung, mit der durch beiderseitiges Nachgeben der Vertragsparteien strittige oder zweifelhafte Rechte einverständlich neu festgelegt werden. Der Vergleich bereinigt sohin ein strittiges oder zweifelhaftes Rechtsverhältnis und dient damit v.a. der Beilegung oder Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten (; , 2006/16/0136; , 2011/16/0122). Hierbei ist es nicht erforderlich, dass bereits bestehende bzw. der Vereinbarung vorangegangene Streitigkeiten bereinigt werden, sondern liegt ein Vergleich auch dann vor, wenn mit der Vereinbarung pro futuro gegensätzliche Interessen der Vertragsparteien ausgeglichen werden sollen (). Die durch den Vergleich bereinigte Ungewissheit betrifft in einem solchen Fall daher zukünftige Rechts- oder Tatsachenfragen ().
In diesem Sinne qualifiziert die ständige Rechtsprechung Vereinbarungen, die von Brautleuten vor Abschluss der Ehe getroffen werden und die Vermögens- und Unterhaltsverhältnisse der Ehegatten im Fall der Scheidung regeln, als durch die Eheschließung und nachfolgende Scheidung (doppelt) bedingte und - da Bedingungen gemäß § 17 Abs. 4 GebG 1957 unbeachtlich sind - gebührenpflichtige Vergleiche i.S.d. § 33 TP 20 GebG 1957. Da die Folgen einer Scheidung gesetzlich nicht im Einzelnen festgelegt sind und derartige Vereinbarungen grundsätzlich der Disposition der Ehegatten unterliegen, steht bei Abschluss einer solchen Vereinbarung typischerweise noch nicht fest, ob und in welcher Höhe im Fall der Scheidung ein Ehegatte dem anderen zum Unterhalt oder zu sonstigen Leistungen verpflichtet sein wird. Dies gilt insbesondere für die einvernehmliche Scheidung, bei der eine Einigung u.a. über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die vermögensrechtlichen Ansprüche der Ehegatten sogar Scheidungsvoraussetzung ist (§ 55a Abs. 2 EheG). Bei einer solchen Scheidungsfolgenvereinbarung handelt es sich daher um die Regelung (zukünftiger) zweifelhafter Rechte mit Streitvermeidungsfunktion, bei der die Ehegatten zu gegenseitigen Zugeständnissen bereit waren (; , 2000/16/0332; , 2003/16/0117). Durch die Ungewissheit allfälliger Ansprüche im Scheidungsfall unterscheidet sich eine Scheidungsfolgenvereinbarung wesentlich von einem Erb- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag: Anders als die vermögensrechtlichen Folgen einer Ehescheidung sind das gesetzliche Erbrecht und der gesetzliche Anspruch auf den Pflichtteil direkt aus dem Gesetz ableitbar und somit dem Grunde nach nicht zweifelhaft. Aus der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Entscheidung (), in der ein Erb- und Pflichtteilsverzicht als gebührenfrei qualifiziert wurde, ist daher für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen (vgl. Bergmann/Pinetz, GebG, 2. Aufl. [2020], Rz. 19a zu § 33 TP 20; Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Rz. 21 zu § 33 TP 20 GebG).
Auch im vorliegenden Fall haben die Brautleuten eine solche Vereinbarung geschlossen. Durch den Vertrag vom sollten zukünftige, von verschiedenen - im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht bekannten - Faktoren abhängige und damit ungewisse Ansprüche einer einvernehmlichen Regelung unterzogen werden. Dass - wie der Beschwerdeführer mehrfach betont - der Vereinbarung kein Streit vorausgegangen ist, spielt hierbei nach dem soeben Gesagten keine Rolle, sondern besteht die Bereinigungsfunktion darin, dass die zukünftigen Ehegatten eine Regelung getroffen haben, die von den ungewissen zukünftigen Ansprüchen abweichen kann und liegt hierin das für einen Vergleich wesentliche beiderseitige Nachgeben. Die Vereinbarung vom ist daher nicht als Vertrag sui generis, sondern als Vergleich i.S.d. § 33 TP 20 GebG 1957 zu qualifizieren. Dazu ist im Einzelnen auszuführen:
Gem. Pkt. 4.3.5. erhält Frau ***A*** im Fall der Beendigung oder Auflösung der Ehe einen Pauschalbetrag von € 100.000,00 zur Anschaffung einer Wohnung, wenn und sobald sie nicht (mehr) auf die Weiterbenützung der Ehewohnung zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse angewiesen ist bzw. ein gemeinsames Kind an der Weiterbenützung keinen berücksichtigungswürdigen Bedarf mehr hat und der Beschwerdeführer demnach nicht mehr zur Beistellung einer Ersatzwohnung verpflichtet ist. Hierbei handelt es sich weder um eine Aufteilungsvereinbarung hinsichtlich der Ehewohnung noch um eine Vereinbarung i.S.d. § 87 Abs. 1 zweiter Satz EheG, wonach die Ehegatten die Übertragung des Eigentums oder eines dinglichen Rechts an der Ehewohnung ausschließen können (eine derartige "opting-out" Vereinbarung, welche ohnedies nicht in die Gebührenbemessung einbezogen wurde, enthalten vielmehr die ersten drei Absätze des Pkt. 4.3.4.), sondern um eine (besondere) Unterhaltsvereinbarung, die es Frau ***A*** ermöglichen soll, ihr Wohnbedürfnis nach einer Auflösung der Ehe zu befriedigen. Es trifft daher nicht zu, dass es sich bei dieser Vereinbarung um eine vom Gesetz ausdrücklich normierte Form der Vorausvereinbarung handle, die im Tarifpostensystem des GebG nicht vorgesehen und daher gebührenfrei sei. In Bezug auf die aus Pkt. 4.3.5. resultierende Gebühr besteht daher keine Veranlassung, von der Festsetzung der belangten Behörde abzuweichen.
Zu Pkt. 4.4.1. ist dem Beschwerdeführer zunächst zuzugestehen, dass es sich um eine Vereinbarung über den Unterhalt während aufrechter Ehe für den Fall, dass ***A*** gemeinsame Kinder betreut und deshalb keine berufliche Tätigkeit ausübt, handelt und dass auch das Gesetz eine Unterhaltsleistung in Geld bei aufrechter Ehe kennt (§ 94 Abs. 3 ABGB). Dennoch ist ein Unterhaltsanspruch auch bei aufrechter Ehe nicht unmittelbar und zweifelsfrei aus dem Gesetz abzuleiten, sondern ist in § 94 Abs. 1 u. 2 EheG lediglich normiert, dass die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen (die sich auch ändern können) angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen haben, wobei dieser Beitrag auch in der Führung des gemeinsamen Haushaltes bestehen kann. Die Brautleute haben daher auch mit dieser Vereinbarung eine unklare (zukünftige) Sach- und Rechtslage durch beiderseitiges Nachgeben bereinigt, wobei insbesondere der Ersatz des Verdienstentganges (Pkt. 4.4.1. Abs. 2) und die vereinbarte Ober- und Untergrenze (Pkt. 4.4.1. Abs. 3 u. 4) dazu führen können, dass der laut Vereinbarung zu leistende Unterhalt von jenem abweicht, der sich aus dem Gesetz ergeben würde (; vgl. auch ). Im Übrigen gilt diese Vereinbarung auch für die Zeit nach einer allfälligen Scheidung (Pkt. 4.4.3.), sodass sich an der Gebührenpflicht selbst dann nichts ändern würde, wenn man - wie offenbar der Beschwerdeführer - davon ausginge, dass nur eine Unterhaltsvereinbarung für den Fall der Scheidung einen gebührenpflichtigen Vergleich darstellen kann. Da die Dauer der Unterhaltspflicht (sowohl während aufrechter Ehe als auch nach einer Scheidung) davon abhängt, wie lange die Kinder obsorgebedürftig sind, handelt es sich um eine Leistung von unbestimmter Dauer, die gemäß § 15 Abs. 2 BewG 1955 mit dem 9-fachen Jahreswert zu veranschlagen ist. Dass der Unterhalt nach Pkt. 4.4.1 und 4.4.3. nur dann zu leisten ist, wenn gemeinsame Kinder der Eheleute vorhanden sind und ***A*** infolge der Betreuung dieser Kinder ganz oder teilweise an einer beruflichen Tätigkeit gehindert ist, stellt eine Bedingung dar, die gem. § 26 GebG 1957 außer Betracht zu bleiben hat. Allerdings ist in der vereinbarten Bandbreite der Unterhaltsleistung (mindestens € 2.000,00; höchstens € 3.000,00) weder eine Undeutlichkeit i.S.d. § 17 Abs. 2 GebG 1957 noch eine bedingte Leistung i.S.d. § 26 GebG 1957 zu erblicken, sodass nicht - wie im angefochtenen Bescheid - der höchstmögliche Betrag zu veranschlagen, sondern der Wert der Leistung - erforderlichenfalls durch Schätzung - zu ermitteln ist bzw. bei ungewisser Höhe mit vorläufiger Gebührenfestsetzung gem. § 200 Abs. 1 BAO vorzugehen ist (). Im vorliegenden Fall übt ***A*** ihre berufliche Tätigkeit nach wie vor unverändert aus. Der in Pkt. 4.4.1. bzw. 4.4.3. vorgesehene Fall ist daher (noch) nicht eingetreten, sodass der Beschwerdeführer bislang keinen Unterhalt nach diesen Bestimmungen zu leisten hatte. Würde ***A*** ihre berufliche Tätigkeit jetzt aufgeben oder einschränken, um die gemeinsamen Kinder betreuen zu können, wäre ein Unterhalt in Höhe des vorgesehenen Mindestbetrages von € 2.000,00 zu leisten, da der derzeitige Nettobezug (€ 2.000,08) abzüglich Familienbeihilfe (€ 388,20) und Familienbonus Plus (€ 242,39) unter diesem Mindestbetrag liegt. Grundsätzlich ist nicht ausgeschlossen, dass ***A*** ihre berufliche Tätigkeit in der Zukunft doch noch aufgibt oder einschränkt, um gemeinsame Kinder betreuen zu können, und dass ihr Gehalt bis dahin eine solche Höhe erreicht hat, dass sich daraus ein Unterhaltsanspruch von mehr als € 2.000,00 ergibt. Allerdings ist diese bloße Möglichkeit nicht ausreichend, um die Gebühr gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig festzusetzen, sondern ist hierfür erforderlich, dass der Eintritt dieses Falles (und damit eine Abgabepflicht als auf Basis eines Betrages von mehr als mtl. € 2.000,00) wahrscheinlich ist (vgl. ). Tatsächlich ist der Eintritt dieses Falles in zweierlei Hinsicht unwahrscheinlich: Einerseits übt ***A*** ihre berufliche Tätigkeit trotz zweier Kinder nach wie vor uneingeschränkt aus. Mit zunehmendem Alter der Kinder sinkt auch der Betreuungsbedarf und besteht daher im Laufe der Zeit immer weniger Veranlassung, die berufliche Tätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung aufzugeben oder einzuschränken. Andererseits müsste das Gehalt der ***A*** um mehr als 75 % ansteigen und unter Zugrundelegung der derzeitigen Sach- und Rechtslage nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge € 3.506,27 übersteigen, um einen Unterhaltsanspruch von mehr als € 2.000,00 nach sich zu ziehen (Berechnung lt. LSt-Tabelle 2023, Rz. 1406 d. LStR 2002: € 3.506,27 abzügl. LSt € 784,71 [€ 3.506,27 x 41% - € 652,86] abzügl. Familienbonus Plus € 333,36 abzügl. Familienbeihilfe € 388,20 = € 2.000,00). Damit ist bei einer gewöhnlichen/durchschnittlichen Gehaltsentwicklung innerhalb des begrenzten Zeitraumes bis zum Ende der Betreuungsbedürftigkeit der Kinder nicht zu rechnen. Da sohin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. ) nicht anzunehmen ist, dass der Beschwerdeführer jemals einen Unterhalt von mehr als € 2.000,00 monatlich an ***A*** zu leisten hat, besteht für eine vorläufige Festsetzung der Gebühr kein Raum, sondern war diese in Bezug auf Vertragspunkt 4.4.1. (und 4.4.3.) endgültig auf Basis eines Betrages von monatlich € 2.000,00, für 9 Jahre sohin € 216.000,00 festzusetzen.
In Pkt. 4.4.4. haben die Parteien schließlich eine Unterhaltsregelung in Form einer Generalabfindung für die Zeit nach einer allfälligen Ehescheidung getroffen, die zur Anwendung gelangt, wenn und sobald Frau ***A*** nicht mehr durch Obsorgepflichten gegenüber gemeinsamen Kindern von einer beruflichen Tätigkeit abgehalten wird. Diese Unterhaltsleistung besteht in einem einmaligen Betrag, dessen Höhe von der Dauer der Ehe abhängt. Hat die Ehe max. ein Jahr gedauert, beträgt die Abfindung € 10.000,00. Für jedes weitere Jahr erhöht sie sich um weitere € 10.000,00 bis höchstens € 100.000,00, die dann zu leisten sind, wenn die Ehe im zehnten Jahr oder später geschieden wird. Vereinbarungsgemäß ist die Abfindung in monatlichen Raten à € 10.000,00 zu entrichten. Die belangte Behörde hat darin eine Leistung von unbestimmter Dauer erblickt und gem. § 15 Abs. 2 BewG 1955 eine Bemessungsgrundlage in Höhe der 9-fachen Jahresleistung (€ 90.000,00) zugrunde gelegt. Abgesehen davon, dass es sich bei dem (monatlich zu entrichtenden) Betrag von € 10.000,00 nicht um eine Jahresleistung, sondern um eine Leistung pro zurückgelegtem Ehejahr handelt, ist eine unbestimmte Dauer nur dann anzunehmen, wenn das Ende von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen in absehbarer Zeit sicher, der Zeitpunkt des Fortfalles aber ungewiss ist (; , 83/15/0047). Aufgrund dieser Ungewissheit ist der letztlich zu leistende Gesamtbetrag nicht bekannt. Im vorliegenden Fall ist der Gesamtbetrag der zu leistenden Abfindung davon abhängig, wie lange die Ehe im Zeitpunkt der Scheidung gedauert hat. Er ist damit bedingt und aufgrund der vereinbarten Ratenzahlung auch betagt i.S.d. § 26 GebG 1957, sodass für Zwecke der Gebührenbemessung so vorzugehen ist, wie wenn die Ehe (frühestens im zehnten Jahr) bereits geschieden wäre und keine Ratenzahlung vereinbart worden wäre. Unter diesen Prämissen handelt es sich beim Unterhalt gem. Pkt. 4.4.4. jedoch nicht um eine Leistung von unbestimmter Dauer, sondern um eine - in Raten zu begleichende - Kapitalforderung. Diese ist gemäß § 14 Abs. 1 BewG 1955 mit ihrem Nennwert, hier also - da die Bedingung der Scheidung sowie einer mindestens zehnjährigen Dauer der Ehe im Zeitpunkt der Scheidung gemäß § 26 GebG 1957 außer Acht zu bleiben hat - mit € 100.000,00 anzusetzen ist. Infolge der Fälligkeitsfiktion des § 26 GebG 1957 sind Zinsen i.S.d. § 14 Abs. 3 BewG 1955 nicht abzuziehen (Bergmann/Pinetz, GebG, 2. Aufl. (2020), Rz. 19 zu § 26; Twardosz, GebG, Rz. 14 zu § 26). In Bezug auf den Vertragspunkt 4.4.4. war daher der angefochtene Bescheid zu Ungunsten des Beschwerdeführers (im Rechtsmittelverfahren nach der BAO besteht kein "Verböserungsverbot"; vgl. ) dahingehend abzuändern, dass anstatt der von der belangten Behörde angenommenen Bemessungsgrundlage von € 90.000,00 ein Betrag von € 100.000,00 zugrunde zu legen ist.
Insgesamt ergibt sich sohin eine Bemessungsgrundlage von € 416.000,00, sodass die 2-%ige Rechtsgeschäftsgebühr mit € 8.320,00 festzusetzen war.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass Vereinbarungen zwischen Brautleuten, welche die Vermögens- und Unterhaltsverhältnisse der zukünftigen Ehegatten im Fall der Scheidung regeln, als Vergleiche i.S.d. § 33 TP 20 GebG 1957 gebührenpflichtig sind, ist durch die o.a. höchstgerichtliche Rechtsprechung, von welcher das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen ist, klargestellt. Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung war daher nicht zu lösen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 14 Abs. 1 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103181.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at