Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 11.08.2023, RV/7103681/2022

Eine wiederholte Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO aufgrund desselben Wiederaufnahmegrundes ist unzulässig (vgl. VwGH 18.10.2007, 2002/14/0104)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7103681/2022-RS1
Der Umstand, dass der Beschwerde gegen einen Wiederaufnahmebescheid (mit Beschwerdevorentscheidung) durch Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides Folge gegeben wird, steht einer neuerlichen Wiederaufnahme nur dann nicht entgegen, wenn sich die neuerliche Wiederaufnahme auf einen anderen Wiederaufnahmegrund stützen kann.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Anna Radschek, die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger, sowie die fachkundigen Laienrichter Hermann Greylinger und Ing. KomzlR. Hans Eisenkölbl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch CENTURION Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Hegelgasse 8 Tür 14, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO betreffend Einkommensteuer 2019 und betreffend Einkommensteuer 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Andrea Newrkla

I.a. zu Recht erkannt:

Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO vom betreffend Einkommensteuer 2019 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

b. beschlossen:

Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2019 wird gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos erklärt.

II. Gegen dieses Erkenntnis sowie gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO am

Nachdem der Einkommensteuerbescheid 2019 am erklärungsgemäß ergangen war, wurde mit Bescheid vom das Verfahren gemäß § 303 BAO wiederaufgenommen und gleichzeitig ein neuer Einkommensteuerbescheid erlassen. Als Begründung für die Wiederaufnahme wurde Folgendes angeführt:

"Wir haben das Verfahren nach § 303 Abs. 1 Bundesabgabenordnung wiederaufgenommen, da es nachträglich eine oder mehrere der folgenden Änderungen gegeben hat:

- Ein Lohnzettel wurde berichtigt oder neu übermittelt
- Eine Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen wie Arbeitslosengeld
oder Notstandshilfe wurde berichtigt oder neu übermittelt.

Die nähere Begründung finden Sie im neuen Einkommensteuerbescheid."

Im Einkommensteuerbescheid vom findet sich dazu folgende Begründung:

"Wir haben nachträglich Informationen zu Lohnzettelangaben oder Transferleistungen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe erhalten. Die Beträge finden Sie in der Aufstellung."

Den im Anhang angeführten Lohnzetteln kann entnommen werden, dass der Lohnzettel der ***1*** AG insofern abgeändert wurde, als bei gleichbleibenden Bruttobezügen die mit festen Sätzen versteuerten Bezüge von 1.177.516,32 Euro auf 46.980,00 Euro herabgesetzt und die einbehaltene Lohnsteuer von 1.434.185,21 Euro auf 1.993.395,97 Euro erhöht wurde.

Diesen Bescheiden war ein Auskunftsersuchen gemäß § 90 EStG 1988 der steuerlichen Vertretung der ***1*** vom vorausgegangen, dessen Thema die korrekte Besteuerung der dem Beschwerdeführer mit Auflösung des Vorstandsvertrages und des im Zeitraum der Vorstandstätigkeit ruhenden Dienstvertrages zuerkannten Abfertigung war.

Nachdem das Finanzamt in seiner Auskunft vom eine Besteuerung der Abfertigung ausschließlich nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 als korrekt bezeichnet und dies auch neuerlich in einer E-Mail vom bekräftigt hatte, ersuchte die steuerliche Vertretung der ***1*** mit Schreiben vom um bescheidmäßige Festsetzung der Lohnsteuer. Am erging der Bescheid über die Haftung zur Abfuhr der Lohnsteuer für den Zeitraum 12/2019 für eine Nachzahlung in Höhe von 559.210,76 Euro.

2. Beschwerde vom

In der fristgerecht sowohl gegen den Wiederaufnahme- als auch gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 vom eingebrachten Beschwerde beantragte die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers die ersatzlose Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides. Als Begründung wurde angeführt, dass die dem Beschwerdeführer zugeflossenen Einkünfte der Finanzverwaltung jederzeit bekannt gewesen seien, und daher keine Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 303 BAO vorlägen.

Gleichzeitig werde die Veranlagung zur Einkommensteuer 2019 unter Zugrundelegung der gesetzlichen Abfertigung von 9 Monatsbezügen im begünstigten Verfahren, sowie der freiwilligen Abfertigung von 3 Monatsbezügen im begünstigten Verfahren beantragt.

Im Detail werde dazu Folgendes ausgeführt:

Der Beschwerdeführer sei in der Zeit vom bis Dienstnehmer der ***1*** AG gewesen. Mit Wirkung ab sei er in den Vorstand der ***1*** AG berufen und hierbei mit ausdrücklicher Vereinbarung sein Angestelltenverhältnis ruhend gestellt worden.

Die diesbezüglichen Vorstandsverträge seien jeweils befristet ausgefertigt bzw. vereinbart, zuletzt sei mit Wirkung ab bis ein Vorstandsvertrag abgeschlossen worden.

Mit Beendigungsvereinbarung vom sei eine vorzeitige, einvernehmliche Beendigung der Vorstandstätigkeit mit Wirkung ab erfolgt. Gleichzeitig sei festgehalten worden, dass der mit Wirkung ab ruhend gestellte Angestelltendienstvertrag aus dem Jahr 2002 wieder in Kraft trete.

Gleichzeitig sei ein befristetes Dienstverhältnis mit Wirkung ab bis vereinbart worden, wobei hier wesentlich geänderte und zwar verringerte Bezüge vereinbart und sonstige Vertragsänderungen vorgenommen worden seien.

Demzufolge sei im Jahr 2019 an den Beschwerdeführer eine begünstigte Abfertigung ausbezahlt worden, welche nunmehr seitens der Finanzverwaltung aus unerklärlichen Gründen neu durchgerechnet werde.

Nach Zitierung der in den Lohnsteuerrichtlinien in den Rz. 1074ff getroffenen Regelungen wurde eingewandt, dass offensichtlich seitens des Dienstgebers eine den Richtlinien widersprechende Auslegung der Finanzverwaltung herbeigeführt worden sei, die sich weder aus den Richtlinien noch aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ableiten lasse.

Es werde daher die Abrechnung bzw. Veranlagung unter Anwendung der freiwilligen Abfertigung von 3 Monatsbezügen sowie der gesetzlichen Abfertigung von 9 Monatsbezügen, somit der sich daraus ergebenden Lohnsteuer von EUR 287.144,57 und eine Gutschrift nach entsprechender Veranlagung der bereits vom Dienstgeber einbehaltenen und somit zu viel bezahlten Lohnsteuer in der Höhe von rund EUR 900.000,00 begehrt.

Abschließend wurde die Entscheidung durch den gesamten Senat gemäß § 272 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a BAO und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs. 1 Ziff. 1 lit. a BAO beantragt.

3. Beschwerdevorentscheidung vom :

Mit Schriftsatz vom wurde der Beschwerdeführer ersucht, im Zusammenhang mit der Erledigung bzw. Bearbeitung der eingebrachten Beschwerde gegen den Wiederaufnahmsbescheid sowie den Einkommensteuerbescheid 2019 das Lohnkonto bzw. die entsprechenden Abrechnungen des Dienstgebers ***1*** AG für 2019 vorzulegen.

Darüber hinaus sollte auch eine Stellungnahme des Dienstgebers ***1*** AG vorgelegt werden, warum die ***1*** AG die Abfertigung nicht begünstigt lohnbesteuert habe und welche diesbezüglichen Voraussetzungen aus Sicht der ***1*** AG nicht vorgelegen seien.

Unter Bezugnahme auf den Vorhalt vom gab die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers bekannt, auf Grund des gegenständlichen Rechtsstreites zwischen der ***1*** AG und dem Beschwerdeführer könnten keine ergänzenden Unterlagen seitens der ***1*** AG beigebracht werden. Es sei aber unstrittig, dass die ***1*** AG mit Gutachten ihres steuerlichen Beraters vom die zunächst von ihr vorgenommene korrekte Abrechnung der Abfertigung des Beschwerdeführers habe neuerlich begutachten lassen, aber zunächst einen korrekten Dienstzettel ausgefertigt habe.

Aufgrund der den Medien zu entnehmenden politischen Einflussnahme sei nicht nur eine vorzeitige Beendigung der Vorstandstätigkeit des Beschwerdeführers durch die Organe der ***1*** AG herbeigeführt, sondern - wie ja allgemein bekannt - auch eine fragwürdige Nachbesetzung vorgenommen worden. Dies alles habe letztlich zu einer Anfragebeantwortung des damaligen Finanzamtes Wien ***3*** geführt, anlässlich der Herr ***HR*** ebenfalls unter Missachtung der einschlägigen Regeln in den Lohnsteuerrichtlinien - die nunmehr revidierte Rechtsansicht der ***1*** AG bestätigt und unter vollständiger Missachtung der Dienstzeiten, die nicht als Vorstand bei der ***1*** AG geleistet worden seien, die Besteuerung nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 bestätigt habe.

Wie bereits in der Beschwerde ausgeführt, sei der Beschwerdeführer aber in der Zeit von bis regulärer Dienstnehmer der ***1*** AG und erst mit Wirkung auf Vorstand der ***1*** AG gewesen.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen und in der Begründung dazu ausgeführt, verfahrensrechtlich stelle ein neuer bzw. berichtigter Lohnzettel eine neue Tatsache im Sinne des. § 303 BAO dar. Zwar habe sich die Höhe der zugeflossenen Einkünfte nicht verändert, die steuerrechtliche Beurteilung habe aber eine Änderung erfahren (§ 67 Abs. 3 EStG 1988 und § 67 Abs. 6 EStG 1988).

Gegenständlich sei es im Zusammenhang mit der Abberufung des Vorstandes zu einer Gesamtbereinigung gekommen und sei - auch wenn der Vorstandsvertrag formell vorzeitig beendet worden sei - in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Vorstandsvertrag vollinhaltlich erfüllt worden. Auch wenn der Vertrag nicht vorzeitig beendet, sondern einfach nicht mehr verlängert worden wäre, wäre ebenfalls ein Jahresgehalt an Abfertigung aus dem Vorstandsvertrag zu zahlen gewesen.

Zwar sei vereinbart worden, dass die bisher im Angestelltenverhältnis zurückgelegten Jahre als Dienstzeit angerechnet würden, es sei aber nirgends vereinbart worden, welcher Teil der Abfertigung auf die Zeit als Angestellter entfallen sollte.

Für die Anwendung der LStR 2002 Rz 1076 sei es aber erforderlich, dass die Zeiten beim selben Arbeitgeber und nicht nur innerhalb des Konzerns zurückgelegt würden und es eine diesbezügliche Vereinbarung über eine Nachzahlung einer gesetzlichen Abfertigung gebe. Dies sei im gegenständlichen Sachverhalt nicht erfolgt. Die Anrechnung der Dienstzeit mache eine freiwillige Abfertigung nicht zu einer (teilweisen) gesetzlichen Abfertigung. Dies erhelle sich insbesondere, wenn man den Fall betrachte, in dem ein Arbeitgeber vertraglich Zeiten aus einem vorangegangenen Dienstverhältnis berücksichtige. Auch in diesem Fall läge, insoweit Dienstzeiten angerechnet würden, eine freiwillige Abfertigung vor.

Die Anwendung der Rz 1076 setze voraus, dass die Zeiten nicht nur beim selben Dienstgeber zurückgelegt würden, sondern auch bei der Beendigung eine entsprechende Vereinbarung getroffen werde, welcher Zeitraum und in welcher Höhe die Angestelltenzeiten abzufertigen seien.

Auch wenn diese im Sinne der Rz 1076 der Lohnsteuerrichtlinien zu einem späteren Zeitpunkt abgefertigt würden, könnten sie nur insoweit im Rahmen des § 67 Abs. 3 EStG 1988 als Nachzahlung einer gesetzlichen Abfertigung berücksichtigt werden, als diesem Teil einer Abfertigung das letzte Gehalt als Angestellter zugrunde gelegt würde.

Dem Beschwerdebegehren hinsichtlich der Anwendung der Rz 1076 könne aufgrund der obigen Ausführungen nicht gefolgt werden, weil insbesondere nicht unterschieden werden könne, in welcher Höhe die Angestelltenzeiten hätten abgefertigt werden sollen.

Mangels anderslautenden Vereinbarungen sei daher die Abfertigung insgesamt als freiwillige Abfertigung zu werten und könne nicht in eine gesetzliche und in eine freiwillige Abfertigung aufgeteilt werden.

4. Vorlageantrag vom

Mit Schriftsatz vom wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, und zwar sowohl die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid als auch die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 im wiederaufgenommenen Verfahren begehrt und der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 lit a BAO sowie die Entscheidung des gesamten Senates gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 lit a BAO wiederholt.

Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die von der Abgabenbehörde vorgetragene Sachverhaltsdarstellung unrichtig sei.

Im Rahmen der Abberufung der Vorstandsfunktion - die im Übrigen wie mittlerweile bekannt rein politisch und nicht sachlich begründet gewesen sei - sei die ursprüngliche dienstrechtliche Vereinbarung automatisch wieder in Kraft getreten, und daher komme die von der steuerlichen Vertretung des Beschwerdeführers herangezogene Randzahl der Lohnsteuerrichtlinien 2002 exemplarisch zur Anwendung.

Die Darstellungsweise - es wäre nirgends vereinbart, welcher Teil der Abfertigung auf die Zeit als Angestellter entfalle - könne wohl nur so verstanden werden, dass die Abgabenbehörde meine, man könne die Zeit der Angestelltentätigkeit, also jener Tätigkeit in welcher der Beschwerdeführer nicht Vorstandsmitglied gewesen sei, nicht ermitteln. Dies lasse sich aber aus der Lohnverrechnung sowie auch aus den vorliegenden Unterlagen wie Dienstvertrag, Aufsichtsratsbeschlüsse zur Vorstandsberufung und die Beendigungsvereinbarung jederzeit tageweise feststellen.

Nur der Vollständigkeit halber werde auf die Beschwerde verwiesen, in der die Zeiträume tag-genau festgehalten seien.

Der Beschwerdeführer sei nämlich von bis Dienstnehmer der ***1*** AG gewesen, mit Wirkung ab in den Vorstand berufen worden, und im Vorstand bis gewesen. Danach sei er wieder in den ruhenden Angestelltendienstvertrag eingetreten, der aus dem Jahr 2002 stamme.

Es wäre ja vielmehr unerklärlich, wenn die Zeit der Angestelltentätigkeit nicht aus dem arbeitsrechtlichen Verhältnis ableitbar wäre, sondern von der Vereinbarung der Beendigung der Vorstandstätigkeit abhängig wäre. Es könnte ja dann einvernehmlich festgelegt werden, dass als Vorstandstätigkeit für Zwecke der Abfertigung etwa nur 1 Monat zu Grunde gelegt werde, und die restliche Zeit als "Angestelltenzeit". Diese Auslegung würde aber wohl weder den Lohnsteuerrichtlinien noch der geltenden Verwaltungsgerichtshofs-Judikatur entsprechen.

Gänzlich unerklärlich sei die vorgetragene Meinung, der Beschwerdeführer wäre nicht bei der ***1*** AG beschäftigt gewesen. Die Abgabenbehörde möge doch bekanntgeben, bei welcher Konzerngesellschaft der Beschwerdeführer beschäftigt gewesen sei.

Soweit bekannt seien alle Bezüge einschließlich jener des Vorstandsbezuges von der ***1*** AG ausbezahlt worden. Die Verträge seien mit der ***1*** AG abgeschlossen worden (Dienstvertrag, Vorstandsvertrag, Auflösungsvertrag). Die Lohnzettel seien alle von der ***1*** AG dem Finanzamt elektronisch gemeldet worden.

Gänzlich unverständlich sei auch die Rechtsansicht, es müsste mit demselben Dienstgeber eine Vereinbarung getroffen werden, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe eine Abfertigung aus den Angestelltenzeiten bezahlt würden. Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers sei bis jetzt der Meinung gewesen, dass das Angestelltengesetz automatisch zur Anwendung komme, wenn eben keine Vorstandstätigkeit vorliege. Offensichtlich verwechsle die Abgabenbehörde hier die organschaftliche Vertretung, die von der dienstrechtlichen zu unterscheiden sei. Mit anderen Worten, wenn ein Dienstnehmer in den Vorstand berufen werde und danach aus dem Vorstand wieder ausscheide, sei natürlich sein Dienstverhältnis automatisch wieder aktiv gesetzt, und seien daher auch die entsprechenden Regeln des Angestelltengesetzes zur Anwendung zu bringen.

Dies sei im Übrigen beim Beschwerdeführer so ausdrücklich vereinbart worden, sodass es nicht notwendig gewesen sei, über die Abfertigung und die Zeiträume aus seiner Dienstzeit eine Regelung zu treffen, da diese ja kraft Gesetz so festgelegt sei. Sollte die Abgabenbehörde diese arbeitsrechtliche Frage anders einschätzen, so werde um entsprechende Argumentation gebeten, da sie sich hier im völligen Gegensatz zu der arbeitsrechtlichen Judikatur der Arbeitsgerichte befinde.

5. Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung gemäß § 299 BAO

Mit Bescheid vom wurde die Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 299 Abs. 1 BAO aufgehoben und gleichzeitig eine neue Beschwerdevorentscheidung erlassen, in der

I. der Beschwerde vom gegen den Bescheid vom über die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2019 stattgegeben und der Bescheid vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2019 aufgehoben wurde; und

II. die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 vom gemäߧ 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos erklärt wurde.

In der Begründung wurde nach Zitierung der gesetzlichen Bestimmung des § 299 Abs. 1 BAO ausgeführt, der Spruch der Beschwerdevorentscheidung vom erweise sich als insoweit unrichtig, als dass die Beschwerde vom gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2019 zu Unrecht abgewiesen worden sei. Dem Beschwerdevorbringen wäre zu folgen gewesen, da im Wiederaufnahmebescheid keine neuen Tatsachen bzw. Beweismittel angeführt worden seien. Die Korrektur/Übermittlung eines Lohnzettels stelle für sich alleine keine neue Tatsache dar, soweit die Einkünfte dem Finanzamt schon vorher bekannt gewesen seien.

Auf Grund der Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom sei über die Beschwerde vom neu zu entscheiden gewesen. Der Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid vom sei - wie oben bereits angeführt - mangels Anführung von zur Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO berechtigenden Gründen stattzugeben gewesen.

Infolge der Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides, sei die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos zu erklären gewesen.

Der Vorlageantrag vom trete gemäß § 264 Abs. 7 BAO ex lege aus dem Rechtsbestand.

Zur Information werde an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass vom Finanzamt eine neuerliche Wiederaufnahme mit der Anführung von konkreten Beweismitteln und Tatsachen, die nach abgeschlossenem Verfahren neu hervorgekommen seien, verfügt werden würde.

6. Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO am

Mit Bescheid vom wurde das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2019 (Bescheid vom ) gemäß § 303 Abs. 1 BAO neuerlich wiederaufgenommen und auf die zusätzliche Begründung, die gesondert zugehen werde, verwiesen.

Gleichzeitig wurde der neue Einkommensteuerbescheid erlassen, der jenem vom vollinhaltlich entspricht und ebenfalls auf die (zusätzliche) Begründung, die gesondert zugehen werde, verweist.In der gesondert übermittelten Begründung wurde zunächst betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens nach Zitierung der Bestimmung des § 303 Abs. 1 lit. b. BAO ausgeführt, nachstehende Beweismittel seien der Bescheid festsetzenden Stelle im Finanzamt Österreich (Anm.: Dienststelle ***2*** des Finanzamt Österreich) erst nach Erlassung des Einkommensteuerbescheides vom zur Kenntnis gelangt:

  1. Ersuchen um Ergänzung vom sowie Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom .

  2. Auskunftsersuchen der ***1*** AG (***1***) vom (eingebracht beim damals zuständigen Finanzamt ***3***): In diesem Auskunftsersuchen sei der zu beurteilende Sachverhalt, der der nunmehrigen Neuveranlagung der Einkommensteuer 2019 zu Grunde zu legen sei, erstmalig vollumfänglich offengelegt und der Bescheid festsetzenden Stelle zur Kenntnis gebracht worden. In diesem Zusammenhang werde auf die Begründung zum Einkommensteuerbescheid 2019 verwiesen und sei die dort dargestellte Sachverhaltsdarstellung auch als Begründungsinhalt der Wiederaufnahme des Verfahrens anzusehen.

  3. Beantwortung Auskunftsersuchen der ***1*** vom vom damals zuständigen Finanzamt ***3***.

  4. Ersuchen um bescheidmäßige Festsetzung von Lohnsteuer gemäß. § 202 BAO der ***1*** vom , da die ***1*** ursprünglich zu wenig Lohnsteuer betreffend die Abfertigungszahlung ans Finanzamt abgeführt hätte.

  5. Haftungsbescheid ***1*** betreffend Lohnsteuer vom iHv 559.210,76 Euro. Der Haftungsbescheid sei relevant für die im Rahmen der Veranlagung vorzunehmende Lohnsteueranrechnung und im Ergebnis für die Steuerfestsetzung.

  6. Korrigierter Lohnzettel vom .

Auf Grund der oben genannten neuen Beweismittel habe sich für die bescheidfestsetzende Stelle im Finanzamt Österreich (Anm.: Dienststelle ***2*** des Finanzamt Österreich) der gesamte Sachverhalt erhellt, nämlich, dass die Abfertigungszahlung der Besteuerung als freiwillige Abfertigung und nicht - wie im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 2019 vom - als gesetzliche Abfertigung gern. § 67 Abs. 3 EStG zu beurteilen sei. Die gesamten Beweismittel seien der Bescheid festsetzenden Stelle des Finanzamt Österreich nach der ursprünglichen Veranlagung zur Kenntnis gelangt. Die neu hervorgekommenen Beweismittel führten zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid, nämlich hinsichtlich des Gesamtbetrages der Einkünfte sowie der Höhe der Steuerfestsetzung.

Das Finanzamt stütze sich für die gegenständliche Wiederaufnahme sohin nicht einzig auf den neuen Lohnzettel, sondern habe sich der für die Wiederaufnahme maßgebliche Sachverhalt auf Grund der oben genannten Beweismittel erhellt. Ordnungshalber werde angemerkt, dass die Anfrage gemäß § 90 EStG 1988 sowie die diesbezügliche Beantwortung des damals zuständigen Finanzamtes ***3*** erst am an die Dienststelle ***2*** übermittelt worden seien, und daher erst zu diesem Zeitpunkt vollinhaltliche Kenntnis über den in der Anfrage dargelegten Sachverhalt bestanden habe. Der Lohnsteuerhaftungsbescheid sei erst am an die Dienststelle ***2*** des Finanzamtes Österreich übermittelt worden. Auch dieser sei für die vollumfängliche Sachverhaltserhellung und Veranlagung notwendig, insbesondere für die Höhe der anrechenbaren Lohnsteuer und der damit verbundenen Steuerfestsetzung gewesen.

Da die neuerliche Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens aus anderen bzw. erstmalig geltend zu machenden Gründen verfügt werde als jenen, auf die sich der aufzuhebende Bescheid gestützt habe, könne das Verfahrenshindernis einer bereits entschiedenen Sache nicht vorliegen (vgl. ; , jeweils mit weiteren Hinweisen).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs komme es im Übrigen auch auf den Kenntnisstand der Bescheid festsetzenden Stelle und nicht auf den Kenntnisstand einer anderen Stelle/Abteilung in der Finanzverwaltung an (vgl. ).

In der Begründung zum Einkommensteuerbescheid 2019 wurde ausgeführt, es sei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2019 folgender Sachverhalt zu Grunde zu legen, welcher vom seinerzeitigen Dienstgeber, der ***1*** AG (***1***) dem Finanzamt zur rechtlichen Beurteilung vorgelegt worden sei:

Der Beschwerdeführer sei im Zeitraum von bis aktiver Dienstnehmer der ***1*** gewesen. Der ursprüngliche Dienstvertrag sei auf bestimmte Zeit vereinbart gewesen und hätte mit enden sollen. Mit seiner per erfolgten Bestellung in den Vorstand der ***1*** hätten der Beschwerdeführer und die ***1*** das Anstellungsverhältnis nicht beendet, sondern bloß ruhend gestellt und einen Vorstandsvertrag abgeschlossen, der vorsehe, dass bei Ende der Vorstandsfunktion dieses (alte) Anstellungsverhältnis wiederaufleben sollte.

Nach Wiedergabe einzelner Punkte aus dem Vorstandsvertrag wurde ausgeführt, die letzte Wiederbestellung des Beschwerdeführers in den Vorstand sei mit Wirkung zum erfolgt und bis befristet gewesen. Mit Beendigungsvereinbarung vom sei die bis zum befristete Vorstandsfunktion einvernehmlich früher, nämlich mit , beendet worden. Die Beendigung sei im Rahmen einer strategischen Neuausrichtung des Unternehmens erfolgt, im Zuge derer die Eigentümervertreter den Beschluss zu einer Neubesetzung des Vorstands gefasst hätten. Die Neubesetzung aus unternehmensstrategischer Gründen sei für den Vorstand in seiner Gesamtheit erfolgt. Im Zuge dieser Neuausrichtung seien neben der Abberufung des Beschwerdeführers zwei Drittel des Vorstandes neu besetzt worden.

In der Beendigungsvereinbarung sei in Punkt 7 Folgendes vereinbart worden:

"Der Dienstvertrag [...], die während der Dauer der Vorstandsbestellung ruhten, leben mit Wirkung ab wieder auf. Das Dienstverhältnis ab ist bis zum befristet. Es endet zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es einer gesonderten Kündigung bedarf. Während der Befristung ist eine ordentliche Kündigung des Dienstverhältnisses ausgeschlossen. Betreffend eine allfällige Entlassungsmöglichkeit wird auf Punkt VI des Dienstvertrages vom 6.3./ verwiesen.

Als laufendes Entgelt im Zeitraum zwischen 1. Mai und erhält Herr KR ***Bf1*** als Dienstnehmer jene Bezüge (Fixum zuzüglich Sonderzahlungen zuzüglich Akontierung des Bonus 2019), die ihm nach Maßgabe des Vorstandvertrages im Falle einer Ausübung seiner Vorstandstätigkeit bis zugestanden wären. Soweit nicht ohnedies bereits erfolgt, werden sämtliche Dienstzeiten ab seinem Eintritt () und auch der Zeitraum der Karenzierung während der Vorstandstätigkeit als durchgehendes Dienstverhältnis behandelt und als Vordienstzeiten angerechnet. Mit Beendigung des Dienstverhältnisses am erhält der Dienstnehmer eine gesetzliche Abfertigung in Höhe eines Jahresbezuges."

Außerdem hätten die Parteien für den Zeitraum bis (dem ursprünglichen Ende des alten, bisher ruhenden Dienstverhältnisses) ein befristetes Dienstverhältnis abgeschlossen, während dessen Dauer der Dienstnehmer dienstfrei gestellt sei.

Aus der Zusammenschau aller dieser Vereinbarungen zwischen dem Beschwerdeführer und der ***1*** ergebe sich in wirtschaftlicher Betrachtungsweise, dass mit dem bis befristeten Dienstverhältnis in Wirklichkeit nur der Vorstandsvertrag mit der Wiederbestellung zum bis erfüllt worden sei.

Diese Rechtsansicht des Finanzamtes sei der ***1*** auf Grund des Ersuchens um Erteilung einer Rechtsauskunft gemäß § 90 EStG vom wie folgt zur Kenntnis gebracht worden:

"Die bis zum befristete Vorstandsfunktion wurde einvernehmlich mit beendet. Auch bei Abberufung des Vorstandes sind dennoch die Ansprüche aus dem Vorstandsvertrag grundsätzlich zu erfüllen (vgl. § 75 Abs. 4 letzter Satz AktG). Bei der Bezahlung der Abfertigung zum handelt es sich in der im Vorstandsvertrag vereinbarten Höhe um die Erfüllung der vertraglichen Vereinbarung. Daher ist diese Abfertigung nach den Bestimmungen des § 67 Abs. 6 EStG 1988 zu versteuern. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Vorstandsfunktion mit einvernehmlich beendet wurde und das Wiederaufleben des Angestelltenverhältnisses mit einem befristeten Dienstverhältnis bis vereinbart wurde. Bei der Übernahme der aus dem Vorstandsvertrag gebührenden Abfertigung in das Angestelltenverhältnis handelt es sich um eine vertragliche Übernahme von Abfertigungsansprüchen und nicht um gesetzliche Abfertigungsansprüche gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988, sodass in dieser Höhe eine freiwillige Abfertigung iSd § 67 Abs. 6 EStG 1988 gegeben ist, die entsprechend dieser Bestimmungen zu versteuern ist. Lediglich eine allfällig über das vertragliche aus dem Vorstandsvertrag gebührende Ausmaß hinaus bezahlte Abfertigung kann bei Vorliegen der Voraussetzungen gegebenenfalls als gesetzliche Abfertigung gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 versteuert werden.

In wirtschaftlicher Betrachtungsweise und nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt ist der Sachverhalt daher so zu beurteilen, wie wenn der Vorstandsvertrag bis zum Ablauf der Befristung mit erfüllt worden wäre. In diesem Fall wäre eine Besteuerung der aus dem Vorstandvertrag gebührenden Abfertigung ebenfalls gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 vorzunehmen gewesen (vgl. LStR 2002 Rz 1076). Die Übernahme der Abfertigung in ein Angestelltenverhältnis kann daher nicht bewirken, dass die Versteuerung der Abfertigung gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 anstatt § 67 Abs. 6 EStG 1988 zu erfolgen hat. In diesem Sinne hat der VwGH im Erkenntnis vom , Ra 2015/15/0037 bereits ausgeführt, dass für steuerliche Belange auch nicht immer uneingeschränkt auf arbeitsrechtliche Vorschriften abzustellen ist.

Auf die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 wird überdies hingewiesen."

Ergänzend zu den oben dargestellten Erwägungen wird vom Finanzamt bezüglich Rz 1076 der Lohnsteuerrichtlinien ausgeführt, für deren Anwendung sei es erforderlich, dass die Zeiten beim selbenArbeitgeber und nicht nur innerhalb des Konzerns zurückgelegt würden, und es eine diesbezüglicheVereinbarung über eine Nachzahlung einer gesetzlichen Abfertigung gebe.

Dies sei im gegenständlichen Sachverhalt nicht erfolgt. Die Anrechnung der Dienstzeit mache einefreiwillige Abfertigung nicht zu einer (teilweisen) gesetzlichen Abfertigung. Dies erhelle sich insbesondere, wenn man den Fall betrachte, in dem ein Arbeitgeber vertraglich Zeiten aus einemvorangegangenen Dienstverhältnis berücksichtige. Auch in diesem Fall liege, insoweit Dienstzeiten angerechnet würden, eine freiwillige Abfertigung vor.

Die Anwendung der Rz 1076 der Lohnsteuerrichtlinien setze also - wie bereits ausgeführt - voraus, dass die Zeiten nicht nur beim selben Dienstgeber zurückgelegt würden, sondern auch bei der Beendigung eine entsprechende Vereinbarung getroffen werde, welcher Zeitraum und in welcher Höhe die Angestelltenzeiten abzufertigen seien.

Auch wenn diese iSd Rz 1076 zu einem späteren Zeitpunkt abgefertigt würden, könnten sie nur insoweit im Rahmen des § 67 Abs. 3 EStG 1988 als Nachzahlung einer gesetzlichen Abfertigung berücksichtigt werden, als diesem Teil einer Abfertigung das letzte Gehalt als Angestellter zugrunde gelegt würde.

Mangels anderslautenden Vereinbarungen sei daher die im gegenständlichen Fall ausbezahlte Abfertigung insgesamt als freiwillige Abfertigung zu werten und könne nicht in eine gesetzliche und in eine freiwillige Abfertigung aufgeteilt werden.

Im Ergebnis sei es im Zusammenhang mit der Abberufung des Vorstandes daher zu einer Gesamtbereinigung gekommen und sei - auch wenn der Vorstandsvertrag formell vorzeitig beendet worden sei - in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Vorstandsvertrag vollinhaltlich erfüllt worden. Auch wenn der Vertrag nicht vorzeitig beendet, sondern einfach nicht mehr verlängert worden wäre, wäre ebenfalls ein Jahresgehalt an Abfertigung aus dem Vorstandsvertrag zu zahlen gewesen. Zwar sei vereinbart worden, dass die bisher im Angestelltenverhältnis zurückgelegten Jahre als Dienstzeit angerechnet würden, es sei aber nirgends vereinbart, welcher Teil der Abfertigung auf die Zeit als Angestellter entfalle.

7. Beschwerde vom

In der fristgerecht sowohl gegen den Wiederaufnahmsbescheid als auch gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 gerichteten Beschwerde verwies die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers zunächst auf die Begründung der Beschwerde vom sowie auf die Beantwortung des Ergänzungsansuchens vom und weiters auf den Vorlageantrag vom .

Darüber hinaus wurde ausgeführt, die Abgabenbehörde sei offensichtlich nunmehr seit bemüht, die Rechtsansicht, welche in den Lohnsteuerrichtlinien verankert sei, zu ignorieren und eine sowohl dem Arbeitsrecht wie auch den Richtlinien und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes widersprechende Rechtsansicht durchzusetzen.

Offensichtlich sei dies bisher nicht wirklich gelungen, so dass bereits eine Aufhebung nach § 299 BAO betreffend die Beschwerdevorentscheidung hätte erfolgen müssen, da die Abgabenbehörde die verfahrensrechtlich vorgesehenen Regeln- nach ihrer eigenen Einschätzung- im Zusammenhang mit diesem Rechtsmittelverfahren missachtet habe.

Umso mehr habe sie jedoch die klaren Regeln der in den Lohnsteuerrichtlinien festgelegten Abgrenzungen zwischen Vorstandstätigkeit und einfacher Dienstnehmertätigkeit missachtet. In diesem Zusammenhang werde auf den Vorlageantrag vom verwiesen, in dem dies im Detail dargelegt worden sei.

Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274Abs. 1 Ziffer 1 lit. b BAO sowie der Antrag auf Entscheidung des gesamten Senates gemäß §272 Abs. 2 Ziffer 1 lit. a BAO werde wiederholt.

Sollte die Abgabenbehörde noch eine ergänzende Begründung für den Wiederaufnahmebescheid nachliefern, würde auch zu diesen Ausführungen gerne Stellung genommen werden.

Sollte die zusätzliche Begründung zum Wiederaufnahmsbescheid irrtümlich noch nicht übermittelt worden sein, werde diesbezügliche eine neuerliche oder erstmalige Zustellung beantragt.

Mit Interesse werde der mündlichen Verhandlung, sowie auch der noch zu übermittelten gesonderten Begründung entgegengesehen.

8. Beschwerdevorentscheidungen vom

a. Die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmsbescheid wurde als unbegründet abgewiesen und in der Begründung den Ausführungen des Beschwerdeführers, er habe die gesonderte Begründung vom zum Wiederaufnahmsbescheid vom nicht erhalten, entgegengehalten, dass die Begründung am vom steuerlichen Vertreter (Anm.: ZustellvolImacht vorhanden) in der Databox im FinanzOnline gelesen worden sei; dies könne durch die nachstehend dargestellte technische Auswertung in Zusammenschau mit dem vorhandenen Akteninhalt belegt werden.

Der Vollständigkeit halber werde angemerkt, dass die verfahrensrechtliche Korrektur der ursprünglich (mangels Nennung von Wiederaufnahmsgründen) unrichtigen Wiederaufnahme auch im Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers erfolgt sei. Sofern nämlich der ursprüngliche Wiederaufnahmsbescheid vom vom Bundesfinanzgericht aufgehoben worden wäre, wäre automatisch der Zustand vor der verfügten Wiederaufnahme eingetreten. Dies hätte zur Folge gehabt, dass der Bescheid vom wieder wirksam geworden wäre. In der Sache wäre nie entschieden worden, und die vom Beschwerdeführer beantragte Lohnsteuergutschrift würde jedenfalls ins Leere verlaufen. Gleich verhalte es sich im gegenständlichen Verfahrensstadium. Wenn der Wiederaufnahmebescheid vom Bundesfinanzgericht aufgehoben würde, bestehe für den Beschwerdeführer keine Möglichkeit mehr, dass das Bundesfinanzgericht in der Sache, nämlich über die Frage, ob es sich um eine gesetzliche oder freiwillige Abfertigung handle, entscheide - und genau dies liege ja im Interesse des Beschwerdeführers, dass über diese Rechtsfrage abgesprochen werde. Die Ordnungsmäßigkeit der Wiederaufnahme werde immer zuerst geprüft. Insofern sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer sich dagegen wende, dass von der Abgabenbehörde ein verfahrensrechtlich korrekter Rechtszustand herbeigeführt werde

b. Auch die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 vom wurde als unbegründet abgewiesen und in der Begründung ausgeführt, in der Beschwerde vom sei nichts Ergänzendes mehr vorgebracht, sondern auf die bisherigen Schriftsätze verwiesen worden.

Dazu sei in der gesonderten Begründung vom von der Abgabenbehörde ausreichend Stellung bezogen worden. Auch sei aufgezeigt worden, weshalb die vom Beschwerdeführer zitierte Randziffer in den Lohnsteuerrichtlinien im vorliegenden Fall keine Anwendung finde.

Im Ergebnis sei die Rechtsansicht, weshalb es sich aus sich der Abgabenbehörde um eine freiwillige Abfertigung handle, eingehend erörtert worden.

9. Vorlageantrag vom

Der Beschwerdeführer beantragte fristgerecht die Vorlage seiner Beschwerde gegen den Wiederaufnahmsbescheid und den Einkommensteuerbescheid 2019 an das Bundesfinanzgericht und wiederholte seinen Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem gesamten Senat.

10. Vorlagebericht vom

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte nach kurzer, zusammengefasster Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens die Abweisung der Beschwerden. Dazu wurde auf die Ausführungen in der Beantwortung der § 90-Anfrage sowie der gesonderten Begründung zum Einkommensteuer- und Wiederaufnahmebescheid 2019 verwiesen. Die in den vorstehend genannten Erledigungen getroffene rechtliche Beurteilung werde vollinhaltlich aufrechterhalten.

Mündliche Verhandlung am

In der antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung führte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers aus, es gebe keinen Wiederaufnahmegrund, weil eine andere rechtliche Würdigung keinen Grund nach § 303 BAO darstelle. Zu den Sachbescheiden werde festgehalten, dass der Beschwerdeführer seit 1998 bis Dienstnehmer der ***1*** gewesen und ab Vorstand der ***1*** geworden sei, bis und danach habe er wieder bis in ein Angestelltenverhältnis gewechselt. In allen Vorstandsdienstverträgen sei festgehalten worden, dass ein Angestelltenverhältnis für die Zeit seiner Vorstandstätigkeit ruhend gehalten werde, dass bei Wegfall der Vorstandstätigkeit sein Angestelltenverhältnis wiederaufleben sollte. Verwiesen werde auf die Randziffern 1074 und 1076 der Lohnsteuerrichtlinien. Dazu werde die Frage gestellt, warum diese für den Beschwerdeführer nicht gelten sollten.

Der Vertreter der belangten Behörde, Herr ***F1***, erklärte betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens, dass es diesbezüglich ursprünglich einen Verfahrensfehler gegeben habe, weil der neue Lohnzettel einfach eingespielt worden sei. In der Folge wurde sei dieser Wiederaufnahmebescheid aufgehoben und durch einen neuen ersetzt worden, in dem auch die neuen Tatsachen angeführt worden seien, von denen das Finanzamt vor der Erlassung des Erstbescheides keine Kenntnis gehabt habe.

Der weitere Vertreter der belangten Behörde, Herr ***F2***, gab an, die Anwendung der RZ 1076 der Lohnsteuerrichtlinien sei deshalb nicht in Frage gekommen, weil bereits im Vorstandsvertrag festgehalten worden sei, dass der Beschwerdeführer bei Ausscheiden aus der Vorstandsfunktion jedenfalls (unabhängig von dem Zeitraum seiner Tätigkeit) ein Jahresgehalt als Abfertigung erhalten sollte. Damit sei klar, dass sich die geleistete Abfertigung ausschließlich aus dem Vorstandsvertrag ergeben habe. Auf die Dienstnehmertätigkeit sei nicht Bezug genommen worden. Es sei daher von einer freiwilligen Abfertigung auszugehen, wobei nicht bestritten werde, dass auch § 67 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 zur Anwendung kommen müsse.

Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers ergänzte, dass dieser sein Dienstverhältnis bei der ***X*** auf Wunsch der ***1*** gekündigt habe, weshalb ihm auch die vertraglich festgelegte Indexierung seines Gehaltes gewährt worden sei, weil das Dienstverhältnis bei der ***X*** definitiv unkündbar gewesen sei. Dadurch hätten sich die sonst von der ***1*** an die ***X*** zu refundierenden Kosten um 20% Umsatzsteuer für die ***1*** vermindert.

Im Übrigen wies der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers nochmals darauf hin, dass seines Wissens die Berichtigung eines Lohnzettels durch den Arbeitgeber keinen Wiederaufnahmegrund nach § 303 BAO darstellen könne. Die Auszahlungsbeträge seien ident, nur die rechtliche Würdigung, unter welchen Absatz diese nach § 67 EStG 1988 fielen, sei unterschiedlich. Nach sämtlichen Literaturmeinungen sei die rechtliche Würdigung eines unverändert gebliebenen Sachverhaltes keine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 BAO, sondern lediglich eine andere rechtliche Würdigung. Die BAO lasse Folgeberichtigungen bei geänderten Lohnzetteln in anderen Paragrafen zu.

Die Angestelltentätigkeiten des Beschwerdeführers hätten bis 2006 107 Monate und danach von 2019 bis 2022 38 Monate umfasst.

Der Behördenvertreter, ***F2***, wandte ein, im Rahmen des befristeten Dienstverhältnisses ab sei vereinbart worden, dass dieses dem BMSVG unterliegen sollte.

Nach Beratung des Senates verkündete die Vorsitzende gemäß § 277 Abs. 4 BAO

1. das Erkenntnis, dass der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO betreffend Einkommensteuer 2019 gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben werde;

2. den Beschluss, dass die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2019 gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos erklärt werde

Die Revision wurde für unzulässig erklärt.

In der Begründung führte die Vorsitzende im Wesentlichen aus, eine Wiederaufnahme auf Grund des gleichen Wiederaufnahmegrundes sei unzulässig, da ihr die bereits entschiedene Sache entgegenstehe. Die rechtliche Folge der Gegenstandsloserklärung der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid ergebe sich aus § 261 Abs. 2 BAO.

Da die Entscheidung der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entspreche, werde die ordentliche Revision nicht zugelassen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Bescheid vom wurde die Veranlagung des Beschwerdeführers zur Einkommensteuer 2019 erklärungsgemäß vorgenommen und die Besteuerung eines Betrages in Höhe von 1.177.516,32 Euro gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 mit dem festen Satz von 6% vorgenommen. Als einbehaltene Lohnsteuer wurde ein Betrag in Höhe von 1.434.185,21 Euro ausgewiesen.

Mit Bescheid vom wurde das Verfahren gemäß § 303 BAO wiederaufgenommen und gleichzeitig ein neuer Einkommensteuerbescheid erlassen, in dem nunmehr lediglich ein Betrag in Höhe von 46.980,00 Euro mit 6% besteuert und die einbehaltene Lohnsteuer nunmehr in Höhe von 1.993.395,97 Euro ausgewiesen wurde.

Als Wiederaufnahmegrund wurde die Berichtigung bzw. Neuübermittlung eines Lohnzettels sowie nachträglich erhaltene Informationen zu Lohnzettelangaben genannt, wobei auf die Beträge in der Aufstellung hingewiesen wurde.

Der Wiederaufnahmebescheid vom wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung aufgehoben, der Beschwerde sei mangels Anführung von zur Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO berechtigenden Gründen stattzugeben gewesen.

Der im Rahmen der am neuerlich verfügten Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2019 erlassene Einkommensteuerbescheid 2019 stimmt hinsichtlich Bemessungsgrundlagen und Besteuerung mit jenem vom überein. Im Wiederaufnahmebescheid werden nunmehr aber all jene Unterlagen aufgezählt, die der belangten Behörde erst nach der ursprünglichen Veranlagung zur Einkommensteuer 2019 am zur Kenntnis gelangt sind.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den zitierten von der belangten Behörde vorgelegten Bescheiden und ist insoweit auch nicht strittig.

Strittig ist ausschließlich, ob der Wiederaufnahmsbescheid vom einen anderen Wiederaufnahmsgrund nennt als der Wiederaufnahmsbescheid vom .

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe bzw. Gegenstandsloserklärung)

a. Betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO mit Bescheid vom

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 305 BAO steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des nach § 307 Abs. 1 BAO aufzuhebenden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3 BAO) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die Neufassung des § 303 BAO ist mit in Kraft getreten (nach § 323 Abs. 37 BAO). Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist - wie schon nach der Regelung vor der Änderung durch das Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012 (FVwGG 2012) - die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind. Die Begriffe "Tatsache, Beweismittel und Vorfragen" wurden durch das FVwGG 2012 nicht geändert (vgl. Ritz/Koran BAO7, § 303 Rz 12).

Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden sollen, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei, bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde (vgl. ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gehört der maßgebliche Wiederaufnahmetatbestand in den Spruch des Bescheides (vgl. ; , 90/13/0027; , 91/14/0165; , 96/16/0135). Lässt der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen, so ist die Begründung als Auslegungsbehelf heranzuziehen.

Die Wiederaufnahmegründe sind in der Begründung anzuführen. Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. beispielsweise ; , 90/14/0044; , 91/14/0165; , 93/14/0187, 0188) sich die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann. Sie habe lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen.

Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmegründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides ist nicht "nachholbar".

Die Begründung von Verfügungen der Wiederaufnahme hat nicht nur (je Bescheid) die entsprechenden Wiederaufnahmegründe anzugeben, sondern auch die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel darzustellen. (vgl. ).

Das Bundesfinanzgericht hat, sofern die Bescheidausführungen des wiederaufnehmenden Finanzamtes mangelhaft sind, ausgehend von dem genannten Wiederaufnahmegrund, diesen zu prüfen und zu würdigen und gegebenenfalls erforderliche Ergänzungen vorzunehmen (vgl. ; , 90/16/0003; , Ra 2021/13/0133).

Es ist Aufgabe der Abgabenbehörden, die von ihnen verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen und Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind (vgl. z.B. ). Soll eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des § 303 BAO zulässig sein, dann muss aktenmäßig erkennbar sein, dass dem Finanzamt nachträglich Tatumstände zugänglich gemacht wurden, von denen es nicht schon zuvor Kenntnis gehabt hat (vgl. z.B. ).

Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die gemäß § 305 Abs. 1 BAO für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde. Aufgabe des Bundesfinanzgerichtes bei der Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen eine amtswegige Wiederaufnahme durch das Finanzamt ist es (nur), zu prüfen, ob dieses das Verfahren aus den von ihm gebrauchten Gründen wiederaufnehmen durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf Umstände gestützt, die keinen Wiederaufnahmegrund darstellen, muss das Bundesfinanzgericht den vor ihr angefochtenen Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben (vgl. ). Am Finanzamt liegt es dann, ob es etwa neu entdeckte andere Wiederaufnahmsgründe aufgreift und zu einer (auch) neuerlichen Wiederaufnahme heranzieht (vgl. , und die dort zitierte Judikatur).

Bei einem verfahrensrechtlichen Bescheid wie dem der Wiederaufnahme von Amts wegen wird die Identität der Sache, über die vom Finanzamt abgesprochen wurde, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr angewandten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde.

Die Ergänzung einer mangelhaften Begründung der auf Grund der Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Wiederaufnahmebescheide in Richtung der tatsächlich vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrundlagen stellt kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar (vgl. ;mwN).

Hat das Finanzamt hingegen eine Wiederaufnahme auf Umstände gestützt, die keinen Wiederaufnahmegrund darstellen, ist der Bescheid im Berufungsverfahren (nunmehr Beschwerdeverfahren) ersatzlos aufzuheben, was auch bereits durch Berufungsvorentscheidung (Beschwerdevorentscheidung) erfolgen kann (vgl. ; mwN).

Wiederholte Wiederaufnahmen eines Verfahrens sind zulässig, wenn jeweils die diesbezüglichen Voraussetzungen vorliegen (vgl. ; , 2008/15/0327).

"Neue" Wiederaufnahmegründe könnten (nach der Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides mit Beschwerdevorentscheidung oder mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes) neuerlich zu einer Verfügung der Wiederaufnahme durch die Abgabenbehörde führen.

Der Umstand, dass der Beschwerde gegen einen Wiederaufnahmebescheid (mit Beschwerdevorentscheidung) durch Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides Folge gegeben wird, steht einer neuerlichen Wiederaufnahme, die sich auf einen anderen Wiederaufnahmegrund stützen kann, nicht entgegen.

Auch eine Entscheidung betreffend Wiederaufnahme wird rechtskräftig und steht - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - einer neuerlichen Entscheidung über denselben Wiederaufnahmegrund entgegen. Auch insoweit wird die Identität der Sache durch den Tatsachenkomplex abgegrenzt (vgl. ).

Die Bestimmungen zur Wiederaufnahme wurden zwar mit dem FVwGG 2012 geändert. Betreffend die amtswegige Wiederaufnahme erfolgte aber inhaltlich keine Abänderung. Ein Bescheid, mit dem - wie hier mit Beschwerdevorentscheidung vom - die amtswegige Verfügung einer Wiederaufnahme aufgehoben wurde, ist daher weiterhin bindend (vgl. ).

Das Finanzamt hatte mit Bescheid vom zunächst das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2019 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wiederaufgenommen und stützte die Wiederaufnahme auf die berichtigten Lohnzettel und die nachträglich erhaltenen Informationen zu den Lohnzettelangaben, aus denen sich die geänderte Besteuerung der Abfertigung ergibt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hatte das Finanzamt der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde stattgegeben, den Wiederaufnahmebescheid aufgehoben und sodann mit Bescheid vom das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2019 neuerlich gemäß § 303 Abs. 1 BAO wiederaufgenommen. Begründet wurde dies damit, dass dem Finanzamt seit Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2019 vom detailliert angeführte Unterlagen zur Kenntnis gelangt seien, aus denen sich ergebe, dass die an den Beschwerdeführer ausbezahlte Abfertigungszahlung als freiwillige Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 6 EStG 1988 zu behandeln sei.

Damit wurde im zweiten Wiederaufnahmeverfahren kein anderer relevanter Tatsachenkomplex herangezogen als im ersten Wiederaufnahmeverfahren. Somit steht aber die Rechtskraft der Beschwerdevorentscheidung vom der neuerlichen Verfahrenswiederaufnahme entgegen.

Dabei ist zu berücksichtigen, das bereits anlässlich der erstmaligen Wiederaufnahme davon ausgegangen wurde, dass es sich bei der dem Beschwerdeführer gewährten Abfertigung zur Gänze um eine vertragliche und nicht um eine gesetzliche Abfertigung handelt. Desgleichen wurde auch schon im Rahmen des ersten Wiederaufnahmsverfahrens die anzurechnende Lohnsteuer dem mit Haftungsbescheid der Arbeitgeberin des Beschwerdeführers vorgeschriebenen Lohnsteuerbetrag angepasst.

Von der Abgabenbehörde wurde aber anlässlich der Stattgabe der Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens mit Beschwerdevorentscheidung erklärt, dass es sich bei den im Wiederaufnahmebescheid bekannt gegebenen Gründen um keine neuen Tatsachen bzw. Beweismittel handle. Die Korrektur/Übermittlung eines Lohnzettels stelle für sich alleine keine neue Tatsache dar, soweit die Einkünfte dem Finanzamt schon vorher bekannt gewesen seien.

Wenn sich die belangte Behörde diesbezüglich im angefochtenen Bescheid darauf stützt, dass die angeführten Beweismittel der für die Veranlagung des Beschwerdeführers zuständigen Dienststelle erst am bzw. der Lohnsteuerhaftungsbescheid erst am zugekommen seien, mag dies zutreffen. Dass diese Unterlagen aber bekannt sein mussten, um zu der im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung zu gelangen, und diese Unterlagen daher die entscheidungswesentlich neu hervorgekommenen Tatsachen enthielten, wird im Beschwerdefall schon dadurch widerlegt, dass die Abgabenbehörde bereits anlässlich der Erlassung des neuen Sachbescheides nach der ersten Wiederaufnahme zum gleichen Ergebnis gekommen ist, ohne sämtliche Modalitäten zu kennen. Zudem wird auch im angefochtenen Bescheid nicht ausgeführt, aus welchen Gründen die Kenntnis gerade dieser Unterlagen erforderlich gewesen sein sollte, um zu dem nunmehrigen, dem bereits am erlassenen neuen Sachbescheid entsprechenden Bescheid zu gelangen.

Es erweist sich daher der angefochtene Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2019 und dementsprechend die Erlassung eines diesbezüglichen neuen Sachbescheides als inhaltlich rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war daher zur Gänze aufzuheben (vgl. ).

b. Betreffend Einkommensteuerbescheid 2019 vom

Gemäß § 261 Abs. 2 BAO ist, wenn einer Bescheidbeschwerde gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1 BAO) entsprochen wird, eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs. 1 BAO) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) als gegenstandslos zu erklären.

Die Beschwerde gegen den nach Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 307 Abs. 1 BAO am neu erlassenen Einkommensteuerbescheid 2019 war daher mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Beurteilung der Rechtsfrage, ob im gegenständlichen Fall eine neuerliche Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO zulässig war, im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs erfolgte, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 305 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 261 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103681.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at