Antrag auf FB für gleichen Zeitraum: res iudicata
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom
gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Zurückweisung des Antrages auf Familienbeihilfe vom für Kind, geb. xx.xx.1996, für den Zeitraum Dezember 2018 bis Mai 2019,
Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (Bf.) vom auf Familienbeihilfe für das im Spruch genannte Kind ab Dezember 2018 abgewiesen. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel ergriffen, sodass dieser in Rechtskraft erwachsen ist.
Die Beschwerdeführerin beantragte am nochmals die Gewährung der Familienbeihilfe für ihre Tochter Kind ab Dezember 2018. Dazu gab sie an, dass die Tochter in ihrem Haushalt wohne und bis die Polizeischule der Landespolizeidirektion ***1*** besucht habe.
Am brachte die Bf. den gleichen Antrag noch einmal beim Finanzamt ein und legte die Bestätigung der Landespolizeidirektion ***1*** vom über die Zuweisung der Tochter zur Ausbildung vom bis beim Bildungszentrum der Sicherheitsexekutive bei.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag vom zurück. In der Begründung wurde ausgeführt:
"Sie haben mit Antrag vom die Zuerkennung der Familienbeihilfe für das Kind Kind für den Zeitraum - (Ausbildung zur Grenzpolizistin) beantragt.
Dieser Antrag wurde mit Abweisungsbescheid vom , zugestellt am für Zeiträume ab abgewiesen.
Ein Bescheid ist formell rechtskräftig, wenn er durch ordentliche Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar ist.
Die Rechtskraft des Abweisungsbescheides ist am eingetreten.
Unter Rechtskraft ist die Unwiderrufbarkeit und die Unwiederholbarkeit eines Bescheides zu verstehen.
Ihr (wiederholter) Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe vom für das Kind Kind für den Zeitraum - ist wegen bereits entschiedener Sache zurückzuweisen."
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht die Beschwerde mit der Begründung, dass in der Zeit, in der ihre Tochter die Polizeischule besuchte, die Gewährung der Familienbeihilfe strittig gewesen sei. In der Folge habe sich aber die Rechtslage geändert und ihre Tochter sei von der Polizeigewerkschaft informiert worden, dass die Familienbeihilfe im Nachhinein beantragt werden könne. Kolleginnen ihrer Tochter hätten bereits die Familienbeihilfe erhalten.
Coronabedingt dauere die Ausbildung ihrer Tochter länger - der 2. Teil der Ausbildung habe erst jetzt wieder begonnen, jedoch stehe die Familienbeihilfe altersbedingt nun nicht mehr zu.
Beigelegt wurde nochmals die o.g. Bestätigung der Landespolizeidirektion ***1*** vom .
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen und begründend ausgeführt:
": Grundausbildungen im öffentlichen-rechtlichen Dienst sind keine Berufsausbildungen im Sinne des FLAG 1967. Der Abweisungsbescheid vom erging daher nach der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung gültigen höchstgerichtlichen Rechtslage.
Mit Erkenntnis des -6 kam es zu einem Judikaturwechsel. In dieser Entscheidung stellt der VwGH fest, dass die Polizeigrundausbildung für den Exekutivdienst eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 darstellt.
Die geänderte VwGH-Judikatur führt dazu, dass für künftige bzw. noch nicht rechtskräftig entschiedene Fälle für die Polizeigrundausbildung die Familienbeihilfe zuerkannt werden kann. Für bereits rechtskräftig entschiedene Fälle - wie den vorliegenden Fall - gilt dies aber nicht.
Eine höchstgerichtliche Entscheidung hat nur Wirkung für den Einzelfall. Eine generell rückwirkende Anpassung anderer vom Höchstgericht nicht entschiedener Sachverhalte, die andere Abgabepflichtige betreffen, würde die Rechtskraftwirkung aushöhlen und dem im Verwaltungsrecht geltenden Grundsatz der Rechtskraft zu widerlaufen (siehe UFS GZ. RV/203-W/04). In diesem Sinne stellte auch der VwGH im Erkenntnis vom , 2000/14/0147, unter Hinweis auf den VfGH, fest, dass die Rechtskraft nicht wegen einer Entscheidung in einem anderen Verfahren durchbrochen werden kann, da zwischen unterschiedlichen Verfahren betreffend verschiedener Abgabepflichtiger kein Zusammenhang hergestellt werden kann."
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde, die als Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) gewertet wird. In der Begründung wurde ausgeführt:
"Der Abweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom GZ ***2***, verletzt mich in meinem subjektiven Recht. Diese Rechtsverletzung; ergibt sich im Detail aus folgenden Überlegungen:
ISd § 2 Abs 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht der Anspruch auf Familienbeihilfe bei Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz haben, für ein volljähriges Kind, welches das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme: auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (, , 2016/15/0076, , 2007/15/0050). Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen.
Meine Tochter Kind hat am die Polizeigrundausbildung im Bildungszentrum ***3*** begonnen.
Die im angefochtenen Abweisungsbescheid angeführte Begründung, wonach ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis (einschließlich Grundausbildung oder Ausbildungsphase/n) hingegen bereits als "Berufsausübung" zu werten ist und nicht die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 erfüllt, weshalb in diesem Zusammenhang kein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag besteht (vgl. VwGH Ra 2018/16/0203 vom ) geht ins Leere.
Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner festgehalten, dass es unstrittig ist, dass die Basisausbildung der Grundausbildung für die exekutivdienstliche Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich (Dauer 6 Monate) und die Ergänzungsausbildung zur Grundausbildung für den Exekutivdienst (9 Monate) als Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes anzusehen sind.
Das Finanzamt hat unzutreffend und rechtswidrig eine Ausbildungsphase der fremden-und grenzpolizeilichen exekutivdienstlichen Ausbildung, die keinen Anspruch auf Familienbeihilfe begründet (weil das FLAG 1967 den Begriff der Ausbildungsphase nicht kennt), angenommen.
Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , 2009/16/0315, ausgesprochen. Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit. b FLAG ergibt, fällt unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre ).
Die 6-monatige durchgehende Grundausbildung vom bis für den Exekutivdienst, welche meine Tochter Kind absolviert hat, ist daher als eine Berufsausbildung anzusehen und begründet den Anspruch auf Familienbeihilfe gem. § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. ausdrücklich , und ). Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird (vgl. ).
Formelle Rechtskraft bedeutet, dass ein Bescheid durch ordentliche Rechtsmittel (Beschwerde) nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (vgl. , 0275). Materielle Rechtskraft bedeutet Unwiderrufbarkeit und Unwiederholbarkeit (vgl. ). Die materielle Rechtskraft tritt mit der wirksamen Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides ein. Die BAO (zB § 302 Abs 2 lit a) verwendet den Begriff der Rechtskraft im formellen Sinn (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 92 Rz 5).
Grundsätzlich darf über eine bereits entschiedene Sache nicht nochmals ein Bescheid ergehen. Ist ein Bescheid in Rechtskraft erwachsen, bedeutet dies grundsätzlich Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit und Verbindlichkeit des Bescheides (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2, § 26 Rz 3).
Wird für denselben Zeitraum, über den bereits ein Abweisungsbescheid ergangen ist, neuerlich Familienbeihilfe beantragt, liegt durch diesen Bescheid res iudicata vor und ist der neuerliche Antrag für diesen Zeitraum zurückzuweisen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2, § 13 Rz 25; vgl. ).
Liegt ein bereits rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vor, ist auf Grund des Wiederholungsverbots bzw. des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache (res iudicata) eine neuerliche Entscheidung nicht zulässig (vgl. ; ; ; u.v.a.).
Gegen den Abweisungsbescheid vom wurde von der Beschwerdeführerin kein Rechtsmittel ergriffen, somit ist dieser in formelle Rechtskraft erwachsen.
Die Sachlage gegenüber dem Abweisungsbescheid vom hat sich nicht geändert: die Tochter der Bf. hat im Zeitraum Dezember 2018 bis Mai 2019 die Polizeischule absolviert.
Auch die anzuwendende Rechtsvorschrift - § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 - hat sich nicht geändert. Diese Norm ist unverändert geblieben.
Lediglich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Polizeiausbildung änderte sich mit dem Erkenntnis des .
Die Änderung der Auslegung eines Rechtsbegriffes bzw. einer Rechtsnorm berechtigt für sich alleine nicht zu einem Eingriff in die Rechtskraft eines individuellen Verwaltungsaktes ().
Eine geänderte rechtliche Beurteilung eines unveränderten Sachverhalts bei unveränderten Rechtsvorschriften ändert nichts am Vorliegen einer entschiedenen Sache. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (vgl. ).
Auf das Vorbringen in der Beschwerde und im Vorlageantrag ist daher nicht näher einzugehen, da dieses Vorbringen nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.
Der bekämpfte Zurückweisungsbescheid vom ist somit nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet; die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.
Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesonders weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100770.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at