1.) unrichtige Angabe des Vornamens des Bescheidadressaten in einer Beschwerdevorentscheidung 2.) Festsetzung der Anspruchszinsen erfolgt verschuldensunabhängig
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag.Dr. Wolfgang Pagitsch in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über deren Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich (vormals Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln ) vom , über die Festsetzung von Anspruchszinsen hinsichtlich der Jahre 2013, 2014 und 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I.) Die Beschwerde wird gem. § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Bisheriger Verfahrensgang
Die belangte Behörde setzte mit Bescheiden vom Anspruchszinsen für das Jahr 2013 iHv € 138,32, für das Jahr 2014 iHv € 153,13 und für das Jahr 2015 iHv € 59,30 fest. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am fristgerecht Beschwerde und begründete diese zusammenfassend damit, dass die Festsetzung der Anspruchszinsen im Wesentlichen durch falsche telefonische Informationen des Finanzamtes verursacht worden sei. Sie habe im August 2014 Probleme bei der Arbeitnehmerveranlagung 2013 hinsichtlich der Eintragung der bezugauszahlenden Stellen gehabt und das Finanzamt telefonisch um Hilfe gebeten. Im Zuge dessen sei sie aber vom Finanzamt nicht darauf hingewiesen worden, dass sie eine Einkommensteuererklärung abgeben müsse. Erst mit Schreiben vom und sei sie aufgefordert worden hinsichtlich der streitgegenständlichen Jahre Einkommensteuererklärungen einzureichen, wodurch die Verzögerungen zustande gekommen seien.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass es sich bei der Vorschreibung von Anspruchszinsen nicht um eine Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde handle und Ansprüche auf Aussetzungszinsen unabhängig von einem allfälligen Verschulden der Abgabepflichtigen oder der Abgabenbehörde entstehen würden.
Am stellte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag. Sie verwies dabei auf ihre Begründung in der Beschwerde und führte ergänzend an, dass die Beschwerdevorentscheidung an eine Frau ***Name1*** gerichtet worden sei, welche es an dieser Adresse gar nicht gebe. Dieser Umstand zeige erneut die oberflächliche Arbeitsweise des Finanzamtes.
Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte diese als unbegründet abzuweisen. Sie führte im Vorlagebericht einschlägige Judikatur an, aufgrund welcher sie ihre Rechtsansicht stütze.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde der gegenständliche Akt der bisher zuständig gewesenen Richterin wegen Versetzung in den Ruhestand gem. § 9 Abs. 9 BFGG abgenommen und der Gerichtsabteilung 1080 zugewiesen, wobei der ausgewiesene Richter diese Gerichtsabteilung mit übernahm.
Über die Beschwerde wurde erwogen
Festgestellter Sachverhalt
Die Einkommensteuer betreffend die Jahre 2013, 2014 und 2015 wurde erstmals am festgesetzt. Sie betrug hinsichtlich des Jahres 2013 € 3.168,00, des Jahres 2014 € 6.204,00 und des Jahres 2015 € 7.029,00. Es wurden von der Beschwerdeführerin keine Anzahlungen geleistet.
Die Beschwerdevorentscheidung vom wurde an ***Name1***, ***Bf1-Adr*** gerichtet.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig. Fraglich ist, ob die Festsetzung der Anspruchszinsen dem Grunde nach zu Recht erfolgte und die Beschwerdevorentscheidung rechtswirksam ergangen ist.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
1.)Zur Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung
Gem. § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
Bei einer physischen Person ist idR der Vor- und Zuname anzuführen (vgl. ; ; ).
Eine unrichtige Bezeichnung des Bescheidadressaten ist dann unbeachtlich, wenn diese offenbar auf einem Versehen beruht und der Adressat zweifelsfrei feststeht (, ZfVB 1993/2/608; ) bzw. wenn nach der Verkehrsauffassung keine Zweifel an der Identität des Empfängers bestehen (zB ; ). Ein Deuten eines bloß fehlerhaft bezeichneten Bescheidadressaten ist zulässig und geboten, wenn die Identifizierung des Adressaten durch die fehlerhafte Bezeichnung nicht in Frage gestellt wäre und kein Zweifel an der Identität des Empfängers bestünde ().
Streitgegenständlich ist der belangten Behörde zu folgen, dass in einer Gesamtschau in objektiver Betrachtungsweise eindeutig erkennbar ist, dass die Beschwerdevorentscheidung vom für die Beschwerdeführerin bestimmt war, auch wenn im besagten Bescheid ein unrichtiger Vorname angeführt ist. Diese Würdigung ergibt sich allein schon daraus, dass weder zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch der -zustellung an der von der belangten Behörde richtig angegebenen Adresse ***Bf1-Adr*** eine ***Name1*** wohnhaft war und im Spruch auf "die Beschwerde vom , eingelangt am ," und "die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2013 bis 2015, erlassen jeweils vom ," verwiesen wurde, welche ausschließlich mit der Beschwerdeführerin in Verbindung zu bringen waren. Darüber hinaus hatte selbst die Beschwerdeführerin keine Zweifel, dass die Beschwerdevorentscheidung für sie bestimmt war, hat sie doch auf diese unmittelbar und rechtzeitig mittels Vorlageantrag reagiert und gab an, dass es sich bei der unrichtigen Vornamennennung "sicher nur um einen Schreibfehler gehandelt habe, welcher die oberflächliche Arbeitsweise des Finanzamtes unterstreiche." Da somit nach der Verkehrsauffassung keine Zweifel an der Identität des Empfängers bestanden und für alle Parteien der Bescheidadressat zweifelsfrei feststand, ist deren unrichtige Bezeichnung als unbeachtlich zu qualifizieren. Eine Berichtigung gem. § 293 BAO erübrigt sich aufgrund des ohnehin eingebrachten Vorlageantrages.
2.)Zur Festsetzung der Anspruchszinsen
Gem. § 205 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013 sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge ausa)Aufhebungen von Abgabenbescheiden,b)Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,c)auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenenRückzahlungsbescheiden.
Gem. § 205 Abs. 2 BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013 betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.
Gem. § 205 Abs. 3 BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013 kann der Abgabepflichtige, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Anzahlungen sowie Mehrbeträge zu bisher bekannt gegebenen Anzahlungen gelten für die Verrechnung nach § 214 am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig. Wird eine Anzahlung in gegenüber der bisher bekannt gegebenen Anzahlung verminderter Höhe bekannt gegeben, so wirkt die hieraus entstehende, auf die bisherige Anzahlung zu verrechnende Gutschrift auf den Tag der Bekanntgabe der verminderten Anzahlung zurück. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen. Soweit keine solche Verrechnung zu erfolgen hat, sind die Anzahlungen gutzuschreiben; die Gutschrift wird mit Bekanntgabe des im Abs. 1 genannten Bescheides wirksam. Mit Ablauf des Zeitraumes des Abs. 2 dritter Satz sind noch nicht verrechnete und nicht bereits gutgeschriebene Anzahlungen gutzuschreiben.
Gem. § 205 Abs. 4 BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013 wird die Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen (Nachforderungszinsen) durch Anzahlungen in ihrer jeweils maßgeblichen Höhe vermindert. Anzahlungen (Abs. 3) mindern die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen nur insoweit, als sie entrichtet sind.
Anspruchszinsen sind eine objektive Rechtsfolge, um (mögliche) Zinsvorteile oder Zinsnachteile auszugleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben. Die Verzinsung von Nachforderungen soll bspw. auch der Tendenz entgegenwirken, zu Nachforderungen führende Abgabenerklärungen möglichst spät einzureichen (vgl. ErläutRV 311 BlgNR 21. GP 196; ). Sie sind weder Sanktion noch Druckmittel oder gar Strafe, sondern Ausgleich für die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen ().
Wesentlich ist zudem, dass § 205 BAO nicht die Gründe berücksichtigt, aus welchen im Einzelfall Differenzbeträge an Einkommensteuer oder Körperschaftssteuer, die sich aus Abgabenbescheiden ergeben, nicht bis 1.10. des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres entrichtet wurden. Insbesondere kommt es nicht auf ein Verschulden des Abgabepflichtigen oder der Abgabenbehörde am Entstehen zinsenrelevanter Nachforderungen an. Damit hat der Gesetzgeber klar zu erkennen gegeben, dass er die Ursachen, die zur Abgabenentrichtung nach dem dort genannten Zeitpunkt geführt haben, im Anwendungsbereich des § 205 grundsätzlich als unmaßgeblich erachtet hat. Entscheidend ist somit die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw. Zinsnachteilen. Für die Anwendung des § 205 ist daher bedeutungslos, aus welchen Gründen die Abgabenfestsetzung früher oder später erfolgte (vgl. ; ; -I/04).
Weiters liegt die Festsetzung der Anspruchszinsen aufgrund des eindeutigen Wortlautes des Gesetzes ("sind festzusetzen") nicht im Ermessen (vgl. ; ), sondern ist zwingend vorzunehmen.
Streitgegenständlich stützt sich die Beschwerdeführerin allein darauf, dass der belangten Behörde durch unrichtige Auskünfte ein (Mit)verschulden an der verspäteten Festsetzung der Einkommensteuer träfe und daher die Anspruchszinsen zu Unrecht festgesetzt worden seien.
Mit dieser Argumentation kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verholfen werden. Wie oben ausgeführt, handelt es sich bei der Festsetzung von Anspruchszinsen um die objektive Rechtsfolge für die verspätete Festsetzung von Einkommensteuer und erfolgt diese unabhängig von einem allfälligen Verschulden der Abgabepflichtigen oder der Abgabenbehörde.
Es ist unstrittig, dass die Einkommensteuer 2013 bis 2015 erstmals am bescheidmäßig festgesetzt wurde. Aus diesem Grund waren von der belangten Behörde für die verspätete erstmalige Festsetzung der Einkommensteuer entsprechend des § 205 BAO Anspruchszinsen zwingend ab 1.10. des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruches folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide, höchstens aber für einen Zeitraum von 48 Monaten, festzusetzen. Ein von der Beschwerdeführerin behauptetes mögliches (Mit)verschulden der Abgabenbehörde war daher nicht zu prüfen und wird daher mangels Entscheidungsrelevanz auf eine nähere Erörterung der Umstände für die verspätete Einreichung der Einkommensteuererklärungen nicht eingegangen.
Es gibt daher in diesem Verfahren keine Möglichkeit, einen allenfalls durch unrichtige oder unvollständige Information seitens des Finanzamtes entstandenen Vertrauensschaden zu berücksichtigen (vgl. ; ). Dahingehend stehen gegebenenfalls andere Rechtsbehelfe zur Verfügung.
Die Dauer der Verzinsung und in der Folge die Höhe der Anspruchszinsen ist unstrittig und wurden seitens des Gerichtes keine Berechnungsfehler festgestellt. Als Bemessungsgrundlage wurde von der belangten Behörde richtigerweise die jeweilige Nachforderung an Einkommensteuer herangezogen, zumal keine Anzahlungen geleistet wurden.
Zusammenfassend erweisen sich die streitgegenständlichen, für die Jahre 2013, 2014 und 2015 2009 ergangenen Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen gem. § 205 BAO als rechtskonform, weshalb die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr ergibt sich die Rechtsfolge unmittelbar aus dem Gesetz und der oben zitierten einheitlichen Rechtsprechung.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7104937.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at