Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.08.2023, RV/7400044/2023

Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., A-1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , N-1, betreffend Haftung gemäß §§ 6a KommStG und DGAG, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom des Magistrates der Stadt Wien MA 6 wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß §§ 6a Abs. 1 KommStG und DGAG iVm § 80 BAO als Haftungspflichtiger der G-1 (vormals G-2) für nachstehende Abgaben in der Höhe von € 19.323,05 zur Haftung herangezogen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Kommunalsteuer
01/2019
1.995,88
Kommunalsteuer
02/2019
1.978,41
Kommunalsteuer
03/2019
1.888,07
Kommunalsteuer
04/2019
1.695,01
Kommunalsteuer
06/2019
3.489,63
Kommunalsteuer
07/2019
224,73
Kommunalsteuer
08/2019
344,05
Kommunalsteuer
09/2019
1.741,27
Kommunalsteuer
10/2019
2.086,00
Dienstgeberabgabe
08/2018
260,00
Dienstgeberabgabe
11/2018
370,00
Dienstgeberabgabe
12/2018
418,00
Dienstgeberabgabe
01/2019
398,00
Dienstgeberabgabe
02/2019
388,00
Dienstgeberabgabe
03/2019
450,00
Dienstgeberabgabe
04/2019
290,00
Dienstgeberabgabe
06/2019
578,00
Dienstgeberabgabe
07/2019
2,00
Dienstgeberabgabe
09/2019
330,00
Dienstgeberabgabe
11/2019
200,00
Dienstgeberabgabe
12/2019
196,00


Gemäß § 6a Abs. 1 KommStG hafteten die in den §§ 80ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Gemäß § 6a Abs. 1 DGAG hafteten die in den §§ 80ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 BAO gelte sinngemäß.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-1 sei über das Vermögen der Primärschuldnerin ein Konkursverfahren eröffnet worden. Die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung sei durch die Eröffnung des Konkursverfahrens jedenfalls erfüllt.

Der Bf. sei bis D-2 im Firmenbuch als Geschäftsführer der angeführten Gesellschaft eingetragen gewesen und habe weder die Bezahlung veranlasst noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen.

Er habe somit die ihm als Geschäftsführer der GmbH auferlegten Pflichten verletzt und sei daher für den Rückstand haftbar, da dieser bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne.

Die Geltendmachung der Haftung entspreche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf bestehe, dass der nunmehr aushaftende Betrag überhaupt noch eingebracht werden könnte.

Bemerkt werde:

Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz habe der Vertreter vorhandene Mittel zwar nicht in erster Linie zur Begleichung der Abgabenschulden zu verwenden, er dürfe allerdings auch nicht den Abgabengläubiger schlechter behandeln, als alle anderen Gläubiger; er dürfe also nicht andere Verbindlichkeiten vor den Abgabenschulden erfüllen. Seien zwar Geldmittel vorhanden, reichten sie aber nicht zur Deckung aller fälligen Verbindlichkeiten aus, müssten - damit dem Gleichheitsgrundsatz entsprochen werde - alle Verbindlichkeiten anteilig im gleichen Verhältnis erfüllt werden (, 82/14/0070-0072).

Im gegenständlichen Fall seien laut Aktenlage zwar die Löhne und Gehälter im Haftungszeitraum ausbezahlt, die damit fälligen Abgaben jedoch nicht entrichtet worden. Durch die Schlechterstellung des Abgabengläubigers habe der Haftungspflichtige somit seine Pflicht zur Gleichbehandlung aller Gläubiger verletzt.

Der Bf. sei außerdem mit Schreiben vom aufgefordert worden, zum Nachweis dafür, dass er den Abgabengläubiger nicht benachteiligt habe, monatliche Liquiditätsaufstellungen vorzulegen. Dieser Aufforderung sei er jedoch nicht nachgekommen.

Abschließend sei festzuhalten, dass seinem Antrag vom auf Leistung einer Abschlagszahlung nicht habe entsprochen werden können.

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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ein, dass über das Vermögen der Hauptschuldnerin am D-1 ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Der Bf. sei mit D-2 aus seiner Funktion als Geschäftsführer der späteren Schuldnerin ausgeschieden. Zum Zeitpunkt der Übergabe der Geschäftsführerfunktion hätten nach seiner Kenntnis keine Abgabenrückstände bestanden. Die nunmehr im Wege der Haftung geltend gemachten Beitragsrückstände beruhten offensichtlich zum überwiegenden Teil auf einer Betriebsprüfung, deren Ergebnis ihm nicht bekannt sei. Er stelle daher den Antrag, ihm das Ergebnis der Abgabenprüfung zur Kenntnis zu bringen und ihm die entsprechenden Grundlagenbescheide zuzustellen. Der Bf. habe sich laufend eines Steuerberaters bedient, der die Lohnabrechnungen lediglich aufgrund von vertretbaren Rechtsansichten durchgeführt habe. Ein Verschulden des Bf. an den angeführten Beitragsrückständen werde daher ausdrücklich bestritten.

Zudem werde für den Haftungszeitraum 01-12/2019 ausgeführt, dass der Bf. sämtliche Gläubiger gleichbehandelt habe. Ihn könne daher nur insoweit eine Haftung treffen, als die Stadt Wien gegenüber anderen Gläubigern schlechter gestellt worden sei. Er werde mit seinem Steuerberater einen entsprechenden Gleichbehandlungsnachweis erstellen und diesen der Behörde vorlegen. Jedenfalls treffe ihn kein Verschulden hinsichtlich des geltend gemachten Gesamtbetrages.

Zudem hafte der Bf. nur, insofern ihn ein Verschulden an der Nichtzahlung von Abgaben treffe. Worauf sich dieses Verschulden gründe, bleibe im bekämpften Bescheid gänzlich unbegründet. Die Behörde werde darzulegen haben, woraus sie konkret sein Verschulden ableite. Mangels entsprechender Begründung bleibe eine Ergänzung der Beschwerde vorbehalten.

Beweis:

PV des Bf.
Vorzulegender Gleichbehandlungsnachweis

Abschließend beantragte der Bf. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und nach Zitierung der §§ 6a Abs. 1 KommStG und DGAG sowie des § 80 Abs. 1 BAO ausgeführt:

Zu den im § 80 Abs. 1 BAO genannten Personen gehörten auch die Geschäftsführer der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten hätten.

Voraussetzungen für die Haftung seien eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die erschwerte Einbringung der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringung.

Dass die im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabenforderungen tatsächlich bestünden, stehe nach der Aktenlage fest.

Weiters stehe unbestritten fest, dass der Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft zu dem in § 80 Abs. 1 BAO angeführten Personenkreis gehöre.

Ferner werde nicht bestritten, dass die angeführten Abgabenrückstände bei der Gesellschaft erschwert einbringlich seien.

Es sei ferner Aufgabe des Vertreters, nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen sei, weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfülle, die Gründe darzutun habe, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden könne, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen sei.

Der Bf. habe (wie auch schon in seiner Stellungnahme vom ) in seiner Beschwerde vorgebracht, er habe im Sinne der Gläubigergleichbehandlung gehandelt und den Magistrat der Stadt Wien somit nicht schlechter behandelt als andere Gläubiger. Es werde weiter ins Treffen geführt, der Bf. habe bei Übergabe der Geschäftsführerfunktion keine Kenntnis von den Abgabenbeträgen gehabt, da diese offensichtlich auf einer Betriebsprüfung beruhten, die nach seinem Ausscheiden stattgefunden habe. Die Behörde möge ihm daher die der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide übermitteln.

Dem Vorbringen werde Folgendes entgegengehalten:

Obwohl der Bf. in seiner Beschwerde hinsichtlich der behaupteten Gläubigergleichbehandlung keine neuen Argumente ins Treffen führe, werde dennoch erneut festgehalten, dass der Vertreter nach dem Gleichheitsgrundsatz vorhandene Mittel zwar nicht in erster Linie zur Begleichung der Abgabenschulden zu verwenden habe, er dürfe allerdings auch nicht den Abgabengläubiger schlechter behandeln als alle anderen Gläubiger; er dürfe also nicht andere Verbindlichkeiten vor den Abgabenschulden erfüllen. Seien zwar Geldmittel vorhanden, reichten sie aber nicht zur Deckung aller fälligen Verbindlichkeiten aus, müssten - damit dem Gleichheitsgrundsatz entsprochen werde - alle Verbindlichkeiten anteilig im gleichen Verhältnis erfüllt werden (, 82/14/0070-0072).

Von einer anteiligen Begleichung könne nicht gesprochen werden, wenn z.B. die Löhne zur Gänze ausbezahlt und die Abgaben nicht entrichtet würden, denn zur Vermeidung eines haftungsrelevanten Verschuldens hätten die anfallenden Abgabenverbindlichkeiten zumindest anteilig entrichtet werden müssen und die Löhne nur in entsprechend geringerem Ausmaß ausbezahlt werden dürfen (; ).

Im gegenständlichen Fall seien laut Aktenlage zwar die Löhne und Gehälter im Haftungszeitraum ausbezahlt, die damit fälligen Abgaben jedoch nicht entrichtet worden. Durch die Schlechterstellung des Abgabengläubigers habe der Bf. somit seine Pflicht zur Gleichbehandlung aller Gläubiger verletzt.

Er sei außerdem mit Schreiben vom aufgefordert worden, zum Nachweis dafür, dass er den Abgabengläubiger nicht benachteiligt habe, monatliche Liquiditätsaufstellungen vorzulegen. Dieser Aufforderung sei er jedoch bis dato nicht nachgekommen.

Dem Vorbringen, die Abgabenrückstände seien im Zuge einer Betriebsprüfung entstanden, müsse entgegnet werden, dass die in Haftung gezogenen Kommunalsteuer- und Dienstgeberabgabebeträge, welche im Haftungsbescheid nach den einzelnen Monaten aufgeschlüsselt worden seien, mit Einbringung der Jahreserklärungen 2019 durch die Primärschuldnerin selbst als festgesetzt im Sinne der Abgabenordnung gälten. Die Argumentation des Bf., wonach er keine Kenntnis von Abgabenbeträgen gehabt hätte, sei daher ins Leere gegangen.

Der Bf. habe in seiner Beschwerde somit nicht den Nachweis erbracht, dass ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich gewesen sei.

Seine Pflichtverletzung ergebe sich aus der Missachtung der abgabenrechtlichen Bestimmungen. Er hätte Sorge tragen müssen, dass die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für den Haftungszeitraum fristgerecht entrichtet werde.

Auf Grund dieser Tatsachen sei die Beschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen.

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Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht, ohne weiteres Vorbringen zu erstatten.

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Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den Bf. um Bekanntgabe des damaligen Steuerberaters der Gesellschaft, der von ihm für die Selbstberechnung und Meldung der haftungsgegenständlichen Kommunalsteuern 2019 beauftragt worden sei, sowie um Vorlage einer Erklärung, mit der er diesen von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung entbinde.

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Dazu teilte der nunmehr im gegenständlichen Beschwerdeverfahren einschreitende rechtsfreundliche Vertreter mit Schreiben vom mit, derzeit keinen Kontakt zu seinem Mandanten zu haben, weshalb ihm die Informationen fehlten, um das Ersuchen zu beantworten.

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Mit Eingabe vom gab der Vertreter bekannt, das das Vollmachtsverhältnis zum Bf. aufgelöst worden sei.

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In der am in Abwesenheit des Bf. durchgeführten mündlichen Verhandlung brachte der Magistrat der Stadt Wien vor, dass die Ergebnisse der GPLA vom , in der festgestellt worden sei, dass die Bezüge von wesentlich beteiligten Geschäftsführern im Falle der Eingliederung in den Organismus der Gesellschaft den lohnabhängigen Abgaben zu unterziehen seien, nicht in diesem Verfahren haftungsrelevant seien. Die Ergebnisse dieser Prüfung seien erst ab November 2021 verarbeitet worden und würden Teil eines nachfolgenden Haftungsverfahrens sein. Die hier haftungsgegenständlichen Nachforderungen hätten sich aufgrund der eingereichten Jahressteuererklärungen, in denen diese Problematik noch kein Thema gewesen sei, ergeben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtsgrundlagen Kommunalsteuer

Gemäß § 9 KommStG 1993 beträgt die Steuer 3% der Bemessungsgrundlage. Übersteigt bei einem Unternehmen die Bemessungsgrundlage im Kalendermonat nicht 1.460 Euro, wird von ihr 1.095 Euro abgezogen.

Gemäß § 11 Abs. 2 KommStG 1993 ist die Kommunalsteuer vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monats (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten.

Rechtsgrundlagen Dienstgeberabgabe

Gemäß § 5 Gesetz über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe beträgt die Abgabe für jeden Dienstnehmer und für jede angefangene Woche eines bestehenden Dienstverhältnisses 2 Euro.

Gemäß § 6 Abs. 1 Gesetz über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe hat der Abgabepflichtige bis zum 15. Tag jedes Monats die im Vormonat entstandene Abgabenschuld zu entrichten.

Geltendmachung von Haftungen

Die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter haften gemäß § 6a KommStG 1993 neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.

Die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter haften gemäß § 6a Gesetz über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Haftungsvoraussetzungen

- Abgabenforderungen gegen die vertretene Gesellschaft
- erschwerte Einbringlichkeit der Abgabenforderungen
- Stellung des Geschäftsführers als Vertreter
- abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters
- dessen Verschulden an der Pflichtverletzung
- Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringlichkeit der Abgaben

Abgabenforderungen

Festgestellt wird, dass folgende haftungsgegenständliche, jedoch nicht mehr vollständig aushaftende und daher bereits im Haftungsbescheid verminderte Abgaben mit den entsprechenden Jahreserklärungen seitens der Primärschuldnerin gemeldet wurden:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag in €
Dienstgeberabgabe
2018
1.048,00
Dienstgeberabgabe
2019
4.204,00
Kommunalsteuer
2019
22.531,27


Informativ wird festgestellt, dass die Prüfungsergebnisse aus der GPLA vom , auf die der Bf. in seinen Beschwerdegründen Bezug nimmt, im gegenständlichen Haftungsbescheid nicht enthalten sind.

Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 224 Abs. 3 BAO ist die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.

Da die haftungsgegenständlichen Abgaben nicht bescheidmäßig festgesetzt, sondern im Haftungsbescheid erstmals geltend gemacht wurden, war die Entstehung des Abgabenanspruches zu prüfen:

Ein im Rahmen der Selbstberechnung vom Steuerschuldner selbst berechneter und der Abgabenbehörde bekannt gegebener Kommunalsteuerbetrag ist gemäß § 11 Abs. 3 KommStG 1993 vollstreckbar. Wird kein selbstberechneter Betrag der Abgabenbehörde bekannt gegeben oder erweist sich die Selbstberechnung als nicht richtig, hat die Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid zu erfolgen. Von der Erlassung eines solchen Abgabenbescheides kann abgesehen werden, wenn der Steuerschuldner nachträglich die Selbstberechnung binnen drei Monaten ab Einreichung der Abgabenerklärung berichtigt; erweist sich die Berichtigung als nicht richtig, hat die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen.

Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann gemäß § 201 Abs. 1 BAO nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung setzt das Bestehen einer Abgabenschuld voraus, nicht jedoch, dass diese Schuld dem Abgabenschuldner gegenüber auch bereits geltend gemacht wurde. Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung an diesen Abgabenbescheid zu halten. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung hingegen kein Abgabenbescheid voran, so ist das Bestehen der Abgabenschuld und dessen Höhe als Vorfrage im Haftungsverfahren zu entscheiden. Insbesondere ist bei Selbstbemessungsabgaben, zu denen noch kein Bescheid gemäß § 11 Abs. 3 KommStG (bzw. gemäß § 201 Abs. 1 BAO für die Dienstgeberabgabe) erlassen wurde, im Haftungsverfahren über den Abgabenanspruch abzusprechen (vgl. ).

Eine Festsetzung der Kommunalsteuer hat gemäß § 11 Abs. 3 KommStG bzw. § 201 Abs. 1 BAO nur dann zu ergehen, wenn die Behörde von der eingereichten Erklärung abweicht (vgl. ).

Da die Behörde im Haftungsbescheid von den Erklärungen nicht abgewichen ist und die dort bekanntgegebenen Beträge seitens des Bf. unbestritten geblieben sind, durfte von der Entstehung des Abgabenanspruches ausgegangen werden.

Erschwerte Einbringlichkeit

Die Haftungen nach § 6a KommStG sowie § 6a DGAG sind keine Ausfallshaftungen, es ist lediglich vorausgesetzt, dass die Abgaben nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können. Dies gilt nach den genannten Haftungsbestimmungen insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Im Beschwerdefall steht sogar die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-3 der über das Vermögen der G-1 am D-1 eröffnete Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben wurde. Danach wurde die Gesellschaft am D-4 im Firmenbuch infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Vertreterstellung

Unbestritten ist auch, dass der Bf. im Zeitraum vom D-5 bis D-2 Geschäftsführer der vormaligen G-2 war, die nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer in G-1 umbenannt wurde, obwohl der Bf. auch danach noch deren alleiniger Gesellschafter blieb.

Schuldhafte Pflichtverletzung

Ihm oblag daher in diesem Zeitraum die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Festzustellen war, dass die haftungsgegenständlichen Kommunalsteuern gemäß § 11 Abs. 2 KommStG und die haftungsgegenständlichen Dienstgeberabgaben gemäß § 6 Abs. 1 DGAG jeweils am 15. des Folgemonats fällig waren, weshalb der Bf. für deren Entrichtung Sorge zu tragen hatte, da deren Fälligkeiten in den Zeitraum seiner Geschäftsführungstätigkeit fielen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (; ).

Dass der vom Bf. vertretenen Gesellschaft überhaupt keine liquide Mittel zur Verfügung gestanden seien, wurde nicht behauptet und findet sich dafür in den Akten auch keinerlei Anhaltspunkt.

Gleichbehandlung

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Im gegenständlichen Fall wurde vom Bf. lediglich behauptet, sämtliche Gläubiger gleichbehandelt zu haben. Es wäre jedoch an ihm, dem als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zustand, gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen (), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ().

Weist der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Den im Rahmen der besonderen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht zur Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel geforderte Liquiditätsstatus - in Form einer Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und Verbindlichkeiten im Zeitraum der jeweiligen Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bis zu seinem Ausscheiden aus der Geschäftsführung, wobei es auf die Abgabenverbindlichkeiten einerseits und die Summe der übrigen Verbindlichkeiten andererseits ankommt - hat der Bf. jedoch trotz mehrmaliger Ankündigungen nicht aufgestellt.

Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung des Bf. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden somit nicht in Betracht ().

Vertretbare Rechtsansicht

Dem Einwand mangelnden Verschuldens, weil sich der Bf. eines Steuerberaters bedient habe, der die Lohnabrechnungen aufgrund von vertretbaren Rechtsansichten durchgeführt habe, ist entgegenzuhalten, dass nach dem Vorbringen des Magistrates der Stadt Wien in der mündlichen Verhandlung die Ergebnisse der GPLA vom , in der festgestellt wurde, dass die Bezüge von wesentlich beteiligten Geschäftsführern im Falle der Eingliederung in den Organismus der Gesellschaft den lohnabhängigen Abgaben zu unterziehen sind, in diesem Verfahren nicht haftungsrelevant sind, da die Ergebnisse dieser Prüfung erst ab November 2021 verarbeitet wurden und Teil eines nachfolgenden Haftungsverfahrens sein werden. Die hier haftungsgegenständlichen Nachforderungen ergaben sich vielmehr ausschließlich aufgrund der eingereichten Jahressteuererklärungen, in denen diese Problematik noch kein Thema war.

Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Vom Bf. wurden keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.

Ergebnis

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 6a Abs. 1 KommStG und DGAG erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die im Haftungsbescheid geltend gemachten Abgabenschuldigkeiten der G-1 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 6a WDGAG, Wr. Dienstgeberabgabegesetz, LGBl. Nr. 17/1970
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400044.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at