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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.08.2023, RV/5100069/2023

Berechnung des Einkommens der Mutter, wenn der Sohn Außergewöhnliche Belastungen aus deren Pflege beantragt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Haim in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am wurde die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung vom Beschwerdeführer (Bf.) elektronisch eingebracht.

Es wurden € 15.464,00 als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt geltend gemacht.

Die diesbezüglichen Belege wurden mit Vorhalt vom angefordert und mit Antwort vom vorgelegt.

Im Einkommensteuerbescheid 2020 vom wurden lediglich € 1260,85 anerkannt, diese Aufwendungen lagen unter dem Selbstbehalt.

Begründend wurde ausgeführt: "Pflegebedingte Kosten können grundsätzlich von der pflegebedürftigen Person selbst abgesetzt werden. Reicht das Einkommen dieser Person für die Tragung nicht aus, ist eine Absetzung auch durch andere Personen möglich. In diesen Fällen ist auf den Ausgleichszulagenrichtsatz abzustellen. Dieser beträgt für das Kalenderjahr 2019 für alleinstehende Personen monatlich € 1113,48. Der pflegebedürftigen Person muss der Ausgleichzulagenrichtsatz verbleiben. Der Rest ist für die Bestreitung der Pflegekosten zu verwenden. Bei der Berechnung der Einkünfte Ihrer Mutter wurden die Einkünfte aus Grundstücksveräußerung mitberücksichtigt, was zur Folge hat, dass die Pflegekosten zur Gänze von Ihrer Mutter bestritten werden können. Eine Berücksichtigung ist daher bei Ihnen nicht möglich. (…) Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen haben wir nicht berücksichtigt. Der Grund: Die Aufwendungen sind niedriger als der für Sie gültige Selbstbehalt in Höhe von 5.685,74 Euro."

Dagegen wurde fristgerecht am Beschwerde eingebracht und ausgeführt: "Die Berücksichtigung der Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen bei der Ermittlung der Einkommenshöhe für die Kostentragung der Pflegekosten ist gesetzlich nicht vorgesehen. Für die Berechnung des Einkommens gemäß § 33(1) können lediglich folgende Leistungen berücksichtigt werden: Wochengeld, Arbeitslosengeld, Einkünfte aus begünstigter Auslandstätigkeit, Einkünfte aus einer Entwicklungshilfetätigkeit und Einkünfte aufgrund einer völkerrechtlichen Vereinbarung. Die Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen unterliegen nicht dem Einkommensteuertarif gem. § 33 ESTG und sind nicht in die Berechnung der Einkünfte miteinzubeziehen. Die Kosten für die Pflege meiner Mutter sind daher zu berücksichtigen."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgeführt: "Bei der Beurteilung der Kostenübernahme der Pflegekosten Ihrer Mutter ist von deren Einkommen auszugehen. Das Einkommen setzt sich aus den sieben Einkunftsarten zusammen und hier zählen beispielsweise Einkünfte aus Grundstücksveräußerung zu den sonstigen Einkünften. Im Vordergrund steht hier nicht die Steuerpflicht, sondern die Beurteilung, ob mit dem vorhandenen Einkommen die Pflegekosten beglichen werden können. Da mit dem Einkommen Ihrer Mutter die Pflegekosten beglichen werden können, kann eine Kostenübernahme durch Sie gern. § 34 EStG 1988 nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Es mangelt hier an der Zwangsläufigkeit."

Im rechtzeitig gestellten Vorlageantrag vom wurde ausgeführt: "Bei der Beurteilung der Kostenübernahme der Pflegekosten wird auf den Einkommensbegriff gem. § 2 2 EStG 1988 abgestellt, auch die Berechnung der Selbstbehalte bezieht sich auf den Einkommensbegriff § 2 2 EStG 1988. Im § 30a 1 EstG 1988 ist geregelt, dass Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken im Sinne des § 30 einem besonderen Steuersatz von 30% unterliegen und bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen § 2 Abs. 2 zu berücksichtigen sind. Die Beschwerdevorentscheidung führt als Begründung an, dass auf das vorhandene Einkommen abzustellen. Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden, es müssten in diesem Fall z.B. immer endbesteuerte Kapitalerträge mitberücksichtigt werden, selbst die Pauschalierungsmöglichkeiten gem. § 17 EstG wären in diesem Fall davon betroffen. Die notwendigen steuerlichen Adaptierungen für die Beurteilung des Einkommens betreffend außergewöhnliche Belastungen werden im § 34(5) EstG 1988 abschließend aufgezählt und betreffen ausschließlich Einkünfte gem. § 67 EstG 1988. Endbesteuerte bzw. einem besonderen Steuersatz unterliegende Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 27a) oder aus Grundstücksveräußerungen (§ 30a) sind gemäß § 27a Abs 1 bzw. § 30a Abs 1 bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte beim Einkommen (§ 2 Abs 2) zu berücksichtigen (sofern nicht die Regelbesteuerung anzuwenden ist). Daraus wird geschlossen, dass diese Einkünfte, wenn sie nicht in die Veranlagung einzubeziehen sind, auch nicht die Bemessungsgrundlage für den Selbstbehalt nach § 34 Abs 4 erhöhen (vgl. zB zum Gesetzespaket zur Endbesteuerung, BGBl 1993/12, ÖStZ 1992, 326; sowie EStR 2000 Rz 6224 und 6682) (siehe. EStG: KommentarDoralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn 22. Lieferung, 6. Der Selbstbehalt und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (Fuchs)Fuchs20. LfgMai 2018, Zum aktuellen Rechtsstand von § 34 EStG)"

Die Beschwerde wurde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. machte € € 15.464,00 als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt geltend. Es handelt sich um Pflegekosten seiner Mutter, ***2*** ***1***, St.Nr. 1234. Die Mutter des Bf. hatte im Beschwerdejahr Einkünfte laut Lohnzettel von 19.808,80 und Einkünfte aus einer Grundstücksveräußerung in Höhe von 14.700 (abzüglich ImmoEst € 10.290). Der Ausgleichszulagenrichtsatz betrug im Jahr 2020 € 1113,48.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig.

Strittig ist, ob die Einkünfte aus Grundstücksveräußerung bei der Frage einzurechnen sind, ob die Pflegebedürftige ihre Pflegekosten aus ihrem Einkommen bestreiten konnte.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 EStG 1988) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 leg. cit.) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2),

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3),

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung erwächst zwangsläufig, wenn sich der Steuerpflichtige ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Grundsätzlich hat jeder seine eigenen Pflegekosten aus seinem eigenen Einkommen zu tragen.

Anderes gilt nur, wenn das eigene Einkommen nicht ausreicht.

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die Einkünfte aus Grundstücksveräußerung, die der Mutter im Jahr 2020 zugeflossen sind, für diese Beurteilung heranzuziehen sind oder nicht.

Das Bundesfinanzgericht hatte bereits einen ähnlichen Fall zu beurteilen, bei dem es um die Frage ging, ob die Einkünfte aus Grundstücksveräußerung der Ehegattin bei der Einkommensgrenze des Alleinverdienerabsetzbetrages, den der Ehemann geltend machen wollte, zu berücksichtigen sind. In RV/7101107/2021 vom () wird dazu ausgeführt: "Welche Einkünfte der Besteuerung durch das Einkommensteuergesetz unterliegen, ist in § 2 Abs 3 EStG 1988 geregelt. Demnach sind von der gesetzlichen Bestimmung des § 2 Abs 3 EStG 1988 (unter anderem) sonstige Einkünfte im Sinne des § 29 leg. cit erfasst, zu welchen wiederum (gemäß § 29 Z 2 leg. cit.) Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen (§ 30) zählen. Somit zählen Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen zweifelsfrei zu den sonstigen Einkünften und sind daher von der gesetzlichen Bestimmung des § 2 Abs 3 EStG 1988 erfasst.

Dem Einwand des Bf., dass die gemäß § 30a Abs 1 EStG 1988 einem besonderen Steuersatz von 30% unterliegenden Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken im Sinne des § 30 leg.cit. bei der Berechnung der Einkommensteuer weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§ 2 Abs 2 EStG 1988) zu berücksichtigen sind, sofern nicht die Regelbesteuerung (§ 30a Abs 2 EStG 1988) anzuwenden ist, wird entgegengehalten:

Einkünfte, die dem besonderen Steuersatz unterliegen, bleiben immer dann unbeachtlich, wenn im Rahmen der Einkommensermittlung des Stpfl. auf dessen eigenen Gesamtbetrag der Einkünfte oder Einkommen Bezug genommen wird (zB 10%-Grenze für abzugsfähige Spenden gem. § 18 Abs 1 Z 7, Bemessung des Selbstbehaltes für außergewöhnliche Belastungen gem. § 34 Abs 4). Wird dagegen bloß auf Einkünfte eines anderen Steuerpflichtigen Bezug genommen (zB die 6.000 Euro-Grenze für die Einkünfte des Ehepartners für den Alleinverdienerabsetzbetrag) sind auch die dem besonderen Steuersatz unterliegenden Einkünfte zu berücksichtigen (Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 30a Tz 10). Die zu einem festen ("besonderen") Steuersatz zu besteuernden (positiven) Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Grundstücksveräußerungen zählen nach § 27a Abs 1 und § 30a Abs 1 nur " bei Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen" nicht zum Einkommen (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 33 Tz 44/2).

Dies erschließt sich zum einen eindeutig aus dem Wortlaut der Bestimmung des § 30a leg.cit., die explizit auf die Berechnung der Einkommensteuer des "Steuerpflichtigen" abstellt und zum anderen daraus, dass mit der genannten Bestimmung dem Umstand Rechnung getragen wird, dass bei Inanspruchnahme des besonderen Steuersatzes eine Progressionswirkung für die übrigen Einkünfte des Steuerpflichtigen vermieden werden soll.

Die dem besonderen Steuersatz unterliegenden Einkünfte führen daher für die übrigen Einkünfte des Steuerpflichtigen zu keiner Progressionswirkung, sondern werden in einer gesonderten Schedule besteuert. Wie im Bereich des Kapitalvermögens gilt die Regelung nur für Zwecke der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen. Für die Frage, ob die in § 33 Abs 4 Z 1 normierte Einkunftsgrenze überschritten ist, sind die sonderbesteuerten Einkünfte des Partners anzusetzen (Kanduth-Kristen in Jakom, EStG13, § 30a Rz 2)."

Im gegenständlichen Fall ist zu beurteilen, ob die Einkommensverhältnisse der Mutter des Bf. zur Bestreitung ihrer Pflegekosten ausreichend waren. Die Bestimmungen des §§ 34 ff EStG, die sich mit der Berechnung des Selbstbehaltes beschäftigen, greifen hier nicht, da es eben nicht um den Selbstbehalt des Bf. geht.

Die zu einem festen ("besonderen") Steuersatz zu besteuernden (positiven) Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Grundstücksveräußerungen zählen nach § 27a Abs 1 und § 30a Abs 1 nur " bei Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen" nicht zum Einkommen (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 33 Tz 44/4).

Da somit auf einen anderen Steuerpflichtigen als den Bf. selbst Bezug genommen wird, waren die Einkünfte aus Grundstücksveräußerung einzurechnen. Grund dafür ist, dass die Leistungsfähigkeit der betroffenen Person für den Umfang des Unterstützungsbedarfs von entscheidender Bedeutung ist.

Die Mutter des Bf. war daher in der Lage, mit ihrem Einkommen ihre Pflegekosten zu bestreiten. Beim Bf. erwachsen diese Kosten demnach nicht zwangsläufig, es liegen keine außergewöhnlichen Belastungen vor.

Die Beschwerde war abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100069.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at